Die Zuvorbestimmung der Neuen Schöpfung
Allgemeine Ansichten über Auserwählung. – Der richtige Begriff. – Den Nichterwählten widerfährt kein Unrecht. – Unterschied zwischen „Erwählten“ und „Auserwählten.“ – „Eine Sünde zum Tode.“ – „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ – Die Große Schar. – Die Waschung ihrer weißen Kleider im Blute des Lammes. – Der auserwählte Weinstock und seine Reben. – Verschiedene Erwählungen in der Vergangenheit. – Keine von ihnen war für ewig. – Die Vorbilder Jakob und Esau. – „Jakob habe ich geliebt, und Esau habe ich gehasst.“ – Pharao. – „Gerade darum habe ich dich erweckt.“ – Gott legt dem Willen keine Fesseln an. – Pharao hiervon keine Ausnahme. – „Gott verstockte das Herz Pharaos.“ – Israel das auserwählte Volk. – „Was ist nun der Vorteil der Juden? Viel auf jede Weise.“ – Die auserwählte „Neue Schöpfung“. – Was bedeutet „Gnade“? – Als Erläuterung die königliche Garde. – „Zuvorbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein.“ – „Die nach Vorsatz berufen sind.“ – Eigenschaften und Kennzeichen der Berufenen. – „Ist Gott für uns.“ – Umschreibung der Beweisführung des Apostels. – Das Festmachen unserer Berufung und Erwählung. – Der Lauf in der Rennbahn. – „Ich jage ihm aber nach.“ – „Wissend eure Auserwählung von Gott.“
Die allgemeine Auffassung über die Auserwählung ist sehr wenig befriedigend. Sie setzt Parteilichkeit und Ungerechtigkeit von Gott voraus. Daran ist aber schuld, dass das Wort Gottes in diesem Punkt ganz missverstanden wird. Die biblische Lehre von der Auserwählung hingegen, die wir hier darzulegen uns bemühen werden, ist geradezu großartig, was jeder zugeben muss, der gewahrt, dass die Auserwählung nicht auf Gnade allein, sondern auch auf Gerechtigkeit und Billigkeit gegründet und durchaus unparteiisch ist.
Die irrige Auffassung ist kurz gefasst folgende: Gott habe, da das ganze Geschlecht zu ewiger Qual verurteilt sei, eine kleine Herde auserwählt, die allein dem Verderben entrinnen werde, während alle übrigen einem unsäglich grauenhaften Schicksal entgegengehen, wozu sie die göttliche Vorsehung vor Grundlegung der Welt zuvor bestimmt habe. Das Glaubensbekenntnis von Westminster z.B., das dieser falschen Anschauung den geschicktesten Ausdruck gibt, fügt außerdem noch bei, dass „die erwählte kleine Herde“ nicht wegen irgendeines Verdienstes oder wegen ihrer Würdigkeit, sondern lediglich durch Gottes souveränen Willen gerettet werde.
Die biblische Lehre der Auserwählung aber ist, wie wir zeigen werden, das gerade Gegenteil dieser Ansicht. Nach der Schrift ist der Tod (nicht ewiges Leben in Qual), der alle Menschen um des Ungehorsams des Einen willen ereilt, der Sünde Sold. Nach der Schrift offenbart sich die Gnade Gottes in der Erlösung, die in Christo Jesu ist, in dem Rückkauf der ganzen Menschheit durch sein Blut, das „die Sühnung ist für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die (der ganzen) Welt.“ (1. Joh. 2:2) Gott hatte bestimmt, dass sein eingeborener Sohn das Vorrecht haben sollte, die Menschheit für den Preis seines eigenen Lebens zurückzukaufen und zum Lohn dafür hoch erhöht zu werden, die göttliche Natur zu erhalten. (Band 5, Kapitel 5) Der Sohn soll auch schließlich alle Geschlechter auf Erden segnen, indem er sie zunächst vom Tode auferweckt, sie alsdann zu voller Erkenntnis der Wahrheit bringt und die Willigen und Gehorsamen zu voller menschlicher Vollkommenheit, zu Verhältnissen, die noch herrlicher sind als das Paradies in Eden, zurückführen wird.
Weiter hatte Gott bestimmt, dass sein Eingeborener eine Anzahl Miterben an der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit der Neuen Schöpfung und dem Werk, die Menschheit durch volle Wiederherstellung zu segnen und glücklich zu machen, haben solle. Solche Miterben nennt die Schrift „Heilige“. Das Evangeliums-Zeitalter hatte nicht den Zweck, die Welt zu segnen oder wiederherzustellen, sondern nur aus der Welt eine kleine Herde herauszuwählen, deren Gliedern die Gelegenheit gegeben wird, ihren Glauben, ihre Liebe und ihren Gehorsam zu bewähren und dadurch ihre Berufung und Erwählung festzumachen. (2. Petr. 1:10) Aber diese Erwählung bedeutet für die Nichterwählten nichts Schreckliches noch Unbilliges. Sie werden nicht bestraft dafür, dass sie nicht auserwählt worden sind. Bei Wahlen in einer Republik geschieht denen, die nicht erwählt werden, auch kein Schade oder Unrecht. Die Wahlen haben nur den Zweck, die passenden Personen in Amt und Würden einzusetzen mit dem Auftrag, durch weise Gesetzgebung und Verwaltung das Gesamtwohl zu fördern. So gereicht auch die Wahl Gottes der Menschheit nicht zum Schaden, sondern zum Segen; denn die Erwählten sollen die königlichen Richter werden, die Könige und Priester des Tausendjahrreiches, unter deren Herrschaft alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen.
Die Schrift macht einen Unterschied zwischen „Erwählten“ und „Auserwählten“. Zu den ersten dürften alle zu zählen sein, die einerseits zu Gott in bestimmte Beziehungen treten – Beziehungen, die sie zur Hoffnung auf die Unsterblichkeit, auf einen Platz in der herrlich gemachten Herauswahl berechtigen, die aber andererseits doch noch abfallen und dann aus der Liste der Erwählten gestrichen werden können. Mit anderen Worten: Alle Geweihten, die die hohe Berufung Gottes zur Neuen Schöpfung annehmen, werden als Erwählte gerechnet, wenn sie in das Lebensbuch des Lammes eingetragen sind und eine Krone für sie in Bereitschaft gestellt worden ist. Werden solche untreu, werden ihre Namen im Buche des Lammes ausgelöscht und ihre Kronen anderen gegeben (Offb. 3:5, 11), so hören sie eben auf, zur erwählten Klasse zu gehören. Die Auserwählten hingegen sind solche, die des Lohnes teilhaftig werden können, den Gott den Getreuen des Evangeliums-Zeitalters verheißen hat, jene, die ihre Berufung und Erwählung dadurch festmachen, dass sie die Bedingungen, an die diese geknüpft ist, getreulich bis in den Tod erfüllen.
Unter denen, die verfehlen, ihre Berufung und Erwählung festzumachen, unterscheidet die Schrift zwei Klassen. Eine Klasse – die jedoch, wie wir Grund haben zu glauben, nicht zahlreich ist – wird nicht nur den besonderen Lohn der Auserwählten, sondern auch das Leben überhaupt verlieren und vom zweiten Tod ereilt werden. Von diesen schreibt Johannes, wenn er hinsichtlich der Herauswahl sagt: „Es gibt Sünde zum (zweiten) Tod; nicht für diese sage ich, dass er bitten soll.“ – 1. Joh. 5:16
Es ist nutzlos, für solche, welche die Sünde zum (zweiten) Tod begehen, zu beten und zu hoffen. Die Sünde wird in der Schrift als die Sünde wider den Heiligen Geist bezeichnet. Sie ist nicht unabsichtlich oder unwissentlich begangen; sie ist das Ergebnis des Beharrens in dem, was, zu Anfang wenigstens, deutlich als unrecht erkannt wurde, später aber zu grober Selbsttäuschung wird. Wer eigenwillig darin beharrt, den übergibt der Herr schließlich dem Irrtum, dem jener vor der Wahrheit den Vorzug gegeben hat. – 2. Thess. 2:10-12
Petrus und Judas erwähnen diese Klasse mit fast denselben Worten. Alle, von denen dort (Judas 11-16 und 2. Petrus 2:10-22) die Rede ist, haben einmal zur Herauswahl gehört. Niemand von ihnen gehörte zur Welt, da diese jetzt nicht gerichtet (auf die Probe gestellt), sondern ihre Prüfungszeit im kommenden Tausendjahrreich haben wird. Statt nach dem Geist in den Fußspuren des Herrn auf dem Pfad der Opferung zu wandeln, „wandeln sie nach ihren Lüsten; und ihr Mund redet stolze Worte, und vorteilshalber bewundern sie Personen“ – sie suchen Menschen zu gefallen, weil dies Vorteil bringt; sie sind weit entfernt davon, ihren Bund zu halten, ihr Opfer bis in den Tod darzubringen. (Judas 16) Petrus beschreibt diese Klasse noch deutlicher. Er sagt, dass sie solche waren, die „entflohen sind den Befleckungen der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi“, aber wiederum in diese verwickelt, davon überwältigt werden (Vers 20), „wie der Hund zu seinem eigenen Gespei zurückkehrt und die gewaschene Sau sich im Kote wälzt.“ (Vers 22) Er vergleicht sie mit Balaam, der von dem geraden Weg abgeirrt ist, weil er den Lohn der Ungerechtigkeit liebte. (Vers 15) Petrus scheint anzunehmen, dass diese Klasse hauptsächlich unter den Lehrern der Herauswahl zu finden sein werde, insbesondere am Ende des Zeitalters, und dass ein Teil ihrer Verkehrtheit darin bestehe, dass sie Herrlichkeiten lästern (Vers 1 und 10), das heißt von solchen Böses reden, die Gott geehrt und in der Kirche „gesetzt“ hat.
Im Hebräerbrief haben wir zwei Beschreibungen von denen, die abfallen, die aufhören, zu den Erwählten gezählt zu werden. In der ersten (6:4-9) spricht der Apostel von solchen, die, nachdem sie die himmlische Gabe und die Güter des zukünftigen Zeitalters geschmeckt, den Heiligen Geist empfangen haben und als Glieder der auserwählten Klasse angenommen wurden, in Sünde fallen – nicht in Sünde, wie sie bei der Schwachheit des Fleisches und der Täuschung durch den Widersacher unvermeidlich ist, sondern in absichtliche, willentliche Abweichung vom geraden Weg. Von diesen sagt der Apostel, es sei unmöglich, sie zur Buße zu erneuern. Sie haben ihren Anteil an den besonderen Gütern, die das Sühnopfer Jesu uns erwarb, gehabt; sie haben aber diese Bevorzugung durch Gott gering geschätzt; sie haben ihren Anteil missbraucht und verbraucht; sie haben also nichts mehr; und da sie dies mit Willen getan haben, so werden hinfort die Anforderungen zur Gerechtigkeit bei ihnen wirkungslos bleiben.
In der zweiten Stelle (Hebr. 10:26, 27, 31) scheint der Apostel eine andere Klasse Abfallender zu meinen, die zwar nicht auf den Sündenpfad abschweifen, noch der Ehrenhaftigkeit zuwider leben, aber den Glauben fahren lassen, der sie gerecht gemacht hatte, und dessen Festhalten Vorbedingung zur Gemeinschaft mit Gott ist.
In beiden Fällen besteht die Schwere des Falles in der Absichtlichkeit: „Wenn wir mit Willen sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben (nachdem wir von Gott soweit begünstigt worden sind, dass er uns Christum zur Weisheit, Rechtfertigung und Heiligung gemacht hat), so bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig.“ (Vers 26) Das von Jesu dargebrachte Opfer löschte die Schuld Adams und den Anteil, den alle Menschen von ihrem Stammvater ererbt haben und der sich in allerlei Schwachheit kundgibt, aus. Für irgendeine absichtliche Schuld unsererseits aber hat unser Herr nichts bezahlt; sündigen wir also absichtlich, so ist infolgedessen kein Teil des Verdienstes Christi, der uns für unsere absichtlichen Vergehungen angerechnet werden könnte, mehr übrig. Wir müssten also die Strafe für absichtliche Sünden selbst bezahlen. Und wenn die Sünden ganz absichtlich gewollt sind, d.h. Schwachheit oder Versuchung keinen Teil daran haben, wenn sie begangen sind, nachdem wir unsere Stellung, unsere Beziehung zum Herrn, klar erkannt haben, dann wird es Sünde zum (zweiten) Tod sein, dann ist jede Hoffnung verloren und nur ein furchtvolles Erwarten des Gerichtes und ein Feuereifer bleibt übrig, der die Widersacher verschlingen wird (Vers 27), alle, die ihm, seiner Gerechtigkeit und seinem Plan wissentlich widerstehen, ihm, der jene Gerechtigkeit ermöglichte durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn.
Im 29. Vers scheint der Apostel solche im Auge zu haben, die, nachdem sie das Erlösungswerk Christi verstanden haben, es für nichts achten, das Blut, durch das der Bund besiegelt worden ist, für gemein (gewöhnlich) halten und so den Geist der Gnade, der Gnade Gottes, der diese Sühne und Gelegenheit zur Aussöhnung mit ihm durch das Opfer und die Belohnung unseres Erlösers beschafft hat, verschmähen. Jemand, der das Gesetz Moses verworfen hat, stirbt ohne Barmherzigkeit (Vers 28), wenn auch nicht den unwiederbringlichen Tod; wer aber den gegenbildlichen Mose und seinen mit seinem Blut versiegelten Bund und somit Gott verachtet, der diese Vorkehrung zu seinen Gunsten getroffen hat, wird viel größerer Strafe wert geachtet werden als jene, die über die Übertreter des Gesetzesbundes kam. Diese Strafe wird insofern größer sein, als es von diesem zweiten Tod keine Auferstehung gibt. Kein Wunder also, dass uns der Apostel darin so ernst ermahnt, ja nicht die Vorkehrungen der göttlichen Gnade abzulehnen; sich außerhalb derselben zu stellen, bedeutet nichts Geringeres, als in die Hände des allmächtigen Gottes zu fallen, des großen Richters, der Sünde nicht entschuldigen kann, dessen einzige, aber auch hinreichende Gnadenvorkehrung für den Sünder in der Erlösung durch unseren Herrn Jesum Christum besteht.
Die Große Schar
Doch gehen nicht alle, die aus der Liste der Erwählten gestrichen werden, in den zweiten Tod. Außer diesen gibt es, wie oben angedeutet, eine viel zahlreichere Klasse, deren Glieder verfehlen, ihre Berufung und Erwählung festzumachen. Sie gehen nicht in den zweiten Tod, weil sie sich weder absichtlich einem sündigen Wandel ergeben, noch das Verdienst des kostbaren Blutes Jesu leugnen. In dieser Klasse glauben wir die ungezählte Schar derer zu erkennen, die aus großer Trübsal kommen und ihre Kleider gewaschen und weiß gemacht haben im Blute des Lammes. Sie erhalten zwar die geistige Natur und einen großen Segen, sie werden auch Eingeladene sein, Gäste beim Hochzeitsmahl des Lammes, aber sie verlieren den großen Preis, der nur den Auserwählten zuteil wird, den getreuen Überwindern, denen, die freudig und willig in die Fußspuren Jesu treten. (Offb. 7.) Diese „Große Schar“ verliert ihren Platz unter den Erwählten; sie verfehlt, zu den Auserwählten zu gehören aus Mangel an Eifer für den Herrn, seine Wahrheit und seine Brüder, weil bei ihr die Sorgen um das gegenwärtige Leben überwiegen. Doch da ihre Herzen ihrem Erlöser treu bleiben, da sie ihren Glauben an das kostbare Blut festhalten und nicht verleugnen, wird der Herr Jesus, unser Fürsprecher, der Anführer unseres Heils, der die Auserwählten auf dem Pfad der freiwilligen Darangabe zur Herrlichkeit führt, jene zu einem anderen geistigen Glück, zur Vollkommenheit geistiger Wesen niedrigeren Ranges führen, weil sie ihm vertraut und seinen Namen und sein Werk nicht verleugnet haben.
Von der Herauswahl der „Neuen Schöpfung“ spricht unser Herr Jesus in dem Gleichnis vom Weinstock, wo er sagt, dass er der Weinstock und seine getreuen geweihten Nachfolger, die in seinen Fußstapfen wandeln, die Reben seien. Er sagt uns durch dieses Gleichnis, dass den Reben keineswegs die Prüfungen und Schwierigkeiten erspart werden, sondern dass im Gegenteil der Vater, der große Weingärtner, dafür sorgen wird, dass ihre Treue, ihr Glaube, ihre Geduld und Ergebenheit durch Prüfungen erprobt werden. Auf diese Weise werden wir gereinigt und dahin gebracht werden, dass wir unser Herz je länger je weniger an die Dinge dieser Welt, deren Hoffnungen und Bestrebungen hängen, dass wir umso reichlicher Früchte des Geistes hervorbringen, welche sind: Milde, Geduld, Freundlichkeit, Langmut, brüderliche Liebe, allgemeine Liebe; dass diese Dinge in uns sein und immer überströmender in uns werden mögen, und dass uns so als Neuen Schöpfungen der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi reichlich dargereicht werde. – 2. Petr. 1:11
Aber der Herr warnt uns zugleich und sagt, dass es nicht genügt, nur an dem wahren Weinstock eine Rebe zu sein. Die Kraft des Weinstockes muss in uns sein, der Wunsch, die Früchte des Weinstockes zu tragen, muss unsere Herzen erfüllen. Darum gestattet uns der Weingärtner, eine angemessene Zeit Reben am Weinstock zu sein, damit er erkennen kann, ob wir auch Anstrengungen machen, die rechten Früchte hervorzubringen. Er verwirft uns nicht sofort als ungeeignet; er wird an jungen Reben nicht gleich reife Trauben, ja, nicht einmal grüne Herlinge suchen. Er wird zunächst vielmehr nach den Fruchtknospen Ausschau halten, alsdann schauen, ob sie sich zu Blüten entwickeln, und hierauf erst, ob aus den Blüten grüne Beeren geworden sind. Der Weingärtner hat lange Geduld; er lässt der Entwicklung dieser Frucht des Weinstockes, den „meines Vaters rechte Hand gepflanzt“ (Psalm 80:15), reichlich Zeit; verstreicht aber diese ergebnislos, so schneidet er die unfruchtbaren Reben, die den Saft und die Kraft des Weinstockes nur zu eigenem Wachstum in sich aufnehmen, aber die Früchte, die dieser Saft zu erzeugen bestimmt ist, nicht hervorbringen, als Schmarotzer ab. So deutet unser Herr unmissverständlich an, dass wir unsere Berufung und Erwählung, deren Ende oder Lohn ewiges Leben ist, durch Hervorbringen von Früchten zur Heiligung festmachen müssen.
Verschiedene Erwählungen in der Vergangenheit
Lasst uns noch unsere Aufmerksamkeit einigen anderen Erwählungen, die in der Schrift erwähnt sind, zuwenden, damit wir unsere diesbezüglichen Kenntnisse erweitern und vertiefen mögen, bevor wir weiter von jener Erwählung reden, die unser Hauptaugenmerk auf sich zieht – nämlich der Erwählung zur Neuen Schöpfung. Wir müssen scharf unterscheiden zwischen den Erwählungen, die vor der ersten Gegenwart unseres Herrn stattfanden, und der Erwählung der Neuen Schöpfung unter ihm als ihrem Haupt und Führer. Von dieser letzteren gilt: „Ihr seid alle berufen in der einen Hoffnung eurer Berufung“, während die früheren Erwählungen verschiedene Zwecke Gottes verfolgten. Abraham wurde erwählt, ein Vorbild Jehovas zu sein, sein Weib Sara, damit sie den abrahamitischen Bund vorschattete, kraft dessen der Messias kommen sollte. Hagar war erwählt, den Gesetzesbund, und Ismael war erwählt, das Volk Israel nach dem Fleisch vorzuschatten, das, obwohl vorher geboren, doch nicht Miterbe Isaaks, des Sohnes der Verheißung, werden sollte. Isaak wurde erwählt, ein Vorbild Christi zu sein, und Rebekka das der Herauswahl, der Brautklasse, des Weibes des Lammes. Der Knecht Abrahams, Elieser, war erwählt, den Heiligen Geist vorzuschatten, der die Herauswahl einladet (beruft), leitet und schließlich, samt den Jungfrauen, die ihr folgen, dem Bräutigam zuführt.
Diese Erwählungen hatten mit der ewigen Bestimmung der Erwählten nichts zu tun; wir dürfen aber annehmen, dass sie, weil sie vom Herrn als Vorbilder benutzt wurden, für das, was sie etwa, in ihrer Eigenschaft als Vorbilder, hatten darangeben müssen, zeitliche Vergütungen erhalten haben, und je weiter sie sich in die leitenden Gedanken des Planes Gottes vertieften, um so größer dürfte ihr Trost und ihre Freude gewesen sein. Wo der Apostel die Erwählung bespricht (Röm. 9-11), bemüht er sich zu zeigen, dass Israel nach dem Fleisch keine Ungerechtigkeit erfuhr, als Gott sich zur Vervollständigung der Neuen Schöpfung an die Nationen wandte. Er weist darauf hin, dass der Allmächtige Gunst bezeugen kann, und dass es in seinem Belieben stehe, wem er sie zuwenden wolle. Der Apostel zeigt, dass Gott dem Volk Israel als einer Nation gewisse Vorrechte zuwendete, und dass er dasselbe tat mit einigen Stammvätern Israels als Einzelwesen, die er als Vorbilder gebrauchte und darum auszeichnete und segnete, dass er aber andererseits nicht als verpflichtet gelten wollte, den Israeliten ihre Vorzugsrechte immer zuzuwenden und andere davon auszuschließen, die ihrer nicht weniger würdig seien. Im Gegenteil sei es ganz natürlich, dass der Herr denen, die davon keinen Gebrauch machen, seine Vergünstigung entziehe und anderen zuwende.
Außerdem wollte der Apostel, dass wir erkennen möchten, dass der Herr zuvor wusste, was aus der Bevorrechtung des Volkes Israel hervorgehen werde, wie es, ein Überrest ausgenommen (Röm. 9:27-32), wenn seine Zeit gekommen sei, gar nicht in einer Herzensstellung sein würde, welche die Zuwendung der allergrößten Gnadengabe – die Neue Schöpfung auszumachen – ermöglicht hätte. Zur Beleuchtung dieser Tatsache lenkt der Apostel unsere Aufmerksamkeit darauf, dass Gott, indem er eine Auswahl zwischen den zwei noch nicht geborenen Söhnen Rebekkas traf, damit einen Beweis erbrachte dafür, dass er wusste, wie sich die Verhältnisse einige Jahrhunderte später gestalten würden. Der Herr machte die Zwillingsbrüder Esau und Jakob zu Vorbildern, den letzteren für seine Getreuen, die Neue Schöpfung, den ersteren für Israel nach dem Fleisch, das den Dingen des gegenwärtigen Lebens den Vorzug geben und seine himmlischen Vorrechte für ein Linsengericht (irdische Güter) verkaufen würde. Im Fall Jakobs und Esaus erwies sich sicherlich die Erwählung Jakobs zum Vorbild der Überwinder als ein Segen für ihn, obwohl es ihm viel kostete; aber die Erwählung Esaus zum Vorbild jener, deren Aufmerksamkeit auf die natürlichen Dinge gerichtet sein würde, die irdische Vorteile himmlischen Gütern vorziehen würden, schadete Esau selbst auch keineswegs. Es bedeutet für ihn weder ewige Qual im zukünftigen, noch irgendein Leiden im gegenwärtigen Leben. Im Gegenteil, er wurde bei all seiner Weltlichkeit mit Irdischem gesegnet. Natürlichen Menschen wird auch heutzutage von Seiten Gottes manches Gute zuteil, das er in seiner Gnade den zur Neuen Schöpfung Erwählten vorenthält, weil es für ihre geistigen Interessen weniger förderlich wäre, wie er auch Jakob einige irdische Vorteile vorenthielt, damit er hierin ein Vorbild der erwählten Klasse werden könne. Andererseits aber hatte Jakob viel Freude und Segen, die Esau nicht erhielt, die Esau auch nicht zu würdigen verstanden hätte, wie auch die Neue Schöpfung jetzt, inmitten ihrer Prüfungen und Enttäuschungen sich eines Friedens, einer Freudigkeit und einer Segnung erfreut, von denen die Welt nichts weiß.
Die in Röm. 9:13 aus dem Alten Testament angeführte Stelle: „Den Jakob habe ich geliebt und den Esau habe ich gehasst“ ist für viele „eine harte Rede“, weil der Ausdruck „gehasst“ von Seiten Gottes eine Gegnerschaft vorauszusetzen scheint, die Esau, soweit menschlicher Verstand die Sache zu erfassen vermag, nicht in höherem Maße verdiente als andere Menschen, und weil dieser „Hass“ Gottes ihn betroffen hätte, bevor er etwas Gutes oder Böses getan. Das Wort „gehasst“ bedeutet hier, wie in 5. Mose 21:15-17, sicherlich soviel wie „weniger geliebt.“ Der Gedanke ist, dass Jakob von Gott mehr begünstigt wurde als Esau, und darin sind beide Vorbilder des natürlichen und geistlichen Israel. Die Gunst, die Gott dem natürlichen Israel, dargestellt durch Esau, erwies, war, wiewohl sehr groß (Röm. 3:1,2), doch weniger groß, als die dem geistlichen Israel erwiesene, dargestellt durch Jakob. So verstanden ist alles harmonisch und miteinander in Übereinstimmung.
„Eben hierzu habe ich dich erweckt“
Zum Beweis seiner Behauptung, dass der Herr jederzeit in den Angelegenheiten der Menschen seine Macht hat mitspielen lassen, und dass er hierzu durchaus berechtigt war, führt der Apostel den Fall jenes Pharao an, der zur Zeit der Befreiung Israels auf dem Throne Ägyptens saß. Er zitiert die Botschaft, die Mose diesem Herrscher von Seiten Jehovas ausrichten musste: „Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir zeige, und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.“ (2. Mose 9:16) „So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er.“ – Röm. 9:18
Vor einiger Zeit gab die französische Regierung einige zum Tode verurteilte Verbrecher zu wissenschaftlichen Versuchen frei und stellte an ihnen fest, wie groß der Einfluss der Furcht auf die Lebenstätigkeit des Menschen sei. Der eine wurde nach seiner Verurteilung in eine Zelle gebracht, von der man ihm sagte, es sei in ihr in der Nacht zuvor ein Gefangener an den schwarzen Blattern gestorben, und er werde vermutlich vor dem kommenden Morgen an derselben Krankheit sterben. Der Fall traf tatsächlich so ein, wiewohl kein Blatternkranker in der Zelle gewesen war. Einem anderen wurde gesagt, man werde ihn verbluten lassen, um zu sehen, wie lange es dauern würde, um den Tod durch eine Blutung aus einer Pulsader herbeizuführen. Man verband ihm die Augen, sein Arm wurde durch eine dünne Scheidewand gestoßen und nur geritzt, der Verbrecher verlor nur einige Tropfen Blut; aber man ließ warmes Wasser an seinem Arm herab und über seine Finger in ein Becken laufen, so dass er es plätschern hörte. Der Mann starb innerhalb weniger Stunden.
Während solch ein Verfahren mit den dem Gesetz gehorchenden Bürgern sich nicht rechtfertigen ließe, liegt hier der Fall insofern anders, als diese zwei Männer bereits rechtlich zum Tode verurteilt waren. Genauso verhält es sich bezüglich des Verfahrens des Herrn mit dem menschlichen Geschlecht. Wäre der Mensch gehorsam geblieben, so wäre kein Todesurteil über ihn ergangen, und er hätte vor dem Gesetz Gottes bestimmte Rechte, die er jetzt nicht mehr hat. Wir sind als Adams Geschlecht alle schuldig befunden und zum Tode verurteilt (Röm. 5:12), und dem Herrn hat es gefallen, an verschiedenen seiner Sträflinge seine Macht und Weisheit in verschiedener Weise zu erzeigen. So befahl er den Israeliten, die Amalekiter, Hethiter und Kanaaniter auszurotten, wobei Israel die erhöhte Herauswahl und ihre Feinde die absichtlichen Sünder und Feinde der Gerechtigkeit im zukünftigen Zeitalter vorschatteten. So verbrannte er Sodom und Jericho und ließ Tausende von Israeliten an Seuchen sterben, tötete Usa, der nur seine Hand ausgestreckt hatte, um die Bundeslade am Fallen zu verhindern; denn in der Berührung der Bundeslade seitens eines Israeliten lag eine Missachtung ihrer Heiligkeit und des Gebotes Gottes.
So benutzte der Herr auch den Pharao, die zehn Plagen Ägyptens, namentlich die zehnte, die Tötung aller männlichen Erstgeburten bei Mensch und Vieh, und schließlich die Ertränkung des ägyptischen Heeres im roten Meer als Vorbilder. Die Ägypter waren als Nachkommen Adams zum Tode verurteilt, so dass ohne die geringste Ungerechtigkeit das Todesurteil an ihnen auch vollstreckt werden konnte, damit der Name und die Macht Gottes, mit der er sein vorbildliches Volk Israel befreite, kund würde.
Auf der anderen Seite verwendete Gott andere Verurteilte (Abraham, Mose usw.) als Vorbilder für die guten Dinge, die er in nächster Zukunft zu verwirklichen gedenkt, ohne darum diesen Vorbildern, ebenso wenig wie den anderen gegenüber das Todesurteil aufzuheben. Dies überließ er unserem Erlöser und Rückkäufer Jesus Christus.
Nachdem wir nun erkannt haben, dass Gott seine Herrscher- und Richtergewalt an seinen Verurteilten ausübt, wie er will, dass er den einen diese, den anderen jene Erfahrungen machen ließ, dass alle diese Erfahrungen aber, wie der Apostel zeigt, Vorbilder des Verfahrens der Erwählung der Neuen Schöpfung waren, bleibt uns noch übrig zu erkennen, dass Gott bei keiner seiner Erwählungen dem Willen des Menschen Gewalt antat. So etwas wäre mit dem Verfahren Gottes unvereinbar. Als er Abraham, Isaak, Jakob, Mose und andere mehr erwählte, damit sie Vorbilder seien, erwählte er Menschen, deren Gesinnung mit der seinigen und mit seinen Absichten und Offenbarungen ungefähr übereinstimmte. Aber er tat nichts, das sie gehindert hätte, etwas Anderes zu wollen als er, wenn sie es vorgezogen hätten. Genauso benutzte er andere Menschen, wie Ismael, Esau, die Kanaaniter, die Ägypter, die Sodomiter usw. zu anderen Vorbildern, einfach durch Benutzung ihrer natürlichen Anlagen. Er zwang sie ebenso wenig, Böses zu tun, wie er die anderen zwang, seinem Willen zuzustimmen. Mit jeder Klasse verfuhr der Herr einfach gemäss ihren Neigungen.
Wenn wir also lesen: „Eben hierzu habe ich dich (den Pharao) erweckt“, so dürfen wir das nicht so verstehen, dass Gott in dem Pharao einen schlechten Charakter geschaffen, dass er ihn gezwungen hätte, böse zu sein. Vielmehr müssen wir die Sache so verstehen, dass Gott unter den verschiedenen Thronerben Ägyptens gerade diesen auf den Thron brachte (indem er vielleicht die anderen sterben ließ), weil er ein solch verstockter Mensch war, dass seine Hartnäckigkeit beim Widerstand gegen Gott und beim Bedrängen Israels billiger- und gerechterweise zu den zehn Plagen führen musste, die Gott zuvor verordnet hatte, nicht nur zur Bezeugung seiner Vergünstigung Israels für dessen treues Festhalten an den Verheißungen, die Abraham, Isaak und Jakob zuteil geworden waren, sondern auch als Vorbild der Plagen, mit denen das gegenwärtige Zeitalter enden wird, den drei ersten und den „sieben letzten Plagen.“ – Offb. 15:1
Am meisten befremdet jedoch manche in diesem Fall der Ausdruck, dass „Gott das Herz des Pharao verhärtete, dass er das Volk nicht ziehen ließ.“ Auf den ersten Blick scheint das dem zu widersprechen, was wir eben sagten, nämlich dass Gott den Willen des Menschen nicht vergewaltigte. Wir halten jedoch dafür, dass dieser Widerspruch sofort beseitig ist, wenn wir daran erinnern, in welcher Weise der Herr das Herz Pharaos verhärtete. Was tat Gott, das diese Verhärtung zur Folge hatte? Er zeigte sich gütig; er erhörte die Fürbitte Moses zur Befreiung des Pharao von den Plagen und nahm seine Versprechungen ernst. Gottes Barmherzigkeit wirkte bei einem Charakter wie dem Pharaos aber verstockend. Hätte Gott die erste Plage so lange dauern lassen, bis das Volk Israel ausgezogen wäre, so hätte sie genügt. Aber so oft der Herr die Plage über Land und Volk aufhob, dachte Pharao, es sei jetzt vorbei, und es komme keine neue Plage. So trieb ihn Gottes Barmherzigkeit Schritt für Schritt zu größerem Widerstand. So gesehen, erscheint der Wille Pharaos als durchaus frei und der Herr bei dem ungerechten Tun seines Widersachers als unbeteiligt. „All sein Werk ist vollkommen“, auch dann noch, wenn die Güte Gottes, die die Menschen zur Bußfertigkeit anleiten sollte, infolge der vorherrschenden Unvollkommenheit der gegenwärtigen Verhältnisse zuweilen gerade das Gegenteil bei ihnen bewirkt.
Die Erwählung des Volkes Israel
Dass Gott das Volk Israel unter allen Nationen der Welt auserwählt hat, um sein Volk zu sein und das geistliche Israel vorzuschatten, wird von allen Christen, die ihre Bibel kennen, zugegeben werden. Die Aussage des Propheten Amos ist in dieser Beziehung durchaus klar: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt (anerkannt)“. (Amos 3:2) Durch den Mund Jes.(45:4) spricht der Herr zu Cyrus, dem Mederkönig, der den Israeliten die Rückkehr aus der Gefangenschaft gestatten sollte: „Um Jakobs, meines Knechtes, und Israels, meines Auserwählten, willen rief ich dich bei deinem Namen.“ Die Tatsache, dass diese Worte vorbildlich auf Christum und die Befreiung des geistlichen Israels aus dem gegenbildlichen Babylon bezogen werden können, darf nicht damit verwechselt werden, dass in dieser Stelle das vorbildliche Israel als „auserwählt“ bezeichnet wird. In seiner klaren und einleuchtenden Auseinandersetzung hinsichtlich des Überganges der Gunst Gottes vom natürlichen zum geistlichen Israel (Röm. 9-11) zeigt Paulus deutlich, dass Gottes Gunst eine Zeitlang dem Volk Israel zugewendet war, wiewohl der Herr vorher wusste und voraussagte, dass es aus der besonderen Gnade (Bevorzugung) werde hinausgestoßen werden, und dass ein anderes Volk, das geistliche Israel, in die bevorzugte Stellung, die durch die Erwählung Jakobs vorgeschattet worden war, vorrücken werde.
Der Apostel zeigt, wie die Israeliten, als Gottes begünstigte oder auserwählte Nation, für eine Zeit auf jede Weise große Vorteile davon hatten im Vergleich zu allen sie umgebenden Nationen in der Welt, indem ihnen die Verheißungen Gottes anvertraut worden waren. Sie waren einst Zweige am echten Ölbaume, und Gott brach aus ihm nur jene Zweige heraus, die sich mit der Wurzel der Verheißung und mit dem Stamm, vorgeschattet durch Abraham, Isaak und Jakob, in Widerspruch setzten. „Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; aber die Auswahl (die Würdigen – Joh. 1:12,13) hat es erlangt, die Übrigen aber sind verstockt worden.“ Obwohl die ganze Nation ursprünglich auserwählt war, um Gottes auserlesene Gunst zu empfangen, so waren doch nur die gläubigen Israeliten in der richtigen Herzensstellung, um, als die Zeit hierfür gekommen war, geistliche oder gegenbildliche Israeliten zu werden. Die letzteren waren die Auserwählten jener Nation; sie wurden würdig erachtet, am Ende des vorhergehenden Zeitalters in das neue Zeitalter, zur hohen Berufung aus dem Haus der Knechte in das der Söhne hinüberzugehen. (Hebr. 3:5; Joh. 1:12) Wir, die wir von Natur aus den Nationen waren und keinen Anteil hatten an den Bündnissen mit dem vorbildlichen Israel und den darauf sich beziehenden Verheißungen, haben nun durch Gottes Gnade Gelegenheit, einen dem Abraham gleichen Glaubensgehorsam zu entwickeln und der Braut Christi, dem wahren Samen Abrahams, zugezählt zu werden, eingepfropft zu werden an den Stellen, wo die natürlichen Zweige des Ölbaumes ausgebrochen worden sind, im Plan Gottes die Stellen der natürlichen Zweige einzunehmen und ihrer Verheißungen teilhaftig zu werden. Die ausgebrochenen Zweige wurden während des Evangeliums-Zeitalters zwar als Feinde gehalten, aber „um der Väter willen sind sie Geliebte, denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar.“ – Röm. 11:28, 29
So belehrt uns der Apostel, dass gewisse Züge der ursprünglichen Erwählung Israels diesem Volk zu eigen verbleiben, ungeachtet seiner Verwerfung als Volk, die zur Folge hatte, dass ihm die Hauptgunst, nämlich das geistliche Israel zu werden, verloren ging. Da sich die Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob und an den Propheten erfüllen werden, wenn sie während des ganzen Tausendjahr-Zeitalters „Fürsten“ auf Erden oder Vertreter des geistigen Königreiches sein werden, so wird dies ein großer Vorteil für die meisten Israeliten sein, die jetzt noch ihrem Gott entfremdet sind und im Finstern sitzen. Sie können und werden mit ihren einstigen irdischen Vorbildern und Führern leichter eins werden als die übrigen Völker, und so wird Israel am Anfang des Tausendjahr-Zeitalters den ersten Rang unter den Völkern einnehmen. „Gott hat alle zusammen in den Unglauben eingeschlossen, auf dass er alle begnadige.“ – Röm. 11:32
Die Erwählung der „Neuen Schöpfung“
So treten wir denn an den wichtigsten Teil unseres Gegenstandes heran, nachdem wir mit einiger Kenntnis der Erwählungen der Vergangenheit und deren vorbildlicher Bedeutung als Hinweise auf jenes große Werk Gottes, die Erwählung der Neuen Schöpfung, ausgerüstet worden sind. Wir haben schon gesehen, dass diese Erwählung für die übrigen (nicht erwählten) Menschen keinen Nachteil, sondern vielmehr einen Segen bringen wird, wenn nur erst die rechte Zeit dafür gekommen ist. Wir können in diesem Zusammenhange hinzufügen, dass weder Gerechtigkeit noch Liebe einen Widerspruch gegen die Gewährung einer besonderen Gunst für einige, die anderen nicht gewährt würde, erheben könnte, selbst wenn die Begünstigten nicht dazu bestimmt wären, Segenskanäle der weniger Begünstigten oder nicht Begünstigten zu sein. Jemandem Gnade oder Gunst erweisen, heißt etwas tun, wozu die Gerechtigkeit nicht verpflichtet. In diesem Sinn wird auch in der ganzen Schrift die Herauswahl als „begnadigt“ oder „begünstigt“ bezeichnet. „Aus Gnaden seid ihr errettet.“ Diese und ähnliche Stellen machen es uns recht eindrücklich, dass seitens des Allmächtigen eine Verpflichtung, auch nur einen Nachkommen Adams vom Todesurteil wieder freizumachen oder auch nur einem die Gelegenheit zu geben, ewiges Leben zu ererben, nicht bestand. Um so weniger konnte Gott verpflichtet sein, einige gefallene Menschen durch die himmlische Berufung zu ehren, sie als Glieder der Neuen Schöpfung in Aussicht zu nehmen. Das ist alles göttliche Vergünstigung: „Gnade um Gnade“, Gunst um Gunst, und wer sich dessen nicht klar bewusst ist, der wird auch niemals recht zu würdigen wissen, was gegenwärtig vor sich geht.
Der Apostel Petrus versichert, dass die Herauswahl nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, auserwählt sei, aber er fügt gleich hinzu: „Durch Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi.“ (1. Petr. 1:2) Dies will besagen, dass Gott die „Neue Schöpfung“ als eine besondere Klasse voraussah, dass er, schon bevor sie gezeugt war, die Absicht hatte, sie durch Glauben an das Blut Christi gerecht zu machen, und dass er wusste, dass eine hinreichende Anzahl Menschen gehorsam sein und durch die Wahrheit geheiligt werden würde, um die zuvor bestimmte Vollzahl zu erreichen. Aber keine Schriftstelle zwingt zu der Annahme, dass Gott auch die Einzelwesen, die zu dieser Vollzahl gehören würden, zuvor gekannt habe. Wer deren Haupt sein sollte, das freilich war zuvor bestimmt; uns wird gesagt, dass Gott Jesum als seinen Auserwählten zuvor gekannt habe. Wir möchten freilich nicht so verstanden sein, als meinten wir, Gott vermöchte nicht zuvor zu wissen, welche Wesen die Herauswahl ausmachen würden; wir sind nur der Ansicht, dass, welcherlei Macht Gott in dieser Beziehung auch habe, doch nicht erklärt sei, ob er von diesem Können Gebrauch zu machen beabsichtigte. Er verordnete, dass Christus der Erlöser der Welt und zum Lohn dafür das erste Glied, das Haupt, der Herr und Meister der Neuen Schöpfung werden sollte. Er verordnete, dass eine bestimmte Anzahl Menschen als seine Miterben und Teilhaber am Reich, als weitere Glieder der „Neuen Schöpfung“, auserwählt werden sollten. Wir haben allen Grund, anzunehmen, dass diese bestimmte Anzahl die in der Offenbarung erwähnten 144.000 „aus den Menschen Erkauften“ sind. – Offb. 7:4; 14:1
Die Zuvorbestimmung vor Grundlegung der Welt, dass eine solche Zahl auserwählt werden sollte, dürfte in der gleichen Weise zu verstehen sein, wie die Zuvorbestimmung einer bestimmten Abteilung der englischen Armee, die als „des Königs Leibgarde“ bezeichnet wird, oder wie die ähnlichen Bestimmungen über die preußischen Gardegrenadiere. Diese Truppen bestanden aus besonders großen und kräftig entwickelten Männern, deren Mindestmass, Schwere und Vollzahl bestimmt war, schon bevor sie geboren wurden. Wie die englischen und preußischen Könige diese körperlichen Erfordernisse und die Zahl der zu ihrer Garde zugehörenden Mannschaften zuvor verordneten, so bestimmte auch ein aus königlicher Machtvollkommenheit erlassenes Gesetz des Schöpfers die Zahl derer, die zur „Neuen Schöpfung“ gehören sollten, und anstatt körperlicher machte er Herzens- oder geistige Eigenschaften zur Vorbedingung, um ihr zugezählt zu werden. So wenig es nötig war, die Namen derer zuvor zu bestimmen, die die „Leibgarde des Königs“ von England oder preußische Gardegrenadiere werden sollten, ebenso wenig ist es nötig, dass unser Schöpfer die Namen der Einzelwesen zuvor bestimmte, die durch Erfüllung der von ihm kund gemachten Erfordernisse als Neue Schöpfungen in Christo vor ihm annehmbar werden sollten.
Dass dies so ist, wird durch Röm. 8:29 besonders klar gemacht: „Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig (d.h. dem Sohn ähnlich) zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“
Eine solche Zuvorbestimmung ist sehr verschieden von der Gnadenwahl, wie sie vornehmlich von Calvin verfochten wurde. Um dessen Lehren zu stützen, müsste die Stelle lauten: „Die hat er auch zuvor bestimmt, der ewigen Qual zu entrinnen und ewiges Leben in himmlischer Herrlichkeit zu genießen.“ Da lautet denn doch die Schrift ganz anders und viel vernünftiger. Gott hat zuvor bestimmt, dass sein Eingeborener das Haupt der Neuen Schöpfung sein soll, und dass einzig jene Menschen Glieder der Neuen Schöpfung werden können, die seinem Sohn ähnlich werden. Wie schön und vernunftgemäß ist diese biblische Lehre von der Gnadenwahl! Wer könnte noch an der Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe der Auserwählten zweifeln, wenn, um ihnen beigezählt zu werden, die Ähnlichkeit mit Jesu als entscheidender Faktor für das Vorrecht des Mitwirkens bei der Wiederherstellung und Segnung aller Geschlechter auf Erden gefordert wird?
„Die nach Vorsatz berufen sind“
(Römer 8:28-30)
Wir könnten diese Stelle nicht besser als mit des Apostels eigenen Worten erläutern. In den vorhergehenden Versen, (22 und 23) erklärt er, was Gott mit der Berufung der Neuen Schöpfung bezweckt: nämlich, sie außerordentlich zu segnen, damit sie andere segnen könne, nämlich die seufzende Schöpfung, die in Geburtswehen liegt und auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet. (Vers 21 und 22) Hierauf zeigt der Apostel, dass alle Dinge denen zum Guten dienen, die er zur Neuen Schöpfung beruft, dass für die Gegenwart Enttäuschungen, Prüfungen, Widrigkeiten, der Widerstand von Fleisch, Welt und Widersacher dazu bestimmt sind, in uns friedsame Früchte der Gerechtigkeit zu erzeugen und dadurch ein weit überwiegendes ewiges Gewicht von Herrlichkeit für uns zu bewirken, jener Herrlichkeit, zu der wir berufen sind, und nach der wir uns strecken dürfen. Der Apostel bezeichnet uns die Vorkehrung des Herrn zugunsten der Berufenen, denen alle Dinge zum Guten mitwirken. Wir dürfen an diese Berufung gar nicht anders denken als in Verbindung mit dem Gedanken an unseren älteren Bruder. Niemand konnte ihm zuvorkommen; einzig wer dessen Fußstapfen sieht und in sie tritt, kann überhaupt hoffen, Teilhaber der himmlischen Herrlichkeit zu werden. Die Zuvorbestimmung Gottes, dass alle diese Brüder Christi ihrem älteren Bruder ähnlich sein müssen, wenn sie an der Neuen Schöpfung Anteil haben wollen, würde jedem Menschen alle und jede Aussicht, Teilhaber dieser Herrlichkeit zu werden, rauben, wenn Gott dafür nicht durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist, Vorsorge getroffen hätte, dass die Schwachheiten des Fleisches, die in uns wohnen, und die wir nicht völlig beherrschen können, alle durch das Verdienst des Opfers des Erlösers bedeckt werden. Durch diese Vorkehrung kann Gott übersehen, dass wir im Fleisch nicht getreue Bilder seines Sohnes sind, sofern wir durch Beherrschung des Fleisches mittels des Willens, soweit es uns möglich ist, diese Gesinnung auch beweisen; für das, was jenseits unseres Könnens liegt, für unabsichtliche Schäden und Verfehlungen, kommt unser Herr Jesus durch seine hinreichende Gnade auf.
In seiner Beschreibung der berufenen Klasse sagt der Apostel weiter: „Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.“ (Vers 30) Diese Stelle wird meist missverstanden, weil sie auf die meisten Leser den Eindruck macht, der Apostel erwähne hier die Erfahrungen des Christen in der üblichen, aufeinander folgenden Ordnung, wie dies z.B. in der im vorigen Studium besprochenen Stelle der Fall ist. Aber hier beginnt der Apostel offensichtlich am anderen Ende. Er fasst die Herauswahl bereits als vollzählig, erhöht und herrlich gemacht ins Auge, und von hier aus verfolgt er den Werdegang der Entwicklung der Neuen Schöpfung rückwärts, indem er zeigt, dass niemand herrlich gemacht wird, er sei denn zuvor durch Gottes Gnade berufen worden, und dass niemand berufen wird, er sei denn zuvor aus Glauben gerechtfertigt; denn nur Glaubende werden zum Wettlauf nach dem Kleinod zugelassen. Und alle diese Gerechtgemachten sind zuvor von Gott dadurch geehrt oder ausgezeichnet („verherrlicht“ ist eine unzutreffende Übersetzung), dass er es ihnen ermöglichte, ihn und seinen geliebten Sohn, der da ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, zu erkennen.
Es ist eine viel größere Ehre, als viele glauben, in der gegenwärtigen Zeit von der Gnade Gottes reden zu hören. Wie die Wiederherstellung eine Gabe Gottes ist, die im Tausendjahrreich der Welt zugänglich gemacht werden wird, so ist es eine besondere Ehre, des Herrn Gnade zu kennen und in der gegenwärtigen Zeit eine Gelegenheit zu haben, sich vor der Welt mit ihm auszusöhnen. Denn nachdem wir so geehrt wurden und die zu einer Rechtfertigung aus Glauben notwendige Erkenntnis erlangt haben, bietet sich uns Gelegenheit, einen weiteren Schritt zu tun, uns dem Ruf gemäss zu weihen und, wenn wir treu bleiben, zu der Herrlichkeit zu gelangen, die an uns geoffenbart werden und uns zu Gliedern der auserwählten Neuen Schöpfung machen soll.
„Ist Gott für uns“
Dem Apostel in seiner Betrachtung der Neuen Schöpfung weiter folgend, umschreiben wir seine Ausdrucksweise wie folgt: Sehen wir nicht, Brüder, dass Gott einen großen und wundervollen Plan hat, den er hinausführt? Sehen wir nicht, dass, um seine Absicht verwirklichen zu können, eine gewisse Klasse auszuerwählen und ihr an der Durchführung seines Planes Anteil zu geben, er uns dadurch begünstigt hat, dass er uns die Voraussetzungen und Bedingungen geoffenbart hat, unter denen ein solcher Anteil möglich und erreichbar ist, indem er uns gerecht gemacht und mit der himmlischen Berufung berufen hat? Bedeutet das nicht, dass Gott für uns ist, dass er wünscht, gerade wir möchten zu der auserwählten Klasse gehören, dass er seine Maßregeln gerade so getroffen hat, dass uns die Erreichung dieses Zieles möglich sei? Empfinden wir auch gelegentlich, dass der Herr für uns, der Widersacher, die Welt und die Erbsünde aber wider uns sind und uns Fallen stellen und Hindernisse in den Weg legen, o dann lasst uns bedenken, dass, da der Allmächtige unser Bundesgenosse ist, wir ob dieser Widerstände nicht zu erschrecken noch zu erzittern brauchen! Er ist reichlich stark genug, um uns sicher hindurchzubringen. Blicken wir zurück und bedenken, wie gnädig er schon gegen uns war, da wir noch Sünder waren, indem er damals, ohne dass wir es wussten, die Erlösung beschaffte, die in Christo Jesu ist. Tat er dies, da wir noch Sünder waren, wie viel mehr wird er es noch zu tun bereit sein, nachdem wir seine Kinder geworden sind, jetzt, da wir seine Stimme gehört, an seinen Sohn geglaubt, auf ihn vertraut haben, durch sein Verdienst gerecht gemacht worden sind, jetzt, da wir seine himmlische Berufung gehört und uns geweiht haben, indem wir das Wenige, was wir sind und haben, auf seinen Altar gelegt haben. Gewiss wird Gott nun noch viel mehr als zuvor für uns tun, uns noch viel größere Gunst erweisen, wiewohl wir uns gar nicht vorstellen können, wie Gott noch mehr tun kann, als er durch die Hingabe seines Sohnes schon tat. Wir können dessen sicher sein, dass er, der immer derselbe ist, uns auch jetzt noch liebt, auch jetzt noch für uns ist und alle Dinge zu unserem geistlichen Besten, d.h. dazu wird mitwirken lassen, dass wir einen Platz in der Neuen Schöpfung erhalten, wenn wir anders im Glauben an ihn, in der Liebe zu ihm und im Gehorsam verharren, ungeachtet der Unvollkommenheit des Erfolges unserer Bemühungen, die adamitische Natur niederzuhalten. Lasst uns dessen gewiss sein, dass, nachdem Gott uns seinen Sohn gegeben und uns dadurch einen Weg geöffnet hat, auf dem wir der Berufung zur Neuen Schöpfung folgen können, er auch für die Befriedigung aller Bedürfnisse gesorgt hat, die etwa auf dieser Pilgerreise sich einstellen könnten. Denn in ihm hat er uns alle Dinge reichlich gegeben.
Sollte jemand auf den Gedanken kommen, das Gesetz werde uns gegen den Willen Gottes verdammen? O, lasst uns doch bedenken, dass es derselbe Gott ist, der einst alle unter sein Gesetz eingeschlossen und als oberster Richter verurteilt hat, der nun auch unsere Rechtfertigung verkündigt, uns von allen Dingen, von denen das Gesetz uns nicht rechtfertigen konnte, aus freiem Willen gerechtfertigt hat, durch seine Gnade, durch Christum Jesum, unseren Herrn. Angesichts dieser Tatsachen, wer kann da Anklage erheben gegen die Auserwählten Gottes, die er so hoch begünstigt hat? Wer kann uns wegen unwillentlicher Schwachheiten und Verfehlungen verdammen? Solchen würden wir antworten: „Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet“, der genügend von seinem eigenen Verdienst zur Löschung aller unserer Schuld verwendet hat. – Röm. 8:34
Wird noch eingewendet, dass etwas eintreten könnte, das uns von der Liebe Gottes und von Christo und seiner Liebe und Gnade trennen würde, und dass wir mithin noch Gefahr laufen, uns selbst überlassen zu werden, an unserem Glauben Schiffbruch zu leiden und so um unsere zukünftige Herrlichkeit als Neue Schöpfung gebracht zu werden? Nein! Christus hat eine große Liebe zu uns, sonst hätte er uns nicht erkauft. Alles, was er uns tut, geschieht aus Liebe, und wir wollen nicht glauben, dass uns etwas von dieser Liebe scheidet. Drangsale z.B. sollten uns umso näher zu ihm hinziehen, da er allein uns helfen kann. Wenn uns Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder sonst eine Gefahr heimsuchen sollte, sollten wir aus Furcht davor aufhören, den Herrn zu lieben, seinen Namen und seine Sache verleugnen, in seinen Fußstapfen zu wandeln aufhören und bequemere Wege durchs Leben suchen? Nein, solche Erfahrungen sind gerade dazu bestimmt, uns Gelegenheit zu geben, Überwinder zu werden. Wie könnten wir dies werden, wenn es nichts zu überwinden gäbe, wenn der Weg angenehm und ohne schwierige Stellen wäre? Wir sind zu Gefäßen der Erbarmung und der Gnade Gottes gemacht worden, und nun stellt er uns auf die Probe, um zu sehen, bis zu welchem Grade wir würdig sind, in seiner Liebe und Gnade zu bleiben. Sein Wille ist, dass wir darin bleiben, und er hat alles Nötige vorgesehen, um dies zu ermöglichen; aber zwingen will er uns nicht. Ich bin überzeugt und vertraue, dass wir entschlossen sind, keinem Ding zu gestatten, uns von der in Christo geoffenbarten Liebe Gottes zu trennen, weder der Furcht vor dem Tod noch der Liebe zum Leben; und dass unter den anderen Geschöpfen Gottes keines die Liebe Gottes von uns abwenden und abschneiden kann, weder Engel noch Fürstentümer, weder gegenwärtige noch zukünftige Gewalten. In allen diesen Dingen sind wir mehr als Überwinder; wir sind durch den, der uns geliebt hat, als Söhne Gottes zu göttlicher Natur angenommen.
Bestrebt, unsere Berufung und Erwählung festzumachen
– 2. Petrus 1:10, 11 –
„Darum, Brüder, befleißiget euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge (von denen in den vorhergehenden Versen die Rede ist) tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi.“
Bei der Erwählung, um die es sich hier handelt, tut Gott das Wichtigste: 1. Er hat zuvorbestimmt, dass es eine solche Neue Schöpfung geben soll; 2. er hat einige berufen, die für die Neue Schöpfung nötigen Charaktereigenschaften zu entwickeln; 3. er hat die Dinge so geordnet, dass die Berufenen in eine ihrer Berufung entsprechende Stellung kommen können.
Andererseits haben aber auch die, die berufen werden, wichtige Schritte zu tun: 1. Sie müssen, wenn sie erwählt werden wollen, erkennen, dass alle Vorkehrungen Gottes zu ihren Gunsten getroffen worden sind; sie müssen also die Berufung annehmen und sich völlig weihen. 2. Sie müssen vom Geist ihrer Berufung und von dem hohen Wert der daran geknüpften Belohnung so durchdrungen werden, dass sie die Bedingungen der Berufung mit Eifer erfüllen.
Wir haben schon gesehen, dass diese Bedingungen sich zusammenfassen lassen in das Wort: Gesinnt sein wie Jesus Christus auch war. Aber wenn wir uns nun diese Gleichförmigkeit näher ansehen, so bemerken wir, wie der Apostel Petrus es hier ausdrückt, dass diese Gleichförmigkeit im Hervorbringen der Früchte des Geistes der Heiligung besteht. Gott ist heilig, und so müssen seine Erwählten auch seinen Geist, seine Gesinnung haben, der Gerechtigkeit nachstreben und sie lieben und das Böse hassen und verabscheuen. Der Apostel zeigt uns in obiger Schriftstelle die verschiedenen Elemente der göttlichen Gesinnung und gibt uns zu verstehen, dass wir nicht schon am Anfang unseres Laufes volle Charakterähnlichkeit (vollkommene Liebe) erreichen, sondern dass diese vielmehr das Kennzeichen für das Ende der Laufbahn ist; haben wir sie erreicht, so ist unser Lauf zu Ende und das geforderte Maß unserer Gottähnlichkeit voll. Liebe schließt alle übrigen hier erwähnten Eigenschaften in sich; sie sind alle in Wirklichkeit Teile der Liebe. Milde, Freundlichkeit, Gottseligkeit, brüderliche Liebe sind Äußerungen ein und derselben großen Eigenschaft: der allgemeinen Liebe. Es hat jemand folgende Begriffsbestimmung der Früchte der Liebe gegeben, der wir völlig zustimmen:
- Freudigkeit – sich lebhaft äußernde Liebe.
- Friede – ruhende Liebe.
- Langmut – ertragende Liebe.
- Freundlichkeit – gesellschaftliche Liebe.
- Gütigkeit – handelnde Liebe.
- Glaube – Liebe mitten im Kampf des Lebens.
- Milde – gottergebene Liebe.
- Mäßigkeit – Liebe zur Zucht.
Als wir unseren Lauf begannen, entschlossen, es zu versuchen, weil Gott uns durch seine Gnade gerechtfertigt und zur Teilnahme an diesem Wettlauf um den großen Preis der Zugehörigkeit zur Neuen Schöpfung eingeladen hatte, da sagten wir zu uns selbst: Wir wollen alle Hindernisse und Hemmschuhe (irdische Bestrebungen) beseitigen, unseren Willen gänzlich dem Herrn weihen und dies eine tun: nämlich den Gütern nachjagen, zu denen er uns berufen hat, und sie durch des Herrn Gnade zu erreichen suchen. Gleichzeitig entschlossen wir uns, soviel an uns ist, die leicht umstrickende Sünde abzulegen, was es auch sein möge, und treu im Wettlauf nach dem großen Preis zu laufen.
Unsere Weihung entsprach dem Antreten des Wettlaufes. Damals weihten wir uns dem Herrn, damit in Zukunft sein Geist der Liebe in uns regieren möge, doch gewahrten wir, dass uns infolge des Falles die Charakterzüge fehlten, die des Vaters Wohlgefallen haben. Dennoch laufen wir und strecken uns nach dem Ziel der Gleichförmigkeit mit der Gesinnung des Sohnes aus, denn das ist sein Gebot für uns und die Vorbedingung der Gemeinschaft mit ihm. In diesem Punkt sind wir allerdings von unserem Herrn verschieden; denn da er vollkommen war, hatte er diese schrittweise Entwicklung zur vollkommenen Liebe nicht durchzumachen. Er war von Anbeginn seiner irdischen Laufbahn mit dem Geist erfüllt; er stand schon vor Anbeginn an dem Ziel, nach dem wir laufen. Seine Prüfung bezweckte, ihm Gelegenheit für den Beweis zu geben, dass er auf dem von Anfang an eingenommenen Standpunkt vollkommener Liebe zu Gott, seinem Volk und seinen Feinden feststehen wolle. Wir aber müssen laufen und kämpfen, damit wir auch dieses Ziel erreichen möchten.
Wir können den Wettlauf in vier Perioden einteilen. In der ersten erkennen wir in der Liebe eine Forderung Gottes und suchen sie uns anzueignen, weil uns dies als Pflicht erscheint. Wir haben also zunächst eine Pflichtliebe zu Gott, weil er als unser Schöpfer Anspruch auf unseren Gehorsam, unsere Liebe und Ergebenheit hat, eine Pflichtliebe zu unserem Herrn Jesu, weil er uns zuerst geliebt und mithin ein Recht auf unsere Gegenliebe hat, eine Pflichtliebe zu unseren Mitmenschen, weil wir dies als Gottes Willen erkennen.
In der zweiten Periode sind wir dem Ziel ein wenig näher. Wir betrachten die Dinge, die wir aus Pflichtgefühl taten, nicht mehr ausschließlich als Müssen, Müssen, sondern teilweise als ein Vorrecht. Wir erkennen jetzt, dass die Dinge, die Gott als Recht und Pflicht von uns fordert, gute Dinge sind, dass er uns die edelsten Grundsätze, Liebe und Weisheit, die der Herr uns anbefiehlt, als zu erreichendes Ziel, das wir seit jener Zeit zu würdigen anfangen, vorsteckt. Jetzt fangen wir an, Gott zu lieben, nicht nur, weil es unsere Pflicht unserem Schöpfer gegenüber ist, sondern außerdem besonders deshalb, weil wir erkennen, dass er im Besitz der großen Charaktereigenschaften ist, die er bei uns zur Entwicklung bringen möchte, dass er die Verkörperung aller Güte und Barmherzigkeit ist. Wer es dahin bringt, der liebt auch den Herrn Jesum nicht mehr nur aus Gegenliebe, weil er uns zuerst geliebt hat, sondern weil ihm über die Charaktergröße Jesu die Augen aufgegangen sind, so dass er etwas von der Länge und Breite, Höhe und Tiefe der Gerechtigkeit, Weisheit, Liebe und Macht seines Schöpfers zu erkennen anfängt.
In die dritte Periode gehört die Liebe zu den Brüdern. Zuerst lieben wir die Brüder aus Pflicht, wie den Vater, aber in weniger hohem Grade, weil sie weniger für uns getan haben; wir erkannten sie an, weil der Vater es gebot. Aber wenn wir dazu gekommen sind, die Grundsätze der Gerechtigkeit zu erkennen, den Vater hochzuschätzen, zu sehen, dass uns der Vater trotz unserer unwillentlichen Schäden liebt, dann beginnen unsere Herzen sich zu weiten und zu vertiefen; es gibt darin mehr Raum für Bruderliebe, und wir werden mehr und mehr befähigt, der Brüder ungewollte Schwachheiten und Verfehlungen zu übersehen, wenn wir ihnen anmerken, dass sie von Herzen wünschen, in Jesu Fußstapfen und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des göttlichen Charakters zu wandeln. So wird die Bruderliebe in unserem Wandel ersichtlich. Aber ach, nicht wenige liebe Kinder Gottes haben es in ihrem Lauf nach dem großen Preis noch nicht so weit gebracht! Die brüderliche Liebe, die Langmut, die Geduld, die die Schrift betont, bedürfen einer sehr kräftigen Förderung; dazu bietet sich auch im Umgang mit den Brüdern mehr Gelegenheit als im Umgang mit dem Herrn Jesu und dem himmlischen Vater. Die Vollkommenheit, das Fehlen jeglicher Unvollkommenheit, können wir am Vater und am Sohn sehen; wir können ihre Großmut würdigen und empfinden, wie weit wir selbst dahinter zurückbleiben. Bei den Brüdern aber sehen wir bald diese, bald jene Schwäche; da tritt gar oft die Versuchung an uns heran, zu dem Bruder zu sagen: „Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen!“ Aber eine solche Neigung zur Splitterrichterei, zum Aufsuchen der Fehler anderer, sollte uns beweisen, dass wir selbst einen gewaltigen Balken von Ungeduld und Lieblosigkeit mit uns herumtragen. Je mehr wir uns dem Markstein der dritten Periode nähern, um so weiter ziehen wir den Balken aus unserem eigenen Auge; wir fangen an, unsere eigenen Schwachheiten zu bemerken, und dann kommt uns die Gunst, die der Herr uns erwiesen, immer größer vor. Das erzeugt in unserem Herzen immer mehr den Geist der Milde, Geduld und Freundlichkeit gegen alle, so dass wir befähigt werden, eine Menge von Sünden, eine Menge Unvollkommenheit bei den Brüdern zu übersehen oder zu bedecken, solange wir an ihrem Glauben an das kostbare Blut, an ihrem Bemühen, denselben Wettlauf nach demselben Ziel zu laufen, erkennen können, dass sie Brüder sind.
Der letzte Markstein in unserem Wettlauf ist die vollkommene Liebe zu Gott, den Brüdern und zu allen Mitmenschen; und diesen Punkt müssen wir mit allem Ernst und sobald wie möglich zu erreichen suchen. Wir sollten uns nicht bei den drei vorhergehenden Marksteinen aufhalten, sondern mit aller Geduld, Ausdauer und Energie dem letzten zustreben. In einem gewissen Sinne sollen wir freilich die Welt nicht lieb haben, noch was in ihr ist; in einem anderen Sinne aber sollen wir sie lieben und allen Gutes erweisen, wo wir Gelegenheit haben, am meisten aber den Hausgenossen des Glaubens. (Gal. 6:10) Solche Liebe schließt sogar die Feinde ein. Diese Liebe verdrängt oder vermindert jedoch keineswegs unsere Liebe zum Vater und zu seiner Gerechtigkeit; sie steht auch der Liebe zu den Brüdern nicht im Wege. Im Gegenteil, sie steigert sie, und diese Stärkung der Liebe befähigt uns, Liebe, Wohlwollen und Mitleid zu empfinden für die ganze seufzende Schöpfung, die in Geburtswehen liegt und auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet. „Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen“, ist des Meisters Gebot für uns. Solange wir diesen Grad der Liebe nicht erreicht haben, solange wir unsere Feinde nicht lieben, dürfen wir uns auch keinen Augenblick dem Wahn hingeben, dass wir das Ziel erreicht haben, das der Herr seinen Nachfolgern gesteckt hat. Solange wir diesen Markstein nicht erreicht haben, sind wir Gottes geliebtem Sohn nicht gleichförmig.
Wir müssen diesen Markstein erreichen, bevor wir eines Platzes in der Neuen Schöpfung würdig erachtet werden können; und wir dürfen uns ja nicht dem Wahn hingeben, als ob dieser Markstein von allen Nachfolgern des Herrn gerade im Augenblick des letzten Atemzuges erreicht werden sollte. Im Gegenteil müssen wir suchen, diesen Markstein in unserem Leben als Christen so früh wie möglich zu erreichen, und dann gilt des Apostels Mahnung: „Wenn ihr alles ausgerichtet habt, stehet!“ (Eph. 6:13), d.h. gehet dann nicht wieder rückwärts. Wir bedürfen der Erprobung unserer Liebe, wenn wir sie einmal haben, und unser Stehen bei diesem Markstein, unser Bemühen, die Liebe zum bestimmenden Faktor unseres Wandels zu machen, wird unseren Charakter überhaupt stärken. Insbesondere in diesem Stück werden unsere Erfahrungen mit denen unseres Herrn übereinstimmen; denn während er nicht erst nach dem Ziel zu laufen brauchte, musste er doch, am Ziel stehend, den guten Kampf des Glaubens kämpfen, damit er nicht von ihm abgedrängt werde und den verschiedenen Anfechtungen der Welt und des Widersachers erliege. „Ich halte mich fest an das Ziel (Markstein)“ (engl. Übers.), sagt der Apostel, und so muss sich auch ein jeder von uns sich selbst an diesen Markstein am Ende des Laufes anklammern und sehen, dass er aus allen Prüfungen, in die er durch des Herrn Zulassung geführt wird, als Überwinder hervorgeht, nicht in eigener Kraft, sondern in der unseres teuren Erlösers.
Versuchungen werden an uns herantreten, um uns von der vollkommenen Liebe zum Vater abwendig zu machen, so dass wir ihm nicht die ganze schuldige Ehrfurcht, noch den ganzen schuldigen Gehorsam bezeugen. Versuchungen vom Widersacher werden an uns herantreten, die unsere Beziehungen zu den Brüdern zu trüben vermögen, dadurch, dass wir aufhören, durch unsere Liebe eine Menge von Sünden zu bedecken, dadurch, dass wir uns mit denen zu streiten anfangen, die wir lieben und mit deren Schwachheiten wir Mitleid zu haben gelernt haben. Versuchungen werden kommen, die unsere Feindesliebe erschüttern sollen, indem uns der Widersacher einflüstert, es gebe besondere Fälle, Ausnahmen, auf die sich unsere Feindesliebe nicht erstrecken sollte. Wohl uns, wenn wir uns fest an den Markstein der vollkommenen Liebe anklammern und danach streben, die schon erreichte Stellung zu behaupten – den guten Kampf des Glaubens kämpfend – festhaltend das ewige Leben, das um Jesu willen schon als unser gerechnet wird.
„Wissend eure Auserwählung von Gott“
„Wissend, von Gott geliebte Brüder, eure Auserwählung. Denn unser Evangelium war nicht bei euch im Worte allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geiste und in großer Gewissheit.“ – 1. Thess. 1:4, 5
An anderer Stelle haben wir gezeigt, worin die Zeichen, die Beweise, dafür bestehen, dass wir Kinder Gottes sind: nämlich die Zeugung und Versiegelung durch den Heiligen Geist. Wir wollen das dort Gesagte hier nicht wiederholen, sondern nur im allgemeinen auf die Tatsache aufmerksam machen, dass, wer an dieser Erwählung Anteil hat, an verschiedenen Anzeichen es selbst erkennen und von den Brüdern, mit denen er in Berührung kommt, als erwählt erkannt werden kann. In dieser Erwählung liegt sowohl eine Botschaft als auch eine Kraft. Die Erwählungsbotschaft oder die Berufung, das Wort, ist für die Erwählten nicht nur eine gute Botschaft, sondern auch eine Kraft zu wollen und zu vollbringen, was Gott wohlgefällt. Sie bringt den Erwählten den Heiligen Geist und große Gewissheit, so dass sie bereit sind, um jeden Preis das Wort Gottes zu verkündigen.
Der Apostel schreibt den Kolossern Kap. 3:12-14 über die zur Neuen Schöpfung Erwählten, dass sie die vorige Wertschätzung alter Dinge ablegen und sich ein ganz neues Urteil bilden sollten, das ihnen gestattet, die Glieder der Herauswahl nicht nach Nationalität oder kirchlicher Zugehörigkeit, sondern als alle eins in Christo, und sie allein als erwählte Neue Schöpfungen, zu erkennen. Seine Worte sind: „Ziehet nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut, einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat wider den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Zu diesem allem aber ziehet die Liebe an, welche das Band der Vollkommenheit ist.“
Unser Herr gibt in einer Stelle, wo er von der Herauswahl als Ganzes spricht, zu verstehen, dass verschiedene Prüfungen und Erprobungen an sie herantreten, dass sie am Ende des Zeitalters besonders schwer sein und durch Gottes Zulassung alsdann einen Grad erreichen würden, dass sie alle, mit Ausnahme der Auserwählten, zu Falle bringen werden. (Matth. 24:24; siehe Band 4, Kapitel 12) Hierin liegt eine Ermutigung. Es setzt nicht voraus, dass die Auserwählten alsdann höhere geistige Fähigkeiten besitzen werden, die sie befähigen, an jenem bösen Tag die verschiedenen Schlingen des Widersachers zu erkennen; es setzt auch nicht voraus, dass sie zu jener Zeit ihre irdenen Gefäße so völlig zu beherrschen imstande wären, dass sie nicht mehr fehlgehen können; aber es bedeutet, dass denen, die in Christo bleiben, in der Zeit der Not genügend Gnade, Weisheit und Hilfe zuteil werden wird. Welch ein Trost liegt hierin für alle, die ihre Zuflucht zu der vor uns liegenden Hoffnung genommen haben! Welch eine Zuversichtlichkeit gibt es uns, zu fühlen, dass unser Anker ins Innere des Vorhangs reicht, uns auf Christum verankert! Solch eine Zuvorbestimmung ist stärkend und tröstend, wie der Apostel erklärt: „Er hat uns auserwählt in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir (schließlich) heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe; und er hat uns zuvor bestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens … das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist, in ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvor bestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rate seines Willens, damit wir (die Neue Schöpfung) zum Preise seiner Herrlichkeit seien, die wir zuvor auf den Christus gehofft haben.“ – Eph. 1:4-11
„Wir müssen durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen.“
Die Notwendigkeit für die Anstrengungen und das Überwinden in der Charakterbildung, die Gott an die Berufung der „auserwählten“ Neuen Schöpfung knüpft, ist in der Natur nicht ohne Parallelen. Folgendes diene zur Erläuterung:
„Es wird von einem Mann erzählt, der seiner Insektensammlung eine Kaisermotte hinzuzufügen wünschte, dass er durch einen Glücksfall einen Kokon erhalten hatte und ihn den ganzen Winter durch in seiner Bibliothek aufhing. Im Frühling fand er, dass die Motte herauszukommen versuchte. Die Öffnung war so klein, und die Motte mühte sich, wie es schien, so hoffnungslos gegen die zähe Faser ab, dass er das Loch mit seiner Schere größer schnitt. Wohl kam die schöne Motte heraus, aber sie konnte niemals fliegen. Jemand erzählte ihm später, dass die Kämpfe nötig waren, um den Körpersaft in die großen Flügel des Insekts hineinzuzwingen. Sie vor diesen Kämpfen zu bewahren, war eine verfehlte Freundlichkeit. Die Anstrengung war zu der Motte Heil bestimmt. Die Nutzanwendung ist einleuchtend. Die Kämpfe, welche Menschen für zeitlich Gutes machen müssen, entwickeln den Charakter, wie er niemals ohne sie entwickelt werden könnte. Es ist auch gut, dass man für geistige Bereicherung kämpfen muss.“
Wir haben schon in Band 1, Studie 6, gezeigt, dass die Schrift ausdrücklich die Lehre von der „freien Gnade“ lehrt, die eröffnet werden wird, sobald die Herauswahl vollendet, verherrlicht sein wird. Während des tausendjährigen Reiches soll sie („der Same Abrahams“) alle Geschlechter der Erde mit einer völligen Gelegenheit segnen, vollkommene Charaktere, vollständige Wiederherstellung und ewiges Leben zu erhalten.