Die Berufung der Neuen Schöpfung

Die Berufenen allein wählbar. – Wann begann die Berufung zu dieser großen Errettung? – Die Berufung der Reue ist noch nicht die Berufung zur göttlichen Natur. – Die Berufung im jüdischen Zeitalter. – Die Berufung im Evangeliums-Zeitalter. – Warum nicht viele Weise, Große und Mächtige berufen sind. – Erhöhung ist der Lohn für wahre Demut. – Charakter ist eine Bedingung für die Berufung. – Im Millennium wird die Welt nicht berufen, sondern ihr wird befohlen. – Die Zeit für die hohe Berufung hat ein Ende. – Die „Neue Schöpfung“ vom Vater gezogen oder berufen. – Christus unsere Weisheit. – Christus unsere Gerechtmachung. – Unterschied zwischen der zugerechneten und der tatsächlichen Gerechtigkeit. – Bedarf die „Neue Schöpfung“ der Gerechtmachung? – Die Grundlage der Gerechtmachung. – Die Gerechtmachung der Alttestamentlichen Überwinder ist verschieden von der unseren. – Die Gerechtmachung im Tausendjahrreich. – Christus unsere Heiligung. – Die Heiligung im Tausendjahrreich. – Die levitischen Vorbilder zwei verschiedener Weihungen. – Keine der vorbildlichen Klassen erhielt einen Anteil an dem Land Kanaan. – Die Große Schar. – Die zwei Teile der Heiligung. – Der Teil des Menschen. – Der Teil Gottes. – Die Erfahrungen je nach dem Charakter verschieden. – Heiligung nicht nur vorübergehendes Gefühl, aber auch nicht Vollkommenheit. – „Der da heilet alle deine Gebrechen.“ – Der Thron der Gnade ist unentbehrlich. – Zusammenhang zwischen Rechtfertigung und Heiligung. – Weihung seit dem Ende der hohen Berufung. – Die Errettung der Herauswahl.

Die Gelegenheit, Glieder der Neuen Schöpfung zu werden und teilzunehmen an deren Vorrechten und Aufgaben, an deren Glück und Herrlichkeit, ist nicht der Menschheit im allgemeinen angeboten, sondern nur einer „berufenen“ Klasse. Das ist in der Schrift sehr bestimmt gesagt. Israel nach dem Fleisch war vom Herrn berufen, sein besonderes Volk zu sein, abseits von anderen Völkern und Nationen, wie geschrieben steht: „Nur euch habe ich von allen Geschlechtern der Erde erkannt (anerkannt).“ (Amos 3:2) Israels Berufung war nicht die „hohe“ oder „himmlische“, und darum finden wir auch in den an jenes Volk gerichteten Verheißungen keine himmlischen Dinge erwähnt. Ihre Berufung war ein Vorbereitungsstadium, das einen Überrest des Volkes befähigen sollte, die hohe Berufung der großen „Errettung“ zu vernehmen und auszunutzen, „welche den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben.“ (Hebr. 2:3) Nach den Bedingungen der hohen und himmlischen Berufung müssen wir also nicht im Alten, sondern im Neuen Testamente suchen, wiewohl wir, wenn uns die Augen des Verständnisses aufgehen, so dass wir die Tiefen Gottes gewahren, in dem Schicksal Israels nach dem Fleisch gewisse vorbildliche Belehrungen schöpfen mögen, die für den geistigen, mit der himmlischen Berufung bedachten Samen von Nutzen sein können. Denn der Apostel weist uns selbst darauf hin: Israel nach dem Fleisch, seine Gesetze, Gottes Handlungsweise mit ihm, waren Schatten oder Vorbilder der besseren Dinge, die für jene bestimmt sind, die zur Neuen Schöpfung berufen werden.

Da in Gottes Plan Jesus in allen Dingen den Vorrang haben sollte, so musste auch er der erste zur Neuen Schöpfung Berufene, das Haupt, der Hohepriester, der Führer jener neuen Klasse von Söhnen Gottes, der Anführer ihrer Errettung, ihr Vorbild werden, nach dem sie sich richten, ihr Vorläufer, in dessen Fußstapfen sie treten konnten. Demnach konnte den Heiligen des Alten Bundes ein Anteil an der Neuen Schöpfung nicht gegeben werden. Von Johannes dem Täufer sagt unser Herr selbst: „Wahrlich ich sage euch, unter den von Weibern Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er.“ (Matth. 11:11) Und der Apostel erklärt, nachdem er von dem Glauben und dem edlen Charakter seiner Brüder des vergangenen Zeitalters ein begeistertes Lob gesungen hatte: „Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen, auf dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.“ – Hebr. 11:40

Außerdem müssen wir uns daran erinnern, dass niemand berufen werden kann, solange er noch um der Sünde Adams willen verurteilt ist. Um jener „hohen Berufung“ teilhaftig werden zu können, muss erst die Freisprechung von dem über Adam gefällten Urteil erfolgt sein, und diese konnte dem Volke Israel durch das Blut der Stiere und Böcke nicht zuteil werden, weil es die Sünde nicht hinwegnehmen konnte. Jene Opfer waren nur Vorbilder der besseren Opfer, die gegenwärtig den von der Gerechtigkeit gegen uns erhobenen Ansprüchen genügen. Die himmlische Berufung konnte also nicht beginnen, bevor unser Herr Jesus das Lösegeld bezahlt und uns mit seinem eigenen kostbaren Blut erkauft hatte. Selbst die Apostel waren nur versuchsweise zur Neuen Schöpfung berufen und als solche gerechnet, bis der Erlöser den Loskaufpreis bezahlt, zum Himmel gefahren und daselbst das Lösegeld dargebracht hatte. Erst dann erkannte der Vater sie am Tage der Pfingsten und zeugte sie durch seinen Heiligen Geist zu „Neuen Schöpfungen.“ Unser Herr sagte freilich zu den Pharisäern: „Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“ (Matth. 9:13) Aber es ist ein großer Unterschied zwischen Berufung von Menschen zur Buße und Berufung zur himmlischen Natur und Miterbschaft mit Christo. Zu letzterer werden Sünder nicht berufen, darum müssen wir, die wir „von Natur Kinder des Zornes“ sind, erst von aller Schuld freigesprochen sein um des kostbaren Blutes Christi willen.

Darum lesen wir auch in der Einleitung des Römerbriefes (1:7), dass er gerichtet ist „an alle Geliebten Gottes, berufene Heilige, die in Rom sind“ (an alle, die berufen sind, Heilige zu sein, Teilhaber der göttlichen Natur zu werden), und in der Einleitung des ersten Korintherbriefes (1:2): „Der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christo Jesu, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen.“ Die Beschränkung der Berufung auf diese Klasse wird noch weiter betont in Vers 9, der Gott als den Berufer bezeichnet: „Gott ist treu, durch welchen ihr berufen worden seid in der Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.“ Dies setzt eine Gemeinsamkeit, Einigkeit voraus; die Berufung bezweckt also, unter den Menschen etliche zu finden, die als „Neue Schöpfungen“ mit ihrem Erlöser eins werden, Miterben werden sollen an der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, die er als Lohn für den erwiesenen Gehorsam empfing.

Hier werden wir an die Worte des Apostels erinnert, die zu verstehen geben, dass wir unter ganz bestimmten Bedingungen Miterben Christi werden können: „Wenn wir anders mitleiden, auf dass wir auch mitverherrlicht werden.“ (Röm. 8:17) Im ersten Kapitel des ersten Korintherbriefes zeigt der Apostel, dass die Berufung, die er bespricht, keineswegs dieselbe ist, wie sie eine Zeitlang an die Juden allein erging, und seine Worte zeigen weiter, dass nicht alle berufen sind. Wir lesen Vers 24: „Den Berufenen selber aber, sowohl Juden als Griechen (predigen wir) Christum (nicht wie den unberufenen Juden und Griechen als Ärgernis oder Torheit, sondern) Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Im Hebräerbrief endlich hebt der Apostel in Kapitel 9:15, 16 hervor, dass die Berufung dieses Evangeliums-Zeitalters nicht ergehen oder wirksam werden konnte, bevor nicht der Herr, durch seinen Tod, eine Bürgschaft des Neuen Bundes wurde. „Darum ist er Mittler eines neuen Bundes, damit, da der Tod stattgefunden hat zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten (Gesetzes-) Bund, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfingen.“ – Hebr. 7:22

Nicht viele Große, Weise oder Gelehrte berufen

Wir könnten nun natürlicherweise annehmen, dass diese besondere Berufung, wenn sie so eingeschränkt war, vorab beschränkt worden wäre auf die Besten des gefallenen Geschlechtes, auf die Edelsten, Tugendhaftesten, Begabtesten. Dem widerspricht aber der Apostel, wenn er schreibt: „Sehet eure Berufung, Brüder, dass es nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind, sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, auf dass er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, auf dass er das Starke zuschanden mache; und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, das, was nicht ist, auf dass er das, was ist, zunichte mache, damit sich vor Gott kein Fleisch rühme.“ (1. Kor. 1:26-29) Als Grund hierfür gibt der Apostel an, dass Gott nicht wollte, dass irgendein Mensch sich rühme, er habe die ihm verheißenen großen Segnungen irgendwie verdient. Das ganze Verfahren soll dazu dienen, Engel und Menschen erkennen zu lassen, wie machtvoll Gott ist, so dass er niedrige, verachtete Charaktere in edle und reine zu verwandeln vermag, nicht mit Gewalt, sondern vermittelst der reinigenden Wirkung der Wahrheit, indem er in den Berufenen durch die Verheißungen und vor sie gesetzten Hoffnungen beides wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken nach seinem Wohlgefallen. Diese Vorkehrung Gottes wird nicht allein zu seiner Ehre dienen, sondern auch jene, die er segnen will, demütig machen und daher zu ihrem ewigen Besten dienen. Wiederholt hebt das Neue Testament hervor, dass diese Berufung, diese große Errettung, nicht von Menschen ist, noch durch menschliche Macht bewirkt wird, sondern eine Gnadengabe Gottes ist. Auch ist es nicht schwer einzusehen, warum diese Berufung verhältnismäßig wenig Anziehungskraft hat für die Hochstehenden und mehr für die Ungebildeten.

Hochmut ist eine wirksame Kraft der gefallenen Natur, mit welcher immer gerechnet werden muss. Jene, die weniger tief gefallen sind als die Mehrheit ihrer Mitmenschen und deshalb von Natur aus über dem Durchschnitt der Menschen stehen, sind befähigt, dieses ihres Vorzuges sich bewusst zu sein, und daher ihre Überlegenheit zu fühlen und stolz darauf zu sein. Solche könnten auch, wenn sie den Herrn suchen und seinen Segen, seine Gunst wünschen, sich versucht fühlen zu erwarten, dass der Herr sich mit ihnen auf einen anderen Fuß stelle als mit ihren tiefer gefallenen, weniger edlen Mitmenschen. Gottes Maßstab aber ist Vollkommenheit; was diesem Maßstab nicht entspricht, ist verurteilt, und jeder Verurteilte ist auf den einen Erlöser angewiesen, mag er mehr oder weniger vom Schaden Adams geerbt haben. Eine solche Bedingung ist natürlich für die Kleinen in dieser Welt, für die tiefer Gefallenen, anziehender als für die Edleren. Die Schwachen empfinden eher, dass sie eines Erretters bedürfen, denn ihre Unvollkommenheiten sind ihnen viel fühlbarer. Die weniger tief Gefallenen, die darüber eine gewisse Selbstzufriedenheit empfinden, sind nicht besonders geneigt, sich vor dem Kreuz Christi tief zu beugen und von dorther Rechtfertigung als freie Gnadengabe zu empfangen, auf sie allein gestützt dem Thron der himmlischen Gnade zu nahen und von dort Begnadigung und gnädige Hilfe entgegenzunehmen. Sie sind eher geneigt, sich auf ihr eigenes Verstehen zu verlassen und mit sich selbst so zufrieden zu sein, dass sie nicht eingehen können durch die enge Pforte und nicht auf dem schmalen Wege wandeln.

Gott setzt eine Belohnung aus für die Demut, die von denen erwartet wird, die eingeladen werden, Glieder der Neuen Schöpfung zu werden. Der Apostel sagt (1. Petr. 5:6): „So demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur rechten Zeit.“ Er weist auf das Vorbild hin, Christum Jesum, der sich selbst erniedrigte, verachtet wurde, eine geringere Natur annahm und den Tod, ja, den schmachvollen Kreuzestod erlitt, und der wegen dieser Demut und dieses Gehorsams so hoch erhöht wurde. Denn „Gott widersteht dem Hochmütigen, dem Demütigen aber gibt er Gnade.“ (1. Petr. 5:5) Ihr seht eure Berufung, Brüder, dass nicht viele Große und Weise und Gelehrte berufen sind, sondern meist solche, die in den Augen der Welt arm, aber an Glauben reich sind. Wie auf die Demut, so setzt Gott auch auf den Glauben eine Belohnung. Für seine Neue Schöpfung sucht er solche, die ihm ganz zu vertrauen gelernt haben, sich an seiner Gnade genügen lassen und in der Kraft, die er verleiht, die Vorbedingung zu ihrer Erhöhung erfüllen, das heißt den Sieg, zu dem er sie beruft, davontragen.

Dennoch ist Charakter eine Vorbedingung für die Berufung

Wenn nun Gott auch nicht die Großen, Weisen und Gelehrten beruft, so dürfen wir daraus nicht schließen, dass sein Volk nun niedriger Gesinnung und unwissend sei im Sinne von heruntergekommen, verderbt und böse. Im Gegenteil; der Herr beurteilt, die er ruft, nach dem denkbar erhabensten Maßstab. Sie sind berufen zur Heiligkeit, zur Reinheit, zur Treue, zur Gerechtigkeitsliebe. Sie sollen diese Dinge für sich selbst von Herzen hochschätzen und danach wandeln, zur Ehre dessen, der sie berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (2. Petr. 1:3; 1. Petr. 2:9) Die Welt mag sie nur nach dem Fleische kennen, und nach dem Fleische mögen sie nicht edler und feiner sein als andere, oftmals weniger edel und fein; aber ihre Annahme bei dem Herrn erfolgte nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist, nach ihrem Herzen und ihren Absichten. Folglich sind sie von dem Augenblick an, da sie die Gnade Gottes in Christo und die Vergebung ihrer Sünden annehmen und sich dem Herrn weihen, gerechnet, als wären sie den Schaden, der ihnen als Kinder Adams anhaftet, losgeworden; sie werden gerechnet, als ob ihr Fleisch in das Kleid des Verdienstes Jesu Christi gehüllt wäre, das alle ihre Gebrechen deckt. Die neue Gesinnung, der neue Wille ist die von Gott angenommene, berufene Neue Schöpfung; mit dieser allein handelt er.

Gewiss, die neue Gesinnung wird sich beim Erstarken als edel, ehrenhaft und aufrichtig ausweisen, und immer mehr Beherrschung über das Fleisch gewinnen, so dass jene, die da draußen sind und die Neue Schöpfung nicht erkennen, wie sie auch den Herrn nicht erkannt haben, sich schließlich wundern über die guten Werke, den heiligen Wandel, den Geist eines gesunden Sinnes jener Neuen Schöpfungen, auch dann noch, wenn sie dieselben auf unedle Beweggründe zurückführen. Trotz des allmählichen Wachstums der neuen Gesinnung, trotz ihrer allmählichen Annäherung an die Gesinnung des Herrn, mögen sie vielleicht niemals zur vollen Beherrschung des sterblichen Leibes, in welchem sie wohnen, gelangen; doch muss es der Zweck aller ihrer Bemühungen sein, Gott auch in ihrem Leibe zu verherrlichen, so gut wie in ihrem Geist, ihrer Gesinnung, die sein Eigentum sind. – 1. Kor. 6:20

Lasst uns einige Charakterzüge der „Neuen Schöpfung“ hier anführen. Der Apostel richtet an sie eine Ermahnung, die wert ist, beherzigt zu werden: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu welchem du berufen worden bist.“ (1. Tim. 6:12) Diese Neuen Schöpfungen sollen nicht erwarten, den Sieg und den darauf gesetzten großen Preis zu erringen ohne Kampf mit dem Widersacher, der sie überall umgebenden Sünde und der Schwachheit ihres eigenen Fleisches, wiewohl jene gemäß den Bestimmungen des Gnadenbundes durch Christi Verdienst zugedeckt ist.

Wiederum ermahnt der Apostel diese Klasse: „Wandelt würdig des Gottes, der euch zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit beruft.“ (1. Thess. 2:12) Die Neue Schöpfung darf sich nicht darauf beschränken, ihre Berufung und schließliche Belohnung in der Herrlichkeit des Königreiches zu erkennen; sondern sie muss sich dessen bewusst sein, dass sie im gegenwärtigen Leben ein Vertreter Gottes und seiner Gerechtigkeit geworden ist, auf dass sie demgemäss zu wandeln suche. So lesen wir auch: „Wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es steht geschrieben: Seid heilig, denn ich bin heilig.“ (1. Petr. 1:15, 16) Und wiederum: „Verkündigt die Tugenden dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ – 1. Petr. 2:9

Neue Schöpfungen, Israeliten nach dem Geiste, sind keinen besonderen Gesetzen, wie die Israeliten nach dem Fleische es waren, unterworfen. Sie stehen unter dem „Gesetz der Freiheit“, auf dass sie ihre Liebe für den Herrn nicht nur darin erweisen können, dass sie freiwillig alle Dinge vermeiden, von denen sie wissen, dass der Herr sie missbilligt, sondern auch darin, dass sie menschliche Rechte und Interessen darangeben im Dienste der Wahrheit und Gerechtigkeit, für den Herrn und die Brüder. Darum sagt der Apostel: „Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligkeit.“ (1. Thess. 4:7) Und wiederum: „Ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder; allein gebrauchet nicht die Freiheit zu einem Anlass für das Fleisch“ (Gal. 5:13), zu üblem Tun; gebrauchet eure Freiheit vielmehr zum Hingeben gegenwärtiger Rechte zugunsten der Wahrheit und des Dienstes an ihr, auf dass ihr so opfernde Priester der königlichen Priesterschaft sein möget, die mit der Zeit im Reiche Gottes herrschen werden als Miterben Christi, um der Welt die Segnungen Gottes auszuteilen.

Zahlreich sind die Schriftstellen, welche zeigen, dass die Berufung der „Neuen Schöpfung“ eine Berufung zur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit ist. (Phil. 3:14; 2. Petr. 1:3 usw.) Aber stets zeigt der Herr, dass der Weg zu dieser Herrlichkeit schmal ist und durch Opfer, Prüfungen und Erprobungen führt. Nur wer von seinem Geist gezeugt, ja, davon erfüllt ist, wird schließlich ein Überwinder werden und die herrlichen Dinge erreichen können, zu denen er berufen war. Der Weg zu ihnen ist für die Berufenen gangbar gemacht worden durch den, der verheißen hat: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.“

Wir dürfen nicht glauben, dass es verschiedene Berufungen gebe, sondern müssen eingedenk sein der Erklärung des Apostels: „Ihr seid berufen worden in einer Hoffnung eurer Berufung.“ (Eph. 4:4) Wer also denkt, er habe die Wahl in dieser Angelegenheit, der irrt. Im zukünftigen Zeitalter wird es für die Welt keine Berufung geben; Gott wird alsdann keine besondere Klasse mehr herauswählen, die er absondern, auszeichnen und zu einer besonderen Stellung führen könnte. Im Tausendjahrreich wird der Herr die Welt nicht einladen, sondern ihr befehlen, den Gesetzen und Grundsätzen der Gerechtigkeit zu gehorchen, jeder einzelne wird der Regierung des Tausendjahrreiches zu gehorchen gezwungen, nicht nur eingeladen werden. Ungehorsame werden Streiche empfangen und Unverbesserliche werden aus der Mitte ausgerottet werden, wie geschrieben steht. (Apg. 3:23) Sie werden den zweiten Tod sterben, von dem es keine Wiederherstellung, kein Wiederaufleben, gibt.

Wenn es auch keine zweite Berufung während des Evangeliums-Zeitalters gibt, wie wir gesehen haben, so gibt es doch eine zweite Klasse Geretteter während dieses Zeitalters – die Große Schar, „deren Zahl niemand zählen kann“. (Offb. 7:9-14) Sie wird Gott dienen in seinem Tempel und vor dem Thron, während die Braut auf dem Thron sein wird, bestehend aus den Gliedern oder lebendigen Steinen des Tempels. Die Glieder der Klasse der Großen Schar haben keine besondere Berufung. Sie hätten es ebenso leicht und in einer sie selbst besser befriedigenden Weise zu der Herrlichkeit der göttlichen Natur gebracht, wenn sie freudigeren, volleren Gehorsam geleistet hätten. Sie werden schließlich auch Überwinder, was durch die Palmen in ihren Händen angedeutet ist; aber ihr Mangel an Eifer ließ sie der Teilhaberschaft an der Überwinderklasse verlustig gehen, der Miterbschaft an der ewigen Herrlichkeit der Neuen Schöpfung, und schon vorher des größten Teiles der Freude, des Friedens und der Zufriedenheit, die schon in diesem Leben das Teil der Überwinder sind. Der Rang, den sie einnehmen werden, wird, wie wir schon früher zeigten, in manchen Punkten dem der Engel ähnlich sein.

Die Berufung zur Neuen Schöpfung ist auf eine bestimmte Zeit beschränkt, wie der Apostel erklärt: „Jetzt ist die wohlangenehme Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor. 6:2), und: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht.“ (Hebr. 3:15) Dieser Tag, dieses Jahr, dieses Zeitalter der Annahme begann mit der Weihung unseres Herrn Jesu. Er wurde berufen. Er nahm sich nicht selbst die Ehre, und so ist es auch seither gehalten worden: „Niemand nimmt sich selbst die Ehre“. (Hebr. 5:4) Gar zu dreist wäre ein Mensch, wenn er einen Anspruch auf seine Verwandlung zur göttlichen Natur erheben wollte, seine Verwandlung aus einem Glied der Familie Adams, einem Erben seiner Schuld zu einem Miterben Christi an allen Gütern und Herrlichkeiten und Ehren, deren Erbe Jesus wurde, nachdem er der Berufung gefolgt und der rechtmäßige Erbe aller dieser Güter für alle Ewigkeit wurde.

Diese Berufung, dieser „Tag des Heils“, diese „Zeit der Annahme“ wird ebenso sicher einmal enden, wie sie zur bestimmten Zeit begann. Gott hat es so geordnet, dass eine festbestimmte Zahl Menschen zur Neuen Schöpfung gelangen soll; sobald diese Zahl voll ist, wird der Zweck des Evangeliums-Zeitalters vollbracht sein. Wir dürfen auch bemerken, dass, sobald die genügende Zahl berufen ist, die Berufung aufhören muss; denn es wäre nicht vereinbar mit der Weisheit Gottes, auch nur einen einzigen Menschen mehr zu berufen, als er zuvor bestimmt hat, auch wenn er zuvor wüsste, wie viele Berufene des Gehorsams ermangeln und verfehlen würden, ihre Berufung und Erwählung festzumachen, und die daher ersetzt werden müssten. Es wäre des Allmächtigen nicht würdig, mit seinen Geschöpfen mutwillig zu scherzen und auch nur eine einzige Einladung mehr ergehen zu lassen, als durchgeführt werden könnte, wenn sie angenommen wird. Die Schrift bezeugt, dass für jedes Glied der festbestimmten zuvor beschlossenen Zahl zukünftiger Priesterkönige eine Krone vorhanden ist, und dass für jeden, der des Herrn Berufung annimmt und sich dem Herrn weiht, eine dieser Kronen in Bereitschaft liegt. Wir können nun wohl nicht annehmen, dass der Herr, nachdem ein Berufener die Berufung angenommen hat, ihm mitteilen würde, es sei jetzt keine Krone mehr verfügbar, er müsse warten, bis ein bereits Angenommener sich als untreu erwiesen und sein Kronenrecht verloren habe. Unseres Herrn Ermahnung: „Halte fest was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme“, scheint nicht nur diese bestimmte Zahl Kronen, sondern auch am Ende des Zeitalters eine Zeit vorauszusetzen, da die ihren Bundesverpflichtungen nicht gewissenhaft Nachkommenden verworfen und andere Anwärter auf ihre Kronen anerkannt würden. – Offb. 3:11

Nach unserem Verständnis hat die allgemeine Berufung zur Miterbschaft mit unserem Erlöser, zur Gliedschaft der Neuen Schöpfung im Jahre 1881 aufgehört. Aber wir nehmen an, dass von den damals Geweihten eine große, sich auf alle Teile der Namenchristenheit verteilende Zahl – etwa 20.000 bis 30.000 – sich bis zum Ende der Übergangszeit nicht werden getreu erwiesen haben. Diese werden, wenn ihre Erprobung durchgeführt und zu ihrem Nachteil ausgefallen ist, einer nach dem anderen aus der Schar der Berufenen ausgemerzt, um anderen, die sich, seitdem die direkte Berufung aufhörte, geweiht haben, Platz in der Familie Christi und seiner Miterben zu machen. Diese werden nun ebenfalls auf die Probe gestellt und, wenn unwürdig befunden, wiederum durch andere ersetzt, die sich in einer der Geweihten würdigen Herzensstellung befinden. Da bedurfte es seit 1881 keiner allgemeinen Berufung mehr. Den jetzt Zugelassenen kann die Gelegenheit, der Vorrechte teilhaftig zu werden, geboten werden, wenn sie auch nicht unter der allgemeinen Berufung gekommen sind, die seit 1881 nicht mehr ergeht. Sie werden auf Probe zugelassen, je nachdem sich Gelegenheit bietet, entstandene Lücken auszufüllen. Wir erwarten, dass dieses Gehen und Kommen weitergehen wird, bis das letzte Glied der Neuen Schöpfung würdig befunden worden sein wird, bis alle Kronen bleibend verteilt sind.

Der Apostel erklärt: „Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife.“ (1. Thess. 5:4) Gestützt auf die verschiedenen angeführten Schriftstellen sind wir geneigt anzunehmen, dass in dieser Erntezeit des Evangeliums-Zeitalters ein gewisses Maß Erkenntnis der Wahrheit über den Plan Gottes, die Gegenwart des Menschensohnes und das Erntwerk allein Geweihten des Herrn gegeben wird. Wir nehmen an, dass auf diese Weise die „gegenwärtige Wahrheit“ eine gute Erprobung der wahren Herzensstellung eines jeden Geweihten bewirken kann, gerade wie die Verkündigung der Gegenwart des Herrn und der Ernte am Ende des jüdischen Zeitalters die Probe für Israel nach dem Fleische war. Wir glauben ferner, dass die, welche in dieser Erntezeit zu einer klaren Erkenntnis der Wahrheit kommen und Beweise der Aufrichtigkeit ihres Glaubens an das kostbare Blut und ihrer völligen Weihung geben, wenn ihnen ein klarer Einblick in den Plan Gottes geschenkt ist, als solche angesehen werden sollten, die das Zeugnis haben, dass sie vom Herrn angenommen sind als voraussichtliche Miterben Jesu Christi, auch wenn sie sich erst nach 1881 geweiht haben. Hat ihre Weihung schon stattgefunden, bevor die Berufung aufhörte, so können wir verstehen, dass sie nach so langer Zeit in die richtige geweihte Stellung gekommen sind, und dass die Erkenntnis der gegenwärtigen Wahrheit ihnen als eine Gnadengabe geschenkt wurde, als ein Zeugnis dafür, dass sie den Geist Gottes haben. Gehörten sie im Jahre 1881 noch nicht zu den Geweihten, so dürfen wir schließen, dass sie jetzt Eintritt in die Klasse der Berufenen erlangt haben, weil ihnen die Plätze früherer Berufener angewiesen wurden, die es an Eifer fehlen ließen, die weder kalt noch warm waren, und die deshalb ausgewiesen und in die Finsternis draußen verstoßen wurden, wo sie den ihnen gebührenden Teil der kommenden Drangsal schmecken und, weil sie auf das Wort nicht haben hören wollen, nun mit Schlägen gezüchtigt und erzogen werden müssen. Diese werden nach einer Zeit schwerer Trübsal zu einem Platz in der Großen Schar gelangen, während sie, hätten sie willig und freudig gelitten, zu einem Platz neben Christo auf dem Thron hätten gelangen können.

Wie Gott beruft

Aus ihm aber seid ihr in Christo Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung.

1. Korinther 1:30

Christus unsere Weisheit

Die Weisheit wird hier als der erste und insofern als der wichtigste Schritt auf dem Wege der Errettung bezeichnet. Salomos Zeugnis stimmt damit überein, wenn er sagt: „Weisheit ist das wichtigste; mit all deiner Kraft erwirb Verständnis.“ Wie gut unsere Vorsätze auch sein mögen, seien wir stark oder schwach, wir bedürfen der Weisheit, um den richtigen Weg einzuschlagen. Das ist ein allgemein anerkannter Grundsatz. Alle, auch selbst weniger intelligente Menschen suchen nach mehr Kenntnis und Weisheit; selbst solche, die die verkehrten Wege einschlagen, tun dies, weil sie ihnen am Anfang keineswegs verkehrt schienen. So war es schon bei Mutter Eva der Fall. Sie hatte Verlangen nach Kenntnis und Weisheit; und allein in der Tatsache, dass der Genuss der verbotenen Frucht ihr als ein Weg zur Weisheit erschien, bestand die Versuchung zum Ungehorsam dem Schöpfer gegenüber. Wie sehr bedürfen wir also einen weisen Berater, um uns auf die Wege der Weisheit und des Friedens zu führen!

Und wie Mutter Eva in ihrer Vollkommenheit eines weisen Führers bedurfte, wie viel mehr wir, ihre gefallenen unvollkommenen Kinder! Unser himmlischer Vater hat, als er uns zur Gliedschaft der Neuen Schöpfung berief, unsere Mängel vorausgesehen. Er wusste, dass unsere eigene Weisheit unzulänglich sein werde; dass des Widersachers List und seine fälschliche Weisheit uns betören könnte, um uns Licht als Finsternis und Finsternis als Licht erscheinen zu lassen. Darum musste uns Christus zur Weisheit gemacht werden. Um zu Gott zu gelangen, um des Verdienstes Jesu Christi und danach der Sohnschaft teilhaftig zu werden, bedürfen wir der Hilfe, der Anleitung, der Weisheit, der Öffnung der Augen unseres Verständnisses, damit wir die Vorkehrungen Gottes in seinem Sohn zu unseren Gunsten erkennen können.

Um für die Weisheit von oben hörende Ohren zu haben, bedarf es zunächst einer ernsten Gesinnung. Wir müssen ein gutes Maß Demut besitzen, damit wir nicht mehr von uns denken, als sich zu denken gebührt, damit wir unsere Schwachheiten, Gebrechen und unsere Unwürdigkeit mit Gottes Augen betrachten lernen. Wir müssen ferner bis zu einem gewissen Grad offen und ehrlich sein, um die durch die Demut erkannten Mängel zuzugeben und als solche zu erkennen. Wer in dieser Selbsterkenntnis sich umsieht, nach Gerechtigkeit, nach Übereinstimmung mit Gott, den führen Gottes Vorkehrungen hin zu Jesus als dem Retter. Wie unvollständig wir auch zuerst die Lehre der Versöhnung verstehen mögen, das müssen wir wenigstens begreifen, dass wir „von Natur Kinder des Zornes sind, gleichwie die übrigen“ – Sünder; dass Christi Opfer ein gerechtes und hinreichendes war, dass er das von Gott ausersehene Opferlamm war (1. Mose 22), und dass Gott sein Opfer annahm; dass wir durch seine Striemen geheilt, durch seinen Gehorsam vom Vater angenommen werden können; dass unsere Sünden auf ihn gelegt wurden, dass er sie wegnahm, dass seine Gerechtigkeit, sein Verdienst uns angerechnet werden kann und unsere Mängel wie ein Kleid verhüllt. Das müssen wir einsehen – Christus muss uns zur Weisheit gemacht sein, bevor wir dieser Kenntnis entsprechend handeln und durch aufrichtige Annahme seines Verdienstes in den Augen des Vaters gerecht gemacht, angenommen und geheiligt, und zu seiner Zeit frei und herrlich gemacht werden können. Aber Christus hört nicht auf, unsere Weisheit zu sein, wenn wir einen Schritt weitergehen, wobei er dann unsere Gerechtigkeit wird. Nein; wir bedürfen seiner immer noch als unsere Weisheit, als unseres weisen Beraters. Unter seiner Leitung müssen wir einsehen lernen, wie weise es ist, sich ganz zu weihen und dieser Weihung gemäß ein Leben in Heiligung zu führen, in völliger Unterwerfung unter den Willen des Vaters. Bei jedem Schritt, den wir weiter tun, ist Weisheit die Hauptsache, und durch dieses ganze Leben der Hingabe oder Heiligung, bei jedem Schritt auf der Pilgerfahrt nach der himmlischen Stadt, bedürfen wir der Weisheit von oben, von der der Apostel sagte, sie sei „zuerst rein, sodann friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.“ (Jak. 3:17) Irdische Weisheit handelt nach den Erfordernissen der Selbstsucht, des Eigenwillens, des Hochmuts, der Selbstgerechtigkeit, der Selbstgenügsamkeit, und diese Dinge führen, wie der Apostel zeigt, zu bitterer Eifersucht und zu Streit, weil solche Weisheit nicht von oben kommt, sondern irdisch, sinnlich, teuflisch ist. Die himmlische Weisheit stimmt im Gegenteil überein mit der himmlischen Liebe, die nicht groß tut, sich nicht aufbläht, sich nicht unanständig gebärdet, nicht das Ihrige sucht, sich nicht der Ungerechtigkeit freut, sondern sich mit der Wahrheit freut. (1. Kor. 13:5, 6)

Diese Weisheit handelt auch nach den Grundsätzen der Ordnung, denn wenn sie auch alle Eigenschaften, die der Apostel Jakobus erwähnt, in sich schließt, so weist sie doch diesen Eigenschaften ihren besonderen Platz an. Wenn auch der Geist der Weisheit von oben friedsam ist, das heißt, den Frieden wünscht und ihn zu fördern sucht, so gibt er doch dem Frieden nicht den ersten Platz, sondern der Reinheit. Es ist irdische Weisheit, die Frieden um jeden Preis anrät und das Gewissen schweigen heißt, nur um Frieden zu haben. Die Weisheit, die rein ist, ist harmlos, ehrenhaft und offen, sie liebt das Licht, sie ist nicht von der Finsternis, von der Sünde; sie fordert nicht, was verborgen werden müsste; sie hält das Verborgene meist für Werke der Finsternis, die heimlichen Dinge meist für böse Dinge. Sie ist friedsam, soweit dies vereinbar ist mit Ehrenhaftigkeit und Reinheit, sie wünscht Frieden, Eintracht und Einigkeit. Aber da der Friede nicht zuerst kommt, so kann sie nur mit den Dingen von Herzen zufrieden und in voller Übereinstimmung sein, die ehrbar, rein und gut sind.

Die himmlische Weisheit ist gelinde, nicht barsch, rau, weder in ihren Absichten noch in ihren Methoden. Dennoch kommt die Gelindigkeit nicht an erster, sondern erst an dritter Stelle, nach der Reinheit, nach der Friedsamkeit. Jene, die sie haben, sind nicht zuerst gelinde und dann rein und friedsam, sondern zuerst rein, geheiligt durch die Wahrheit. Weil sie Frieden zu haben und zu finden wünschen, sind sie gelinde und gerne zum Frieden bereit; aber sie können nur mit dem Frieden machen, was rein, friedsam und gelinde ist; sie können mit einem bösen Werk nicht ausgesöhnt werden; einen solchen Weg verbietet der Geist der himmlischen Weisheit.

Himmlische Weisheit ist voller Barmherzigkeit und guter Früchte. Sie freut sich der Barmherzigkeit, von der sie sieht, dass sie einen Hauptzug des Charakters Gottes bildet, den sie sich anzueignen bestrebt ist. Barmherzigkeit und alle guten Früchte des Geistes unseres Herrn gehen sicherlich aus einem Herzen hervor, das von der Weisheit von oben erleuchtet ist, und diese Früchte werden auch reif. Aber diese Barmherzigkeit, die Rücksicht nimmt auf unwissentliche und unwillentliche Verfehlungen und solchen Mitmenschen gerne und hilfsbereit beispringt, kann keine Gemeinschaft haben mit solchen, die wissentlich Böses tun, weil der Geist der Weisheit nicht in erster Linie barmherzig, sondern in erster Linie rein ist. Darum kann die Barmherzigkeit dieser Weisheit sich auch unwillentlichen und unwissenden Übeltätern gegenüber bekunden.

Die Weisheit von oben wird auch als unparteiisch bezeichnet; Parteilichkeit ist Ungerechtigkeit; und die Reinheit, Friedsamkeit, Milde, Barmherzigkeit und die guten Früchte des Geistes der Weisheit von oben bringen uns dahin, dass wir die Person nicht ansehen, sie nach nichts anderem beurteilen als nach ihrer Gesinnung und in dieser allein ihren Wertmesser sehen. Die äußere Erscheinung des natürlichen Menschen, die Hautfarbe usw., hat für den Geist des Herrn, für den Geist der Weisheit von oben nichts zu bedeuten. Er ist unparteiisch; er sucht, was rein, friedsam, milde und wahr ist, wo immer es auch zu finden sei, und unter welcherlei Begleiterscheinungen es auch auftreten mag.

Die Weisheit von oben ist ferner ohne Heuchelei. Sie ist so rein, so friedsam, so milde, so barmherzig gegen alle, dass die Heuchelei ganz überflüssig ist, wo jene Weisheit herrscht. Sie unterhält kein Einvernehmen, keine Vorliebe, keine Gemeinschaft mit dem, was sündhaft ist, weil sie Gemeinschaft und Vorliebe hat für alles, was rein ist oder Reinheit, Frieden und Freundlichkeit fördert. Hierbei ist kein Raum für Heuchelei.

Gott hat uns in allen diesen Punkten die himmlische Weisheit durch seinen Sohn gegeben, nicht allein in der Ankündigung seines Erlösungswerkes, sondern auch dadurch, dass uns der Sohn die Gnadengaben des Geistes und den Gehorsam gegenüber dem Vater vorgelebt hat. So belehrte er uns durch sein Wort und durch sein Vorbild. Außerdem kommt die Weisheit von oben zu uns durch die Apostel als Christi Vertreter, durch ihre Schriften, und ferner durch alle, die diesen Geist der Weisheit von oben schon empfangen haben und täglich bestrebt sind, ihr Licht in einer Weise scheinen zu lassen, die ihrem Vater im Himmel Ehre macht.

Christus unsere Rechtfertigung

Wir haben schon im 15. Kapitel des 5. Bandes die Versöhnung des Menschen mit Gott, deren Grundsatz ist, dass das Verdienst unseres Herrn Jesu allen denen zur Rechtfertigung angerechnet wird, die es annehmen, besprochen. Hier wollen wir nun den Sinn des gebräuchlichen Wortes Rechtfertigung oder Gerechtmachung genauer untersuchen; denn er scheint von der Mehrheit der Kinder Gottes nur unvollkommen verstanden zu werden.

In dem Wort „Rechtfertigung“ liegen drei Gedanken: 1. der Gedanke der Gerechtigkeit, des Rechtsmaßstabes; 2. dass etwas mit diesem Maßstab nicht übereinstimmt, dem vollen Maß nicht entspricht; 3. dass die Person oder die Sache, die mangelhaft ist, gerecht gemacht werden soll. Wir denken an folgendes Bild: In den Schalen einer Wage liegen auf der einen Seite die Gerechtigkeit, auf der anderen Seite der Gehorsam des Menschen. Dieser sollte das genaue Gegengewicht bilden, aber der Gehorsam eines jeden ist mehr oder weniger mangelhaft; er bedarf eines Zugewichts, um dem Gewicht der Gerechtigkeit voll zu entsprechen. Adam war vollkommen erschaffen, er war eins mit Gott, ihm gehorsam. Dies war ein richtiger, von Gott gewollter, gerechter Zustand, in dem er hätte bleiben sollen. Durch seinen Ungehorsam aber kam er unter den göttlichen Fluch und wurde sofort verworfen, weil er das von Gott gewollte Maß nicht mehr erfüllte. Seine Nachkommen sind alle in Sünde geboren und in Ungerechtigkeit empfangen; sie sind auf niedrigerer Stufe stehend ins Leben gekommen als ihr Vater Adam; sie weichen noch mehr von dem ursprünglichen Ebenbild Gottes, das die Gerechtigkeit fordert, ab. Es ist demnach nutzlos für irgendeinen Nachkommen Adams, vor Gott hinzutreten, um ihn aufzufordern, ihn zu messen und zu wägen, damit er erfahre, ob er auch vollwertig sei und den göttlichen Maßstab absoluter Gerechtigkeit erreiche. Da der vollkommene Mensch sein Vollgewicht durch seinen Ungehorsam einbüsste, wie viel weniger können wir, die wir das Vollgewicht nie besaßen, die wir unvollkommen, gefallen, herabgekommen sind, hoffen, die Anforderungen der Gerechtigkeit ganz zu erfüllen, um uns vor Gott zu rechtfertigen? Wir haben alle gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollten, der Herrlichkeit, in der Adam einst erschaffen wurde.

Wenn wir also einsehen, dass wir als Geschlecht alle ungerecht und unvollkommen sind und niemand durch Werke den Anforderungen der Gerechtigkeit genügen könnte, so begreifen wir auch, dass niemand etwas übrig hat, was er als Lösegeld für seinen Bruder Gott darbringen könnte. (Psalm 49:7) Niemand kann für den Mangel eines anderen aufkommen; nicht nur für andere, nein, auch für sich selbst hat er zu wenig; denn wir haben alle gesündigt und ermangeln der vollkommenen Gerechtigkeit. Kann also Gott Sünder, gefallene Menschen, annehmen, mit ihnen verkehren, nachdem er sie doch schon verurteilt, seiner Gunst und des Lebens unwürdig und des Todes schuldig erklärt hat? Er zeigt uns selbst den Weg, auf dem dies möglich ist, auf dem er gerecht bleiben und doch jeden gerecht machen kann, der an Jesum glaubt. Er zeigt, dass er Christum zum Mittler des Neuen Bundes bestellt, und dass Christus die Welt durch sein eigenes kostbares Blut erkaufte; dass zur rechten Zeit (während des Tausendjahrreiches) Christus seine große Macht an sich nehmen, die Erde als König beherrschen und alle Geschlechter der Erde mit einer Erkenntnis der Wahrheit segnen und den, der da will, zum Ebenbild Gottes, wie es in Adam vertreten war, wiederherstellen werde; letzteres aber wird durch die Erfahrungen des Falles und der Wiederherstellung noch besonders befestigt sein. Dieses Werk der Zurückbringung der Menschen zur Vollkommenheit wird das Werk der tatsächlichen Rechtfertigung sein, zur Unterscheidung von der zugerechneten „Gerechtigkeit aus Glauben“ der Herauswahl im Evangeliums-Zeitalter. Diese tatsächliche Gerechtmachung beginnt mit der tausendjährigen Herrschaft unseres Herrn; sie wird allmählich fortschreiten, bis jeder einzelne die denkbar günstigste Gelegenheit gehabt haben wird, in den Besitz dessen zurückzugelangen, was in Adam verloren ging, und noch dazu in den Besitz der Erfahrungen, was für ihn von großem Nutzen sein wird. Gott sei gedankt für diese Zeit der tatsächlichen Gerechtmachung, der Zurechtbringung, der Zurückführung der Willigen und Gehorsamen aus unserem Geschlecht von der Unvollkommenheit zur Vollkommenheit, körperlicher, geistiger und sittlicher Vollkommenheit.

Jetzt sprechen wir aber insonderheit von der Neuen Schöpfung und von den Maßnahmen Gottes zur Rechtfertigung dieser kleinen Zahl aus den Menschen, die er berufen hat zur göttlichen Natur, zur Herrschaft und Unsterblichkeit. Diese bedarf der Rechtfertigung ebenso sehr wie die Welt; denn von Natur „waren wir Kinder des Zornes wie die übrigen.“ Solange sie als Sünder dem Todesurteil unterworfen waren, konnte Gott mit denen, die er zur Neuen Schöpfung beruft, ebenso wenig verkehren wie mit der Welt. Wenn die Welt gerechtfertigt, vollkommen gemacht werden muss, bevor Gott ihr seine Gunst wieder zuwenden kann, wie kann er mit der Herauswahl verkehren und sie zur Miterbschaft seines Sohnes berufen, bevor sie gerechtfertigt worden ist? Es muss zugegeben werden, dass Rechtfertigung eine notwendige Vorbedingung unserer Berufung zur Neuen Schöpfung ist. Aber wie kann das geschehen? Müssen wir tatsächlich zu leiblicher, geistiger und sittlicher Vollkommenheit wiederhergestellt werden? Nein, Gott hat nicht eine tatsächliche Gerechtmachung im Fleisch für uns vorgesehen, sondern eine zugerechnete, die in der Schrift als „Rechtfertigung aus Glauben“ bezeichnet wird. Alle jene, die, solange die Herrschaft der Sünde und des Todes fortdauert, auf die Botschaft der Gnade und des Erbarmens in Christo hören und mit der Weisheit von oben so übereinstimmen, dass sie zugeben, sie seien Sünder, die dann an des Herrn Botschaft von der Gnade und des Erbarmens in Christo glauben, ihre Sünde bereuen und, soweit dies möglich, gutmachen, bringt Gott nicht zur tatsächlichen menschlichen Vollkommenheit zurück, sondern handelt mit ihnen, als wären ihre Mängel durch das Verdienst Christi gutgemacht. Wenn er mit ihnen handelt, so tut er es, als wären sie recht und gerecht, indem er sie durch Glauben rechtfertigt.

Diese Glaubensgerechtigkeit wird uns aber nur so lange zugerechnet, wie wir Glauben haben. Sie wird bezeugt durch unsere Bemühungen, des Herrn Willen zu tun. Sobald Glaube und Gehorsam aufhören, wird auch die Glaubensgerechtigkeit nicht mehr zugerechnet. Dagegen hört die Glaubensgerechtigkeit nicht auf, wenn wir einen Schritt weiter tun, nämlich den der Heiligung oder Weihung. Sie geleitet die Neuen Schöpfungen, macht jeden Schaden gut, der uns des Todesurteils Adams teilhaftig machen würde, und kommt auf für alle Schwachheiten und Mängel in Worten, Gedanken und Werken, die uns zur Last fallen, insofern sie nicht absichtlich, sondern Folgen der ererbten Unvollkommenheit sind. Sie geleitet die Neuen Schöpfungen bis an das Ende ihrer Pilgerfahrt, in allen Prüfungen und Proben, deren sie bedürfen, um sich als der Neuen Schöpfung würdig auszuweisen. Darum sagt auch der Apostel: „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln“ (Röm. 8:1, 4) – ungeachtet dessen, dass wir den Schatz der neuen Natur in irdenen Gefäßen haben, und daher fortwährend ungewollte Mängel vorhanden sind, deren geringster uns des ewigen Lebens auf jeder Stufe, auf menschlicher wie auch auf geistiger, unwürdig machen würde, wenn wir nicht bedeckt wären durch unser hochzeitliches Kleid, das Kleid der Gerechtigkeit Christi, durch die zugerechnete oder Glaubensgerechtigkeit. Wir bedürfen ihrer, und sie bleibt unser Kleid, solange wir in Christo bleiben und noch im Fleische sind; aber sie wird aufhören, sobald unsere Erprobung endet, sobald wir als Überwinder angenommen und der ersten Auferstehung teilhaftig geworden sind. Wie der Apostel erklärt: Es wird gesät in Verwesung, Unehre und Schwachheit, aber es wird auferweckt in Unverweslichkeit, Herrlichkeit und Kraft (1. Kor. 15:42, 43), im Ebenbild unseres Herrn, des lebendig machenden Geistes, der selbst das Ebenbild des Vaters ist. Wenn diese Vollkommenheit einmal erreicht ist, dann bedürfen wir der zugerechneten Gerechtigkeit nicht mehr, weil wir dann tatsächlich vollkommen sein werden. Für die Gerechtigkeit an sich bedeutet es keinen Unterschied, dass die Vollkommenheit der Neuen Schöpfung auf höherer Stufe erreicht wird, als die Vollkommenheit der Welt; die Menschen werden, wenn sie Gottes Gnade annehmen, am Ende des Wiederherstellungswerkes auch gerecht oder vollkommen sein, wenn auch auf niedrigerer Stufe als die Neue Schöpfung – ein jegliches vollkommen in seiner Art. Diejenigen, welche jetzt zur göttlichen Natur berufen und durch Glauben zuvor gerechtfertigt sind, damit sie berufen und erprobt werden können, werden nicht tatsächlich gerecht und vollkommen sein, bevor sie in der ersten Auferstehung jene Fülle des Lebens und der Vollkommenheit erreicht haben, in der keine Spur mehr von der jetzigen Unvollkommenheit, die jetzt durch die zugerechnete Glaubensgerechtigkeit nicht beseitigt, sondern nur zugedeckt ist, zu finden sein wird.

Der Grund oder die Grundlage unserer Rechtfertigung

Es hat in manchen Köpfen Verwirrung angestiftet, dass unterlassen worden ist, die verschiedenen Aussagen Gottes über diesen Gegenstand miteinander zu vergleichen. Einige haben aus der Erklärung des Apostels, dass wir aus Glauben gerechtfertigt sind (Röm. 3:28; 5:1; Gal. 3:24), den Schluss gezogen, der Glaube sei so wertvoll in Gottes Augen, dass er unsere Unvollkommenheit aufwiege. Andere verstehen die Erklärung des Apostels, dass wir aus Gnade gerechtfertigt sind (Röm. 3:24; Titus 3:7), so, dass Gott gerecht und rein mache, wen er wolle, ganz willkürlich, ohne Rücksicht auf den Glauben und die Eigenschaften des Menschen. Wieder andere leiten aus der Erklärung, dass wir gerechtfertigt sind durch sein Blut (Röm. 5:9; Hebr. 9:14; 1. Joh. 1:7), ab, der Tod Christi habe alle Menschen gerechtfertigt, ob sie glauben und gehorchen oder nicht. Wieder andere schreiben wegen Röm. 4:25 der Auferstehung Christi die Rechtfertigung aller Menschen zu. Endlich gibt es solche, die aus Jak. 2:24 schließen, dass es auf unsere Werke ankomme, ob Gott uns seine Gnade zuwenden könne oder nicht.

Alle diese Aussagen der Schrift sind Wahrheit, aber sie sind verschiedene Seiten ein und derselben Frage. Es ist gerade so, als wenn wir ein großes Gebäude von allen Seiten betrachten, in dieser Weise zeigen auch die Apostel bald die eine, bald die andere Seite ihres Gegenstandes. Um ein richtiges Gesamtbild zu erhalten, müssen wir somit alle diese Aussagen zusammenstellen.

Zunächst sind wir gerechtfertigt aus Gnade. Es bestand durchaus keine Verpflichtung Gottes, etwas für unsere Wiederherstellung zu tun, nachdem er uns gerechterweise verurteilt hatte. Es war ein Akt freier Gunst oder Gnade, dass Gott, den Fall voraussehend, bevor der Mensch erschaffen wurde, aus Mitleid das geschlachtete Lamm vor Grundlegung der Welt zum Brandopfer und Lösegeld ausersah. Unsere Aussöhnung mit dem Vater und die Art und Weise, wie er sie hinausführen wollte, ist in seine freie Entscheidung gestellt.

Sodann sind wir gerechtfertigt durch das Blut Christi, durch sein Erlösungswerk, seinen Tod, das heißt die Gnade Gottes uns gegenüber wurde dadurch kund, dass er für uns die Fürsorge traf, dass „Jesus Christus durch Gottes Gnade den Tod für jedermann schmeckte“ und so die Strafe für Adam bezahlte. Und da die ganze Welt wegen Adams Schuld unter den Fluch kam, so soll die endliche Wirkung das Ausstreichen der Schuld der ganzen Welt sein. Lasst uns auch diesen zweiten Punkt festhalten wie den ersten: Gottes Gnade bedient sich nur dieses einen Kanals, so dass, „wer den Sohn hat, Leben hat; wer aber den Sohn Gottes nicht hat, auch das Leben nicht hat, … sondern der Zorn (das Todesurteil) Gottes bleibt auf ihm.“ – 1. Joh. 5:12; Joh. 3:36

Drittens war es ein Teil des Planes Gottes, dass Christus Jesus nicht nur der Erlöser des Geschlechtes, sondern auch der Segner und Wiederhersteller aller derer werden sollte, die mit Gott ausgesöhnt zu werden wünschen. War also einerseits der Tod Jesu unumgänglich notwendig, um die Möglichkeit unserer Aussöhnung zu schaffen, so hätte er nicht der Kanal zu unserer Segnung und Wiederherstellung werden können, wenn er tot geblieben wäre. Er ist also zu unserer Rechtfertigung auferstanden. Der Vater, der ihn als Schlachtopfer ausersah, damit er unser Lösegeld würde, hat ihn auch wiederum aus den Toten auferweckt, auf dass er, wenn seine Zeit gekommen ist, die Menschen gerecht machen und zu einem gerechten Zustand zurückbringen, mit Gott aussöhnen könne.

Viertens sind wir (die Kirche) aus Glauben gerechtfertigt in dem Sinne, dass Gott während des gegenwärtigen Zeitalters nicht für eine tatsächliche Gerechtmachung oder Wiederherstellung, sondern nur für eine zugerechnete Gerechtigkeit aus Glauben Vorsorge getroffen hat. Diese kann natürlich nur solchen zugerechnet werden, die diesem Glauben gemäß leben. Ob wir daran glauben oder nicht, Gottes Vorkehrungen, die er sich vorgesetzt hat, nach welchen er handelt, und die schließlich zur rechten Zeit ihren Zweck erfüllen werden, bleiben bestehen; aber unsere Teilnahme an den uns vor der Welt angebotenen Vergünstigungen ist nur möglich, wenn wir glauben, und nicht, wenn wir nicht glauben. Während des Tausendjahr-Zeitalters wird allen die Länge und Breite des göttlichen Erlösungsplanes geoffenbart werden. Das Königreich Gottes wird in der Welt aufgerichtet sein, und der die Menschheit erkauft hat und mit der nötigen Macht ausgerüstet worden ist, um alle zu segnen und zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, wird alle tatsächlich gerecht machen und zur Vollkommenheit wiederherstellen, die die Gnade Gottes unter Gottes Bedingungen wünschen und annehmen werden.

Freilich, Glaube wird auch wesentlich sein, solange die Wiederherstellung zur tatsächlichen Gerechtmachung fortschreitet; denn „ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“, und die Wiederherstellungs-Segnungen werden unter Bedingungen verliehen werden, die Glauben voraussetzen. Aber der Glaube, der alsdann als Bedingung für jeden weiteren Schritt der Wiederherstellung entgegen verlangt werden wird, wird grundverschieden sein von dem Glauben, der jetzt von denen, die zu „Heiligen“, „Miterben Jesu“, „Neuen Schöpfungen“ berufen sind, verlangt wird. Wenn das Reich Gottes aufgerichtet, Satan gebunden sein und die Erkenntnis des Herrn die Erde füllen wird, werden alle sehen, dass Gottes Verheißungen in Erfüllung gegangen sind. Vieles, was jetzt nur dem Auge des Glaubens sichtbar ist, wird alsdann tatsächlich gesehen und erkannt werden können. Aber des Glaubens werden dennoch alle bedürfen, die auf dem Wege zur Wiederherstellung wandeln wollen, und so wird die tatsächliche Gerechtmachung am Ende des Tausendjahr-Zeitalters nur von denen erreicht werden, die zuvor im Glauben und in Werken ausgeharrt haben. Wenn auch von jener Zeit geschrieben steht: „Die Toten werden gerichtet werden nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken“ im Gegensatz zum Gericht der Herauswahl, das jetzt nach ihrem Glauben erfolgt, so werden doch die Werke jener nicht ohne Glauben sein, ebenso wenig wie unser Glaube ohne die Werke, die wir zu tun imstande sind, bleiben kann.

Die Bedeutung der Aussage des Apostels, dass Gott die Nationen durch Glauben rechtfertigen werde (Gal. 3:8), geht aus dem Zusammenhang klar hervor. Er zeigt, dass die Versöhnung der wiederhergestellten Menschheit mit Gott nicht eine Frucht des Gesetzesbundes sein wird, sondern ein Akt der Gnade, der von der Erfüllung der Bedingungen des Neuen Bundes abhängt, an die geglaubt und denen nachgelebt werden muss von allen, die Vorteile davon genießen wollen. Der Unterschied zwischen der Rechtfertigung jetzt und im neuen Zeitalter ist der, dass die Gläubigen des jetzigen Zeitalters, wenn sie den wahren Glauben haben, durch zugerechnete Gerechtigkeit sofort Zutritt zum Vater erhalten, während Glaube und Gehorsam unter den günstigeren Verhältnissen des nächsten Zeitalters nicht zugerechnete Gerechtigkeit einbringen, sondern – am Ende der tausend Jahre des Königreiches – tatsächliche Gerechtigkeit und Gemeinschaft mit Gott herbeiführen werden. Bis dies der Fall ist, wird die Welt unter der Leitung des Mittlers stehen, dessen Aufgabe es sein wird, ihr den Willen Gottes klarzumachen, überhaupt mit ihr zu verkehren, die Gehorsamen zu bessern und wiederherzustellen, bis er sie tatsächlich vollkommen gerecht gemacht haben wird. Wenn dies einmal geschehen ist, wird er die Menschen ohne Fehl und Makel dem Vater vorstellen und alsdann die Herrschaft wieder Gott dem Vater übergeben. – 1. Kor. 15:24.

Gegenwärtig sucht der Herr sich nur eine besondere Klasse aus, die die Neue Schöpfung zu werden bestimmt ist. Zu dieser himmlischen Bestimmung wurde niemand berufen, der nicht zuvor zur Erkenntnis der Gnade Gottes in Christo gebracht und dadurch befähigt worden wäre, an diese Anordnung Gottes zu glauben, auf das großartige Endresultat des Planes Gottes ein so vollständiges Vertrauen zu setzen, dass es einen bestimmenden Einfluss auf alle seine Entscheidungen im gegenwärtigen Leben ausübt und das zukünftige Leben ihm so überaus wertvoll und im Vergleich damit das gegenwärtige Leben mit allen seinen Interessen als Verlust, als Unrat erscheint. Alle, welche in dieser dunklen Zeit der Vorherrschaft des Bösen den Glauben an die Weisheit, Liebe und Macht des Schöpfers festhalten, gelten vor Gott so, als hätten sie das ganze Tausendjahrreich hindurch gelebt, und als wären sie zur menschlichen Vollkommenheit wiederhergestellt worden. Dieser Zustand der Rechtfertigung wird ihnen in der Absicht gewährt, sie zu befähigen, jene menschliche Vollkommenheit, zu der sie endlich gelangen würden, als Opfer darzubringen, so dass sie ihre als vollkommen gerechneten Leiber und alle ihre Wiederherstellungsvorrechte, irdische Hoffnungen, Bestrebungen und Interessen als Gott angenehme Schlachtopfer darstellen können. Solche vertauschen die Hoffnung auf irdische Herrlichkeit mit der Hoffnung auf die Verheißung der göttlichen Natur, der Miterbschaft mit Christo, an die zur Erprobung unserer Aufrichtigkeit Bedingungen geknüpft sind, die uns jetzt Leiden, Schaden und Unehre bei den Menschen einbringen.

Endlich muss diese jetzt aus Glauben gerechtfertigte Klasse auf der Hut sein, ihren Glauben nicht durch eigenwillige, dem göttlichen Willen zuwiderlaufende Werke zu vernichten. Die Glieder dieser Klasse müssen wissen, dass Gott in seiner Güte ihnen zwar ihren Glaubensstandpunkt anrechnet, ihre Übertretungen als durch das Opfer auf Golgatha gesühnt betrachtet – sie zudeckt – sie nach ihrem Geist, Sinn und Willen und nicht nach ihrem Fleisch und dessen Handlungen beurteilt hat, dass er aber dennoch erwartet, das Fleisch werde soweit wie möglich, soviel an uns ist, der neuen Gesinnung untertan gemacht und zu jedem guten Werk benutzt werden, wo immer sich Gelegenheit bietet; und soweit haben natürlich unsere Werke mit unserer Rechtfertigung zu tun. Sie sind eine Bestätigung, ein Beweis der Aufrichtigkeit unserer Weihung. Nichtsdestoweniger beurteilt uns Gott nicht nach unseren Werken, sondern nach unserem Glauben. Wollte er uns nach unseren Werken beurteilen, so würden wir alle als solche erfunden, die des Ruhmes ermangeln, den wir vor Gott haben sollten. Aber nach ihren Herzen, ihren Absichten beurteilt, können die Neuen Schöpfungen vor dem göttlichen Maßstab dank der Vorkehrung des Gnadenbundes bestehen, indem das Verdienst des Opfers Christi für ihre unabsichtlichen Verfehlungen aufkommt. Sicherlich kann niemand etwas dagegen haben, dass der Herr von uns erwartet, dass wir solche Früchte der Gerechtigkeit hervorbringen, wie sie jetzt unter der Herrschaft der Unvollkommenheit überhaupt möglich sind. Mehr als das fordert Gott nicht; weniger aber sollten wir nicht als vor ihm annehmbar und einer Belohnung würdig betrachten.

Zur Erläuterung der Gnadenvorkehrung zur Rechtfertigung aus Glauben und der Beziehungen, in denen unsere Werke zu ihnen stehen, diene die elektrische Straßenbahn. Die Kraftstation entspricht ungefähr der Quelle unserer Rechtfertigung, der Gnade Gottes. Der Draht oder die Kraftleitung entspricht – allerdings nur sehr unvollkommen – unserem Herrn Jesu, der des Vaters Mittel zu unserer Rechtfertigung ist; der Wagen ist zu vergleichen mit den Gläubigen, und den Leitstangen, die am Draht laufen, entspricht der Glaube. 1. Die ganze Einrichtung spielt nur, wenn die Kraftstation Strom liefert. 2. Der Strom gelangt nur zu dem Wagen durch den Draht. 3. Ohne den Arm des Glaubens, der sich nach dem Herrn Jesus, dem Kanal unserer Rechtfertigung, ausstreckt und ihn festhält, können wir keinen Segen empfangen. 4. Der durch das Festhalten am Herrn Jesu empfangene Segen entspricht der Erleuchtung des Wagens durch den elektrischen Strom; sie beweist, dass er vorhanden ist und benutzt werden kann. 5. Der Motorführer und sein Hebel entsprechen dem menschlichen Willen und 6. der Motor selbst unseren Fähigkeiten, die der Kraft, die aus dem Glauben kommt, zur Verfügung stehen. Diese sechs Teile müssen zusammenwirken, wenn wir Fortschritte machen sollen, wenn wir den uns verordneten Lauf vollenden und schließlich am Ziel angelangen sollen, das in diesem Bild unseren Platz als Neue Schöpfungen in unseres Vaters Haus mit seinen vielen Wohnungen (seinen Existenzbedingungen für die Söhne verschiedener Natur) darstellt.

Die Rechtfertigung und die Alttestamentlichen Überwinder

Die Aussagen der Apostel zeigen, dass es, schon bevor das kostbare Blut zu unserer Erlösung vergossen war, Heilige gegeben hat. Es werden Henoch, Noah, Abraham, Isaak, Jakob, David und verschiedene andere heilige Propheten namhaft gemacht, die aus Glauben gerechtfertigt worden seien. Da sie nicht an das kostbare Blut glauben konnten, welches war wohl der Glaube, der sie rechtfertigte? Wir antworten mit der Schrift: „Sie glaubten Gott, und das wurde ihnen zur Gerechtigkeit (Rechtfertigung, Gerechtmachung) gerechnet.“ Zwar offenbarte ihnen Gott nicht die Methode seines Planes, wie er es uns gegenüber tat, so dass sie nicht, wie wir, sehen konnten, wie Gott gerecht bleiben und doch jene rechtfertigen kann, die an Jesum glauben. Und, wenn dies so ist, dann kann ihnen auch nicht zur Last gelegt werden, dass sie nicht glaubten, was ihnen gar nicht geoffenbart wurde. Was Gott ihnen aber offenbarte, das glaubten sie, und jene Offenbarungen enthielten, wenn auch nur in Keimform, schon alles, was wir jetzt haben, ungefähr so, wie die Eichel schon den ganzen Eichbaum enthält. Henoch verkündigte das Kommen des Messias und die Segnungen, die sich daraus ergeben würden. (Judas 14,15) Abraham glaubte Gott, dass sein Sohn das große Vorrecht haben sollte, alle Geschlechter der Erde zu segnen. Dies setzt eine Auferstehung der Toten voraus, weil damals schon viele Geschlechter ins Grab gesunken waren. Abraham glaubte, dass Gott imstande sei, die Toten aufzuerwecken, und dieser Glaube war stark genug, ihn willig zu machen, selbst Isaak, in dem doch die Verheißungen erfüllt werden sollten, daranzugeben, indem er folgerte, dass Gott ihn auch aus den Toten auferwecken könne. Wie viel Abraham und andere von der Methode Gottes, die Aufrichtung seiner Herrschaft auf Erden und die Gerechtmachung aller Gehorsamen betreffend zu erkennen vermochten, das können wir nicht bestimmt wissen, aber wir haben das Zeugnis unseres Herrn dafür, dass Abraham sich vom Tausendjahrreich einen genügend klaren Begriff machen konnte, um sich darauf zu freuen. (Joh. 8:56) Vielleicht konnte er sich sogar vorstellen, dass der Herr das große Sühnopfer darbringen werde.

Die Rechtfertigung der Heiligen im vorigen Zeitalter ermöglichte Gottes Freundschaft; dagegen ermöglicht die Rechtfertigung der Heiligen des jetzigen Zeitalters Leben. Trotz dieser Verschiedenheit ist Glaube zu beiden Rechtfertigungen notwendig. Alle waren dem Todesurteil von Rechts wegen unterworfen, und darum konnte niemand als freigesprochen gelten, „zum Leben gerechtfertigt sein“ (Röm. 5:18), bevor nicht von unserem Erlöser das große Sühnopfer dargebracht worden war. Der Apostel erklärt, das Opfer sei vorher notwendig gewesen, damit Gott gerecht bleiben und dennoch die vorher geschehenen Sünden hingehen lassen und alle rechtfertigen könne, die des Glaubens an Jesum sein würden. (Röm. 3:25, 26) Voraussehend, dass das Lösegeld bezahlt werden würde, konnte die Gerechtigkeit nichts dagegen einwenden, dass es zuvor denen verkündet werde, die solcher Gunst Gottes – eben, weil sie seinem Worte glaubten, und deren Glaube stark genug war, um sie so weit gerecht und zu Freunden Gottes zu machen – für würdig befunden werden würden.

Der Apostel bezeichnet (Röm. 5:18) die „Rechtfertigung zum Leben“ als die Vorkehrung Gottes durch Christum, von der einst alle werden Nutzen ziehen können. Diese „Rechtfertigung zum Leben“ ist es auch, die jetzt den zur Neuen Schöpfung Berufenen um ihres Glaubens willen vor den übrigen Menschen zugerechnet wird. Die Rechtfertigung der Auserwählten aber bleibt nicht stehen bei der Ermöglichung des Einvernehmens und Umganges mit Gott als dessen Freunde und nicht Fremde und Feinde, sondern den Auserwählten wird durch denselben Glauben das Anrecht auf Wiederherstellung (zur menschlichen Vollkommenheit) zuteil, gesichert durch das Opfer des Erlösers und dadurch werden sie in die Lage versetzt, dieses Anrecht auf Wiederherstellung daranzugeben, zu opfern, um auf diese Weise Unterpriester und Mitopferer Jesu Christi, des großen Hohenpriesters unseres Bekenntnisses zu werden.

War es den Heiligen des alten Bundes möglich, mit Gott in Harmonie zu kommen durch den Glauben an die Ausführung eines Planes, der ihnen nicht vollständig enthüllt wurde und dessen Ausführung noch nicht einmal begonnen hatte, so war es für die göttliche Gerechtigkeit unmöglich weiterzugehen, bevor das Lösegeld tatsächlich bezahlt und Christus gestorben war. Darum sagt der Apostel (Hebr. 11:40), dass „Gott für uns (die Herauswahl des Evangeliums-Zeitalters, die Neue Schöpfung) etwas Besseres vorgesehen habe, auf dass sie (die demütigen und glaubenden Heiligen der Vorzeit) nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“. Darum auch erklärt unser Herr Jesus, dass, obwohl kein größerer Prophet aufgestanden sei als Johannes der Täufer, er trotzdem, weil er starb, bevor das Lösegeld tatsächlich bezahlt war, der Kleinste in der Königreichs-Klasse des Himmelreiches in der Neuen Schöpfung größer sein werde als Johannes, und zwar deshalb, weil diese Klasse zum Leben gerechtfertigt und berufen ist, erst mit Christo zu leiden und danach zu herrschen. – Matth. 11:11

Wir haben schon darauf hingewiesen, dass Christus und die erhöhte Herauswahl während des Tausendjahr-Zeitalters die Welt gerecht machen und wiederherstellen werden, und dass diese Rechtfertigung nicht, wie die unsere, eine zugerechnete, sondern eine tatsächliche sein wird, eine Rechtfertigung durch Werke in dem Sinne, dass der Glaube zwar auch erforderlich, aber die Werke ausschlaggebend sein werden. (Offb. 20:12; Matth. 25:35, 36) Gegenwärtig muss die Neue Schöpfung im Glauben wandeln, nicht im Schauen; ihr Glaube wird erprobt; er muss ausharren, als sähe er den Unsichtbaren; er muss an Dinge glauben, die, äußerlich betrachtet, für den gewöhnlichen Verstand unwahrscheinlich, unvernünftig sind. Dieser Glaube muss durch unsere wenn auch unvollkommenen Werke bewiesen werden; für das Fehlende kommen die vollkommenen Werke unseres Herrn auf. Unser Glaube ist vor Gott deshalb annehmbar, weil Gott darauf Rücksicht nimmt, dass wir, wiewohl unvollkommen, nach Kräften suchen, Gott zu gefallen und dadurch Teilhaber der Gesinnung Christi zu werden. Freuen wir uns, um der Gerechtigkeit willen zu leiden, so gilt dies als Beweis dafür, dass wir auch unter angenehmeren Verhältnissen die Gerechtigkeit lieben und ihr treu bleiben werden. Wenn einmal die Erkenntnis des Herrn die ganze Erde erfüllen wird, wenn das Dunkel und der Nebel, die jetzt des Herrn Getreue umgeben, verschwunden sein werden, wenn einmal die Sonne der Gerechtigkeit die Welt erleuchten wird mit Wahrheit, richtiger Erkenntnis Gottes, seines Charakters und seines Planes, wenn einmal die Menschen die Beweise von Gottes Liebe und Gnade und Versöhnung durch Christum sehen werden in der Schrittweisen Hebung derer, die so mit ihm eins zu werden suchen, wenn die Wiederherstellung in leiblicher und moralischer Beziehung wird beobachtet werden können, dann wird der Glaube ziemlich verschieden sein von dem jetzt notwendigen blinden Glauben, dann werden die Menschen nicht mehr wie in einem Spiegel sehen, dunkel und unklar; dann wird das Auge des Glaubens sich nicht abmühen müssen, um Beweise von den herrlichen Dingen zu sehen, die Gott in Bereitschaft hat für die, die ihn lieben. Diese herrlichen Dinge werden vielmehr den Menschen mehr oder weniger deutlich gezeigt werden. Ihr Glaube an Sichtbares wird also wesentlich verschieden sein von dem Glauben, der jetzt von der Neuen Schöpfung gefordert wird. Aber dieser Glaube an das Unsichtbare ist in Gottes Augen kostbar, und darum hat Gott auch eine so hohe Belohnung darauf gesetzt, welcher nur eine kleine Schar, die sie im Glauben erfasst, nachjagt. Wenn aber, was sie geglaubt, im Tausendjahr-Zeitalter vor aller Augen offenbar ist und nicht mehr wird geleugnet werden können, dann wird es nicht mehr am Platze sein, jene besonders auszuzeichnen, deren Zweifel dann erst schwinden.

Wenn einmal die Erkenntnis des Herrn die Erde erfüllen und nicht mehr einer zu seinem Nächsten sagen wird: „Erkenne den Herrn“, dann werden die Menschen nicht mehr nach ihrem Glauben, der dann nichts Verdienstliches mehr sein kann, sondern nach ihren Werken und ihrem Gehorsam beurteilt werden; denn es wird geschehen, dass die Seele, die nicht auf jenen großen Propheten hören wird, ausgerottet werden wird aus der Mitte des Volkes. (Apg. 3:23) In der gegenwärtigen Zeit, wo die Erfüllung der Absichten Gottes noch zukünftig und mithin im Verborgenen ist, wo die Sünde vorherrscht und Satan der Fürst der Welt ist, belohnt der Herr den Glauben, wie geschrieben steht: „Euch geschehe nach eurem Glauben“ (Matth. 9:29), und: „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ (1. Joh. 5:4) Hinsichtlich der Prüfung der Welt aber im Tausendjahrreich lesen wir, dass die Werke maßgebend sein werden, wenn auch der Glaube erforderlich sein wird. Ihnen wird geschehen nach ihren Werken; diese werden sie am Schluss der tausend Jahre bestehen lassen oder verurteilen. – Offb. 20:12

Rechtfertigung bedeutet, wie wir schon gesehen haben, die völlige Versöhnung der Sünder mit Gott. Nirgends lesen wir, dass der Sünder vor Christo gerecht gemacht werden müsste; wohl aber muss der Sünder durch das Verdienst Christi vor dem Vater gerechtfertigt werden. Die Untersuchung dieses Punktes ist vielleicht ein Beitrag zum Verständnis der ganzen hier untersuchten Frage.

Der Schöpfer hält sich an das von ihm verkündete Gesetz, wonach Adam und sein Geschlecht sich ewigen Lebens und der Gunst Gottes erfreuen sollten, solange sie gehorsam blieben, indes Ungehorsam den Tod und den Verlust der Gunst Gottes als Strafe zur Folge haben würde. Diese Anordnung bleibt bestehen. Bevor die Menschheit wieder mit Gott verkehren und durch seine Gunst ewiges Leben erhalten kann, muss sie erst auf irgendeine Weise wieder mit dem Schöpfer ausgesöhnt, wieder zur Vollkommenheit, die im vollen göttlichen Licht bestehen und vollen Gehorsam leisten kann, zurückgeführt werden. So liegt die Welt gleichermaßen jetzt außerhalb des Bereiches des Allmächtigen. Dieser hat die Dinge so geordnet, dass seine eigene Gerechtigkeit die Menschen nicht erreicht und Raum lässt für seinen Rechtfertigungs- und Wiederherstellungsplan, der es gestattet, die Willigen und Gehorsamen durch den Erlöser zur Vollkommenheit zurückzubringen. Bis dies geschehen wird, dient der Erlöser als Mittler zwischen Gott und dem Sünder.

Der Mittler ist zwar selbst vollkommen gerecht, aber er ist durch kein Gesetz oder Urteil, das er wider Adam und sein Geschlecht gefällt hätte, abgehalten, mit den Menschen zu verkehren, mit ihren Unvollkommenheiten Erbarmen zu haben. Er hat ja die Welt wissentlich in diesem verdorbenen Zustand gekauft. Er nimmt die Menschheit, wie sie ist, und im Tausendjahrreich wird er sich dann eines jeden Einzelnen in wirksamer Weise annehmen, von den Schwachen wenig, von den Stärkeren mehr verlangen, sich selbst und die Gesetze seines Reiches den verschiedenen Eigenheiten, Gebrechen und Schwächen seiner Untertanen anpassen, denn „der Vater … hat das ganze Gericht dem Sohne gegeben.“ (Joh. 5:22) Der Sohn wird den Menschen die unverkürzte Forderung des göttlichen Gesetzes in hellem Licht zeigen, so dass sie wissen werden, wohin sie es schließlich bringen müssen, bevor sie vor Gott am Ende des Tausendjahrreiches gerecht und annehmbar sein können. Aber er wird nicht sofort den verwerfen, der diesen Forderungen nicht gleich nachkommt, sondern den Übertretern für unabsichtliche Fehler sein eigenes Verdienst in freier Gnade zurechnen, ihre Schulden aus seinem Vermögen bezahlen.

Christus hat den Preis schon durch Hingabe seiner selbst beschafft. In einer bestimmten Weise hat er jenes Verdienst schon zugunsten des Haushaltes des Glaubens benutzt, und am Schlusse dieses Zeitalters wird er es zugunsten der ganzen Menschheit anwenden. Das wird „die Freude sein, die allem Volke widerfahren wird.“ Gott hat durch die Vorbilder des Versöhnungstages gezeigt, dass er das Opfer annehmen wird, und dass dann Christus und die Herauswahl die Herrschaft antreten und strenge Gesetze einführen werden, das heißt eine Alleinherrschaft, bei der die gewöhnlichen Gesetze der augenblicklichen Bedürfnisse wegen unterbrochen und schärfere Gesetze angewendet werden, die für vollkommene, gerechte, mit den Gesetzen des Reiches Jehovas einverstandene Untertanen überflüssig wären, aber den revolutionären, anarchistischen Zuständen, die die Sünde der Welt herbeigeführt hat, angepasst sein werden.

Diese unbeschränkte Herrschaft, bei der der König zugleich Richter und Priester sein wird, bezweckt, wie wir oben gesehen haben, die Welt tatsächlich, nicht nur gerechneterweise, gerecht und auch fähig zu machen, gerechte Werke im Glauben zu vollbringen und mit diesen in der Schlussprüfung zu bestehen. Die tatsächliche Rechtfertigung wird aber erst am Ende, nicht schon am Anfang des Tausendjahrreiches erreicht sein.

Die Rechtfertigung aus Glauben in der Jetztzeit bezweckt, einigen wenigen, die Gott in besonderer Weise in seinen Dienst zu stellen beabsichtigt, die Teilnahme am abrahamitischen Bund als Same der Verheißung, als Jesu Mitopferer und Miterben, zu ermöglichen. Selbst mit diesen kann Gott nicht direkt verkehren; auch nachdem sie aus Glauben und durch die Zurechnung des Verdienstes Jesu gerecht geworden, werden sie als unzulänglich behandelt und unterrichtet, dass sie einzig in dem Geliebten angenommen sind, in Christo; stünde dieser für ihre Bundesverpflichtungen nicht gut, so wären dieselben wertlos.

Da der einzige Zweck des Evangeliums-Zeitalters der ist, aus der Menschheit eine kleine Zahl auszuerwählen, die Glieder der Neuen Schöpfung werden sollen, so war diese Rechtfertigung „zum Leben“ notwendig, um den Bewerbern zur Neuen Schöpfung zu ermöglichen, die Bedingungen auf sich zu nehmen, die von solchen Bewerbern gefordert werden müssen. Diese Bedingungen lassen sich zusammenfassen in der Aufforderung, sich selbst zu opfern; und da Gott nicht als Opfer annimmt, was unvollkommen ist, so können Angehörige des gefallenen, verurteilten Geschlechtes nicht als Opfer angenommen werden, sie seien denn zuvor als von aller Sünde freigesprochen gerechnet worden. Dies ermöglicht uns, wie der Apostel es in Röm. 12:1 ausdrückt, „unsere Leiber Gott als lebendige Opfer darzustellen, heilig, annehmbar – welches unser vernünftiger Dienst ist.“

Was haben wir nun von solchen zu halten, die es zwar bis zum Glauben an Gott und zu der zugerechneten Gerechtigkeit bringen, aber nunmehr vor dem Weitergehen auf dem Weg des Herrn zurückschrecken, weil sie gewahr werden, dass der Eintritt durch die schmale Pforte und der Wandel auf dem schmalen Pfad der völligen Weihung bis in den Tod die Verleugnung und Hingabe des eigenen Ichs erfordert?

Ist Gott zornig über sie? Wir glauben, nein; vielmehr müssen wir glauben, dass sie, soweit sie auf dem Wege der Gerechtigkeit Fortschritte machen, Gott wohlgefällig sind. Ja, der Apostel bezeugt, dass solche auch einen Segen bekommen. „Sind wir nun aus Glauben gerechtfertigt, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum.“ (Anmerkung: Es ist die spätere Ansicht des Autors gewesen, dass diese Schriftstelle betrachtet werden mag, dass sie sich auf die lebendgebende Rechtfertigung bezieht). Solcher Friede setzt wenigstens eine teilweise Kenntnis des Planes Gottes und seiner Absicht, des Gläubigen Schuld irgend einmal in Zukunft zu tilgen, voraus. (Apg. 3:19) Ferner setzt er voraus, dass der Gläubige mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit schon in hohem Grade einverstanden ist, denn gerechtmachender Glaube wirkt immer bessernd. Wir freuen uns für alle, die es soweit bringen; wir freuen uns, dass sie dieses Vorrecht vor der Masse der Menschheit haben, die der Fürst dieser Welt vollständig blind gemacht hat, so dass sie gegenwärtig die Gnade Gottes in Christo nicht sehen noch würdigen kann. Wir möchten alle solche herzlich ermuntern, bis zu völligem Gehorsam fortzuschreiten und sich so der Gunst Gottes zu erfreuen.

Empfanget die Gnade Gottes nicht umsonst

Doch wie sehr wir uns auch mit solchen freuen und, wie viel Friede und Freude auch solche Gläubige empfinden mögen, indem sie auf dem Pfad der Gerechtigkeit zu wandeln bestrebt sind, so müssen wir doch, um aufrichtig zu sein, solchen sagen, dass sie, wenn sie den schmalen Weg des Opferns vermeiden, „die Gnade Gottes umsonst empfangen“. (2. Kor. 6:1) Warum? Weil die Gnade Gottes, bestehend in der ihnen zugerechneten Gerechtigkeit Christi, bezweckt, der Ausgangspunkt zu noch größeren Vorrechten und Segnungen zu werden, nämlich zur Berufung der Neuen Schöpfung. Wird nun von dieser Gelegenheit kein Gebrauch gemacht, so ist die Gnade Gottes umsonst empfangen worden. Diese Gelegenheit ist nie zuvor geboten worden und wird wohl auch nie wieder geboten werden; wenigstens sagt die Schrift nichts darüber. Die Gelegenheit, wiederhergestellt zu werden, wird allen, Gerechtfertigten und Nichtgerechtfertigten, im kommenden Zeitalter angeboten; die ersteren werden, sofern das Ergebnis des Wiederherstellungsverfahrens in Betracht gezogen wird, vor den letzteren nichts voraus haben, nur die Dauer des Verfahrens wird wohl kürzer sein. In dieser Hinsicht haben sie also die Gnade Gottes so gut wie umsonst empfangen; sie bringt sie nicht weiter als zur menschlichen Vollkommenheit. Gottes Gnade zeigt ihnen im gegenwärtigen Zeitalter seine der Welt verborgen bleibende Güte, damit sie ihre Rechtfertigung dazu benutzen, den Ruf anzunehmen und den Lauf nach dem herrlichen Preis anzutreten, der den Auserwählten, der königlichen Priesterschaft, verheißen ist.

Die Mehrheit der aufrichtigen Gläubigen in der Namenchristenheit ist anscheinend nie über den ersten Schritt, den der Rechtfertigung, hinausgekommen. Sie haben „geschmeckt, dass der Herr freundlich ist“, und das genügt ihnen. Besser wäre es für sie gewesen, wenn sie von diesem Schmecken einen größeren Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, nach Wahrheit, nach mehr Kenntnis des Charakters und Planes Gottes, nach weiterem Wachstum in Gnade, Erkenntnis und Liebe, nach tieferem Ermessen dessen, was Gott von ihnen wollte und mit ihnen beabsichtigte und worüber im nächsten Abschnitt, der der „Heiligung“ gewidmet ist, ausführlicher gesprochen werden soll, bekommen hätten.

Soweit wir sehen können, haben solche gerechtfertigte Gläubige nur im gegenwärtigen Leben von ihrer Rechtfertigung einen Nutzen. Sie empfinden es als eine Erleichterung, dass sie von Gottes Güte und seinem beabsichtigten Verfahren mit ihnen etwas wissen. Aber ihre Kenntnis ist zu unvollkommen, um einen sicheren Grund für ihre Empfindungen abzugeben; darum singen sie auch zuweilen:

„Oft machet mir der Zweifel Pein,
Ob ich denn auch wirklich sein.“

Wiewohl Christus ihnen insofern zur Weisheit gemacht ist, dass sie ihr Bedürfnis nach einem Retter und einem Teil der durch Christum ihnen zugänglich gemachten Errettung erkennen, so ist es doch nach Gottes Plan nicht zulässig, dass er ihnen noch weiter zur Weisheit gemacht werde und sie in die Kenntnis der Tiefen Gottes einführe, es sei denn, dass sie durch Weihung und völlige Hingabe Nachfolger Christi werden, die in seine Fußstapfen zu treten bereit sind. Der gerechtfertigte Gläubige ist noch keineswegs eine Neue Schöpfung, selbst dann nicht, wenn er, einiges von den Wegen und Anforderungen Gottes erkennend, einen anständigen, vernünftigen, ehrenhaften Wandel zu führen bestrebt ist. Er ist noch von der Erde, irdisch; er hat nie seine irdischen, menschlichen Rechte, die Jesus ihm zurückkaufte, für die himmlischen Dinge darangegeben, zu denen der Herr durch die Rechtfertigung den Zugang eröffnete. Wie im Vorbild die Leviten niemals das Innere der Stiftshütte betreten noch auch die dort aufgestellten Geräte sehen durften, so können auch im Gegenbild die nur Gerechtfertigten nicht in die Tiefen Gottes dringen, noch deren Herrlichkeit sehen oder würdigen, es sei denn, dass sie zu Gliedern der königlichen Priesterschaft auf Hoffnung werden durch völlige Weihung ihrer selbst.

Zu erwarten, dass der Herr solche Gläubige im Tausendjahrreich bevorzugen und besonders begünstigen werde, nachdem sie die Gnade Gottes im gegenwärtigen Leben umsonst empfingen, hieße ein besonderes Vorrecht erwarten, nachdem man ein anderes Vorrecht nicht wertgeschätzt und keinen Gebrauch davon gemacht hat. Würde es nicht viel besser zu dem Verfahren Gottes in der Vergangenheit und Gegenwart passen, wenn solche, die im Evangeliums-Zeitalter nicht besonders begünstigt worden sind, im kommenden Zeitalter besonders begünstigt werden? Würde das nicht sehr gut übereinstimmen mit den Worten des Herrn: „Es sind Letzte, die werden Erste sein, und Erste, die werden Letzte sein“? Ja, der Apostel deutet unmissverständlich darauf hin, dass, wenn einmal die Neue Schöpfung vollzählig und das Tausendjahrreich angebrochen sein wird, Gottes Gunst sich zuerst dem Volke Israel nach dem Fleisch zuwenden werde, von dem sie am Anfang des Evangeliums-Zeitalters gewichen ist. – Röm 11:25-32; Apg. 15:16; Amos 9:11, 12

Den Alttestamentlichen Überwindern, die ihren Glauben und die daraus sich ergebende Rechtfertigung vor Gott festhielten und zum Lohn dafür als „Fürsten über die ganze Erde“ eingesetzt werden sollen, brachte ihre Festigkeit den Verlust irdischer Vorteile ein. (Hebr. 11:35) Die Heiligen der jetzigen Zeit, die von ihrer Rechtfertigung Gebrauch machen wollen, müssen es auf Kosten des Fleisches tun. Die kleine Herde wird aus den Allertreuesten unter ihnen bestehen, die ihr Leben im Dienst der Wahrheit und der Brüder hingeben und so dem Anführer unserer Errettung ähnlich werden. Die übrigen, die anderswo (Offb. 7:9) als die „große Schar“ bezeichnet werden, müssen ihren Lohn (die geistige Natur) ebenfalls auf Kosten des Fleisches verdienen; aber weil sie in der Darangabe des Lebens nicht eifrig genug waren, kommen sie um den großen Lohn der Neuen Schöpfung, um die Königswürde. Diese drei Klassen scheinen die einzigen zu sein, die aus den besonderen Gelegenheiten des jetzigen Zeitalters, aus der Rechtfertigung aus Glauben, im kommenden Zeitalter Nutzen ziehen werden.

Die Wirkungen des Königreiches, die unter dem Licht einer vollen Erkenntnis stehen und in der Richtung der Charaktere der Menschen sich zeigen werden, werden sich aus verschiedenen Gründen zunächst am stärksten an Israel nach dem Fleisch offenbaren, das, wenn seine Blindheit gewichen ist, für des Herrn Gesalbten außerordentlich eifrig sein und, wie es in der Prophezeiung dargestellt ist, sagen wird: „Siehe da, unser Gott, auf den wir harrten, dass er uns retten würde.“ (Jes. 25:9) Bald darauf aber werden die Segnungen und Gelegenheiten zur Wiederherstellung der ganzen Welt zugänglich werden, damit alle Nationen Kinder Abrahams werden in dem Sinne, dass sie an seinen Verheißungen Anteil erhalten, wie geschrieben steht: „Ich werde dich zum Vater vieler Nationen machen; in deinem Samen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“

Christus ist uns gemacht zur Heiligung

Wie die Weisheit und Erkenntnis Gottes uns zuteil wird als Frucht des zu unseren Gunsten angewendeten Opfers unseres Herrn Jesu, und wie unsere Rechtfertigung, als wir an sein Lösegeld glaubten und uns von der Sünde ab- und der Gerechtigkeit zuwandten, durch sein Verdienst erfolgte, so kommt auch unsere Heiligung durch ihn. Kein Mensch kann sich in dem Sinne heiligen, dass er sich selbst gut genug macht, um in Gottes Familie, der von seinem Geist gezeugten Neuen Schöpfung als Glied aufgenommen zu werden.(Joh. 1:13; Hebr. 5:4) Wie das Verdienst Christi zu unserer Rechtfertigung notwendig war, so bedürfen wir auch als Glieder seines Leibes, als königliche Unterpriester, seiner Annahme, wenn wir unsere Berufung und Erwählung fest machen möchten. Der Apostel tadelte etliche, weil sie „das Haupt nicht festhalten“ (Kol. 2:19), und wir begreifen, dass eine solche Anerkennung Christi Jesu, nicht nur als Befreier von Sünde, sondern zudem als Haupt, Vertreter, Führer, Belehrer und Bewahrer seines Leibes, der da ist die Herauswahl, für ein jedes Glied derselben sehr wichtig ist. Der Herr Jesus selbst deutet auf die Notwendigkeit unseres Verbleibens unter seiner Obhut hin, indem er wiederholt mahnt: „Bleibet in mir … Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch geschehen.“ (Joh. 5:4, 7) Der Apostel weist ebenfalls hin auf die Notwendigkeit unseres Verbleibens in Christo, wenn er sagt: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ (Hebr. 10:31) Was damit gemeint ist, zeigt er durch die Anführung der alttestamentlichen Stelle: „Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.“ Gottes Liebe und Gerechtigkeit brennt wider alle Sünde, und „alle Ungerechtigkeit ist Sünde.“ „Er kann die Sünde nicht sehen“ (oder ertragen); darum hat er nicht für die Erhaltung, sondern für Zurechtbringung, Wiederherstellung des Sünders, für dessen Erlösung von der Strafe der Vernichtung gesorgt.

Dies gibt uns im Einklang mit verschiedenen Aussagen der Schrift die Zusicherung, dass eine Zeit kommen wird, da es weder Sünde noch Sünder, weder Leiden noch Kümmernisse geben wird. Gott sei Dank, dass wir uns selbst über den Zug des göttlichen Charakters freuen können, der uns zeigt, dass Gott ein verzehrendes Feuer ist, wenn wir wissen, dass er in Christo Jesu für uns eine Zuflucht bereitet hat, nach welcher unsere unwissentliche Unvollkommenheit zugedeckt wird – wenn wir wissen, dass er für unsere schließliche Befreiung von Sünde, Tod und jeglicher Schwachheit, für unsere Verwandlung in sein Bild gesorgt hat. Die Neue Schöpfung wird die Ebenbildlichkeit Gottes in der Vollkommenheit und Fülle göttlicher Natur erhalten; die „große Schar“ aber in einer den Engeln ähnlichen Vollkommenheit, die sie befähigt, das Gefolge der erhöhten Herauswahl, die „Jungfrauen, die ihr folgen“, zu sein (Psalm 45:14). Die Alttestamentlichen Überwinder werden in menschlicher Vollkommenheit Gottes ebenbildliche Söhne im Fleisch, Vertreter des himmlischen Reiches auf Erden, Kanäle zur Vermittlung des göttlichen Segens auf alle Geschlechter der Erde sein dürfen. Schließlich, wenn die Prüfungen und Gelegenheiten des Tausendjahr-Zeitalters alle Willigen und Gehorsamen zur Vollkommenheit gebracht haben werden und ihre Treue Gott gegenüber bewiesen sein wird, dann werden auch sie zu menschlicher Vollkommenheit gelangen, als Ebenbilder Gottes im Fleisch. Alle diese werden alsdann den Willen Gottes so vollkommen und von Herzen erfüllen, dass Gott nicht mehr ein verzehrendes Feuer sein braucht, weil alle Ungerechtigkeit unter der Zucht des Mittlers, dem Gottes Weisheit und Liebe alles übergab, beseitigt worden sein wird. Christus wird alsdann „von der Mühsal seiner Seele Frucht sehen und sich sättigen“, das heißt mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Heiligung bedeutet, etwas zu heiligem Dienst weihen und absondern. Sünder werden nicht zur Weihung aufgefordert, sondern zur Buße, und reuige Sünder werden ebenfalls nicht zur Weihung aufgefordert, sondern zum Glauben an den Herrn Jesum Christum, auf dass sie gerechtfertigt werden. Weihung wird nur von der Klasse verlangt, die an Gottes Verheißungen in Christo und deren Gewähr durch das Lösegeld glaubt. Damit soll nicht etwa gesagt sein, dass Heiligung nicht für alle Menschen das richtige wäre; nein, nur hat Gott vorausgesehen, dass, solange ein Mensch die Sünde liebt, es durchaus zwecklos ist, ihn einzuladen, ein heiliges Leben zu führen. Der Mensch muss erst einsehen, dass er ein Sünder ist und der Sinnesänderung bedarf. Auch soll damit nicht gesagt sein, dass sich der reuige Sünder nicht weihen, nicht ein Leben in Heiligkeit zu führen bestrebt sein solle; wohl aber bedeutet es, dass Weihung erst mit erfolgter Rechtfertigung Wert besitzt. Nach Gottes Anordnungen müssen wir erst begreifen lernen, wie gütig er ist, indem er für eine Sühnung unserer Sünden gesorgt hat. Wir müssen seine Vergebung als freie Gabe in Christo annehmen, bevor wir in eine Herzensstellung gelangen, die uns gestattet, uns seinem Dienst zu weihen. Außerdem müssen wir uns daran erinnern, was der Zweck aller Vorkehrungen des Evangeliums-Zeitalters ist. Die Berufung zur Sinnesänderung, die Verkündigung der guten Botschaft, die Rechtfertigung durch den Glauben daran und die Aufforderung an die so Glaubenden, sich selbst Gott zu weihen, sind Teile des einen großen Planes, den Gott jetzt hinausführt, um die Neue Schöpfung zu entwickeln. Gott hat zuvor bestimmt, dass alle, die zur Neuen Schöpfung gehören möchten, erst Opferer sein müssen; es muss ein jeder etwas haben, das er Gott opfern kann, gerade wie unser Hohepriester, der sich selbst Gott opferte. (Hebr. 7:27; 9:14) Die Unterpriester müssen ebenfalls ihr eigenes menschliches Leben opfern; wie der Apostel ermahnt: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, welches euer vernünftiger Dienst ist.“ (Röm. 12:1) Nun merke, dass, da unsere Leiber nicht tatsächlich heilig sind, sie gerechneterweise heilig gemacht werden müssen, bevor sie vor Gott annehmbar, als heilig bezeichnet werden können. Wir müssen also aus Glauben an Christum gerechtfertigt sein, bevor wir irgend etwas Heiliges und Annehmbares auf Gottes Altar zu legen imstande sind, und unser Opfer muss im Namen unseres großen Hohenpriesters geschehen und um seinetwillen angenommen werden, bevor wir als „seine“ königliche Priesterschaft betrachtet werden können. (Anmerkung: Hier ist zur rechten Erkenntnis der Feinheiten der Lehre von Weihung und Rechtfertigung genau zu beachten, was der Verfasser im Vorwort zu diesem Band sagt, wenn er abschließend bemerkt, dass Rechtfertigung erst nach erfolgter Weihung erfolgt, wobei wir verstehen, dass die Annahme der Weihung durch Gott, welch letztere mit der Übergabe an den Herrn Jesus als den Hohenpriester erfolgte, natürlich erst nach erfolgter Rechtsprechung vor sich geht.

Der Gang ist folgender: Der Sünder hört von Jesus und kommt willigen Herzens zu ihm, sagend: „Herr Jesus ich will Dir folgen, wohin Du gehst.“ Das ist eine Weihung. Damit derjenige, welcher sich so dem Hohenpriester Jesus übergab, als Mitopferer vom Vater angenommen und erkannt werde, stellt der Hohepriester den Geweihten dem Vater dar, sich mit seinem Verdienst für ihn verbürgend. Infolgedessen erkennt der Vater einen solchen als gerechtfertigt an, was aber wohlverstanden nicht geschehen würde, wenn er sich nicht vollends geweiht hätte. Rechtfertigung oder Gerechtsprechung durch Gott erfolgt nur nach Zurechnung des Verdienstes Christi; über dieses Verdienst und seine Zurechnung verfügt bis heute aber noch der Herr Jesus allein und er rechnet natürlich niemand sein Verdienst zu, der sich ihm nicht vorher zu diesem Zweck, zur Nachfolge in seinen Fußstapfen völlig übergibt, und diese völlige Übergabe an ihn ist die Weihung; denn es steht geschrieben: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Es ist also völlig klar, dass Rechtfertigung oder Rechtsprechung nach der Weihung erfolgt. Wir empfehlen dringend, vor Fortsetzung des Studiums Bruder Russells letztes Vorwort zu diesem Band sorgfältig und ganz zu lesen).

Heiligung wird der große König natürlich auch während des Tausendjahr-Zeitalters verlangen. Die ganze Welt wird aufgefordert werden, sich zu heiligen von jeglicher Unreinheit, von Sünde jeder Art abzulassen, dem göttlichen Willen zu gehorchen, der durch die Gesetze des neuen Reiches und seiner Fürsten kundgemacht werden wird. Dann kann es geschehen, dass einige das Äußerliche ihres Lebens, aber nicht ihr Herz reinigen; solche mögen wohl in geistiger, sittlicher oder körperlicher Hinsicht Fortschritte machen; sie dürfen die Segnungen der Wiederherstellung, die Vollkommenheit jener herrlichen Zeit, bis zu deren Ablauf genießen. Wenn aber ihre Heiligung am Ende des Zeitalters nicht auch ihre Gedankenwelt, ihre Herzen, erreicht haben wird, so werden sie als nicht geeignet betrachtet werden für die ewigdauernden Verhältnisse jenseits des Tausendjahr-Zeitalters, unter denen nichts bestehen wird, was nicht in absoluter Übereinstimmung mit dem Willen Gottes ist, sowohl Gedanken als auch Worte und Werke betreffend.

Aber lasst uns, während wir die Heiligung als Grundsatz, dem sich die ganze Welt im kommenden Zeitalter wird anpassen müssen, erkennen, nicht außer Acht lassen, dass die Schrift zuerst zu „unserer“ (das heißt der Neuen Schöpfung) Ermahnung geschrieben ist. Wenn die Zeit angebrochen sein wird, da die Welt, Heiligung betreffend, unterrichtet werden wird, dann wird sie den großen Propheten zum Lehrer haben und die Sonne der Gerechtigkeit wird mit der Erkenntnis Gottes die Welt erleuchten. Alsdann wird es keinen Wirrwarr einander widersprechender Lehren und Anschauungen mehr geben; denn der Herr hat mit Bezug auf jenes Zeitalter verheißen: „Alsdann werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.“ (Zeph. 3:9) Der Apostel wendet sich ausschließlich an „Neue Schöpfungen“ wenn er schreibt: „Christus ist ‚uns‘ gemacht von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Befreiung.“ Darum lasst uns auf diese Dinge um so mehr achten, da sie zu unserer Ermahnung geschrieben und uns unentbehrlich sind, um unsere Berufung und Erwählung zur Teilnahme an der Neuen Schöpfung festzumachen.

Wie der Herr einst zum Volk Israel sprach: „Heiliget euch“, und „ich werde euch heiligen“ (3. Mose 20:7, 8; 2. Mose 31:13), so fordert er auch die geistlichen Israeliten auf, sich zu weihen, ihre Leiber als lebendige Opfer darzustellen, sich Gott darzustellen auf Grund des Sühnopfers Christi. Nur diejenigen, die es jetzt, zur annehmbaren Zeit, tun, nimmt der Herr an und sondert sie ab als ein ihm geheiligtes Volk, trägt sie in das Lebensbuch des Lammes ein (Offb. 3:5) und hält für einen jeden von ihnen eine Krone in Bereitschaft, die Krone der Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit, die sie erhalten werden, sofern sie ihren Bundesverpflichtungen getreulich nachkommen, was „ihr vernünftiger Dienst“ ist. – Röm. 12:1; Offb. 3:11

Wie im Vorbild die Weihung die Leviten verpflichtete, der Gerechtigkeit zu folgen, nicht aber zu opfern, so war die Weihung Aarons und seiner Nachkommen zur Priesterwürde ein Vorbild der Weihung derer, die Gottes Berufung zur königlichen Priesterschaft annehmen. Die äußeren Zeichen der Priesterweihe waren die weißen Kleider, als Sinnbild der Rechtfertigung, ferner die Salbung mit Öl und die Darbringung der Opfer, an denen alle Priester Anteil hatten. – Hebr. 8:3

So unterscheidet denn das levitische Vorbild deutlich zwei verschiedene Weihungen: zunächst die allgemeine, die die Leviten überhaupt betraf, und sodann jene besondere, die einige Leviten zur Priesterwürde erhob. Die erstere stellt eine allgemeine Weihung zu heiligem Leben und Gehorsam gegenüber Gott dar, wie alle Christen vertrauen, dass ihnen durch Gottes Gnade, durch Christum, probeweise „Rechtfertigung zum Leben“ wurde, was ihnen Frieden mit Gott bewirkt. Dies erfahren und verstehen alle wahren Gläubigen in diesem Zeitalter in großem Maß. Aber der Apostel erklärt, dass „das Endziel des Gebotes Liebe aus reinem Herzen“ ist. (1. Tim. 1:5) Das heißt: Gott hat vorausgesehen, dass uns unser Einverständnis mit der ersten Weihung, mit den jetzigen Bedingungen unserer Rechtfertigung, zu einem weiteren Schritt veranlassen wird, nämlich, dem der Weihung zum Opferdienst.

Warum? Weil ein heiliger Wandel und Gehorsam gegenüber Gott Liebe aus reinem Herzen für Gott und unsere Mitmenschen einschließt. Reine Liebe zu Gott ist Liebe aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, mit allen unseren Kräften; und eine solche Liebe wartet nicht erst auf Befehle, sondern bittet um Gelegenheit, zu dienen und spricht: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“ Jeder aufrichtige, „wahre Israelit“ zur Zeit der ersten Gegenwart hatte die erste, durch die allgemeine Levitenweihe vorgeschattete Weihung hinter sich: an solche richtete der Herr seine besondere Berufung, sich in den Tod zu weihen, ihre irdischen Interessen für himmlische daranzugeben, in den Fußstapfen des Anführers unseres Heils auf dem schmalen, zur Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit führenden Wege zu wandeln. Wer dieser Einladung folgte, der wurde als Priester angenommen, als Glied des Leibes des Hohenpriesters unseres Bekenntnisses, als Sohn Gottes gerechnet. – Joh. 1:12

Gerade so ist es das ganze Evangeliums-Zeitalter hindurch gewesen. Der durch die Leviten vorgeschatteten Weihung zum Gehorsam und zur Gerechtigkeit folgt erst die Erkenntnis, dass Gerechtigkeit höchste Liebe zu Gott und den Wunsch bedeutet, seinen Willen zu kennen und zu tun; dann die Erkenntnis, dass die ganze Schöpfung so in Verwirrung und in Gegensatz zu Gott geraten ist, dass Übereinstimmung mit Gott Gegensatz zu aller Ungerechtigkeit in uns und um uns bedeutet; indem wir zu Gott aufsehen und beten, um zu erfahren, warum er uns berufen, unsere Weihung angenommen und für sie doch keine andere Form möglich gemacht hat als die der Selbsthingabe antwortet der Herr: „Ihr seid berufen worden in einer Hoffnung eurer Berufung“ (Eph. 4:4), und dass diese Berufung zur Miterbschaft an der Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit unseres Herrn in seinem Reich sei (Luk. 12:32; Röm. 2:7), und dass der Weg dazu schmal und mühselig sei, weil das Ertragen dieser Prüfungen für jene unentbehrlich ist, die er zu so hoher Ehre führen will. (Matth. 7:4; Röm. 8:17) Wenn wir dann endlich der Berufung Gottes durch den Mund des Apostels: „Ich ermahne euch, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, welches eurer vernünftiger Dienst ist“ – gehorchen, wenn wir uns in den Tod geweiht haben, dann werden wir als Priester, Glieder der königlichen Priesterschaft, Unterpriester des großen Hohenpriesters unseres Bekenntnisses, Jesu Christi, als Neue Schöpfung betrachtet.

Solche Gläubige aber, die, nachdem sie erkannt haben, dass „das Endziel des Gebotes Liebe aus reinem Herzen“ ist, sich weigern, bis dahin fortzuschreiten und der Aufforderung zum Opfer Folge zu leisten, erfüllen den von Gott bestimmten Zweck einer Rechtfertigung aus Glauben nicht, handeln insofern ihrer Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber der Gerechtigkeit zuwider und verwerfen damit die „eine Hoffnung unserer Berufung.“ Empfangen diese nicht die Gnade Gottes umsonst? Können wir im Hinblick auf die Heiligen der früheren Zeitalter, daran gedenkend, was es sie kostete, ein gutes Zeugnis zu empfangen, Gott durch Glauben zu gefallen und so ihre Rechtfertigung zur Gemeinschaft mit Gott festzuhalten (Hebr. 11:5, 32-39), erwarten, dass die den gegenbildlichen Leviten des Evangeliums-Zeitalters ermöglichte Rechtfertigung zum Leben bei weniger Ergebenheit an den Herrn und seine Gerechtigkeit werde erfolgen können? Sicherlich müssen wir schließen, dass jene, die als gerechtfertigte Gläubige (gegenbildliche Leviten) angenommen werden, und, wenn sie die „Kosten der Jüngerschaft berechnet“ haben (Luk. 14:27, 28), die ihre Weihung mit sich bringt, dann ablehnen, Glauben an des Herrn verheißene Hilfe zu üben, und sich weigern, ihren „vernünftigen Dienst“ durch vollständige Weihung bis zum Tod auszuführen oder diese Weihung vernachlässigen – dass jene zwecklos begünstigt worden sind. Gewiss können sie nicht weiter als solche gelten, die Rechtfertigung zur Gemeinschaft mit Gott besitzen. Sie verlieren die den gegenbildlichen Leviten angebotenen Vorrechte und sollten nicht länger als solche angesehen werden.

Unter jenen aber, die Gottes Gunst zu würdigen wissen, deren Herzen für diese Vorrechte dankbar und zum vernünftigen Dienst der vollen Weihung entschlossen sind, und welche die Verpflichtung zum Gehorsam Gott und seiner Gerechtigkeit gegenüber, zum Gehorsam bis in den Tod, auf sich nehmen, gibt es auch zwei Klassen:

Die erste besteht aus jenen gegenbildlichen Leviten, die freudig und willig ihr Leben daran geben, Mittel und Wege suchen, dem Herrn, den Brüdern und der Wahrheit zu dienen, und es als lauter Freude und Ehre achten, irdische Annehmlichkeiten, Zeit, Einfluss, Mittel, kurz, alles daranzugeben, was das gegenwärtige Leben ausmacht. Die freudigen, willigen Opferer, die gegenbildlichen Priester, werden binnen kurzem erhöht werden und mit ihrem Herrn die königliche Priesterschaft bilden, sie werden alsdann nicht mehr opfern, und sonach nicht mehr durch Aaron und sein Haus, das für sein Volk Opfer darbringt, vorgeschattet sein, sondern sie werden das große Gegenbild Melchisedeks, des Priesters auf seinem Thron, sein und während des Tausendjahr-Zeitalters der Welt die Segnungen austeilen, die durch die besseren Opfer während des gegenbildlichen Versöhnungstages, des Evangeliums-Zeitalters, sichergestellt wurden.

Die andere Klasse besteht aus Gläubigen, die zwar dem Herrn von Herzen zugetan sind, freudig ihr Alles dem Herrn und seinem „vernünftigen Dienst“ weihen und dadurch ihre Würdigkeit erweisen, gegenbildliche Leviten zu sein, weil sie Gottes Gunst nicht vergeblich empfangen haben, deren Liebe und Eifer aber, wiewohl sie der Berufung folgen und so der einen Hoffnung unserer Berufung und aller Vorrechte der Auserwählten teilhaftig werden, nicht stark genug sind, um sie anzutreiben, das Opfer, zu dem sie sich verpflichteten, nun auch zu vollenden. Solche verfehlen, ihr Opfer auf den Altar zu binden, um es dort zu lassen; deshalb können sie nicht als genaues Abbild unseres großen Hohenpriesters gerechnet werden, dem es eine Freude ist, des Vaters Willen zu tun; sie verfehlen, zu überwinden und können mithin nicht zu den „Überwindern“ gezählt werden, die mit ihrem Herrn als Glieder der „königlichen Priesterschaft“ das Königreich der Himmel ererben sollen; sie verfehlen, ihre Berufung und Erwählung durch genaue Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen festzumachen.

Was geschieht nun mit diesen? Haben sie alles verloren, weil sie zwar wohl um den Preis gelaufen sind, aber es an dem nötigen Eifer haben gebrechen lassen, so dass sie das Ziel nicht erreichten? Nein, Gott sei Dank, nein! Selbst wenn ihr Glaube und Eifer sich in den schwersten Proben als unzureichend erwies, um zur Priesterklasse zu gehören, so erwies doch der Umstand, dass sie wenigstens Glauben und Eifer genug hatten, um sich in den Tod zu weihen, ihre Aufrichtigkeit und Würdigkeit zum Levitendienste. Dennoch war es nicht genug, dass sie sich völlig weihten; sie müssen auch den Beweis erbringen, dass sie den Herrn von Herzen lieben und ihn um keinen Preis verleugnen würden; dies müssen sie, auch wenn sie nicht treu genug sind, um in seinem Dienste Opfer darzubringen. Welches ist die Probe, die sie bestehen müssen, um sich der Levitenstellung im Königreiche würdig zu erweisen? Und auf welche Weise werden sie auf die Probe gestellt werden?

Wir haben schon von der Großen Schar der dem Herrn wahrhaft Geweihten gesprochen, von der in Offb. 7:13-15 die Rede ist. „Dies sind die, welche aus der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiß gemacht in dem Blute des Lammes. Darum sind sie vor (und nicht auf) dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht (das heißt: fortwährend) in seinem Tempel (seiner Herauswahl); und der auf dem Throne sitzt, wird sein Zelt über ihnen errichten“, wird ihnen die geistige Natur verleihen und ihnen Gelegenheit geben, ihm und der herrlichen Braut zu dienen. Törichte Jungfrauen! Sie haben die Gelegenheit, Glieder der Braut zu werden, verpasst; aber dennoch sind sie Jungfrauen reinen Herzens. Sie verlieren den Preis, aber sie gewinnen später, nach schweren Prüfungen, Anteil am Hochzeitsmahl des Bräutigams und der Braut als die Gefährtinnen, die ihr folgen; auch sie werden dem König vorgestellt werden. „Sie werden geführt werden unter Freude und Jubel, sie werden einziehen in den Palast des Königs.“ (Psalm 45:14,15) Als Leviten haben sie verfehlt, den Preis der königlichen Priesterschaft zu erringen, aber Leviten sind sie dennoch und können Gott in seinem herrlichen Tempel der Herauswahl dienen, obwohl sie daselbst weder Säulen noch lebendige Steine sein können. – Offb. 3:12; 19:6-7; Psalm 45:14, 15

Der Vers, der auf die letzte Stelle folgt, erinnert uns an die vorbildlichen Leviten der früheren Zeit, die im Volk Israel als „die Väter“ bezeichnet wurden, und gibt uns die Zusicherung, dass sie dadurch belohnt werden sollen, dass sie Fürsten über die ganze Erde werden.

Gleicherweise scheinen die drei Söhne Levis (Kehath, Gerson und Merari) vier Klassen vorzuschatten. 1. Die Zelte Moses, Aarons und der ganzen Priesterfamilie Amram (des Sohnes Kehaths) standen vor der Stiftshütte auf der Ostseite. Diese Familie war mit allen religiösen Angelegenheiten betraut; alle anderen Leviten waren in dieser Beziehung ihre Diener und Helfer und wurden darum hoch geehrt. 2. Südlich von der Stiftshütte lagerte die Familie Kehath, die nächste Verwandtschaft der Familie Amram; ihrer Obhut waren die heiligen Gegenstände anvertraut, die Altäre, der Leuchter, der Tisch und die Bundeslade. 3. Nördlich von der Stiftshütte lagerte die Familie Merari, der Familie Kehath im Range folgend; sie bewahrte die mit Gold bezogenen Bretter, Pfosten und Sockel auf. 4. Auf der Rückseite der Stiftshütte lagerte die Familie Gerson, die die untergeordnetsten Dienste zu leisten hatte; sie hatte die Schnüre der äußeren Vorhänge usw. in Verwahrung.

Diese vier Levitenfamilien mögen auch vier unterschiedliche Klassen der gerechtfertigten Menschheit zur Zeit, da die Versöhnung mit Gott zur Tatsache geworden sein wird, darstellen: die königliche Priesterschaft, die Alttestamentlichen Überwinder, die große Schar und die Geretteten der Welt. Es scheint nicht ungewöhnlich, dass bei Vorbildern auch die Namen von Bedeutung sind. So bedeutet Amran „erhöhtes Volk“. Welch ein passender Name für das Vorbild der „kleinen Herde“, deren Haupt Christus Jesus ist! Die Schrift bezeichnet diese Priester als „hoch erhöht“, „sehr erhaben“. Kehath bedeutet „Verbündeter“ oder „Gefährte“. Aus der Familie Kehath stammten Amram und die Priester. Sie mag daher das Vorbild der Alttestamentlichen Überwinder sein, deren Glaube, Ergebenheit und Gehorsam gegenüber Gott und deren Willigkeit, um der Gerechtigkeit willen zu leiden, so voll bezeugt ist, und mit denen wir uns so nahe geistig verwandt fühlen. Sie waren in Wahrheit des Herrn Verbündete und unsere Gefährten und stehen in mancher Beziehung dem Christus näher als irgendwelche anderen. Merari bedeutet „Bitterkeit“; dies passt auf die Familie Merari als Vorbild der Großen Schar, der zur geistigen Natur Gezeugten, die den Preis der königlichen Priesterschaft nicht erhalten, aber „gerettet werden, doch so wie durchs Feuer“, kommend aus großer Trübsal und bitterer Erfahrung zu ehrenvoller Dienerstellung, die ihr bestimmt ist. Gerson endlich bedeutet „entflohen“, „gerettet“; der Name passt gut auf das, was uns als Vorbild der geretteten Menschheit erscheint. Allen Menschen wird zur Flucht und Freiheit verholfen, zur Befreiung aus den Banden des Widersachers, aus Blindheit und Knechtschaft.

Die erste Stellung und den ersten Rang unter den gegenbildlichen Leviten, den Gerechtfertigten, wird also die königliche Priesterschaft einnehmen; ihrer ist das Reich mit seiner Würde und Verantwortlichkeit. Zu ihrer Rechten stehen ihre nächsten Verwandten, die Alttestamentlichen Überwinder, die sie zu „Fürsten über die ganze Erde“ machen werden. Zu ihrer Linken stehen ihre getreuen Brüder der Großen Schar.(Anmerkung: Der spätere Gedanke des Verfassers ist der, dass gewisse Schriftstellen zu lehren scheinen, dass die Alttestamentlichen Überwinder den Vorrang nicht haben werden, sondern während des Millenniums im Range niedriger stehen werden als die große Schar, dass sie aber am Ende desselben zur geistigen Natur und höheren Ehren gelangen werden.) Und hinter ihnen endlich steht die im Tausendjahrreich aus Sünde und Tod befreite Menschheit, deren Ergebenheit sich in der schweren Prüfung am Ende des Tausendjahr-Zeitalters erwiesen haben wird. – Offb 20:7-9

Alle vier Klassen werden aus gegenbildlichen Leviten bestehen, die sich als von Herzen Gott ergeben ausgewiesen haben werden. Dies bedeutet indes nicht, dass die im voraus vor der Welt aus Glauben Gerechtfertigten, die sich weigern oder verfehlen, weiterzugehen und das Endziel des Gebotes – Liebe aus reinem Herzen – zu erfüllen, die also insofern die Gnade Gottes umsonst empfangen, nun jede Gelegenheit verscherzt haben. Wenn, nachdem sie die Kosten einer Teilnahme am Priesterdienst überschlagen, sie das Anerbieten ablehnen, so können sie natürlich nicht dafür gelobt und belohnt werden, dass sie den „vernünftigen Dienst“ nicht zu würdigen verstanden; aber andererseits können sie gerechterweise auch nicht dafür bestraft werden; sonst wäre die Berufung zur Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit nicht mehr eine Gnade, sondern ein Zwang, nicht mehr eine Einladung, sondern ein Befehl, nicht mehr ein freiwilliges Opfer, sondern eine Verpflichtung. Auch wenn sie aus ihrer Rechtfertigung keinen Nutzen zu ziehen verstanden, bleiben sie ein Teil der erkauften Welt, genau wie sie es waren, bevor sie an Christum glaubten; aber ihre Verantwortlichkeit hat freilich zugenommen, seit sie Recht von Unrecht zu unterscheiden gelernt haben. Mit anderen Worten: Es werden gegenwärtig nur jene endgültig daraufhin geprüft, ob sie ewigen Lebens würdig oder ewigen Todes wert sind, die sich dem Herrn freiwillig „bis in den Tod“ weihen. Alle anderen kommen noch nicht ins Gericht und werden es nicht kommen, bis das Tausendjahrreich aufgerichtet ist. Unterdessen ist jedoch jeder Mensch, nach dem Maßstab des ihm gewordenen Lichtes, im Begriff, seine Existenzbedingungen im Tausendjahrreich und seine Aussichten auf ewiges Leben zu verbessern oder zu verschlechtern, je nachdem er seinem Gewissen und der ihm gewordenen Erkenntnis gemäß oder dagegen handelt.

Bei den völlig Geweihten jedoch liegen die Dinge anders. Durch ihre völlige Weihung bis in den Tod verzichten sie auf das irdische Leben überhaupt, durch Hingabe für das himmlische, das ihr Teil werden wird, wenn sie treu bleiben bis in den Tod, sonst nicht. Für solche bedeutet also Untreue den ewigen Tod, so sicher wie für die Ungehorsamen und Abfallenden am Ende des Tausendjahrreiches.

Keine Levitenklasse hat Anteil an Land Kanaan. Dies ist eine deutliche Vorschattung der Tatsache, dass die unvollkommenen Zustände der jetzigen argen Welt nicht das Erbteil derer sind, die ihr Alles dem Herrn geweiht haben und mit seiner Gerechtigkeit von Herzen einverstanden sind. Kanaan stellte die Widrigkeiten der Prüfungszeit dar, die Besiegung der Feinde, die Überwindung des Bösen, vornehmlich während des Tausendjahrreiches. Gott hat für alle, die er als gegenbildliche Leviten völlig gerecht macht, ein besseres, sündloses, vollkommenes Erbe in Bereitschaft. Die Priester werden die ersten sein, die dieses Erbe antreten; dies wird bei der ersten Auferstehung geschehen, bei der sie die göttliche Natur erhalten werden. Dann werden die Alttestamentlichen Überwinder an die Reihe kommen; sie werden das Erbe menschlicher Vollkommenheit gleich bei ihrer Auferstehung antreten. Hiernach folgt die Große Schar derer, die auf geistiger Stufe vollkommen gemacht werden soll, und endlich die Gerson-Klasse, die übrige Menschheit, deren Erziehung, Hebung und Erprobung das Tausendjahr-Zeitalter ausfüllen werden. Sie wird schrittweise diesem Erbe näher geführt und allmählich vom Tode zum Leben aufgerichtet werden, dessen sie sich am Ende des Millenniums wird würdig erweisen können.

Auch dass einzig jene Gläubigen, die sich vollständig bis in den Tod weihen, vom Heiligen Geist gezeugt sind und als Glieder des großen Hohenpriesters gelten, ist im Vorbild vorgeschattet; nicht die Leviten überhaupt, sondern nur die Opferer, die Priester, erhielten von dem heiligen Öl, das den Heiligen Geist darstellt. Die Priester wurden alle mit Öl besprengt, das mit Blut vermengt war, womit angedeutet ist, dass der Heilige Geist nur dank des Vergießens von Blut das Teil der Glieder des Christus wird, dank des blutigen Sühnopfers Jesu Christi, das sie rechtfertigt, und infolge ihrer freiwilligen Verpflichtung, Mitopferer Christi zu sein, um ihr Leben in seinem Dienst niederzulegen. – 2. Mose 29:21

Die Salbung des Hohenpriesters war noch eine besondere Sache. Sie stellte die Einheit der auserwählten Kirche dar. Denn diese Salbung kam nur auf den einen, der das Hohepriesteramt bekleiden sollte, zuerst auf Aaron, danach der Reihe nach auf jeden seiner Söhne, die ihm in der Würde folgten. (2. Mose 28:41; 40:13, 15) Unser Herr Christus Jesus wurde als „das Haupt der Versammlung, die da ist sein Leib“, gesalbt, „mit dem Öl der Freude (dem Heiligen Geist) über (als Haupt über) seine Genossen“, seine Miterben, die Unterglieder der königlichen Priesterschaft. Das ganze Öl wurde auf ihn ausgegossen, und „aus seiner Fülle (von seinem Überfluss) haben wir empfangen Gnade um Gnade.“ Es ist eine unsagbar große Gabe, dass uns um des Verdienstes seines Sühnopfers willen unsere Sünden vergeben und wir gerecht gemacht worden sind; und ebenso liegt es fast jenseits der Grenze des Glaubhaften, dass wir berufen worden sind, das Reich mit ihm zu ererben, dass unsere Weihung durch die Besprengung mit seinem Blut und Öl besiegelt werden kann, und dass wir an der Salbung unseres Hauptes teilhaben können.

Der Prophet David gibt uns unter des Herrn Leitung eine Beschreibung der Salbung, wie alles Öl über unser Haupt ausgegossen wurde und von ihm auf alle Glieder herabfließen musste. (Psalm 133:1-3; 45:7; Luk. 4:18) Die Glieder der Herauswahl sind die Brüder, deren Gesinnung sie antreibt, einträchtig beieinander zu wohnen. Alle, die mit dem Haupt eins sind, müssen Zuneigung haben zu den übrigen Gliedern seines Leibes, der da ist die Versammlung, und je nach dem Grad dieser Zuneigung erhalten sie mehr oder weniger von dem Heiligen Geist der Salbung. (Band 5, Kapitel 9) Dieses heilige Salböl stellt den Heiligen Geist dar und die Erleuchtung, die er allen denen verleiht, die Gott als „Glieder auf Probe“ der königlichen Priesterschaft, der Neuen Schöpfung, annimmt, deren jedes versiegelt ist, gleichsam gezeichnet vom Heiligen Geist, der ihm verliehen worden ist. (Band 5, Kapitel 9)

Die in dieser Weise vom Heiligen Geist als voraussichtliche Glieder der Neuen Schöpfung bezeichneten Gläubigen erhalten vom Herrn die Zusicherung: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin.“ „Ich habe euch auserwählt (aus der Welt ausgewählt) und euch gesetzt, auf dass ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe.“ „Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihrige lieben, weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ (Joh. 15:16, 19; 17:16) Obwohl diese Zeichen der Heiligung bis zu einem gewissen Grad von der Welt bemerkt werden können, dürfen wir doch nicht erwarten, dass sie uns Ehre und Bewunderung und Billigung bei der Welt eintragen; sondern vielmehr müssten wir erwarten, dass diese Kundgebungen des Heiligen Geistes an den Neuen Schöpfungen als Zeichen von Schwäche und Unmännlichkeit angesehen werden. Die Welt würdigt und billigt, was ihr als ein kraftvolles, energisches, nicht allzu sehr rechtliches, gewissenhaftes Leben erscheint. Unser Herr erklärt uns, warum die Welt seine Nachfolger nicht billigt, nämlich weil Finsternis das Licht hasst, weil der Maßstab seiner königlichen Priesterherrschaft für Gedanken, Worte und Werke ein anderer, erhabener ist als der der Menschen überhaupt, und daher als eine Verurteilung ihrer eigenen Anschauungen erscheint. Die Welt zieht es vor, gebilligt und geschmeichelt zu werden; und was immer sie im geringsten in den Schatten stellt, dem geht sie so weit wie möglich aus dem Weg oder widersteht ihm. Diese Missbilligung durch weltlich Weise unter den Namenchristen bildet einen Teil der Prüfung der königlichen Priesterschaft, und wessen Weihung nicht durchaus von Herzen kommt, der wird die Gemeinschaft der Welt vermissen und suchen, ihre Billigung zu erhalten, und dabei verfehlen, in richtiger Herzensstellung das Opfer der irdischen Interessen hinauszuführen, das er zu bringen begonnen hatte. Er wird verfehlen, Priester, Glied der Neuen Schöpfung, zu werden. Dennoch mag der Herr, mit Rücksicht auf ihre guten Absichten, solche retten durch feurige Trübsale, in denen das Fleisch, das zu opfern sie nicht eifrig genug gewesen waren, zerstört werden wird; so mögen sie dann würdig erachtet werden, Anteil zu haben an den Segnungen und Belohnungen der Großen Schar, die aus großer Drangsal kommt, um vor dem Thron zu dienen, auf dem die kleine Herde mit ihrem Herrn sitzen wird.

Die Heiligung besteht nicht nur aus zwei Handlungen, einerseits der völligen Weihung seiner selbst seitens des Menschen, andererseits der völligen Annahme des Geweihten durch Gott, sondern sie schreitet fort. Unsere Weihung, obwohl sie völlig und aufrichtig gemeint sein muss, wenn sie überhaupt vor Gott annehmbar sein soll, ist anfangs durch eine verhältnismäßig geringe Erkenntnis und wenig Erfahrung gestützt.

Wir müssen also in gleichem Masse an Heiligkeit zunehmen, wie die Erfahrung und Erkenntnis zunimmt. Anfangs sind unsere Herzen wohl voll, nachdem aller Eigenwille ausgetrieben ist; aber unsere Herzen vermögen eben im Anfang nur wenig zu fassen. Wenn sie sich dann erweitern, muss die Weihung Schritt halten und auch den großen Raum füllen, wie der Apostel ermahnt: „Seid erfüllt mit dem Geiste“, und wiederum: „Lasst die Liebe zu Gott in eure Herzen ausgegossen werden und mehr und mehr überfließen.“ Die Vorkehrung, die diese Erweiterung unserer Herzen gestattet, ist in den Worten des Gebetes unseres Erlösers für uns ausgedrückt: „Heilige sie durch die Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.“ – Joh. 17:17

Das Wort oder die Botschaft Gottes, die Weisheit von Gott in Christo ist es, die uns zuerst die Gnade Gottes uns gegenüber bemerken lässt und die uns Schritt für Schritt zur Weihung anleitet und treibt; dasselbe Wort, dieselbe Botschaft Gottes durch Christum ist es auch, die unsere Herzen erweitert und erfüllt. Aber wenn es auch Gottes Sache ist, die Wahrheit zu geben, die uns erfüllen und heiligen soll, so bleibt dennoch unserer Pflicht bestehen, der Weihestellung unserer Herzen gemäss zu handeln, zu hungern und zu dürsten nach dieser heiligenden Wahrheit, uns täglich davon zu nähren, und so im Herrn und seiner Kraft zu erstarken. Die Weihung zum Herrn allein genügt nicht; der Herr will nicht bloße „Bewerber“ für die Neue Schöpfung haben. Die Bewerber müssen vielmehr geschult, erzogen und erprobt werden, damit sie die verschiedenen Charakterzüge der Neuen Schöpfung zur Entwicklung bringen und jeder Charakterzug muss auf seine Festigkeit und Gottergebenheit hin geprüft werden, damit sich Gott gleichsam dessen vergewissern kann, dass diese Neuen Schöpfungen, nachdem sie in allen Stücken geprüft wurden, dem treu bleiben werden, der sie berufen hat, und mithin würdig sind, durch einen Anteil an der ersten Auferstehung zur großen Freude ihres Herrn einzugehen.

Wie schon die Rechtfertigung aus Glauben die große Gabe des „Friedens mit Gott“ einbringt, so bedeutet auch dieser weitere Schritt der völligen Weihung, der Überlassung aller Angelegenheiten dieses Lebens an Gott, der Verzicht auf jede irdische Hoffnung und Bestrebung und ihr Ersetzen durch die himmlischen Hoffnungen und Bestrebungen, die der Neuen Schöpfung in Aussicht gestellt sind, eine große Erleichterung, großen Frieden im Herzen, und zwar um so mehr, je mehr wir von den außerordentlich großen Verheißungen Gottes an die Neue Schöpfung erfassen und auf uns anwenden. Diese Verheißungen werden in Röm. 8:28 in den Worten zusammengefasst: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind.“

Diese Sicherheit ist die „zweite Gnadengabe“ Gottes im eigentlichen Sinne dieses Wortes. Jedoch nicht so, dass sie den Augen des Fleisches sichtbar wäre; aber sie gibt unseren Herzen wahre Ruhe, sie erfüllt sie mit unbegrenztem Vertrauen zu Gott und gestattet uns, die außerordentlich großen und kostbaren Verheißungen der Schrift auf uns anzuwenden.

Da unsere natürlichen Charaktere verschieden sind, so werden auch die Erfahrungen, die jeder einzelne mit seiner vollen Weihung macht, verschieden sein. Bei einigen wird die volle Übergabe an den Herrn, die Erkenntnis, dass er in besonderer Weise für sie sorgt, als voraussichtliche Glieder der auserwählten Kirche, nur wahren Herzensfrieden erzeugen; bei anderen, die mitteilsamerer Natur sind, wird die Freude sich laut durch Jubeln und Lobpreisungen kundgeben. Wir müssen dieser Verschiedenheit der natürlichen Charaktere stets eingedenk sein und auch die Brüder zu verstehen suchen, deren Erfahrungen von den unseren verschieden sind. Auch unter den zwölf Aposteln bestanden solche Unterschiede. Einige, besonders Petrus, Jakobus und Johannes, konnten ihre Erfahrungen besser zum Ausdruck bringen als die anderen. So blieb es sogar auch nach Pfingsten noch, nach der Ausgießung des Heiligen Geistes. Die feurigen Brüder mögen die vom Apostel geforderte Mäßigung lernen, und die kalten, gar zu nüchternen mögen beten, dass sie die Gnadengaben Gottes höher schätzen und ihre Gefühle besser äußern, lauter den preisen lernen, der uns berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Jakobus und Johannes, zwei der Lieblingsjünger Jesu, die wegen ihrer Feurigkeit und ihres Eifers „Donnersöhne“ genannt wurden, bedurften, einmal wenigstens, der Zurechtweisung und Ermahnung, damit sie sich daran erinnerten, wes Geistes Kinder sie seien. (Luk. 9:54, 55) Petrus, der wegen seiner raschen Anerkennung des Messias gelobt worden war, musste ein anderes Mal wegen einer Verirrung seines Eifers als Widersacher bezeichnet werden. Dennoch zeigte der Herr seine Vorliebe für die warmen, feurigen Charaktere dieser drei Apostel; die drei Genannten waren allein mit ihm im Sterbezimmer der Tochter des Jairus und auf dem Berg der Verklärung; sie begleiteten ihn auch in der Passionsnacht im Garten Gethsemane weiter als die anderen. Eifer ist also dem Herrn wohlgefällig und bringt uns ihm näher; aber allezeit muss dieser Eifer ihn als Haupt anerkennen und sich durch sein Wort und seinen Geist leiten lassen.

Heiligung bedeutet nicht menschliche Vollkommenheit, wie einige irrtümlich ausgelegt haben. Sie ändert die Eigenschaften oder den Zustand unserer geistigen Fähigkeiten nicht; sie lässt die Schäden unseres Leibes nicht auf wunderbare Weise verschwinden. Sie betrifft nur den Willen, der durch Christum als vollkommen angenommen wird; sie ist eine Hingabe des Leibes als Opfer – bis in den Tod. Dieser Leib wird, wie wir gesehen haben, durch die Rechtfertigung aus Glauben auch nicht tatsächlich, sondern nur gerechneterweise, gemäss unserem Willen, unserer Herzensstellung, unseren Absichten, gerecht gemacht. Der neue Wille sollte, wie der Apostel ermahnt, jede Fähigkeit, jede Gelegenheit, die sich ihm in diesem Leben bietet, in volle Übereinstimmung mit dem Herrn zu bringen suchen. Er sollte versuchen, seinen Einfluss bei allen Menschen, mit denen er in Berührung kommt, in derselben Richtung wirksam zu machen. Damit ist nicht gemeint, dass er in den wenigen kurzen Jahren des gegenwärtigen Lebens imstande sein werde, seinen armen unvollkommenen Leib oder den anderer vollkommen zu machen. Im Gegenteil, der Apostel versichert uns, indem er von der Herauswahl spricht, dass gesät werde in Verweslichkeit, in Schwachheit, in Unehre, ein unvollkommener natürlicher Leib, und dass wir nicht vor der Auferstehung neue Leiber empfangen, die stark, vollkommen, herrlich, unsterblich sind. Erst dann werden wir die Vollkommenheit erreicht haben, die wir suchen, und die der Herr uns verleihen wird, wenn wir im gegenwärtigen Zustand der Schwäche und Unvollkommenheit von Herzen kommende Treue kundgeben.

Dennoch bedeutet Herzenstreue gegenüber dem Herrn eine fortgesetzte Bemühung unsererseits, unseren ganzen Wandel, ja, jeden unserer Gedanken, und alle Absichten unserer Herzen dem göttlichen Willenunterzuordnen. (Hebr. 4:12) Das ist unsere erste und beständige Pflicht; das bleibt bis ans Ende unsere Pflicht, denn „dies ist Gottes Wille: eure Heiligung“ und „seid heilig, denn ich (der Herr) bin heilig.“ – 1. Thess. 4:3; 1. Petr. 1:16

Absolute Heiligkeit muss das Ziel sein, dem unsere Gesinnung freudig und völlig nachzujagen sich bestrebt. Sie muss es bleiben, wiewohl wir sie niemals tatsächlich erreichen, solange wir den Gebrechen unserer gefallenen Natur und den Verführungen der Welt und des Widersachers ausgesetzt sind. Aber Tag für Tag, je mehr wir von Gott gelehrt werden, je mehr unsere Erkenntnis über seinen herrlichen Charakter wächst, je mehr wir dies schätzen lernen, um so mehr wird die neue Gesinnung Einfluss über uns und Stärke in uns gewinnen, um die Schwachheiten des Fleisches, welcher Art sie auch sein mögen, zu überwinden.

Wahre Heiligung des Herzens bedeutet auch Eifer im Dienst des Herrn; sie bedeutet Verkündigung der guten Botschaft; sie bedeutet, dass einer den anderen in dem allerheiligsten Glauben auferbaut; sie bedeutet, dass wir allen Menschen, je nachdem sich Gelegenheit bietet, insonderheit aber dem Haushalt des Glaubens, Gutes erweisen; sie bedeutet, dass auf diese mannigfache Weise unser dem Herrn geweihtes Leben für die Brüder Tag für Tag geopfert werden soll, bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet (1. Joh 3:16); sie bedeutet, dass unsere Liebe für den Herrn, für unsere Brüder, für unsere Angehörigen, für die Menschheit überhaupt, mehr und mehr unsere Herzen fülle, je mehr wir in Gnade, Erkenntnis und Gehorsam gegenüber dem göttlichen Wort und Vorbild wachsen.

Dennoch sind alle Ausübungen unserer Kräfte im Dienst anderer nichts weiter als Mittel, durch die der Herr es uns möglich macht, unsere Weihung vollständig zu machen. Wie Eisen das Eisen schärft, so bringen uns unsere Bemühungen im Dienst anderer manchen Segen ein. Doch während wir der hohen Stellung, in der wir unsere Nächsten lieben wie uns selbst (insbesondere den Haushalt des Glaubens), näher und näher kommen, muss die Quelle hierfür unsere alles übertreffende Liebe zu unserem Schöpfer und Erlöser und der Wunsch sein, zu handeln und zu sein, wie es ihm wohlgefällt. Wir müssen also zunächst vor allem Gott geweiht sein; er muss in Herz und Gemüt die erste Stelle einnehmen, und unsere Liebe zu ihm muss sich dann kundgeben darin, dass wir unsere Brüder und alle Menschen lieben und ihr Bestes suchen.

Geheiligt durch die Wahrheit

Wir haben bereits bemerkt, dass die von Gott geforderte Heiligung, das heißt die Heiligung, die die Voraussetzung für die Erlangung eines Platzes in der Neuen Schöpfung ist, nur solchen erreichbar ist, die in der Schule Christi sind, von ihm lernen und durch die Wahrheit geheiligt werden. Weder Irrtum noch Unwissenheit heiligt. Andererseits aber müssen wir nun auch nicht auf die Annahme verfallen, dass jede Wahrheit heiligt. Wiewohl die Wahrheit im allgemeinen allen bewundernswert erscheint, die sie lieben und den Irrtum hassen, so lautete doch des Herrn Ausspruch nur: „Deine (das heißt des Vaters) Wahrheit heiligt.“ Die ganze zivilisierte Welt ist auf der Jagd nach Wahrheit; ihre Jäger heißen Geologen, Astronomen, Physiker, Chemiker. Auch die Staatsmänner beteiligen sich an diesem Suchen nach dem, was recht ist. Aber wir gewahren, dass diese Wahrheitsbestrebungen nicht heiligen, dass sie vielmehr meist in entgegengesetzter Richtung wirken, wie denn auch der Apostel sagt, dass die Welt durch Weisheit Gott nicht erkennt. (1. Kor. 1:21) Es ist eine Tatsache, dass die Kürze unseres Lebens und unsere vom Fall herrührende Unvollkommenheit und Entkräftung einen Versuch unsererseits, die ganze Wahrheit zu umfassen, als Zeitvergeudung erscheinen lässt. Darum sind es auch in der Welt nur die Spezialisten, die Erfolg haben. Wer seine Aufmerksamkeit der Astronomie widmet, findet für seine Zeit und seine Kräfte auf diesem Gebiet allein Beschäftigung genug; er wird wenig Zeit übrig haben für andere Wissenschaften, auch für deren höchste nicht: „Deine Wahrheit“ – den göttlichen Plan der Zeitalter. Deshalb ermahnt auch der Apostel Paulus, der ein gebildeter Mann war, den Timotheus, sich zu hüten vor der fälschlich sogenannten Wissenschaft. Wissenschaft bedeutet Wahrheit, und sicherlich dachte der Apostel nicht daran, die Aufrichtigkeit der Forscher seiner Zeit zu bestreiten und sie als absichtliche Fälscher hinzustellen. Vielmehr lesen wir in seinen Worten einen Gedanken, den die von der Wissenschaft durchlaufene Bahn voll und ganz bestätigt, dass nämlich, wenn auch jede Wissenschaft ein Stück Wahrheit enthält, doch alle menschlichen Lehren nicht unbedingte, unvermengte Wahrheit sind. Sie sind nur die besten Vermutungen derer, die die Wahrheit, ein jeder auf seinem Gebiet, suchen; oft hat eine Vermutung der anderen widersprochen. Wie die Gelehrten vor 50 Jahren die Vermutungen der Gelehrten früherer Zeiten verwarfen, so verwerfen die Gelehrten der Gegenwart die Ansichten ihrer Vorgänger.

Der Apostel Paulus war nicht nur ein weiser und völlig geweihter Mann, ein Glied der königlichen Priesterschaft, von Natur besser ausgerüstet als viele seiner Gefährten, um in den Fußstapfen des großen Hohenpriesters zu wandeln, sondern er stand außerdem, in seiner Eigenschaft als einer der erwählten zwölf Apostel des Lammes (in Ersetzung des Judas Iskariot), unter besonderer göttlicher Leitung – insbesondere hinsichtlich seiner Lehren – und war von dem Herrn dazu bestimmt, das ganze Evangeliums-Zeitalter hindurch der Belehrer des Haushaltes des Glaubens zu sein. Die Worte eines solchen Glaubenshelden und Vorbildes, das er uns durch seine Weihung vorlebte, sollten daher bei uns sehr ins Gewicht fallen, wenn wir die Laufbahn betrachten, die wir als geweihte und angenommene Glieder der königlichen Priesterschaft betreten haben. Er ermahnt uns, jede Bürde und die leicht umstrickende Sünde abzulegen und mit Ausharren zu laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesum, den Anfänger unseres Glaubens, bis er auch der Vollender desselben werden wird. (Hebr. 12:1, 2) Anderswo spricht er zu unserer weiteren Ermahnung von seinen Erfahrungen: Ich habe gefunden, dass meine volle Weihung für den Herrn mir nicht gestattet, meine geistigen Kräfte in verschiedenen Richtungen zu betätigen oder sie im Aufsuchen verschiedener Wahrheiten zu zersplittern. Die Wahrheit der göttlichen Offenbarung hat mich, seitdem sie in mein Herz gekommen und meine schon geweihten und geheiligten Fähigkeiten mehr und mehr in Anspruch nimmt, immer klarer erkennen lassen, dass, wenn mir daran gelegen ist, den großen Preis zu gewinnen, ich ihm meine ganze Aufmerksamkeit widmen muss, genau wie jene, die nach irdischen Zielen laufen, sie stets im Auge behalten müssen. „Eines aber tue ich: Vergessend was dahinten (meine einstigen Bestrebungen als Forscher, meine einstigen Aussichten als römischer Bürger und als ein Mann von mehr als Durchschnittsbildung, vergessend die Anziehungskraft der verschiedenen Wissenschaften und Lorbeeren, die sie ihren Jüngern verheißen), und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist (das Auge meines Glaubens unablässig richtend auf das, was ich hoffe, liebe, dem ich mich geweiht habe, nämlich das große Anerbieten, Miterbe mit meinem Herrn zu werden, der göttlichen Natur und seines großen Werkes der Segnung der Welt durch sein Reich), jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu.“ – Phil. 3:13, 14

Rührung ist nicht Heiligung

Manche Christen sind nicht recht klar darüber, worin die den treuen Opferern dieses Zeitalters verheißenen Beweise des Herrn, dass sie angenommen sind, bestehen. Einige erwarten mit Unrecht äußerliche Zeichen, wie sie zu Pfingsten der ersten Kirche zuteil wurden. (Band 5, Kapitel 9) Andere erwarten innerliche, frohe Gemütsbewegungen und sind daher ihr Leben lang hinsichtlich ihrer Annahme durch den Herrn im Ungewissen, wenn diese Erregungen ausbleiben. Ihre Erwartungen stützen sich auf Erfahrungen anderer Brüder, die davon Zeugnis abgelegt haben. Es ist daher wichtig, sich dessen bewusst zu werden, dass die Schrift solche Erregungen nirgends verheißt, dass wir alle in der einen Hoffnung unserer Berufung berufen sind, und dass die Verheißungen der Vergebung der früheren Sünden, des ermutigenden Lächelns des Vaters, seiner Gnade, die uns bei unserem Lauf aufrecht hält, uns ans Ziel gelangen und den großen Preis erlangen hilft, seiner in jeder Zeit der Not ausreichenden Gnade, Gemeingut aller derer sind, die die Bedingungen der hohen Berufung angenommen haben. Was aber sehr verschieden ist, das ist die Art und Weise, in der die verschiedenen Kinder Gottes diese sowie jede Verheißung annehmen, sie sei zeitlicher oder geistiger Natur, sie komme von Menschen oder von Gott. Die einen sind sehr erregbar und empfindsam und bezeugen und beschreiben daher ihre Empfindungen in lebhafter Weise. Auch das Verfahren des Herrn selbst ist nicht bei allen seinen Kindern dasselbe. Sehen wir uns die Sache gerade beim Haupt der Herauswahl, unserem Herrn Jesus, an. Als er sich im Alter von dreißig Jahren völlig weihte, bis in den Tod, des Vaters Willen zu tun, und nachdem er mit dem Heiligen Geist ohne Maß gesalbt worden war, da war er nicht, soweit die Schrift berichtet, mit außerordentlich froher Erregung erfüllt. Ohne Zweifel erhielt er wohl die Gewissheit, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, vom Vater gebilligt zu sein und von Gottes Segen geleitet zu werden, was auch die Erfahrungen sein möchten, die er machen würde. Dennoch wurde er vom Geist nicht auf den Gipfel eines Berges der Freude geführt, sondern in die Wüste getrieben, und die ersten Erfahrungen, die er als Neue Schöpfung machte, waren sehr ernstliche Versuchungen. Dem Widersacher wurde gestattet, ihn zu versuchen, um zu sehen, ob er sich davon abbringen lasse, des Vaters Willen zu tun; ob er sich bewegen lasse, zu versuchen, das Werk, zu dessen Hinausführung er ins Fleisch gekommen war, auf eine Weise zu vollenden, die ihm den Opfertod ersparen würde. So geht es, glauben wir, wohl auch einigen der Nachfolger des Herrn in der ersten Zeit nach ihrer Weihung. Sie empfinden Furcht und Zweifel, die der Widersacher in ihnen erregt, indem er ihnen glaubhaft zu machen versucht, dass es gegen Gottes Liebe und Weisheit verstoße, die Hingabe irdischer Rechte und Ansprüche zu verlangen. Lasst uns in diesem Punkt nicht einer den anderen richten! Wenn einer seiner Freude lauten Ausdruck zu verleihen vermag, lasst uns alle mit ihm uns freuen. Und wenn ein anderer nach seiner Weihung viel Anfechtung und Kummer zu erdulden hat, lasst uns alle Mitleid mit ihm haben, andererseits aber uns freuen, dass seine Erfahrungen denen unseres Herrn so ähnlich sehen.

Jene beiden lieben Gottesmänner, John und Charles Wesley, waren beide zweifellos geweihte Männer; und doch tat ihre Auffassung der Weihung nicht nur einigen wohl, sondern sie fügte anderen in gewissem Maße Schaden zu, indem sie eine unschriftgemäße Erwartung schuf, die nicht bei allen eintrat und dadurch durch Entmutigung Böses bewirkte.

Es war ein schwerer Missgriff ihrerseits, zu glauben und zu lehren, dass die Weihung bei allen Geweihten den gleichen Grad freudiger Erregung hervorbringe. Die Kinder gläubiger Eltern, welche von Kind auf christliche Lebensluft geatmet, alle Dinge dieses Lebens im Licht des Glaubens ihrer Eltern und im Licht der Worte Gottes beurteilen gelernt und daher von jeher versucht haben, den göttlichen Willen zu erkennen und zu tun, sollten nicht erwarten, wenn sie einmal das Alter der Verantwortlichkeit erreicht und sich persönlich dem Herrn geweiht haben, dieselbe überströmende Freude zu empfinden, wie ein anderer, der bis zu dem Zeitpunkt ein „verlorener Sohn“ gewesen ist, ein Fremdling, der von den heiligen Dingen nichts wusste.

Die Bekehrung eines solchen bedeutet eine gründliche Änderung, ein Hinwenden zu Gott von allen menschlichen Bestrebungen, die ihn bisher von Gott abgezogen hatten und ihn zum Sklaven der Sünde und Selbstsucht machten. Jener dagegen, dessen ganze Gefühls- und Gedankenwelt von Kindesbeinen an durch christliche Eltern auf Gott und seine Gerechtigkeit hingewiesen wurde, kann keine plötzliche Änderung oder Umwälzung seiner Gefühle empfinden und sollte daher nichts derartiges erwarten. Ein solcher sollte vielmehr erkennen, dass er von Jugend auf bis zur Reife der persönlichen Verantwortlichkeit von Gott begünstigt wurde, dass seine Annahme zur Zeit seiner Weihung die vollbewusste Übernahme seiner bisherigen Stellung zu Gott, eine völlige Weihung jeglicher Gaben und Fähigkeiten in den Dienst des Herrn, seiner Wahrheit und seines Volkes bedeutet, dass seine Weihung sein „vernünftiger Dienst“ ist, und dass, nachdem er sein ganzes schon als gerecht gerechnetes irdisches Ich dem Herrn nun bewusst geweiht, er die außerordentlich großen und herrlichen Verheißungen auf sich beziehen darf, die nur die Geweihten und ihre Kinder angehen. Wenn einem solchen alsdann ein klarer Einblick in den Plan Gottes oder wenigstens dessen Anfänge zuteil wird, so sollte er daraus erkennen, dass die auf das Evangeliums-Zeitalter beschränkte hohe Berufung an ihn ergeht, und sich darüber freuen.

Die Aussage des Apostels: „Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen“ – gilt für die ganze Herauswahl des Evangeliums-Zeitalters. Der Herr wünscht unseren Glauben so zu fördern, dass wir ihm auch da vertrauen, wo wir ihn nicht begreifen können. Zu diesem Zweck lässt er manche Dinge teilweise geheimnisvoll bleiben, wenigstens für das natürliche Auge und Urteil, und dadurch wird der Glaube viel sicherer gefördert, als es durch äußere Zeichen und Wunder geschehen könnte. Die Augen unseres Verständnisses für göttliche Dinge müssen durch die Verheißungen der Schrift geöffnet werden, durch ein Unterscheiden und Verstehen lernen seiner Wahrheit, damit wir uns im Glauben an Dingen erfreuen lernen, die wir jetzt nicht mit Augen sehen noch mit unserer natürlichen Vernunft begreifen können.

Auch die Öffnung der Augen unseres Verständnisses geht nach des Apostels Zeugnis schrittweise vor sich. Er bittet für die, die bereits zur Herauswahl Gottes gehören, die er als Geweihte, Heilige anredet, dass die Augen ihres Verständnisses geöffnet werden möchten, damit sie mehr und mehr erkennen mögen mit allen Heiligen (in einer Weise, wie andere es nicht vermögen) die Länge und Breite und Höhe und Tiefe der Weisheit und Liebe Gottes. Der Gedanke, dass die geistigen Güter der Neuen Schöpfung, die ihr nach der Weihung zuteil werden, nicht den natürlichen Sinnen, sondern nur dem Glauben erkennbar sind, ist in den Vorbildern der Stiftshütte auch schon angedeutet. Der äußere Vorhang verhüllte den Leviten die heiligen Geräte (tiefere Wahrheiten). Diese wurden nur von denen gesehen, die als Priester ins Heiligtum Eintritt hatten, wie die tieferen Wahrheiten auch nur von denen erkannt werden, deren Wunsch, zur königlichen Priesterschaft zu gehören, stark genug ist, um sie anzutreiben, sich in den Tod zu weihen. (siehe „Die Stiftshütte“)

Die freudige Erregung kommt denen, bei denen sie natürliche Anlage des Temperaments ist, nicht selten wieder abhanden. Was solche aber immer als Gnadenerfahrung und Erregung empfinden können, wenn sie im Herrn bleiben und in seinen Fußstapfen zu wandeln suchen, das sind die Freuden des Glaubens, die irdische Wolken und Kümmernisse nicht zu verdunkeln vermögen. Die Freude soll, so ist es des Herrn Wille, nicht von ihnen genommen werden, es sei denn für einen Augenblick, wie es bei unserem Herrn Jesu der Fall war, als er am Kreuze ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Da unser Meister, indem er Adams Stelle einnahm, alle Erfahrungen des Sünders über sich ergehen lassen musste, so musste er eben, wenn auch nur für einen Augenblick, die Abtrennung des Sünders von Gott empfinden. Und wer weiß, ob solch ein dunkler Augenblick nicht auch der Würdigsten unter den Nachfolgern des Lammes wartet? Solche Erfahrungen würden freilich nicht auf lange Zeit zugelassen werden, und die Seele, die in dem dunklen Augenblick auf den Herrn zu vertrauen fortfährt, wird für diesen Glaubens- und Vertrauensbeweis reichlich belohnt werden, wenn die Wolke sich verzogen hat und der Sonnenschein der Gegenwart des Herrn wieder leuchtet.

Eine andere Ursache teilweiser Verfinsterung deutet ein Dichter an, der darum betete, dass nicht von der Erde aufsteigendes Gewölk den Herrn seinen Blicken entziehen möge. Die meisten Wolken, die zwischen den geweihten Gotteskindern und ihrem himmlischen Vater und älteren Bruder auftauchen, sind solch irdisches Gewölk. Sie entstehen, wenn wir uns an irdische Dinge hängen, anstatt unsere Gedanken auf himmlische Dinge zu lenken, wenn wir unser Weihegelübde vernachlässigen, wenn wir im Opfer und Geopfertwerden lässig sind, wenn wir nachlassen, uns in den Dienst der Brüder zu stellen oder allen Menschen nach Möglichkeit Gutes zu tun. Zu solchen Zeiten, wo der Blick vom Herrn und seiner Führung abgewendet ist, sammeln sich die Wolken rasch, und der Sonnenschein der Gemeinschaft, des Glaubens, des Vertrauens und der Hoffnung wird dementsprechend verdunkelt. Das ist eine Zeit seelischer Krankheit und Unruhe. In seiner Gnade lässt der Herr solche Trübsal zu, ohne uns deshalb aus seiner Gunst zu verstoßen. Wenn er uns sein Antlitz verhüllt, so geschieht es, damit wir zu unserer Belehrung erfahren, wie verlassen und in welch unbefriedigender Lage wir wären, wenn nicht seine Gegenwart mit seinem Sonnenschein unseren Weg erleuchten und jegliche Last dieses Lebens uns leicht erscheinen lassen würde.

„Der da heilet alle deine Gebrechen“

„Preise Jehova, meine Seele, und vergiss nicht alle seine Wohltaten! Der da vergibt alle deine Ungerechtigkeit, der da heilt alle deine Krankheiten; der dein Leben erlöst von der Grube, der dich krönt mit Güte und Erbarmungen; der mit Gutem sättigt dein Alter; deine Jugend erneuert sich wie die des Adlers.“ – Psalm 103:2-5

Wenn der Herr einerseits zulässt, dass die Neue Schöpfung solche Krankheiten erdulden muss, wie wir sie eben angedeutet haben, so ist er andererseits auch stets bereit, ihnen abzuhelfen, wenn der Leidende in die richtige Herzensstellung kommt. Der Leidende muss, wenn er seine Mängel empfindet, vor den Thron der Gnade hintreten, mit der Bitte, dass der Mattigkeit seiner Neuen Schöpfung abgeholfen werde, dass frisches Leben und Gesundheit im Lichte der Gnade Gottes wiederkehren möge. Der Apostel ermahnt uns (Hebr. 4:16), „mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe.“ Alle Neuen Schöpfungen machen Erfahrungen dieser Art, und wenn sie sie richtig verwerten, so werden sie immer stärker im Herrn und in der Macht seiner Stärke, so dass selbst die Fehltritte und Schwachheiten, ihre Hilfsbedürftigkeit, ihr Anlehnen im Glauben auf den Arm des Herrn, zu ihrem geistigen Vorteil ausschlagen, so dass sie wachsen und erstarken in einer Weise, wie es nicht möglich wäre, wenn sie aller Prüfungen und Widrigkeiten enthoben wären, oder wenn gar der Herr sein Antlitz nicht vor ihnen verbergen würde, wenn ihre Herzen erkalten oder erschlaffen oder sie ihre geistigen Vorrechte missachten. Jedes Mal, wenn die Neue Schöpfung das Bedürfnis empfindet, Vergebung und Hilfe zu suchen, dient ihr dies dazu, ihr von neuem einzuprägen, dass des Erlösers Sühnopfer und Versöhnungswerk notwendig war. Sie empfindet alsdann, dass Christi Opfertod nicht nur für die vergangenen Sünden (die Sünden Adams sowohl als auch unsere eigenen, begangen, bevor wir durch den Sohn zum Vater kamen) genug getan, sondern dass seine Gerechtigkeit durch sein einmaliges Opfer für jedermann hinreichend ist, alle unsere geistigen, sittlichen und leiblichen Mängel gut macht, sofern sie nicht von uns selbst gewollt sind. So wird die Neue Schöpfung während ihrer ganzen Reise auf dem schmalen Pfad beständig daran erinnert, dass sie um einen Preis erkauft wurde, nämlich mit dem kostbaren Blut Christi, und ihre Erfahrungen und Fehltritte drängen sie näher und näher an den Herrn heran, indem sie immer höher schätzen lernt, was Christus einst als Erlöser getan, und was er jetzt als Helfer und Erlöser zu tun bereit ist.

Manche Neuen Schöpfungen haben nicht gelernt, aus solchen geistigen Beschwerden oder Gebrechen den von Gott beabsichtigten Nutzen zu ziehen, sondern sind eher geneigt, in ihren Herzen zu sprechen: „Ich habe mich wieder vergangen; jetzt kann ich nicht mehr vor den Thron Gottes hintreten, wenn ich nicht zuerst dem Herrn meine guten Absichten durch das Erringen eines Sieges bewiesen habe.“ So schieben sie auf, was sie gerade in erster Linie tun sollten. Sie suchen in eigener Kraft einen Sieg zu erringen; da sie aber durch die Erkenntnis ihrer vorigen Schwachheit entmutigt worden sind, sind sie nicht in der geeigneten Verfassung, einen guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, weder gegen ihr eigenes Fleisch, noch gegen den Widersacher. So gehen sie einer sicheren Niederlage entgegen und, was schlimmer ist, sie verlieren mehr und mehr die Gewohnheit, sich bei dem Herrn nach Hilfe umzusehen, und so wird das Gewölk, das ihnen den Sonnenschein der göttlichen Gnade verhüllte, immer dichter und dichter, bis es den Bedauernswerten schließlich als unvermeidliches Übel erscheint.

Gerade umgekehrt sollte es gehalten werden. Sobald der Fehler in Wort oder Tat erkannt und der dadurch gestiftete Schaden, soweit wie möglich, gutgemacht worden ist, sollte der Thron der Gnade aufgesucht werden, aber im Glauben, nicht im Zweifel. Wir dürfen von unserem Herrn nicht denken, dass er einen Anlass wider uns sucht und uns barsch anfahren wird, sondern uns vielmehr daran erinnern, dass seine Güte und sein Erbarmen groß genug waren, um ihn zu veranlassen, für unsere Erlösung zu sorgen, als wir noch Sünder waren. Sicherlich ist seine Liebe für uns, nachdem wir seine Kinder geworden und vom Geist gezeugt worden sind, und seitdem wir in seinen Wegen – nach dem Geist, nicht nach dem Fleisch – zu wandeln suchen, um so überschwenglicher, so sehr wir auch straucheln mögen. Sicherlich muss er uns noch mehr lieben, als da wir „noch Kinder des Zornes waren gleich wie die übrigen.“ Wir müssen des eingedenk sein, dass, gleichwie ein rechter irdischer Vater sich seiner Kinder erbarmt, so auch der Herr sich derer erbarmt, die Ehrfurcht vor ihm haben. Wir müssen an unsere besten Freunde und ihre Liebe und Teilnahme für uns denken und uns dann Gott noch unendlich viel liebevoller, gütiger und treuer vorstellen, als die Besten unter seinen Geschöpfen. Solchen Glauben, solches Vertrauen fordert er, aber er belohnt es auch. Alle, die Glauben genug hatten, um ein erstes Mal zum Herrn zu kommen, haben auch, wenn sie nur wollen, Glauben genug, um sich bei Gott Zugang zu verschaffen, Tag für Tag, in allen Prüfungen, Schwierigkeiten und Vergehungen. Lassen sie aber die Wolken immer mehr zwischen sich und den Herrn treten, lehnen sie es ab, nach der Ermahnung der Schrift, vor dem Thron der Gnade um Frieden und Wiederherstellung der Gemeinschaft zu bitten, dann werden sie schließlich nicht würdig befunden werden, der besonderen Klasse, die der Herr jetzt auserwählt, zugezählt zu werden. Der Vater sucht solche Anbeter, die ihn ehren – das heißt, die ihn lieben und ihm trauen – und „ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen“; „dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“ – Joh. 4:23; Hebr. 11:6; 1. Joh. 5:4

Es gibt natürlich auch Schwierigkeiten auf dem Wege, aber der Herr hat für die notwendige Hilfe und den nötigen Rat Sorge getragen; sowohl in seinem Wort als auch in den Brüdern, die er in der Versammlung, die da ist sein Leib, dazu „gesetzt“ hat. (1. Kor. 12:18) Schon das zum Beispiel ist eine Hilfe, wenn wir einsehen, worin unsere Abirrung besteht, wenn wir erkennen, dass die Verschiebung unseres Hinzutretens vor den Thron der Gnade, bis wir etwas Eigenes zu unserer Rechtfertigung vorbringen können, ein Beweis dafür ist, dass wir die große Belehrung, die Gott seit Jahrhunderten gegeben, nicht völlig zu erfassen vermögen; dass wir nämlich alle untüchtig sind, das zu tun, was wir möchten, dass wir mithin des Erlösers bedürfen, der gekommen ist, uns aufzurichten. Wer damit umgeht, sich selbst zu rechtfertigen, der versucht etwas Unmögliches, und je schneller er dies erkennt, um so besser für ihn. Wir sollten täglich dem Herrn Rechenschaft geben, ob es uns leicht oder schwer fällt. Wenn das Herz des Geweihten weich und an ununterbrochene Gemeinschaft mit dem Herrn gewöhnt ist, so werden wir Erleichterung finden, wenn wir, so oft irgendeine Schwierigkeit auftaucht, gleich vor den Thron der Gnade hintreten und nicht erst den Abend abwarten. Jedenfalls sollte keine Schwierigkeit über Nacht behalten werden; der Zugang zum Thron der Gnade steht uns immer offen, und davon keinen Gebrauch zu machen, würde eine Herzensstellung zeigen, die mit dem Wort des Herrn unvereinbar ist.

Einzelne bemerken mit Schmerzen, dass sie, nachdem sie vor den Thron der Gnade getreten sind, nicht den Segen empfanden, den sie erwarteten – die Vergebung der Sünden und die Aussöhnung mit dem Vater. Dies mag eine der folgenden drei Ursachen haben: 1. Sie können es an Glauben haben fehlen lassen, und da in der gegenwärtigen Zeit der Herr alles nach dem Glauben beurteilt, kann ohne Glauben nichts erhalten werden. „Dir geschehe nach deinem Glauben.“ – 2. Sie mögen das Unrecht, das sie vor Gott bekennen, nicht gut gemacht, nicht dafür um Verzeihung gebeten haben. Oder aber, wenn sie sich gegen den Herrn vergingen, mögen sie es ihm verschwiegen und nicht um seine Verzeihung gebeten haben; dann suchen sie natürlich den Frieden umsonst. – 3. Nicht selten hatten wir Gelegenheit zu bemerken, dass der Mangel an Frieden von der unvollständigen Weihung des Betenden herrührte. Solche suchen bei Gott Freude und Frieden und den Sonnenschein der Gnade – geistige Güter, die in der Stiftshütte durch Schaubrote und den Schein des goldenen Leuchters vorgeschattet waren – während sie in Wirklichkeit noch außerhalb der Weihung stehen, mithin nicht zur königlichen Priesterschaft gehören, nur Leviten sind, die bis jetzt die besondere Gnade, das Vorrecht des gegenwärtigen Zeitalters, umsonst empfangen haben.

Das beste Heilmittel gegen Mangel an Glauben besteht im Studium des Wortes Gottes, im Nachdenken über Gottes Güte in der Vergangenheit und Gegenwart, in dem Bemühen, zu erkennen, dass er gnädig ist, außerordentlich viel gütiger, als wir es je zu wünschen oder zu denken vermocht hätten. Das Heilmittel im zweiten Fall wäre das sofortige unumwundene Bitten um Vergebung, ein Gutmachen des begangenen Unrechtes, soweit dies möglich ist, und dann eine Rückkehr zum Thron der Gnade in voller Glaubenszuversicht. Im dritten Fall liegt das Heilmittel in der Vollendung der Weihung oder Hingabe, die der Herr von allen verlangt, die an den besonderen Vergünstigungen des gegenwärtigen Evangeliums-Zeitalters Anteil haben wollen.

Ferner soll hier noch von einer anderen Art Kranker unter den Geweihten die Rede sein. Es sind jene, die, wiewohl allem Anschein nach gerechtfertigt und aufrichtig geweiht, in der Beherrschung des Fleisches wenig oder gar keine Fortschritte zu machen scheinen. Ja, es sieht manchmal so aus, als hätte sie ihr Glaube an Gottes Güte und Barmherzigkeit durch Austreibung der Furcht den Versuchungen durch das Fleisch zugänglicher gemacht, als sie vordem waren, da sie den Herrn noch weniger gut kannten. Solche machen Erfahrungen, die nicht für sie allein, sondern für den ganzen Haushalt des Glaubens, dem sie angehören, sehr betrübend sind. Ihr Wandel erscheint wie eine Reihe von Fehltritten und Reuebezeugungen; die einen handeln verkehrt in der Verwaltung irdischer Güter, die anderen fehlen in sittlicher oder gesellschaftlicher Beziehung.

Die Arznei, deren solche bedürfen, ist der Hinweis darauf, dass die Neue Schöpfung nicht aus solchen bestehen wird, die nur Selbstverleugnung, Darangabe irdischer Dinge, Ablassen vom Wandel nach dem Fleisch und einen Wandel nach dem Geist versprechen, sondern aus solchen, die infolge ihres Ausharrens in der Bereitwilligkeit, ihr Versprechen zu erfüllen, als Überwinder von ihm, der im Herzen liest, anerkannt werden können. Sie sollten daran erinnert werden, dass das für alle Geweihten richtige Verfahren darin besteht, die Freiheit, mit der Christus sie freigemacht hat, zu benutzen und allen Fleiß und alle Sorgfalt darauf zu verwenden, dass sie aller der Weihung verheißenen Segnungen teilhaftig werden möchten, und müssten sie deswegen auch Sklaven werden (indem sie sich selbst im Handel und Wandel, im Denken und Reden bestimmte Schranken setzen), ernstlich den Herrn um die Hilfe bittend, die er durch des Apostels Worte verheißen hat. „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht.“ Jedes Mal, wenn sie sich bei einer Übertretung ertappen, sollten sie die davon Betroffenen um Entschuldigung bitten, aber nicht nur das, sondern ihren Fehltritt auch vor dem Herrn bekennen und so durch Glauben seine Vergebung erlangen. Sie sollten ihm versprechen, in Zukunft sorgfältiger zu sein, und ihrer Freiheit noch weitere Beschränkungen auferlegen, und zwar gerade in der Richtung, in der sie gefehlt haben. Von solchen Brüdern und Schwestern dürfte gelten, was der Apostel als „unordentlich wandeln“ bezeichnet, ein Benehmen, das mit dem des Herrn und seiner Apostel nicht übereinstimmt.

Wenn sie jedoch wachen und beten und über jedes ihrer Werke und Worte wachen und „jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus“ (2. Kor. 10:5), dann wird es sicherlich nicht lange dauern, bis sie selbst und auch die Brüder von der Aufrichtigkeit ihrer Herzen überzeugt sein werden, und ihr Wandel wird so vorsichtig sein, dass alle ihnen anmerken werden, nicht nur, dass sie mit Jesu gewandelt, sondern auch, dass sie von ihm gelernt, seine Hilfe gesucht und benutzt haben, um Siege über ihre Schwachheiten davonzutragen.

In einem späteren Abschnitt werden wir die Weisungen des Herrn hinsichtlich der Behandlung sehen, die die Brüder solchen angedeihen lassen sollten, die nach dem Fleisch wandeln, des Herrn Sache in Verruf bringen und ihr Schande machen. Hier bemerken wir jedoch gleich, dass, solange sie von ihrer Reue über ihren falschen Wandel, von ihrem Wunsch, richtig zu wandeln und dem Herrn zu glauben und zu trauen, sichere Beweise geben, sie als Brüder geachtet werden sollten. So nötig es sein mag, sich von ihnen so lange fernzuhalten, bis sie irgendeinen greifbaren Beweis dafür bringen, dass die Macht der Gnade in ihren Herzen genügend erstarkt ist, um die Schwachheiten ihres Fleisches einigermaßen im Zaume zu halten, sollten sie doch ermutigt werden, zu glauben, dass der Herr barmherzig und von großer Güte ist für jene, die ihm vertrauen und von Herzen seine Wege zu gehen wünschen. Freilich dürfen sie nicht in dem Glauben bestärkt werden, dass sie würdig erfunden werden könnten, den Überwindern beigezählt zu werden, es sei denn, dass es ihnen mit ihrem Eifer für die Gerechtigkeit so ernst wird, dass in unzweideutiger Weise ersichtlich wird, dass ihr Fleisch der neuen Gesinnung unterworfen ist.

Wir haben schon Geweihte des Herrn gefunden, deren neues Leben dem Erlöschen nahe war. Sie wünschten zwar sehnlichst die Gemeinschaft mit dem Herrn, aber es fehlte ihnen an der nötigen Erkenntnis, wie diese Gemeinschaft herbeigeführt und festgehalten werde. Sie hatten zwar die Bibel, aber ihre Aufmerksamkeit war von ihr abgelenkt; sie waren gewohnt, sich nach Lehren umzusehen, Katechismen nachzuschlagen usw. So wandelten sie nach den Überlieferungen der Menschen und nicht nach der Gesinnung, nach dem Geist Gottes, und entbehrten infolgedessen der richtigen geistigen Nahrung. Die Folge davon war, dass sie zwar wohl dem Formenwesen abgeneigt waren, aber nicht wussten, wie sie es machen sollten, sich mehr mit ihrem ganzen Herzen dem Herrn zu nahen. Es fehlte ihnen eben die Erkenntnis seiner Güte, des Reichtums seiner Gnade in Christo Jesu, des großen Planes zur einstigen Errettung der Welt und der Berufung der Herauswahl zur neuen Natur. So schwer Erkrankte bedürfen vor allem der reinen unverfälschten Milch des Wortes und dann der „starken Speise“ der göttlichen Offenbarung. Sie sollten nicht verachtet oder vernachlässigt werden, auch dann nicht, wenn sie, nachdem ihnen die Hohlheit des Kirchentums zum Bewusstsein gekommen ist, einen Ersatz dafür in weltlichen Zerstreuungen und dergleichen gesucht haben. Wir haben solche gekannt, die in geistiger Beziehung ganz gleichgültig geworden waren, nachdem sie in verschiedener Richtung vergeblich nach Herzensbefriedigung gesucht hatten, die aber sofort erstarkten, sobald ihnen die „gegenwärtige Wahrheit“ angeboten wurde. Wir glauben, dass es in den verschiedenen Namenkirchen noch mehr solche gibt. Ihnen die Hand zu reichen, um sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht zu führen, aus geistigem Hungertod zu überströmender Gnade und Wahrheit, ist ein großes Vorrecht jener, die das Licht der gegenwärtigen Wahrheit schon empfangen haben. Damit uns aber der Herr brauchen kann, solche zu segnen, müssen wir Weisheit und Gnade von oben in seinem Worte suchen und sie in freundlicher und beständiger Weise und mit gläubigem Herzen anwenden.

Probeweise Rechtfertigung sollte zur Heiligung führen.

Wir haben schon gesehen, dass die Gerechtmachung nicht nur darin besteht, dass wir daran glauben, dass Christus als Erlöser für die Menschheit gestorben, und infolgedessen eine Wiederaussöhnung des Geschlechtes mit Gott und eine bestimmte Segnung möglich sei, sondern um ein aus Glauben Gerechtfertigter zu werden, ist vielmehr eine gewisse Weihung erforderlich. Rechtfertigung aus Glauben schließt die Erkenntnis in sich, dass die Sünde außerordentlich sündhaft ist (Röm. 7:13), und den Wunsch, von ihr loszukommen, sowohl von ihrer Herrschaft als auch von der darauf gesetzten Strafe – den Wunsch also, gerecht zu sein, eines Sinnes mit dem gerechten Schöpfer, in Übereinstimmung mit allen Gesetzen der Gerechtigkeit. Rechtfertigung aus Glauben setzt ferner voraus, dass der Gläubige sich vorgenommen hat, in allen Dingen dieses Lebens Gerechtigkeit walten zu lassen. So weitgehende Heiligung bringt in Verbindung mit dem Glauben an das Lösegeld die probeweise Rechtfertigung, setzt aber noch kein Opfer voraus. Gott hat ein Recht zu fordern, dass alle seine Geschöpfe die Gerechtigkeit gutheißen und die Ungerechtigkeit hassen, und andernfalls sie als Fremde, als Feinde zu betrachten. Aber Gott verlangt nicht von uns, dass wir unser Leben in seinem Dienst oder sonst für irgendeine Sache opfern. Das Opfer wird in der Schrift als etwas Freiwilliges hingestellt, als etwas, das das Gesetz nicht fordert, obwohl es nach des Apostels Erklärung ein „vernünftiger Dienst“ ist, indem er uns auffordert, unsere Leiber als lebendige Opfer darzustellen, Gott annehmbar. – Röm. 12:1

Bei einigen mag nun die Weihung zum Opfer sehr bald, nachdem sie den Glauben an den Herrn fanden und der Wunsch in ihren Herzen entstand, in seinen gerechten Wegen zu wandeln, eintreten. Aber vorausgehen kann diese Weihung nicht, weil wir, wie bereits gesehen, erst aus Glauben probeweise gerechtfertigt sein müssen, um etwas zu haben, was wir Gott anbieten können, und das er auf seinem Altar neben dem Opfer unseres teuren Erlösers brauchen kann.

Andere verharren einige Zeit in der Stellung dieser Probeweisen „Rechtfertigung aus Glauben“, ohne dem Gedanken, sich völlig zu weihen oder irdische Interessen für den Herrn und seine Sache daranzugeben, auch nur Näherzutreten. Aber bei den heutigen Verhältnissen wird, wer den Pfad hin zur Rechtfertigung, der Gerechtigkeit, der Übereinstimmung mit Gott betritt, nicht weit auf ihm voranschreiten brauchen, um auf Widerstand zu stoßen, sei es seitens des Fleisches, der Welt oder des Widersachers. Sie gewahren, dass der Pfad allmählich steigt, steiler und schwieriger wird. Wer auf ihm weiter wandeln will, inmitten der heutigen, von der Sünde beherrschten Verhältnisse, wird bald merken, dass ihm sein Wandel irdischen Nutzen, irdische Bestrebungen, Freundschaften usw. kostet. Hier ist der Kreuzweg erreicht: Zu der einen Abzweigung, dem aufwärts führenden Pfad zu Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, kann der Pilger nur gelangen, wenn er eintritt durch die Tür der Demütigung, Selbstverleugnung und Selbsthingabe. Einmal eingetreten bemerkt der Pilger, dass der Weg rau und schwierig ist, dass ihm aber dennoch ungesehen helfende Geister zur Seite stehen, dass die köstlichen Verheißungen Christi, des Anführers, hier und dort als Lichter zu seiner Ermutigung dienen, ihm versichernd, dass er hinreichende Gnade und Beistand bis zum Ende der Reise empfangen wird. Wenn er ausharrt, wird er bemerken, dass alle Dinge zu seinem Besten mitwirken, zur künftigen Gliedschaft der Neuen Schöpfung, zum Anteil an dem glorreichen Werk des tausendjährigen Königreiches.

Vor diesem Tor, das volle Weihung zum Opfer, ja, zum Tode bedeutet, steht mancher probeweise aus Glauben Gerechtfertigte eine kleine Weile still und überschlägt die Kosten, bevor er eintritt, bevor er der Einladung des Wortes folgt; er nimmt seinen Mut zusammen, um die Reise anzutreten, zu der ihn die guten Zusicherungen ermutigen.

An diesem Tor vorbei führen zahlreiche Nebenwege, auf denen viele, die bis hierher gekommen sind, auf leichtere Weise zu Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit zu gelangen suchen. Umsonst! Es gibt dieser Nebenwege Hunderte. Die einen führen eine Zeitlang aufwärts und erfordern ein wenig Selbstverleugnung; andere schwenken gleich ab und führen abwärts zu den Vorteilen und Aussichten dieser Welt. Auf keinem von diesen Nebenwegen aber findet der Wanderer die ermutigenden Verheißungen, die nur für jene sind, die durch die enge Pforte der Weihung eintreten. Sie sind Lichter auf dem schmalen Weg der Nachfolge Christi, in der auf irdische Bestrebungen verzichtet wird, damit sie den höchsten Grad der Gemeinschaft mit Christo Jesu und den Anteil an der zukünftigen Herrlichkeit erreichen.

Freude und Friede kommen von dem Augenblick an, da wir an den Herrn glauben, seine Versöhnung annehmen, den Entschluss fassen, nach Gerechtigkeit zu streben und Sünde zu meiden. Diese Freude und dieser Friede bleiben ungetrübt bis vor die enge Pforte am Anfang des schmalen Weges; aber der Gerechtigkeit weiter nachzujagen erfordert Selbstverleugnung, Selbsthingabe; wird dieses Opfer nicht gebracht, tritt man nicht durch die enge Pforte ein, dann verdunkeln sich auch der Friede und die Freude über die Gunst Gottes. Ganz werden sie freilich nicht verschwinden, solange der probeweise aus Glauben Gerechtfertigte auf anderen Wegen der Gerechtigkeit zu folgen sucht, sie weiterhin liebt und die göttliche Gunst wertschätzt, auch dann nicht, wenn er vor dem Eintritt durch die enge Pforte zurückschreckt, aber volle Freude und voller Friede kann solchen nicht zuteil werden, solange sie nicht erkennen, dass volle Weihung aller ihrer Kräfte nur ein „vernünftiger Dienst“ ist (Röm. 12:1), die schuldige Anerkennung und Gegenleistung für die bereits empfangene, in der Sündenvergebung bestehende Gunst Gottes.

In dieser schwachen Herzensverfassung verbleiben viele recht lange, indes andere die Wege der Welt einschlagen. Weder die einen noch die anderen werden Bewerber um die Neue Schöpfung, wenn sie nicht durch die enge Pforte der Selbsthingabe eingehen. Lange Zeit schneidet sie der Herr nicht ab von besonderen Vorrechten, die dazu bestimmt sind, sie zur engen Pforte zu führen. Dadurch aber, dass sie durch sie einzutreten verfehlen, stellen sie sich als solche dar, die „die Gnade Gottes (die Vergebung ihrer Sünden und ihre Hinleitung zu der engen Pforte) umsonst empfangen haben“, weil, einmal soweit gebracht, sie sich „der einen Hoffnung unserer Berufung“ zu versichern verfehlen oder sich weigern. Mit Recht könnte der Herr zu solchen sagen: Ich nehme euch wieder alle Vorzugsrechte weg; ihr seid ihrer nicht würdiger als die übrigen Menschen, mit denen ihr während des Tausendjahr-Zeitalters euren Teil an Gelegenheit und Gnade haben möget. Aber besondere Bevorzugung, Barmherzigkeit, Obhut, Fürsorge usw. meinerseits gibt es für euch hinfort nicht mehr. – Aber der Herr tut dies nicht sofort und hat mit vielen sehr lange Geduld.

Die außerordentlich großen und herrlichen Verheißungen des göttlichen Wortes, wie zum Beispiel, dass alle Dinge denen zum Guten mitwirken, die Gott lieben, haben nur für solche Geltung, die, nachdem sie von Gott bevorzugt und vor die schmale Pforte der Selbsthingabe gestellt worden sind, nun auch freudig durch sie eintreten, für solche, die Gott im höchsten Grade lieben, mehr als sich selbst. „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ (1. Kor. 3:23) Sie sind in die Schule Christi eingetreten; in dieser Schule werden alle Lehren, Ermutigungen und Zuchtmittel, die das Leben bietet, so überwaltet, dass sie die Schüler für die Königswürde vorbereiten. Außerhalb dieser Schule haben die Lehren des Lebens keinen so großen Segen im Gefolge für solche, die es ablehnen, einzutreten und ihren Willen unter den des großen Lehrers zu beugen.

Denen, die die Gnade Gottes umsonst empfangen haben, gebricht es, genau genommen, auch an einem Zugang zum Vater, an einer Grundlage, dem Vater im Gebet zu nahen. Denn wie sollen solche besondere Fürsorge und Bevorrechtung seitens Gottes erwarten, wenn sie jede Gegenleistung für die bereits empfangenen Segnungen zu geben verfehlen? Haben solche, die bereits vom Herrn gesegnet wurden, indem Christus ihnen zur Weisheit und Probeweisen Rechtfertigung gemacht wurde, das Recht zu denken, Gott sei nun verpflichtet, ihnen noch mehr zu schenken? Sollten solche nicht vielmehr erkennen, dass, nachdem sie solcher Gnade teilhaftig wurden, von der die übrigen des erkauften Geschlechtes nichts wissen, sie schon mehr als ihren gebührenden Teil empfangen haben? – dass weitere Erbarmungen und Vergünstigungen Gottes, wenn sie dem Willen des Herrn weiter zu folgen verfehlen, an ihnen vorbei und zu solchen übergehen werden, die bis jetzt vom Herrn nicht in gleichem Maße bevorzugt wurden und daher das gnädige Anerbieten Gottes noch nicht in gleichem Maße verschmäht haben? Wie der Dichter im Hinblick auf die große Drangsal es ausdrückt:

Welch ein schreckliches Erwachen
Harrt auch derer, die da träumten,
Ihre Auswahl festzumachen,
Bei den Schlafenden versäumten!

Aber der Herr ist voller Mitleid und von großer Güte, und daher mögen wir erwarten, dass, solange jemand wenigstens den Glauben festhält, Gott ihn nicht völlig verwerfen wird.

Was wäre das Heilmittel für jene, die in Obigem ihren eigenen Fall erkennen und völlig des Herrn zu sein und völlig seiner Gunst teilhaftig zu werden wünschen? Unseres Erachtens wäre es eine völlige Weihung, die völlige Ergebung in den Willen des Herrn in allen Dingen. Ihre Bestrebungen, ihre Hoffnungen, ihre Aussichten, ihre Mittel, ja, selbst ihre irdischen Freundschaften sollten sie dem Herrn hingeben und dafür die Führung seines Wortes und Geistes und seiner Vorsehung als ihr Gesetz eintauschen, als Richtschnur für ihren künftigen Wandel. Sie sollten dabei dessen sicher sein, dass auf diese Weise nicht nur ihre Aussichten im zukünftigen Leben um so herrlicher werden, sondern auch im gegenwärtigen Leben größerer Herzensfriede ihr Teil sein wird.

Wie sollten sie dies tun? Von Herzen, in Ehrfurcht und im Gebet. Der Bund mit dem Herrn sollte fest gemacht werden, womöglich mit hörbarer Stimme; und dabei sollte um Gottes Gnade, Erbarmen und Segen gebetet werden, weil wir deren bei der Hinausführung unseres Opfers bedürfen.

Und was sollte geschehen, wenn jemand nach Gott tastet, aber sich nicht völlig bereit fühlt, seinen Willen ganz daranzugeben? Er sollte, meinen wir, die Sache dem Herrn im Gebet vortragen, ihn bittend, dass er das Forschen nach der Wahrheit segne, damit er erstens mehr und mehr die Vernünftigkeit solchen Dienstes zu erkennen, sodann die Sicherheit des sich daraus ergebenden Segens und endlich des Herrn Treue im Halten seiner großen, an die opfernde Klasse gerichteten Verheißungen wahrzunehmen vermöge. Er sollte ferner den Herrn bitten, ihn zu befähigen, irdische Dinge richtig abzuschätzen und abzuwägen, um zu erkennen und nötigenfalls zu erfahren, wie vergänglich und unbefriedigend alles das ist, wonach die Selbstsucht im gegenwärtigen Zeitalter strebt und der natürliche Sinn begehrt, auf dass er dadurch auch befähigt werde, eine Weihung zu vollziehen und den Vorzug zu würdigen, der darin besteht, seinen Sinn auf das zu richten, was droben ist, anstatt auf das, was unten ist, die Dinge dieser Welt darangeben, um jener der anderen Welt teilhaftig zu werden.

Da nun aber die hohe Berufung (Band 3, Kapitel 6) nicht mehr ergeht, ist da der sich Weihende sicher, noch eine Gelegenheit zu haben, den großen Preis der neuen Natur mit der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit zu erringen? Oder sollte er, wenn er nicht sicher wäre, dass diese Gelegenheit noch weiter besteht, sich darum weniger weihen? Unseres Erachtens sollte, selbst wenn diese Unsicherheit bestünde, der Glaubende sich weihen. Weihung ist in Gottes Augen unter allen Umständen das richtige. Völlige Weihung wird auch von denen gefordert, die der Freuden und der Segnungen des Tausendjahrreiches teilhaftig werden wollen. Hinsichtlich des großen Lohnes aber verweisen wir auf früher Gesagtes. Unseres Erachtens werden noch viele zum Laufe in den Schranken zugelassen, um die Plätze solcher einzunehmen, die sich zwar geweiht haben, aber dann nicht so gelaufen sind, dass sie das Kleinod erreichten und deshalb nicht mehr als Bewerber angesehen werden. Niemand wird indes auf einem anderen Wege in die Rennbahn gelassen als durch die enge Pforte der Weihung, der Hingabe seiner selbst.

Wahrscheinlich haben alle, die durch die enge Pforte eingetreten sind, die großen und reichen Segnungen, die Gott für seine treue Neue Schöpfung in Bereitschaft hält, zuerst nicht so klar und völlig verstanden. Sie sahen wohl erst nur, dass es ein vernünftiger Dienst ist, und erst danach erfuhren sie mehr von der Länge, Breite, Höhe und Tiefe der Güte Gottes und der Vorzugsrechte, zu denen die hohe Berufung zu führen bestimmt ist. So geht es auch denen, die jetzt eintreten. Sie können die himmlischen, geistigen Dinge nicht völlig würdigen, es sei denn, sie seien zuvor soweit gekommen, sich völlig zu weihen, was auch dann ihr vernünftiger Dienst bleibt, wenn die Vollzahl der Überwinder gefunden wäre. Wir dürfen dessen gewiss sein, dass der unendlich reiche Herr für solche, die sich, nachdem die himmlische Klasse vollzählig ist, dem Herrn und seiner Sache weihen, eine Fülle von Segnungen irgendwelcher anderer Art in Bereitschaft hält, wie sie nur Geweihten und sich Opfernden zuteil werden können. Es ist möglich, dass sie den Alttestamentlichen Überwindern zugerechnet werden, die die Gott wohlgefällige Opferwilligkeit schon hatten (siehe 1. Mose 22; Hebr. 11), bevor die hohe Berufung erging.

Irrige Ansichten über Heiligung

Bei der Unklarheit, die in der Namenchristenheit hinsichtlich des Planes Gottes fast allgemein herrscht, ist es nicht zu verwundern, dass auch hinsichtlich des Begriffes „Heiligung“ viel Verwirrung herrscht.

Eine irrige Anschauung, die freilich von ganz wenigen Kindern Gottes zu ihrem eigenen Schaden festgehalten wird, ist, dass sie tatsächlich gerecht und heilig seien, dass sie sich bei einem Rückblick das Zeugnis geben können, sie hätten seit Jahren nicht mehr gesündigt. Diese finden ihr Vorbild in den Pharisäern zur Zeit unseres Herrn, „die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien, und die übrigen für nichts achteten“ (Luk. 18:9) und ob dieser Selbstgerechtigkeit achtlos an den Gnadengaben und Vorrechten vorbeigingen, die das Erlösungswerk unseres Herrn in ihren Bereich stellte.

Die Aufmerksamkeit dieser sogenannten „Heiligen“ und „Sündlosen“ wird in hohem Grad von dem Glauben an den Herrn und sein Lösegeld, von dem Vertrauen auf das Verdienst seines Opfers usw. abgelenkt. Denn wozu sollten sie dessen bedürfen, da sie doch das Gesetz Gottes voll und ganz zu erfüllen imstande sind? Es ist einerseits eine zu geringen Meinung vom Herrn und andererseits eine zu hohe Meinung von sich selbst, die sie irreführt. Würden sie den Herrn hochachten, wie er es verdient, so würden sie auch seine Größe, seine Herrlichkeit und die Heiligkeit und Vollkommenheit seines Charakters erkennen; und eine richtige Einschätzung ihrer selbst würde sie bald belehren (wie sie andere belehrt), dass sie in Worten, Werken und Gedanken weit hinter dem göttlichen Maßstab zurückbleiben.

Eine andere Klasse solcher „Heiligen“ geht nicht ganz so weit, sich als sündlos zu erklären, aber hält sich bei aller Anerkennung ihrer Unvollkommenheit für vollständig heilig, weil sie die Sünde zu vermeiden, sündlos zu leben versucht. Wie schon gezeigt, sind wir mit diesen insoweit einverstanden, dass wir denken, dass alle wahrhaft Geweihten versuchen sollen, nach Kräften die Sünde zu meiden; jene „Heiligen“ irren darin, dass sie wähnen, die Vermeidung der Sünde sei der einzige Zweck der Weihung. Sie haben den Gegenstand vollständig missverstanden; kein Geschöpf Gottes hat ein Recht zu sündigen; sich der Sünde enthalten, etwas nicht tun, was man nicht tun darf, kann keineswegs als Opfer bezeichnet werden. Nirgends fordert uns das Wort Gottes auf, Sünde zu opfern. Jene lieben Freunde, deren Weihung nicht mehr bedeutet als die Vermeidung der Sünde, sind gerade soweit gekommen, als alle Gerechtfertigten kommen sollten; sie sind noch nicht eingetreten durch die enge Pforte der Darangabe der Dinge, die erlaubt, die recht sind, auf die freiwillig verzichtet werden soll, damit wir dem Herrn und seiner Sache besser dienen können.

Christus unsere Erlösung

Das Wort „Erlösung“ bedeutet hier Errettung, Befreiung, als das Ergebnis des Erlösungswerkes, der Verwirklichung dessen, wofür das Lösegeld gebracht worden ist. Der in diesem Wort liegende Gedanke führt uns bis zur Verwirklichung des Sieges der Herauswahl, zur tatsächlichen Geburt der Neuen Schöpfung, obwohl an der hier besprochenen Stelle das Werk auch sehr wohl auf die vielen Hilfeleistungen angewendet werden dürfte, die den Gläubigen auf dem schmalen Wege zuteil werden, und die sie schließlich mittels Teilnahme an der ersten Auferstehung zu der „großen Errettung“, zu Ehre, Herrlichkeit und Unsterblichkeit, bringen werden.

Der Apostel versichert uns, dass unseres Herrn Opfer für uns eine „ewige Errettung“, eine dauernde Errettung aus der Knechtschaft der Sünde und deren Strafe, dem Tode, bewirkt hat. (Hebr. 7:25; 9:12) Diese Erlösung ist freilich für die ganze Welt, und schließlich wird unser Herr alle, die sich mit dem göttlichen Gesetz in Übereinstimmung bringen lassen, auf immer von Sünde und Tod retten. Aber im gegenwärtigen Zeitalter ist, wie wir in der Broschüre „Die Stiftshütte“ gezeigt haben, diese ewige Errettung, die im Millennium allen zugänglich gemacht werden wird, indem alle zur Erkenntnis der Wahrheit gebracht werden sollen, nur dem Haushalt des Glaubens zugänglich, und auch davon nur denen, die jetzt als Opferer in den Fußstapfen des Hohenpriesters als Glieder der königlichen Priesterschaft wandeln. Wenn diese einst von Sünde und Tod auf immer befreit sind, werden sie Angehörige der Neuen Schöpfung sein, gekrönt mit Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit.

Lasst uns hier noch einige andere Stellen betrachten, in denen das griechische Wort „Apolytrosis“ (Befreiung, Errettung) mit „Erlösung“ übersetzt ist. Unser Herr spricht, indem er auf die alsdann fällige Errettung durch die erste Auferstehung hinweist, zu den am Ende des Zeitalters lebenden Zeugen, welche die Zeichen der Zeit wahrnehmen: „Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blicket auf und hebet eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.“ (Luk. 21:28) Zu der gleichen Klasse Neuer Schöpfungen spricht der Apostel: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung.“ (Eph. 4:30) Diese beiden Schriftstellen beziehen sich nicht auf den Teil des Erlösungswerkes, der auf Golgatha geschah, sondern auf die Ergebnisse jenes Teiles, die in der Vollendung und Erhöhung der Herauswahl, „die da ist sein Leib“, durch die erste Auferstehung, bestehen.

In Epheser 1:7 erklärt der Apostel: „Wir haben die Erlösung durch sein Blut.“ Hier spricht er offenbar von den Segnungen, deren wir im gegenwärtigen Leben teilhaftig werden durch das Verdienst des Opfers unseres Herrn, das unsere Mängel bedeckt und für uns ein weit überwiegendes und ewiges Gewicht von Herrlichkeit bewirkt, indem es in uns wirkt sowohl das Wollen als auch das Vollbringen nach Gottes Wohlgefallen.

Christus ist uns also schon im gegenwärtigen Leben zur Erlösung gemacht, indem er uns in den gegenwärtigen Kämpfen den Sieg gibt, wie er uns schließlich den endgültigen Sieg geben wird, wenn er uns zu seinem eigenen Bild vollkommen machen wird. Denselben Gedanken äußert Paulus in Röm. 3:24, wo wir lesen: „Wir werden umsonst gerechtfertigt durch seine (Gottes) Gnade (und sie erhält uns in der Gerechtigkeit, solange wir in Christo bleiben), durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist.“ Diese Erlösung wird vollendet sein, sofern wir dafür in Betracht kommen, wenn wir ihm gleichförmig gemacht sein und ihn sehen, wie er ist, und teilhaben werden an seiner Herrlichkeit am Tage der Erlösung (Befreiung). In Röm. 8:22, 23 spricht der Apostel wiederum von der Vollendung unserer Erlösung oder Befreiung, auf welche wir warten müssen bis zur von Gott zuvor bestimmten Zeit: „Die ganze Schöpfung seufzt zusammen und liegt in Geburtswehen bis jetzt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes“ (d.h. natürlich des Leibes Christi, der da ist die Versammlung, dessen Haupt Jesus ist, und dessen voraussichtliche Glieder wir sind). Dies erst wird für uns die Vollendung der Erlösung sein, denn obwohl wir unterdessen mancher Segnung und Errettung teilhaftig werden, wird unsere Befreiung doch nicht vollständig sein, bevor der Leib Christi erlöst und wir mit ihm erhöht sein werden. – Röm. 8:20-23

Von unserer jetzigen Lage, unserem jetzigen Anteil an der Erlösung sagt unser Herr: „Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben“ (Joh. 6:47), und der Apostel sagt: „Wer den Sohn hat, hat das Leben.“ (1. Joh. 5:12) Wir dürfen aber nicht meinen, dass der Glaube, von dem hier die Rede ist, nur die Zustimmung unseres Verstandes zu bestimmten Tatsachen des göttlichen Heilsplanes ist. Nein, dieser Glaube an das Lösegeld muss derart sein, dass er unseren ganzen Wandel beeinflusst und uns in Gegensatz zur Sünde bringt, ein lebendiger Glaube, der sich in von Herzen kommendem Gehorsam kundgibt. Andererseits dürfen wir die zweite oben angeführte Stelle auch nicht so verstehen, dass die Gläubigen ewiges Leben im vollen Sinne des Wortes schon jetzt hätten, in dem Sinne, dass ihnen die Teilnahme an der ersten Auferstehung garantiert ist. Vielmehr müssen wir verstehen, dass geweihte Gläubige zu neuem Leben gezeugt sind, den Keim zu neuem Leben in sich tragen, in dem Sinne, dass Gott ihre neue Gesinnung als den Keim zur Neuen Schöpfung, als welche sie bei der ersten Auferstehung vollendet sein werden, betrachtet.

Wir finden diese Stellen in voller Übereinstimmung mit der Aussage des Apostels: „Denn in (auf) Hoffnung sind wir errettet worden“ (durch Glauben gerechneterweise, nicht tatsächlich gerettet). Darum müssen wir (wie der Landmann, der sät, wie die junge Mutter) geduldig warten auf die Vollendung des guten Werkes, das Gott in uns angefangen, „auf die Gnade (Errettung), die uns gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi“ (1. Petr. 1:13) – „wenn er kommen wird, um in seinen Heiligen verherrlicht zu werden.“ – 2. Thess. 1:10

Die Erlösung, die in Christo Jesu ist – diese sowohl, deren wir uns jetzt erfreuen, als auch jene, deren wir mit der Zeit teilhaftig werden sollen – wird in der Schrift immer mit dem Sühnopfer unseres Herrn in Zusammenhang gebracht: sein Tod war die Sühnung für unsere Schuld. Aber auch seine Auferstehung ist von allergrößter Wichtigkeit; denn ein toter Retter hätte die von ihm Erkauften zu dem, was sie verloren haben, nicht zurückbringen können. Die Erfahrungen, die unser Herr während seiner Opferzeit machte, befähigen ihn umso mehr zu dem großen Werk der Befreiung der seufzenden Schöpfung, die er durch sein Blut zurückgekauft hat. „Worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde, vermag er denen zu helfen, die versucht werden.“ (Hebr. 2:18) „Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, dass ihr sie ertragen (in der Probe bestehen) könnt.“ – 1. Kor. 10:13

Und wenn er zulässt, dass wir straucheln, so mag dies zu Zeiten ein Mittel sein, durch das er uns unsere Schwachheit zum Bewusstsein bringt, uns daran erinnert, dass wir seiner als Hirten wie auch als Erlöser bedürfen, damit seine Kraft in uns Schwachen mächtig werden könne. Er wird in seinem Wort dargestellt als unser Hohepriester, der Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, der aber machtvoll ist, uns in der Stunde der Versuchung zu helfen. Es wird ausdrücklich von ihm gesagt, dass er Mitleid habe mit den Unwissenden und Verirrten, und befähigt sei, völlig jene zu erretten, die durch ihn zum Vater kommen und durch lebendigen Glauben in ihm bleiben, d.h. nach Kräften seinen Willen tun.

So dürfen wir uns unseres Erlösers freuen als unseres Befreiers im gegenwärtigen Leben und als unseres Befreiers aus dem Tode durch die erste Auferstehung. – Hebr. 2:17, 18; 4:15, 16; 5:2; 7:25, 26