Das „Lösegeld für alle“ als einzige Grundlage für die Aussöhnung mit Gott
Keine Aussöhnung ohne Lösegeld. – Gefunden, nicht erzwungen. – Das Vorrecht, Erlöser zu sein. – „Lösegeld“ und „Rückkauf“. – Welch ein Lösegeld ist für die Menschen bezahlt worden? – Rechtfertigung durch den Glauben möglich gemacht. – „Ihr seid um einen Preis erkauft“. – Durch wen? – Von wem? – Warum? – Zu welchem Zweck? – Wie Liebe und Gerechtigkeit zusammen wirkten. – Der Kaufpreis ist nicht zurückgenommen worden. – Erlösung nicht Vergebung. – Des Menschen Tod kein Lösegeld. – Verkehrte Schlussfolgerungen in Theorien der Universalisten. – Das Verhältnis der Gerechtigkeit zum Lösegeld. – „Kein anderer Name“. – Lösegeld: Bürgschaft. – War ein anderer Heilsplan möglich?
Es ist ein Gott, und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab zum Lösegeld für alle, (wovon) das Zeugnis zu seiner Zeit (verkündigt werden soll).
1. Timotheus 2:5, 6
Die Wiederaussöhnung des Menschen mit Gott hing ab von der Darbringung eines annehmbaren Sühnopfers für die Sünde des Menschen. So lange der Fluch, das göttliche Verdammungsurteil nicht von der Menschheit abgewendet werden konnte, so lange stand es der Wiederaufrichtung des Menschen, seiner Wiederbringung in die Gunst Gottes, seinem gehorsamen und daher ewigen Leben im Wege. Die göttliche Gerechtigkeit konnte und kann nur zum Menschen sagen: „Du bist ein Sünder, durch wissentlichen und willentlichen Ungehorsam in Eden ist Elend über dich heraufbeschworen worden; das Todesurteil, das ich damals ausgesprochen, ist gerecht, und ich kann es nicht aufheben, ohne mit meiner eigenen Gerechtigkeit, der Grundlage meines Thrones, meiner Herrschaft (Psalm 89:14) in Widerspruch zu geraten. Mein Urteilsspruch muss daher aufrecht erhalten bleiben; du hast dich davor zu beugen, es sei denn, dass ein annehmbarer Bürger deinen Platz vor diesem Urteil einnehme.“
Wir haben gesehen, dass die über die Menschheit verhängte Strafe nicht ewige Qual war, sondern der Tod. Der Schöpfer hat dies Adam offen und unmissverständlich gesagt. Anzunehmen, es gebe noch ein andere Strafe für Ungehorsam, wäre sonach gleichbedeutend mit der Annahme, Gott habe Adam und Eva belogen oder falsch berichtet.
Wir haben ferner gesehen, dass der Tod eine gerechte Strafe für die Sünde ist. Da das Leben ausdrücklich an die Bedingung des Gehorsams geknüpft war, so war im Fall des Ungehorsams der Schöpfer vollständig im Recht, wenn er es wiederum entzog. Eine ewige Qual dagegen wäre keine gerechte Strafe für den Genuss der verbotenen Frucht durch Vater Adam gewesen, selbst unter Hinzurechnung der Absichtlichkeit und Wissentlichkeit seines Ungehorsams zu seiner Schuld; viel weniger wäre sie nun eine gerechte Strafe für die ungezählten Millionen Nachkommen Adams. Das Todesurteil hingegen (mit allem, was damit in Verbindung steht, Krankheit und Leid), das über Adam verhängt wurde, und das er auf seine Nachkommen vererbte, einer verunreinigten Quelle vergleichbar, die kein klares Wasser mehr hervorbringen kann, erscheint jedermann als vernünftig und gerecht, als ein Urteil, gegen das kein Mund sich auftun darf; so sehr beweist es die Gerechtigkeit und zugleich die Güte und Strenge Gottes.
Kennen wir nun aufs bestimmteste die wegen der Sünde verhängte Strafe, so können wir leicht sehen, was die Gerechtigkeit als Zahlung für diese Strafe verlangen musste, bevor der Fluch aufgehoben und der Verurteilte aus dem großen Gefängnis, dem Tode, heraus geführt werden konnte. (Jes. 61:1) Wie der Tod nicht deshalb kam, weil die ganze Nachkommenschaft sündigt, sondern weil ein Mensch gesündigt hatte, so dass das Todesurteil direkt nur über diesen einen, Adam ausgesprochen wurde und sich von ihm auf uns bloß vererbte, so konnte und musste die Gerechtigkeit sich darauf beschränken, als Loskaufpreis von der Strafe nur das Leben eines anderen zu fordern, bevor sie Adam und sein Geschlecht aus dem Kerker wieder entließ. Damit war die Strafe ganz aufgehoben; denn wie eine Sünde das ganze Geschlecht verderbte, so kaufte ein Sühnopfer das ganze Geschlecht los.
Adam, der vollkommene Adam, der Übertreter des göttlichen Gebots, der zum Tode verurteilte Adam war kein Engel, kein Erzengel, kein Geist, sondern ein Mensch, ein wenig geringer als die Engel. Als Bürgen an seiner Statt konnte daher die genaueste Gerechtigkeit nur einen Menschen von Adams eigener Art anerkennen, einen Menschen, der, wie es Adam gewesen, vollkommen war und mithin dem Todesurteil nicht unterstand. Solch ein Bürge aber konnte unter den Menschen nicht gefunden werden, die alle von Adam abstammen und deshalb seine Strafe, seinen Fall geerbt hatten. Darum musste ein Wesen aus den himmlischen Örtern, ein Geistwesen die menschliche Natur annehmen und dann als Bürge dieselbe hingeben als Lösegeld für Adam und alle, die durch Adams Schuld das Leben verwirkt hatten.
Wer war hierfür gut und zuverlässig genug?
Unter den Engeln, die ihre erste Behausung behalten und Gott treu geblieben waren, hätte es sicher manche gegeben, die gerne des Vaters Willen zu erfüllen gesucht hätten und des Menschen Loskaufpreis geworden wären. Wer aber das wollte, musste sich auf die schwerste Prüfung seiner Treue gegen Gott gefasst machen, um dann, wenn er diese Prüfung bestand, zu der höchsten Stelle im Reiche der geistigen Söhne Gottes erhoben werden zu können, hoch über Engel, Fürstentümer und Gewalten und alle Namen, die genannt werden können. Gleichzeitig wollte Gott die Gelegenheit benutzen, um zu zeigen, dass, wer nach seinem eigenen selbstsüchtigen Ehrgeiz zu handeln sucht (wie Satan es tat), erniedrigt, dass aber, wer sich selbst erniedrigte, und ganz dem Willen des Vaters in Gehorsam sich unterwarf, entsprechend erhöht werden sollte. Gottes Plan war also, sein Erbarmen, seine Liebe für die Welt auf eine Weise kundzutun, die dem Eingeborenen vom Vater, seinem vielgeliebten Sohn, den er hoch ehren wollte, Gelegenheit gab, seine Liebe, Demut und seinen Gehorsam zu erweisen, um ihn des auf diesen Beweis gesetzten großen Lohnes teilhaftig werden lassen zu können.
Wie wir bereits gesehen, war unser Herr Jesus (vor seiner Menschwerdung der Erzengel, der höchststehende Bote, der Logos, der Eingeborene vom Vater voller Gnade und Wahrheit) Jehovas Vertreter im ganzen Schöpfungswerk. Als Erstgeborner war er mit dem Vater gewesen vor der Erschaffung aller andern Wesen, hatte ihn aufs genaueste gekannt, seine Herrlichkeit geschaut und war der Kanal, das Werkzeug seiner Macht gewesen. Nun wurde ihm auch noch, nach des Apostels Zeugnis, der Auftrag zuteil, Gottes Plan mit der Menschheit hinauszuführen. Dieser Auftrag war ein Beweis des absoluten Zutrauens, das er beim Vater genoss, und bedeutete eine Gunstbezeugung wegen des großen Lohnes, der auf die Erweisung von so viel Gehorsam, Demut und Hingabe gesetzt war. (Matth. 23:12; Jak. 4:10; 1. Petr. 5:6) Seinem Sohn zutrauend, dass er diesen großen Lohn verdienen werde, und wünschend, dass derselbe gerade ihm zukommen möchte, gab der Vater ihm zuerst Gelegenheit, die außerordentliche Erhöhung zu verdienen, ihm, der in der Vergangenheit die wichtigste Rolle im Regiment des Vaters gespielt hatte, gerade ihm, damit er diesen vornehmsten Rang behalte und an keinen andern verliere – „auf dass er in allen Dingen den Vorrang habe; denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle (des Vaters) in ihm zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen – indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes – durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln (d.h. gefallene Menschen und gefallene Engel, so viel ihrer von der Gelegenheit, sich mit Gott auszusöhnen, Gebrauch machen würden).“ – Kol. 1:18-20
Dass ein Geistwesen dazu bestimmt wurde, der Menschheit Erlöser (Rückkäufer) zu werden, bedeutet nicht, dass die Aufopferung des Lebens eines Geistwesens als Rückkaufpreis für das Leben eines irdischen Wesens gefordert war. Im Gegenteil: so wenig als die Hinopferung der Ochsen und Böcke war das Leben eines Geistwesens der Gegenwart des verwirkten Menschenlebens. Wenn Blut von Ochsen und Böcken des Menschen Sünde nicht wegnehmen konnte, weil es weniger wert war als Menschenblut, so hätte auch der Tod von Engeln oder Erzengeln Adams Sünde nicht weggenommen, wäre kein entsprechendes Sühnopfer gewesen, weil auch Engel und Erzengel anderer Natur sind als der Mensch. Was durch die Sünde verwirkt war, das war eines Menschen Leben; so war denn auch nur eines Menschen Leben als Rückkaufpreis, Loskaufsumme annehmbar. Deshalb musste unser Herr sich erniedrigen, seine himmlische Natur gegen die menschliche austauschen, um das Lösegeld zahlen zu können.
In diesem Wechsel der Natur aber bestand die Darlegung des Lösegeldes keineswegs. Er war nur die Vorbedingung, welche die Darlegung des Lösegeldes ermöglichte. „Fürwahr“, schreibt der Apostel (Hebr. 2:16), „nicht der Engel nimmt er sich an, sondern des Samens Abrahams“. „Weil nun die Kinder (deren Erlösung aus den Banden von Tod und Sünde Gott beabsichtigt) Fleisches und Blutes teilhaftig sind, so hat auch er gleicherweise an denselben (Fleisch und Blut, an der menschlichen Natur) teilgenommen, auf dass er durch (seinen) Tod zu Nichte machte den, der des Todes Gewalt hat, das ist den Teufel (Hebr. 2:14), und (auf dass er) alle befreite“. „Wie durch einen Menschen der Tod (kam), so auch die Auferstehung der Toten“ (1. Kor. 15:21). Dahin gehört auch des Johannes Zeugnis: „Der Logos wurde Fleisch.“ – Joh. 1:14
Dass es aber hiermit nicht getan war, gibt Jesus dem Nikodemus (und uns mit ihm) zu verstehen, wenn er sagt: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, auf dass er die Welt richte, sondern auf dass die Welt durch ihn errettet werde.“ (Joh. 3:17) Durch seine Menschwerdung hatte der Logos also die Welt noch nicht erlöst; sie bedeutete nur die Sendung eines Wesens, welches imstande sein sollte, die Welt zu erlösen durch Hingabe seiner selbst. Hierzu war der Anfang, dass, wie er selbst sagt, „des Menschen Sohn nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um (anderen) zu dienen und (schließlich) sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mark. 10:45). Das Erlösungswerk Jesu begann mithin nicht bei seiner Geburt (Menschwerdung), sondern zur Zeit, wo er, zur reifen Männlichkeit gelangt, im Alter von dreißig Jahren, sein Leben dem weihte, wozu er gekommen war, zu dienen anfing, nachdem er seine Weihung äußerlich durch das Wasserbad (die Taufe, Eintauchung) im Jordan kundgemacht hatte. So wurde, wie der Apostel zeigt, die alte Weissagung erfüllt: „Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches ist von mir geschrieben) deinen Willen zu tun, O Gott“. Er war gekommen, den Willen Gottes zu tun, das Sühnopfer für die Sünde darzubringen, hatte es mithin nicht schon gebracht. Er brachte es dar, als er sich weihte, sich als lebendiges Opfer in den Dienst Gottes stellte, bis zum Tode. Durch diese freiwillige Handlung seinerseits hat er nach des Apostels Zeugnis den vorbildlichen Gesetzesbund alt gemacht (beseitigt), um den neuen, gegenbildlichen Gnadenbund zwischen Gott und den Menschen aufrichten zu können durch das wirkliche Sühnopfer, die Aufopferung seiner selbst, mit seinem Blut (Tod) ihn besiegelnd und dadurch die Rolle des Mittlers des Neuen Bundes übernehmend. Darum sagt auch unsere Eingangs angeführte Stelle, dass der Mensch Jesus Christus sich selbst als Lösegeld für alle hingab, nicht der Logos in seiner himmlischen Herrlichkeit.
Verweilen wir noch ein wenig bei diesem
Ersten Schritt zur Ausführung des Heilsplanes
Der Apostel skizziert den selben kurz in Hebr. 2:5-9, und indem er auf die göttliche Verheißung der Wiederherstellung des Menschen weist, beruft er sich auf David (Psalm 8:4-8) dafür, dass es Gottes Absicht sei, die Menschheit vollkommen zu machen, ihr den zukünftigen Erdkreis mit allen seinen tiefer stehenden Bewohnern (Tiere), sie selbst aber den Gesetzen des göttlichen Schöpfers zu unterwerfen. „Jetzt aber sehen wir ihm (dem Menschen) noch nicht alles unterworfen.“ Wir sehen das Ebenbild Gottes noch nicht im Menschen verwirklicht, noch beherrscht er die Erde nicht vollständig; aber den ersten Schritt zur Verwirklichung dieses Programms sehen wir: Wir sehen Jesum ein wenig unter die Engel erniedrigt, damit er den Tod (des Menschen) schmecken könne, gekrönt mit (der) Herrlichkeit und Ehre (der menschlichen Natur in ihrer Vollkommenheit), so dass er durch Gottes Gnade (nicht für sich, sondern als Vertreter) den Tod schmeckte für jeden Menschen (und so die Wiederherstellung des Menschen ermöglichte). Jehova hat also die Ausführung seines Heilsplanes damit begonnen, dass er zunächst ein entsprechendes Lösegeld für unsern Rückkauf erbrachte(1. Mose 22:8), einen Menschen, an Herrlichkeit, Ehre und Vollkommenheit dem ersten Menschen, Adam, gleich, ein Wesen, das zum Zwecke der Erlösung der Menschen die Vorzüge einer höheren Natur preisgab und unter die Engel erniedrigt wurde, über denen es zuvor gestanden, erniedrigt, damit es den Tod schmecken könnte (als Vertreter) für jeden Menschen, ins Fleisch gekommen wegen des Leidens des Todes, der Strafe, die über unser ganzes Geschlecht verhängt war.
So können wir uns denn freuen, dass für die Durchführung der gütigen Absichten unseres himmlischen Vaters, seines Planes, uns loszukaufen, wiederaufzurichten und mit ihm auszusöhnen, aufs reichlichste gesorgt ist, und das auf der Grundlage der striktesten Gerechtigkeit, einer Grundlage, die es Gott gestattet, gerecht zu bleiben und gleichwohl alle gerecht zu machen, die an Jesum glauben.
Das Opfer, das unser Herr Jesus für die Sünde des Menschen brachte, war, also kein geistiges; es war nicht die Aufgabe seiner geistigen Natur, die kein annehmbares Sühnopfer gewesen wäre, weil sie nicht einen entsprechenden Loskaufpreis, ein in jeder Hinsicht gleichwertiges Lösegeld für Adam dargestellt hätte. Dies führt uns zur näheren Betrachtung der Begriffe:
„Lösegeld“ und „Rückkauf“
Das Wort „Lösegeld“ kommt im Neuen Testament nur zweimal vor und hat einen sehr bestimmten, eng begrenzten Begriff. Das eine Mal braucht es der Herr bei der Darlegung des Werkes, das er zu tun im Begriffe war, das andere Mal braucht es der Apostel bei einem Hinweis auf das vollbrachte Werk. Der Herr sagte (Mark. 10:45): „Der Sohn des Menschen ist gekommen, sein Leben als Lösegeld (Lytron) zu geben für (anti) viele.“ Der Apostel Paulus sagt: „Der Mensch Christus Jesus hat sich selbst dahin gegeben zu einem Lösegeld (Antilytron) für (hyper) alle, (wovon) das Zeugnis zu seiner Zeit (verkündigt werden soll).“ – 1. Tim. 2:6
Diese Stellen lassen sich durchaus nicht „drehen und deuteln“. Nur wer gewohnt ist, am Worte Gottes herum zumäkeln, kann sich stellen, als verstehe er nicht, was der Herr mit diesem seinem Zeugnis, dieser seiner Aussage betreffend sein großes Vermittlerwerk gemeint habe. Wer aber Gottes Wort ernst nimmt, dem erscheint, je mehr er über den Begriff des Lösegeldes, des entsprechenden Loskaufpreises nachdenkt, der Begriff immer kräftiger und lichtvoller, so dass das ganze Versöhnungswerk verständlicher wird. Der einzige mit dem Begriff verbundene Gedanke ist: wie Adam durch Ungehorsam sein Dasein, seine Seele, all sein Anrecht auf Leben auf Erden verwirkt, so hat Christus Jesus unser Herr, durch seinen (freiwilligen) Tod, durch Niederlegung eines entsprechenden Loskaufpreises die Seele, das Wesen Adams und seiner ganzen Nachkommenschaft, jede einzelne Menschenseele, die von Adam den Verlust geerbt, zurückgekauft. – Röm. 5:12
Denselben Gedanken geben viele andere Schriftstellen wieder, die unseres Herrn Werk als einen Kauf, Rückkauf bezeichnen. Die beiden obigen Stellen scheinen uns aber deshalb am wichtigsten, weil das darin enthaltene Wort „Lösegeld“, Antilytron, den Gedanken am vollständigsten wiedergibt. Mit dem „Lösegeld“ ist die Menschheit nicht nur erkauft, zurückgekauft, sondern außerdem in Freiheit gesetzt. Die anderen Stellen betonen bald mehr den erfolgten Kauf, die Darlegung des Kaufpreises, bald mehr die daraus folgende Befreiung (Erlösung) der Menschen. Auf die letztere legen die zahlreichen Leugner des Kaufpreises, deren Oberster Satan ist, das Hauptgewicht, damit die Christenheit möglichst aus den Augen verliere, dass die Vorbedingung der Erlösung gerade die Darlegung des Kaufpreises ist, die bei der Taufe im Jordan begann und auf Golgatha vollbracht wurde (Joh. 19:30). Wir wollen daher alle die fraglichen Stellen hier kurz besprechen, und damit jeder Leser volle Klarheit habe, gruppieren wir die Stellen nach den verschiedenen Wörtern des griech. Urtextes, die mit Bezug auf Jesu Erlösungswerk gebraucht werden, und deren Wechsel in den verbesserten deutschen Bibelübersetzungen (Elberfelder Übersetzung) ziemlich gut berücksichtigt ist.
Agorazo, Exagorazo
Beider Wörter Grundbedeutung ist „auf dem Markte kaufen“ (Agora, Marktplatz – Matth. 20:3; Mark. 12:38; Luk. 7:32; Apg. 16:19). Das Erstere der zwei Wörter wird im Neuen Testament dreimal, nämlich Offb. 5:9; 14:3, 4, in Bezug auf Jesu Erlösungswerk gebraucht. Er bezeichnet den Vollzug eines öffentlichen Kaufes und alle anderen 28 Stellen, in welchen das Wort agoraza sonst noch vorkommt, bestätigen den durchaus „geschäftlichen“ Begriff, der diesem Worte anhaftet. Es ist wichtig, dies festzuhalten, damit uns der einst den Heiligen überlieferte Glaube, dass ein Preis für unsere Befreiung bezahlt worden, nicht wie so vielen „Christen“ auch abhanden komme.
In der Zusammensetzung exagorazo finden wir das Wort noch viermal; es fügt zum Begriff des Kaufes den des zu Händen Nehmens. Die Stellen sind folgende:
1. „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist.“ – Gal. 3:13
Der Apostel will damit sagen, dass Christen, die zuvor Juden und folgerichtig dem jüdischen oder Gesetzesbund unterstellt gewesen waren, nicht nur von den Strafbestimmungen desselben losgekauft, sondern auch von den ihnen durch denselben auferlegten Verpflichtungen (Beschneidung, Sabbath, Unterscheidung reiner und unreiner Tiere) befreit worden seien. Der Bestandteil agorazo bezeichnet den ergangenen Kauf, das vollzogene Geschäft, die Vorsilbe ex die durch diesen Kauf herbeigeführte Befreiung von den (vorbildlichen) Bestimmungen des Gesetzes.
2. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einem Weibe, geboren unter Gesetz, auf dass er die unter Gesetz (Gesetzesbund) Befindlichen loskaufte, auf dass wir als Söhne angenommen werden könnten.“ – Gal. 4:4, 5
Auch hier ist von der Losmachung des Volkes Israels von dem Gesetz durch Freikauf die Rede, und von der Freimachung der Gläubigen unter diesem Volk, so dass sie Gottes Söhne werden konnten. – Joh. 1:12
3, 4 „Sehet nun zu, dass ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die gelegene Zeit auskaufend, denn die Tage sind böse.“ – Eph. 5:15; Kol. 4:5
Auch hier ist der Begriff des Kaufens nicht zufällig hingesetzt, wie wir gleich sehen werden. Kinder Gottes wissen und fühlen, dass sie inmitten einer bösen Welt leben, deren Bestreben dahin geht, sie samt ihrer Arbeitslust, ihrem ewigen Einfluss, ihrer Zeit sündhaften oder törichten oder doch wenigsten, im Vergleich zu den ihnen als Kinder Gottes zunächst am Herzen liegenden, durchaus wertlosen Interessen dienstbar zu machen. Wir sollen nur aus dieser bösen Zeit heraus, trotz den entgegenstehenden Beeinflussungen, einen möglichst großen Teil heraus kaufen, um ihn höheren Zwecken, unserer geistigen Ernährung und Erstarkung und der Darreichung geistiger Güter an andere, dienstbar zu machen. Für diesen Kauf werden wir gelegentlich diese oder jene Ähnlichkeit als Preis hergeben müssen. Selbstverleugnung wird bestehen im Verzicht bald auf die Befriedigung natürlicher Triebe, bald auf die Billigung oder das Verständnis unserer Mitmenschen, die es befremdlich finden können, dass „wir nicht mitlaufen zu dem Treiben der Ausschweifung“ wie ehedem. – 1. Petr. 4:4
Lytroo, Lytrosis, Apolytrosis
(16 Stellen)
Wir haben weiter oben gesehen, dass Lytron in Verbindung mit anti „entsprechender Kaufpreis, Lösegeld“ bedeutet. Dem entspricht auch die Bedeutung der drei obigen Wörter; sie legen den Nachdruck auf die Freiheit. Die erste Stelle, wo dies besonders fühlbar wird, ist –
1. „Wir hofften, dass er der sei, der Israel erlösen sollte.“ – Luk. 24:21
Die Apostel und übrigen Jünger verstanden vor der Ausgießung des heiligen Geistes nicht, worin das Lösegeld bestehen und was losgekauft werden sollte. Sie dachten an eine Losmachung Israels von der römischen Herrschaft, indes hatte Gott nicht nur den Loskauf Israels, sondern der ganzen Welt beabsichtigt, nicht allein von der Herrschaft Roms, sondern auch von der des Teufels mit seinem großen Gefängnis, dem Tode. Der hierfür zu erlegende Preis war ein unverwirktes menschliches Leben, unser Herr Jesus allein konnte ihn bezahlen und hat ihn mit seiner Weihung und mit seinem Tode bezahlt, indem er –
2. „Sich selbst für uns gegeben hat, auf das er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit.“ – Tit. 2:14
Hier wird der Gedanke weitergesponnen. Der Preis, den unser Herr zu Gunsten der Menschheit darbrachte, genügt nicht nur, um der Großzahl der Menschen ein Erwachen aus dem Tode, in Gottes vorbestimmter Zeit, während des Millenniums, und eine Gelegenheit, zur Erkenntnis der Wahrheit und Aussöhnung mit Gott auf der Grundlage des Neuen Bundes zu sichern, sondern auch, um denen, die für die gute Botschaft jetzt ein offenes Ohr haben, die Möglichkeit zu verschaffen, der Knechtschaft der Sünde zu entrinnen, sodass wir nicht länger der Sünde als Sklaven dienen müssen, sondern dem dienen dürfen, der für uns gestorben ist und uns erkauft hat durch sein eigenes teures Blut.
3. „Ihr wisset, dass ihr erlöst worden seid, nicht mit verweslichen Dingen, als Silber oder Gold, von eurem eiteln, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blute Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken.“ – 1. Petr. 1:18, 19
Auch diese Stelle behandelt nicht sowohl unsere schließliche Erlösung aus dem Tod durch die Auferstehung, als vielmehr unsere gegenwärtige Freimachung von einem bösen Wandel, von eitler Verkehrtheit, von törichten Unterhaltungen und Unrecht überhaupt. Diese Freiheit ist uns erworben worden durch das Blut Christi, gerade wie die größere noch zukünftige Freiheit in der Auferstehung. Ohne Darlegung des Lösegeldes, ohne Befriedung der Rechtsansprüche der Gerechtigkeit konnte Gott uns nicht als Söhne annehmen, mithin nicht mit uns handeln als mit Söhnen, uns nicht als seine Söhne versiegeln mit dem Geist der Aufnahme in seine Familie. Die verschiedenen Gnadenmittel, die jetzt den Gläubigen zugänglich und für uns das Wirken Gottes zu unserer Errettung sind, welches in unseren Herzen die Macht der Sünde bricht und an ihrer Stelle den Geist, die Gesinnung des Herrn als Herrschergewalt auf den Thron erhebt, diese Gnadenmittel wären nicht in unsere Nähe gerückt worden.
4. „Sie trat zu derselben Stunde hinzu, lobte den Herrn und redete von ihm zu allen, welche auf Erlösung warteten in Jerusalem.“ – Luk. 2:38
Hanna redete zu Leuten in Jerusalem, welche Befreiung vom römischen Joche erwarteten, aber nicht notwendigerweise verstanden, dass eine größere Befreiung bevorstand, für welche ein Lösegeld bezahlt werden musste.
5. „Christus, gekommen als Hohepriester … ist, nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut ein für allemal in das Heiligtum eingegangen, wodurch er uns eine Befreiung auf ewig erwarb.“ – Hebr. 9:11, 12
Der Apostel spricht hier nicht von der Art und Weise, wie unser Herr unsere ewige Freiheit erhielt, und redet also nicht von dem bezahlten Preis. Er hat vielmehr nur die gegenwärtige und zukünftige Freiheit der Kinder Gottes im Auge und nicht den Weg, auf dem sie erworben worden vor dem Eingang unseres Herrn in das Heiligtum, den Weg, bestehend in der Weihung seiner selbst als Lösegeld für die Menschheit.
6. „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, dass er besucht und Erlösung geschafft hat seinem Volke.“ – Luk. 1:68
Aus dem vorhergehenden Vers sahen wir, dass wir es hier mit einer Weissagung zu tun haben: noch nicht Erfülltes wird erwähnt, als wäre es schon erfüllt. Nur der erste Schritt zur Befreiung Israels war getan, und schon wird so freudig davon gesprochen, als wäre das ganze Werk schon getan. Dagegen deutet die Wendung keineswegs an, wie die Befreiung würde herbei geführt werden. Dass dies durch Darlegung eines Lösegeldes und durch Aufrichtung des Reiches Gottes geschehen würde, erfahren wir aus anderen Stellen.
7. „Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blicket auf und hebet eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.“ – Luk. 21:28
Auch hier wird das Lösegeld, die Vorbedingung zur Erlösung (Befreiung) der Herauswahl nicht erwähnt, sondern einfach die Tatsache ihrer Befreiung.
8. „Umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung (Befreiung), die in Christo Jesu ist.“
Mit diesen Worten deutet der Apostel nicht auf das Lösegeld hin, sondern lediglich auf die Befreiung, deren sich die Kinder Gottes erfreuen, jetzt gerechneterweise und allmählich in nahe Aussicht gerückt, beim Herannahen der Auferstehung. Die Angelegenheit ist vom Standpunkt Gottes aus besprochen: wer glaubt, wird umsonst, bedingungslos gerechtfertigt, ohne dass er dabei auf irgend ein Verdienst seinerseits hinzuweisen berechtigt wäre. Dies ist vollbracht durch die Befreiung, für die Gott gesorgt hat in unserem Herrn Jesus Christus. Erst im folgenden Vers sagt der Apostel, wie die Befreiung bewerkstelligt wurde, indem er ausführt: „Welchen (Jesus) Gott dargestellt hat zu einem Gnadenstuhl (Begnadigungsmittel) durch Glauben an sein Blut (d.h. an das Opfer, das für die Sünden der ganzen Welt bezahlte Lösegeld).“
9. „Auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben (die Herauswahl) seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft (Annahme an Sohnes Statt), d.h. die Erlösung (Befreiung) unseres Leibes (d.h. der Herauswahl, die da ist der Leib Christi, der zu seiner Zeit herrlich gemacht werden soll, wie sein Haupt, Jesus, es jetzt schon ist).“ – Röm. 8:23
Nicht die geringste Anspielung auf das auf Golgatha bezahlte Lösegeld, den Preis unserer Befreiung findet sich in dieser Stelle. Sie handelt vielmehr schlechthin von der Befreiung der Kirche, welche eines der Ergebnisse des auf Golgatha vollendeten Erlösungswerkes, eine der um das Lösegeld erworbenen Segnungen ist.
10. „Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung (Befreiung)1.Kor.1:30
Auch hier mit keiner Silbe des auf Golgatha bezahlten Lösegeldes gedacht. Der Apostel spricht nicht davon, was unser Herr bereits für uns getan hat, sondern davon, was er noch für uns tun will. Er ist unsere Weisheit in sofern, als wir unseren eigenen Willen beiseite stellen und seinen Willen allein annehmen und so den Geist eines gesunden Verstandes haben und „in Weisheit wandeln“. Er ist unsere Gerechtigkeit insofern, als er sich als unser Vertreter hingab als Lösegeld für alle und jetzt in seiner Gerechtigkeit ebenfalls alle vertritt, die durch ihn zum Vater kommen. Er ist unsere Heiligung insofern, als wir durch sein Verdienst vom Vater als (gerechterweise vollkommene) lebendige Opfer angenommen werden, während es tatsächlich das Wirken Christi (durch den heiligen Geist) in uns ist, das uns befähigt, uns als lebendige Opfer darzubringen, in seinen Fußstapfen zu wandeln und unsere Bundesverpflichtungen zu erfüllen. Er ist unsere Befreiung insofern, als das Wiederleben dessen, der uns durch Gottes Gnade erkauft hat mit seinem kostbaren Blute, eine Garantie dafür ist, dass auch wir wieder leben sollen, dass er zu seiner Zeit seine Herauswahl, die er erkauft hat mit seinem eigenen Blut, aus den Banden der Verwesung und des Todes befreien wird. Von der Befreiung ist die Rede, nicht von der Bezahlung des Lösegeldes. Aber freilich hat ihm diese letztere das Recht gegeben, für jedermann Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Befreiung zu sein.
11. „Er hat uns begnadigt (angenommen) in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung (Befreiung) haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade.“ – Eph. 1:6, 7
Der Apostel bezieht sich mit dieser Stelle nicht auf den auf Golgatha bezahlten Kaufpreis, das für uns bezahlte Lösegeld. Im Gegenteil, er spricht von unserer Annahme beim Vater und erklärt, dass diese Annahme auf etwas beruht, das der Vater für uns getan hat in seinem Geliebten, unserem Herrn Jesus, durch dessen Blut (das Sühnopfer, Lösegeld) wir befreit sind. Der Satzbau zeigt deutlich, dass der Apostel sagen will, wir seien vom Todesurteil, der Strafe für die Sünde befreit, denn er erklärt, unsere Befreiung sei die „Vergebung der Vergehungen.“ Der Sinn der Stelle ist deshalb folgender: Der himmlische Vater, der schon zuvor die Annahme einer kleinen Herde von solchen beabsichtigt hat, die Söhne göttlicher Natur und Miterben des erstgeborenen und hochgeliebten Sohnes, unseres Herrn, sein sollten, tat auch die nötigen Schritte, um seine Gnadenabsichten an uns verwirklichen zu können. Er hat uns in dem Geliebten angenommen; denn in dem Geliebten, durch sein Blut, durch seinen Opfertod sind wir freigemacht von dem Fluch und Zorn Gottes, sind unsere Sünden vergeben, sind wir von unseren Sünden freigemacht oder gerechtfertigt.
12. „Das Unterpfand unseres Erbes, zur Erlösung (Befreiung) des erworbenen Besitzes.“ – Eph. 1:14
Der Besitz, das Eigentum, das Christus erworben durch das Opfer für die Sünden, das er als Vertreter des Menschen dargebracht, schließt sowohl die Menschheit im allgemeinen, so viel ihrer die Gabe unter den Bedingungen der guten Botschaft annehmen werden, als auch die Herauswahl, die Braut ein. Die Zeit der Befreiung ist sein 1000-jähriges Reich. Die Herauswahl sollte da zuerst gefreit werden, „früh am Morgen“. Aber auch die Erde selbst, einst Eigentum der Menschheit, ist durch die Bezahlung des Lösegeldes zurückgekauft worden. Darum wird auch sie vom Fluch, der auf ihr gelastet, befreit werden und werden wie ein Garten des Herrn, ein Paradies. Der Preis ist erlegt, der Kauf ist perfekt, aber die Befreiung selbst steht an bis zu Gottes vorbestimmter Zeit.
13. „In welchem wir die Erlösung (Befreiung) haben durch sein Blut, die (da ist die ) Vergebung der Sünde.“ – Kol. 1:14; vergl. die unter 11 betrachtete Stelle Eph. 1:6, 7
Wir, die da glauben, haben schon die Befreiung, d.h. die Vergebung der Sünden, und sind deshalb mit dem Vater versöhnt. Die Stelle handelt nicht von dem Wege, auf dem unsere Freiheit erworben wurde, sondern von dem bereits erzielten Resultat. Immerhin deutet der Apostel den Weg an, indem er erklärt, dass unsere Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde durch des Herrn Blut, seinen Tod, sein Sühnopfer für die Sünde, durch die Bezahlung des Lösegeldes kam.
14. „Betrübet nicht den heiligen Geist Gottes (trübet nicht die Gesinnung, das Bild Gottes, das ihr an euch traget), durch welchen ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung (Befreiung).“ – Eph.4:30
Auch hier ist nicht die Rede von dem auf Golgatha vollendeten Sühnopfer. Doch kam der heilige Geist auf keinen Menschen, um ihm den Stempel als Sohn Gottes aufzudrücken, bevor das Sühnopfer vollendet, die Gabe im Allerheiligsten vorgelegt und vom Vater angenommen worden. Jetzt aber müssen die, welche versiegelt sind (den Stempel der Gesinnung Gottes tragen), dafür Sorge tragen, dass sie diesen Stempel behalten, ihn nicht verlieren; denn er ist das Embryo der ihnen verheißenen göttlichen Natur (Leiblichkeit). Dieses Embryo, die Vorfrucht, ist alles, was in diesem gegenwärtigen Leben verliehen wird; auf den Empfang der vollen aus Gnaden verliehenen göttlichen Natur müssen wir warten, bis die vom Vater bestimmte Zeit, der Tag unserer Befreiung kommt. Dieser Tag ist das Tausendjahr-Reich, mit Bezug auf welches die Schrift den Auserwählten, der Braut Christi verheißt: „Gott wird ihr helfen beim Anbruch des Morgens.“ (Psalm 46:5) Wer den heiligen Geist und sein Siegel (den Stempel der göttlichen Gesinnung) verliert, wird keinen Teil haben an der ersten Auferstehung am Morgen des „Tages der (vollständigen) Befreiung“ aus der Gewalt der Sünde und des Todes.
15. „Darum ist er Mittler des neuen Bundes, damit, durch das Mittel des Todes für die Erlösung (Befreiung) von dem unter dem ersten Bund begangenen Übertretungen, die Berufenen die Verheißung des ewigen Erbes empfangen.“ – Hebr. 9:15
Für das Volk Israel bedeutete der Tod unseres Herrn mehr als für die Nationen, nämlich nicht nur Loskauf von Adams Übertretung und der dafür verhängten Strafe, dem Tode, sondern auch Befreiung vom Fluche, von der angedrohten Strafe des Gesetzesbundes, einer Strafe, die sie sich durch das Nichteinhalten der Bundesbedingungen zugezogen. Israel stand unter doppeltem Fluch; so ist auch seine Befreiung eine zweifache.
16. „Andere wurden gefoltert, da sie die Befreiung nicht annahmen, auf dass sie eine bessere Auferstehung erlangten.“ – Hebr. 11:35
In dieser Stelle hat der Sinn die Übersetzer gehindert, das Wort Apolytrosis mit „Erlösung“ zu übersetzen, wie sie in den 9 vorhergehenden Stellen getan.
Im Alten Testament steht das Wort Gaal für loskaufen, erlösen, und seine Ableitungen. Wir zitieren nur einige Beispiele:
„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ – Hiob 19:25
„Gott der Höchste ihr Erlöser.“ – Psalm 78:35
„Der dein Leben erlöst vom Verderben.“ – Psalm 103:4
„Einer seiner Brüder mag ihn lösen (loskaufen), oder sein Oheim, oder seines Oheimes Sohn mag ihn lösen (loskaufen), oder kann er es, so mag er sich selbst lösen (loskaufen).“ – 3. Mose 25:48, 49
„Umsonst habt ihr euch verkauft, so sollt ihr auch ohne Geld erlöst (losgekauft) werden.“ – Jes. 52:3; vergl. 1. Petr. 1:18
„Der Erlöser wird kommen für Zion.“ – Jes. 59:20
Wir haben oben alle diese Stellen aus dem Neuen Testament unter Zuziehung des griechischen Urtextes deshalb angeführt, weil die Übersetzung des griechischen Wortes mit „erlösen“, „Erlösung“ statt mit „befreien“, „Befreiung“ den Leugnern des Lösegeldes gestattet, Stellen anzuführen, die für ihre Anschauungen zu sprechen scheinen. Richtig übersetzt lassen sie jene anderen Stellen in voller Kraft bestehen, in denen der heilige Geist durch die Verfasser der Schriften des Neuen Testaments aufs unzweideutigste bezeugt, dass die Erlösung des Menschengeschlechtes ein Kaufgeschäft war, bestehend in der Darlegung des vollen Preises. Daraus können die Kinder Gottes die Zusicherung entnehmen, dass die Aufhebung der Strafe für die Sünde (die Aufhebung des Todes durch die Auferweckung) keine Verletzung des göttlichen Gesetzes der Gerechtigkeit war, sondern dadurch ermöglicht wurde, dass der Gerechtigkeit Genüge geleistet wurde, indem ein Sündloser, der sein Leben nicht verwirkt hatte, für die Sünder, die ihr Leben verwirkt hatten, starb. Die Gerechtigkeit und die Liebe Gottes wirken in voller Übereinstimmung zusammen. Sie haben selbst den großen Rückkaufpreis beschafft, mit dem die Menschheit und die Erde vom Tode und vom Fluch zurückgekauft worden. Die Kinder Gottes können also dessen getrost und sicher sein, dass Liebe und Gerechtigkeit das Weltall in alle Zukunft regieren werden, dass der Fluch, der Zorn Gottes von einem jeden wird genommen werden, der sich durch Jesum den Vermittler mit Gott aussöhnen wird, dass aber, wer sich nicht wird aussöhnen lassen, vom zweiten Tode wird verschlungen werden; denn „der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ – Apg. 3:23; Joh. 3:36; Offb. 22:3
Für die Erkauften selber freilich ist es ganz einerlei, wie Gottes Liebe und Gerechtigkeit die Angelegenheit der Vergebung unserer Sünden geordnet haben. Für die Menschen ist diese Vergebung so oder anders immer eine freie Gabe, ein Geschenk, das wir nur erhalten können, wenn wir es als solches annehmen. Wir können sie nicht kaufen, können Gott keinen Preis dafür bezahlen.
Wenn sie nun eine Gabe ist, warum bemühen wir uns denn, darüber nachzuforschen? Warum ist dem Herrn daran gelegen, uns zu offenbaren, dass die Gabe für uns gekauft worden ist um einen Preis, den Tod Jesu? Warum betont die Schrift so ausdrücklich, dass dieser Tod Jesu genau der Preis, der volle Preis, nicht mehr und nicht weniger, war, der um unserer Sünden willen bezahlt werden musste? Das Geschieht alles, weil Gott uns durch den Einblick, den er uns in die Einzelheiten seines Liebesplanes tun lässt, erleichtern und ermöglichen will, ihn und seine Gesetze und deren wunderbares Zusammenwirken kennen zu lernen. Wir sollen eben verstehen, dass Gott sein Urteil gegen die Sünde weder zurücknimmt noch beiseite stellt, dass Gott niemals die Sünde für zulässig, erlaubt oder wenigstens entschuldbar hält. Wir sollen darüber ganz ohne Zweifel sein, dass seine Gerechtigkeit unabänderlich ist, dass selbst seine Liebe den Anforderungen seiner Gerechtigkeit nicht im Wege stehen kann, dass der einzige Weg, auf dem das gegen die Sünde und die Sünder gefällte Todesurteil aufgehoben werden konnte, darin bestand, dass durch Darlegung eines Lösegeldes, durch Bezahlung des Saldos den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprochen wurde. Adam hatte gesündigt, war deshalb zum Sterben verurteilt worden und war gestorben. Keine Hoffnung blieb ihm, es sei denn, dass Gottes Liebe und Gnade einen Bürgen für Adam beschaffte. Und dieser Bürge musste, wie wir gesehen, von der gleichen Natur sein, als Adam gewesen war, musste menschlicher Natur sein, musste genau so frei von Sünde, vom Fluch und vom Zorn Gottes, genau so vollkommen, schuldlos, abgesondert von der Sünde und den Sündern, genau so Gott wohlgefällig, als Adam vor seiner Übertretung es gewesen war.
Darum wurde unser Herr Jesus Fleisch (nicht sündiges Fleisch), – doch vollkommen (heilig), schuldlos, abgesondert von Sündern (Kap. 3). Deshalb war der Mensch Christus Jesus ein vollkommener Mensch, die Reproduktion des ersten Menschen, der zweite Adam, und darum geeignet, unser Erlöser, unser Lösegeld zu sein, sein Leben und alle seine Ansprüche als Mensch hinzugeben als Kaufpreis zum Rückkauf Adams und seines Geschlechtes, die ihr Leben und ihre Ansprüche als Menschen verwirkt hatten. Unser Herr, der Mensch Jesus Christus, weihte, opferte und gab alles auf, was er hatte, um des Menschen willen. Er lässt darüber in seiner Lehre keinen Zweifel. Er ist jener Mann, der einen im Acker verborgenen Schatz fand, hinging und alles verkaufte, was er hatte, und den Acker kaufte (Matth. 13:44). Der Acker bezeichnet sowohl die Menschheit als die Erde (Eph. 1:14). Dort sah unser Herr einen Schatz; er sah mit dem Auge des Propheten das Ergebnis des Erlösungswerkes, die Befreiung vieler aus den Banden der Verderbtheit zur vollen Freiheit der Kinder Gottes (der Herauswahl im gegenwärtigen und der sich würdig Erweisenden im kommenden Zeitalter). Angesichts dieses Schatzes kaufte er den Acker. Und im Hinblick auf das Ergebnis der Darlegung des Lösegeldes und auf den Stand des Erlösungs- und Befreiungswerkes am Ende des Tausendjahr-Zeitalters, sagt der Prophet von unserem Herrn: „Von der Mühsal seiner Seele wird er Frucht sehen und davon befriedigt sein.“ (Jes. 53:11) Unser Herr war ganz zufrieden, sein Leben und alles, was er damals hatte, daran zu geben, um die Welt zu kaufen.
Welches Lösegeld ist nun für die Menschen bezahlt worden?
Was unser Herr für uns tat, was er an unserer Statt bezahlte, was er aufgab, indem er starb, musste, da es das Lösegeld für alle, der volle Kaufpreis war, genau dem entsprechen, wozu der Mensch verurteilt war. Unser Herr ging nicht in die ewige Qual. Dies ist ein unzweideutiges Zeugnis dafür, dass ewige Qual nicht der Sünde Sold, nicht der von dem großen Richter geforderte Gegenwert für die Sünde ist. Nein, die ewige Qual ist eine der Lügen des großen Widersachers, an die er einen großen Teil der Menschheit hat können glauben machen. So sicher als, was der Herr an des Menschen Statt, als sein Bürge erlitt, die volle Strafe war, die die Menschen sonst erleiden müssten, so sicher war auch ewige Qual niemals angedroht, beabsichtigt oder über Menschen verhängt worden. Wer Gottes Zeugnis in seinem Worte anerkennt, glaubt, dass „Christus für unsere Sünden starb“, dass er „starb, der Gerechte für die Ungerechten, uns zu Gott zu bringen, dass er „die Genugtuung ist für unsere Sünden (die der Herauswahl), doch nicht für unsere allein, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt“; dass „Gott unser aller Missetat auf ihn legte, auf dass wir durch seine Streiche (die Dinge, die er an unserer Statt litt, seine Selbstverleugnung bis zum Tode) geheilt würden“. – 1. Kor. 15:3; 1. Petr. 3:18; 1. Joh. 2:2; Jes. 53:5, 6
Wie vernunftgemäß und untereinander übereinstimmend sind doch diese Zeugnisse der Schrift, und wie voller Widersprüche sind doch die schriftwidrigen Vorspiegelungen Satans, die wir überliefert bekommen haben, und die noch fast allgemein für wahr gehalten werden!
„Der Sünde Sold ist der Tod“ und „die Seele, welche sündigt, die soll sterben“ – erklärt die Schrift (Röm. 6:23; Hes. 18:4), und darauf zeigt sie uns, wie vollständig der Gegenwert zu unseren Gunsten aufgebracht und bezahlt worden ist, indem sie bezeugt: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, nach den Schriften und um unserer Gerechtmachung willen wieder auferstanden.“ (1. Kor. 15:3; Röm. 4:25). Sein Tod war des Lösegeldes Bezahlung, aber diese Bezahlung machte uns noch nicht gerecht. Erst musste unser Herr dieses Lösegeld dem Vater zu unseren Gunsten vorlegen; das tat er als er gen Himmel fuhr, um daselbst für uns vor Gott zu erscheinen. Dort und an jenem Tage war es, dass er das Verdienst seines Sühnopfers für uns nutzbar machte. So ist denn Gerechtmachung das Ergebnis 1. der Bezahlung des Lösegeldes und 2. der Anwendung desselben auf alle Menschen, welche an Jesum glauben und ihm gehorchen werden. Die Auferstehung und die Himmelfahrt unseres teuren Erlösers waren also notwendig, damit sein Opfertod uns zu gute kommen könne. – Röm. 4:25
„Ohne Vergießung von Blut gibt es keine Vergebung der Sünden“ (Hebr. 9:22). Das ganze Gesetzes – oder jüdische Zeitalter hindurch brachte Gott diesen Zug seines Gesetzes so recht zum Bewusstsein, indem er die Opferung von Stieren und Böcken anordnete. Nicht, dass diese Opfer Sünden hätten hinwegnehmen können; aber sie sollten in Gottes vorbestimmter Zeit erkannt werden als Vorbilder besserer Opfer, durch welche Sünden getilgt werden. Der Ausdruck „Vergießung von Blut“ bezeichnet einfach Tod, Aufgeben des Lebens, wiewohl der Gedanke des Opfers, des Opfertodes durch den Ausdruck auch angedeutet wird, des Opfertodes im Gegensatz zu dem sogenannten natürlichen (unblutigen) Tod – wiewohl genau genommen der Tod für den Menschen überhaupt nicht natürlich ist. Die Natur des Menschen ist zum Leben bestimmt; der Tod des Menschen ist eine Durchbrechung, des Naturgesetzes, unter dem er stand, eine Durchbrechung, herrührend von der Übertretung, die er sich hatte zu schulden kommen lassen, und wofür er durch den Fluch, die Verurteilung zum Tode, bestraft wurde.
Den Anforderungen der göttlichen Gerechtigkeit wäre entsprochen worden, auch wenn die Juden Jesum auf andere Art getötet hätten. Das unausweichliche Erfordernis war die Hingabe eines schuldlosen (unverwirkten) Lebens als Lösegeld oder Bürge für ein mit Sünde behaftetes (verwirktes) Leben. Das Lösegeld wäre auch bezahlt gewesen, gewesen, wenn unser Herr nicht verwundet, sein Blut nicht vergossen worden wäre. Die Strafe für die Sünde ist der Tod, das Aufhören der Existenz. War es hierzu gekommen, so war die Strafe voll bezahlt. Der Tod am Kreuz und die Öffnung der Seite hatten andere Gründe.
Das auf die Erde, an den Fuß des Opferaltars fallende Blut bedeutete, dass nicht die Menschheit allein, sondern auch die Erde selbst zurückgekauft und mit Blut besprengt war (ein Symbol der Reinigung). Die Schmach der öffentlichen Kreuzigung als eines Verbrechers war notwendig, weil unser himmlischer Vater beschlossen hatte, den Gehorsam unseres Herrn Jesu auf die aller schwerste Probe zu stellen. Er wurde nicht nur daraufhin geprüft, ob er bereit sei, Mensch zu werden, sondern auch daraufhin, ob er willig sei, als des Menschen Bürge oder Lösegeld zu sterben, ja ob er willig sei, die aller größte Schmach auf sich zu nehmen, auf dass er unbestreitbar seine Würdigkeit erweise, von seinem Vater aufs höchste erhöht zu werden.
Der Apostel stellt die Sache in diesem Lichte dar. Denn, nachdem er uns berichtet, wie er (der Logos) seine himmlische Herrlichkeit um unsertwillen verlassen und ein Mensch geworden, fügt er (der Apostel) bei: „Und in (seiner) Haltung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode – ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott hoch erhoben und ihm einen Namen (Ehrentitel) gegeben, der über jeden Namen ist“; des Vaters Namen oder Titel ausgenommen. – Phil. 2:8, 9; 1. Kor. 15:27
Jede Stelle der Schrift, in der von Rechtfertigung (Gerechtmachung) durch Glauben, von unserer Gerechtmachung durch das Blut Christi die Rede ist, zeugt zu Gunsten von dem weiter oben Gesagten, nämlich, dass Gott in Christo war, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend, sondern sie dem zurechnend, „der für uns gestorben und wieder auferstanden ist“ (2. Kor. 5:19; 1. Thess. 4:14; 5:10). Die Schuld des Sünders wurde übernommen vom Erlöser, der den vollen Preis zur Tilgung unserer Schuld bezahlte, auf dass alle, die nach Gerechtigkeit trachten würden, um des Verdienstes von Jesu Opfer willen als gerecht gerechnet werden könnten (Röm. 5:17-19). Die Tatsache, dass wir der Gerechtmachung bedurften, beweist, dass wir ungerecht, böse waren in Gottes Augen. Die Tatsache, dass Menschen sich nicht selbst durch Werke rechtfertigen (im Sinn von „gerecht machen“) können, wurde durch die Geschichte Israels unter dem Gesetzesbund klargemacht; sie beweist, dass das Böse, die Sünde der gefallenen menschlichen Natur anhaftet. Daher die Notwendigkeit, dass wir losgekauft und gerecht gemacht würden durch das Verdienst, das Opfer eines anderen, eines sündlosen Erlösers (Bürgen, Rückkäufers).
Gerecht oder vollkommen gemacht werden wir indes in diesem Leben nicht tatsächlich, sondern nur gerechneterweise, wenn wir an Christi Gerechtigkeit und sein stellvertretendes Opfer glauben und dessen Wirkungen für uns als freie Gabe annehmen. Überall in der Schrift wird die Befähigung unseres Erlösers, uns gerecht zu machen, als eine Folge seines Opfers an unserer Statt hingestellt. Dass unsere eigenen Werke uns nicht gerecht oder vor Gott annehmbar machen können, lesen wir in Gal. 2:16; Röm. 3:27, 28. Dass das Gesetz die ihm Unterstellten nicht gerecht machen konnte, lesen wir Gal. 5:4; Röm. 3:20. Dass allein der Glaube an das von Christus vollbrachte Werk gerecht macht, lesen wir in Gal. 2:17; 3:13, 14; Röm. 4:24, 25.
Verschiedene andere Stellen sprechen mehr oder weniger deutlich von unserer Waschung, Reinigung von der Sünde. Sie alle stützen die Lehre vom Lösegeld, indem sie das Blut Christi als das Reinigungsmittel unserer Reinigung, also als ein Verdienst unseres Herrn, der sich für uns dahin gegeben, bezeichnen. – 1. Joh. 1:7; Offb. 1:5; 1. Kor. 6:11; 2. Petr. 2:22; Tit. 3:5; Hebr. 9:14; 1. Petr. 1:19
Die Gerechtmachung wird im Gleichnis vorgeschattet durch ein Kleid der Gerechtigkeit, von reiner, weißer Leinwand, mit dem der Herr die Fehler und Unvollkommenheiten aller derer zudeckt, die er um ihres Glaubens an sein teures Blut willen annimmt. Alle Anstrengungen, die wir machen, um aus eigener Kraft gerecht zu werden, statt durch das Verdienst Christi, werden im Gleichnis „das unflätige Kleid“ unserer eigenen Gerechtigkeit genannt (Jes. 64:6). Gewiss, bestimmte Stellen reden auch von unseren Bemühungen, gerecht zu sein, den göttlichen Geboten zu gehorchen, und bezeichnen sie als ein Reinigungswerk, welches während unserer ganzen Laufbahn auf Erden als Christen fortgeführt werden muss. So spricht der Apostel davon, dass wir „unsere Leiber mit reinem Wasser gewaschen haben“, und dass die Herauswahl gereinigt wird „durch die Waschung mit Wasser durch das Wort“ (der Wahrheit). Diese Stellen zeigen, wie die Reinigung unserer Herzen vor sich geht, der Schmutz des Fleisches entfernt wird. Das ist Arbeit für alle Tage unseres Lebens auf Erden. Aber all diese Reinigung der Gedanken, Worte und Werke, diese Bemühungen, unseren Leib dem Willen Gottes in Christo möglichst untertan zu machen, stellen ab auf die vorausgegangene Annahme Christi und den Glauben, dass wir durch sein Blut gerecht gemacht werden. Denn die Schrift lehrt, dass von dem Augenblick an, da wir Christum annehmen, alle unsere Fehler und Unvollkommenheiten vor des Herrn Augen gleichsam verdeckt sind um des Verdienstes des Sühnopfers willen. Das Jehovas Güte und Gnade beschafft hat, und das wir uns durch Glauben daran zu nutze machen können. Da einzig, was vollkommen ist, bei Gott annehmbar ist, und da wir, so sehr wir uns bemühen und reinigen, doch immer unvollkommen bleiben, so ist es klar, dass unsere Annahme durch den Vater nur möglich ist, wenn wir gleichsam eingehüllt sind in das Kleid der Gerechtigkeit Christi, wenn seine Vollkommenheit uns zugerechnet wird. So sind wir denn zunächst „angenommen in dem Geliebten“ (Eph. 1:6), und dann beweisen wir unsere Liebe zur Gerechtigkeit, unseren Wunsch, dem Herrn zu gefallen, täglich dadurch, dass wir der Heiligkeit (Vollkommenheit) zustreben.
Wie oft spricht doch die Schrift von unserem Herrn als von einem Sühnopfer, „dem Lamm Gottes, dass die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh. 1:29) Alle Opfer, die im Gesetz vorgeschrieben waren, alles Blut, dass auf Israels Altären vergossen wurde, deuteten hin auf jenes große Opfer für die Sünde, das für uns geschlachtet werden sollte; denn „das Blut der Stiere und Böcke konnte niemals Sünden hinweg nehmen“; das konnte einzig das gegenbildliche Opfer, das kostbare Blut. – Hebr. 9:22; 10:10; Eph. 5:2; 1. Kor. 5:7; 1. Petr. 2:22-24; 2. Kor. 5:21
Dass dieses Opfer für die Herauswahl und für alle Menschen gebracht worden, bezeugt die Schrift ebenfalls aufs deutlichste. „Er (Jesus) schmeckte den Tod für jeden“ – für Gerechte und Ungerechte, uns zu Gott zu bringen, für uns und alle Menschen einen Weg zu bereiten, auf dem wir zum himmlischen Vater zurückkehren, mit ihm ausgesöhnt werden können, einen Weg, auf dem wir zum ewigen Leben, der Gnadengabe des Vaters für alle, die wahrhaft seine Kinder sind, zurück gelangen können. – 1. Thess. 5:10; Röm. 5:8; 1. Kor. 15:3; 2. Kor. 5:14, 15; Joh. 10:15; 11:50-52; 1. Petr. 2:24; 3:18
Dass es der Tod des Menschen Christus Jesus, sein Blut war, was uns Befreiung aus Sünde und Tod garantiert, ist auch wiederum so unzweideutig in der Schrift bezeugt, dass es nur geleugnet werden kann, wenn die göttliche Eingebung der Schrift geleugnet oder „die Schrift verdreht“ (2. Petr. 3:16) oder „das Wort Gottes unredlich gehandhabt wird“. – 1. Petr. 1:2; Apg. 4:12; 20:28; Offb. 5:9; 1:5; Röm. 5:9; Hebr. 13:12
„Ihr seid erkauft um einen Preis“ Durch wen? von wem? warum?
„Ihr seid erkauft um einen Preis, werdet nicht der Menschen Sklaven.“ – 1. Kor. 7:23
„Du hast uns erkauft für Gott durch dein Blut.“ – Offb. 5:9
„Es werden falsche Lehrer unter euch sein, welche verderbliche Irrlehren neben einbringen werden, den Gebieter verleugnend, der sie erkauft hat.“ – 2. Petr. 2:1
Da die Schrift so ausdrücklich bezeugt, dass der Mensch erkauft worden ist, und zwar, wie das griechische Wort zeigt, in gleicher Weise erkauft worden ist, wie die Geschäfte auf dem Markt abgeschlossen werden, so müssen wir nun den Fragen näher treten: 1. Wer hat ihn erkauft? 2. Wem wurde er abgekauft? 3. Wozu wurde der Mensch erkauft?
1. Die erste dieser Fragen ist rasch beantwortet. Die heilige Schrift bezeichnet den Herrn Jesus Christus selber als den Käufer und bezeugt, dass sein Blut, die Hingabe seines Lebens, der Tod des Menschen Christus Jesus, der sich hergab als ein Lösegeld für viele, der bei dem Kauf bezahlte Preis war.
2. Wem wurde der Mensch abgekauft? Gegner der Wahrheit fragen höhnisch, ob uns der Herr dem Teufel abgekauft habe oder nicht. Für sie gibt es niemanden anderes, dem das Lösegeld hätte bezahlt werden können; denn wer die Lehre vom Lösegeld verwirft, der verfällt in Trugschlüsse und kann nicht glauben, dass Gott eine der handelnden Parteien sei, glaubt vielmehr, Gott habe sich die Gefolgschaft der Menschheit zu erwerben gesucht und seit Alters her alles getan, was er vermocht, um den Menschen auszusöhnen und ihn so von Sünde und Tod zu befreien. Danach hätte Gott nicht die vorgängige Bezahlung eines Lösegeldes verlangt, bevor er den Menschen wieder losgelassen. Dies alles ist durch und durch schriftwidrig. Die Schrift lehrt freilich, dass Gott die Liebe ist und auch mit dem Sünder Erbarmen hat; sie lehrt aber gleichzeitig, dass Gott gerecht ist, und dass der Mensch, nachdem er gerechterweise verurteilt worden, nicht ebenfalls gerechterweise dem Verdammungsurteil entrückt werden könne, es denn ein Lösegeld für ihn bezahlt und dadurch die Schuld getilgt worden.
Nun setzt freilich die Schrift die Verhängung der Todesstrafe der Herrschaft des Teufels gleich, indem sie schreibt: „Weil nun die Kinder Fleisches und Blutes (der menschlichen Natur) teilhaftig sind, so hat auch er gleicherweise an denselben teilgenommen, auf dass er durch seinen Tod zunichte machte den, der des Todes Gewalt hat, das ist den Teufel“ (Hebr. 2:14), und indem sie den Teufel als den Fürsten dieser Welt bezeichnet (Joh. 14:30). Aber nirgends lehrt die Schrift, dass der Teufel auf diese Herrschaft ein Recht hat. Im Gegenteil, die Schrift bezeichnet Satan als einen Usurpator (Machträuber), der mit Hilfe der gefallenen Natur des Menschen dessen Verständnis für göttliche Dinge geblendet, ihn selbst betrogen und mittelst Unwissenheit, Aberglauben und seinen eigenen Schwächen geknechtet hat. Satan ist der Urheber der Sünde, und dadurch hat er die Gewalt des Todes bekommen. Hätte die Menschheit nicht gesündigt, Satan hätte keine Herrschaft über sie ausüben können. Wegen wissentlicher Sünde wurde Adam aus der Gunst Gottes verstoßen; aber erst später, als die Menschheit deutlich zeigte, dass sie nicht danach fragte, an Gott zu denken, gab Gott sie hin in allerlei verderbliche Lüste. (Röm. 1:28) Mehr als angemaßtes Recht über die Menschheit, mehr als eine Tatsächliche, durch die Sünde ermöglichte Herrschaft über sie hat Satan nicht zu beanspruchen.
Da nun einmal das Urteil ergangen war: „Du wirst des Todes sterben“, so erhielten eben Satan und irgend andere böse Mächte Anteil an der Vollstreckung des Urteils. Gott benutzt ja bisweilen, wie den Zorn böser Geister, so auch den Zorn eines Menschen, um seine wunderbaren Pläne auszuführen, und macht auf diese Weise, dass selbst der Grimm des Menschen ihn preist. (Psalm 76:10) Aber als rechtmäßigen Eigentümer des Menschengeschlechtes hat Gott den Teufel niemals anerkannt. Das Geschlecht war Gottes Schöpfung; alles verdankte es ihm und nur, weil es ihn nicht erkannt, ihm nicht gehorcht hat, kam es unter den Fluch, das göttliche Todesurteil zu stehen, unwürdig hinfort des Lebens. Unter diesem Fluch steht es noch heute.
Göttliche Gerechtigkeit war es, die über unsere ersten Eltern das Todesurteil verhängte. Göttliche Gerechtigkeit ist es, die das ganze Geschlecht noch im Gefängnis des Todes zurückhält. Da gibt es keine Hoffnung auf Befreiung, neues Leben, als durch den von Christo Jesu vollzogenen Loskauf. Da es also die göttliche Gerechtigkeit war, die des Menschen Leben als verwirkt erklärte, so musste auch der göttlichen Gerechtigkeit der Loskaufpreis bezahlt werden, wenn anders der Schuldige, Adam, und das mit ihm verurteilte Geschlecht, aus Schuld und Strafe sollte entlassen werden können.
So sehr er es auch gewünscht hätte, niemals hätte Satan seine Macht über die Menschen ausüben können, wenn es ihm nicht von dem obersten Gewalthaber Jehova gestattet worden wäre. Und niemals hätte Jehova zugelassen, dass die große Not des Todes, durch Satans Vermittlung oder anderswie, über die Menschen hereingebrochen wäre, es sei denn als eine Strafe für die Sünde, die Übertretung des Gesetzes Jehovas. Satans Gewalt ist wie die des Scharfrichters eine übertragene Gewalt. Der Scharfrichter ist nur ein Diener des von der obersten Staatsgewalt gegebenen Gesetzes, als solcher beauftragt, die im Gesetz vorgesehenen Strafen zu vollziehen. So ist Satan ein Diener des vom Herrscher über alle Kreatur erlassenen Gesetzes und für eine bestimmte Zeit als Vollzieher des Todesurteils über die Menschen bestellt.
Wollten wir eines Gefangenen Lösegeld zahlen, so würden wir dasselbe nicht dem Gefängniswärter oder Scharfrichter anbieten, sondern dem Gerichtshof, dessen Urteil das Lösegeld erforderlich gemacht hat. Genau so konnte das Lösegeld für die Sünde nicht dem Teufel bezahlt werden, sondern musste derjenigen Macht bezahlt werden, die die Sünde verurteilt, die Strafe verhängt und die Hinrichtung des Schuldigen angeordnet hatte, also Gott, dem Richter aller.
Bestätigt die Schrift dieses Erfordernis unseres gesunden Menschenverstandes? Sagt sie, dass das Opfer Christi Gott dargebracht wurde oder dem Teufel? Für uns ist diese Frage aufs deutlichste beantwortet, durch die vorbildlichen Opfer des jüdischen Zeitalters, welche das bessere Opfer vorschatteten, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Sie wurden alle Gott dargebracht von den Priestern, den Vorbildern unseres Herrn Jesu. – 3. Mose 4:3, 4, 24, 27, 31, 35; 5:11, 12; 9:2, 6, 7; 2. Mose 30:10; 2. Chron. 29:7-11, 20:24
Wem diese Zeugnisse nicht genügen, den verweisen wir auf des Apostels eigene Worte: „Wenn das Blut von Stieren und Böcken … zur Reinigung des Fleisches heiligt, wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst Gott geopfert hat ohne Flecken … und darum ist er der Mittler des Neuen Bundes geworden.“ – Hebr. 9:13-15, 26; vgl. 7:27; 10:4-10, 12, 20; Eph. 5:2; Tit. 2:14; Gal. 1:4; 2:20; 1. Joh. 3:16; Joh. 1:19; 1. Petr. 1:19, 1. Kor. 10:20; Röm. 12:1
Diese Stellen führen für uns den Beweis der Schriftgemäßheit der Lehre, dass Gott den Tod Christi als Lösegeld für die Menschheit forderte und annahm.
3. Warum wurde der Mensch erkauft? Da die göttlichen Eigenschaften der Gerechtigkeit, Liebe, Weisheit und Macht in uns, als gefallenen und unvollkommenen Geschöpfen nur sehr unvollkommen vorhanden sind, haben viele von uns Mühe, die göttliche Methode zu begreifen, wonach ein Lösegeld gefordert und angenommen werden musste. Wer es nun nicht mit seinem Verstand begreifen kann, tut wohl daran, das Zeugnis des göttlichen Wortes anzunehmen und sich nicht davon aufhalten zu lassen, dass er auf das Warum und Wozu keine befriedigende Antwort weiß. Gleichwohl möchten wir hier einige Gedanken anbringen, die möglicherweise einigen helfen können, die Sache, die sie glauben, auch zu begreifen.
In uns als gefallenen, unvollkommenen Geschöpfen sind die Eigenschaften Weisheit, Liebe, Gerechtigkeit und Vermögen beständig mehr oder weniger im Widerstreit. Bei unserem himmlischen Vater hingegen sind sie in beständiger Übereinstimmung. Erst überschaute die Weisheit das Terrain (Gebiet) und legte dann den besten Plan zur Rettung der Menschheit vor, einen Plan, dem Liebe, Gerechtigkeit und Allmacht zustimmten. So wurde denn auf der Weisheit Antrag der Mensch sofort einem Gesetz unterstellt, auf dessen Übertretung die Todesstrafe, die Strafe, bestehend in Verwirken der Existenz und in allem Leid und Leiden, das dem Tode vorangeht oder ihn begleitet, gesetzt war. Die Weisheit wusste, dass der Mensch, der Erfahrung mangelnd, fallen würde, aber ihr Antrag rechtfertigte sich dadurch, dass der Mensch auf diese Weise wohltuende Belehrung erhalten würde. Sie zeigte den Weg, den die göttliche Vorsehung gehen würde, wie wir es in der Schrift geoffenbart finden.
Sobald der Mensch gefallen, trat die Gerechtigkeit vor, erklärte ihn für einen Empörer, der dem Todesurteil verfallen sei, und trieb ihn aus Eden, hinweg von der für ihn bereiteten Lebensquelle, und überlieferte ihn dem Satan, damit er mit Unannehmlichkeiten heimgesucht werde und schließlich die volle Strafe für seine Übertretung erdulde: „Sterbend sollst du sterben!“ Während nun die Gerechtigkeit so mit dem Menschen handelte, war die Liebe zwar nicht gleichgültig, aber machtlos, und zwar aus zwei Gründen: einerseits konnte sie der Gerechtigkeit nicht widerstreiten, die Anwendung der Strafe nicht verhindern, den Menschen nicht der Gewalt der Gerechtigkeit entziehen, weil Gerechtigkeit die Grundfeste der göttlichen Herrschaft ist, und anderseits konnte die Liebe das Lösegeld damals noch nicht zahlen, weil dies im Widerspruch gestanden hätte mit dem von der Allweisheit bereits vorgelegten Heilsplan. So mussten denn Liebe und Allmacht Gottes zunächst an sich halten, konnten der Menschheit zunächst nicht helfen und mussten der Gerechtigkeit den Lauf lassen und der Allweisheit gestatten, dass sie der Gerechtigkeit sechstausend Jahre lang den Lauf ließ, was für die Menschheit Seufzen und Leiden und Sterben bedeutete. Die Liebe beschränkte sich denn demgemäss darauf, dem Menschen Trost zuzusprechen und ihn zu belehren, indem sie ihm Verheißungen gab und vorbildliche Opfer anordnete, welche die Art und Weise vorschatteten, wie die Liebe einst, in der von der Weisheit vorbestimmten Zeit, die Erlösung des Menschen bewerkstelligen werde. Die Liebe harrte also geduldig auf den richtigen Augenblick, in welchem sie unter Führung der Weisheit würde handeln und später noch die Allmacht zu Hilfe rufen können.
Dieser Augenblick, da die Liebe eingreifen konnte, kam schließlich, als die Zeit erfüllt war (Gal. 4:4), in Gottes vorbestimmter Zeit (Röm. 5:6), als Gott seinen Sohn aussandte als den Menschen Christus Jesus, auf dass er durch die Gnade (Güte) Gottes den Tod schmeckte für jedermann. (1. Tim. 2:5; Hebr. 2:9) Bis zu jenem Augenblick war die Liebe Gottes der Menschheit nicht kundgetan, wiewohl sie schon vorhanden war. Darum lesen wir auch: Hierin ist die Liebe Gottes geoffenbart worden, dass Christus für uns starb, da wir noch Sünder waren. – 1. Joh. 4:9; Röm. 5:8
Indem sie dem Gesetze Gottes gemäß Eingriff und den Anforderungen dieses Gesetzes genügte, geriet die göttliche Liebe nicht in Widerspruch mit der göttlichen Gerechtigkeit. Darum versuchte auch die Liebe nicht, das Urteil der Gerechtigkeit aufzuheben oder auch nur abzuschwächen, sondern sie beschaffte einen Bürgen, einen Vertreter, der für die Menschheit das Lösegeld zahlte. Durch Aufsichtnahme der von der Gerechtigkeit geforderten Todesstrafe, machte die Liebe die Menschheit frei von der Schuld Adams, vom Fluch, vom Tode. Dies war gleichzeitig ein Triumph für die Liebe wie für die Gerechtigkeit Gottes: Die Liebe triumphierte, indem sie der Gerechtigkeit das Lösegeld, Jesum, anbot, und die Gerechtigkeit trat so recht als dasjenige Element im Charakter Gottes in Erscheinung, das den göttlichen Anordnungen und Strafen ihre volle Kraft verleiht.
Freilich ist der Triumph der Liebe noch nicht vollständig. Sie hat wohl das Lösegeld beschafft, aber sie will mehr tun. Sie will für alle, die nach gemachten Erfahrungen willig sind, Gott wieder zu gehorchen und seinem Gesetz untertan zu sein, die Wiederherstellung herbeiführen. Doch wie der Verfügung der göttlichen Weisheit gemäß die Liebe mehr denn 4000 Jahre gewartet, ehe sie das Lösegeld aufbrachte und zahlte, so wartete sie wieder nahezu 2000 Jahre, bevor sie das Wiederherstellungswerk begann. (Apg. 3:19-21) Unterdessen gestattete die Weisheit der Liebe, sich an einer besonderen Klasse zu erweisen, an der kleinen Herde, der Auserwählten des Evangeliums-Zeitalters – auf dass sie aus den Erkauften heraus „ein Volk für seinen Namen“, die Braut, die Miterben Christi, die Kirche (Herauswahl) sich erwählte.
Die Notwendigkeit des Rückkaufes des Geschlechts durch Christum ergab sich aus dem Umstand, dass Vater Adam sich selbst und sein Geschlecht der Sünde (und ihrem Sold, dem Tode) verkauft hatte um den Preis des Ungehorsams. (Röm. 7:14; 5:12) So bedurfte er denn, aus der Knechtschaft der Sünde zurückgekauft zu werden, und die Einzahlung des Lösegeldes war nötig, bevor irgend jemand aus der Strafe entlassen werden oder neu beginnen konnte mit dem Versuch, sich des ewigen Lebens würdig zu erweisen.
Doch nun lasst uns zum Schluss den vollzogenen Kauf in seiner ganzen Größe ins Auge fassen. Derselbe machte unseren Herrn Jesum nicht bloß in der Theorie, sondern tatsächlich zum Eigentümer, Regenten, Vater des Geschlechts, da er ja den Preis für dessen Erlösung bezahlt. Bei diesem Handel nahm er die Stelle Adams ein, der seiner Zeit sein Geschlecht verkauft hatte. Wie Adam durch seine Übertretung das Geschlecht in Selbstherrlichkeit, in Ungehorsam gegen Gott verkauft hatte, so hat der Mensch Christus Jesus durch Aufopferung seiner selbst in Gehorsam dem Willen des Vaters gegenüber, die da ein vollgültiges Lösegeld für Adam bedeutete, das Geschlecht wiederum erkauft. So sagt denn auch die Schrift: „Christus ist hierzu beides gestorben und auferstanden und wieder lebendig geworden, auf dass er herrsche beides über die Toten und die Lebendigen.“ (Röm. 14:9) Durch seinen Opfertod wurde unser Herr Eigentümer, Regent und Vater des Geschlechtes, erhielt er volle Verfügung über dasselbe als über seine eigenen Kinder, die er durch sein Opfer freigemacht vom Fluch des göttlichen Verdammungsurteils. In diesem Sinne ist unser Herr der zweite Adam geworden, denn er hat sich nun an die Stelle des ersten Adams gesetzt, ein neues Haupt (ein neuer Ausgangspunkt, Urheber) des Geschlechtes, das er durch Hinopferung seines eigenen Lebens erwarb, zurückkaufte. Doch war es auch der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld hingab, so konnte es andererseits nicht der Mensch Christus Jesus sein, der der Vater des Geschlechts würde. Der Mensch Christus Jesus gab alles, was er hatte, hin als Lösegeld für den Menschen Adam und sein Geschlecht, ein gleichwertiges Leben, einen Menschen für einen Menschen. Das Geschlecht Adams (zur Zeit der Übertretung Adams noch nicht geboren) war nicht direkt, sondern indirekt verurteilt; so bedurfte es auch nicht eines direkten Rückkaufs, ein indirekter genügte. Ein ungeborener Keim (Same) in den Lenden des Menschen Christus Jesus wurde zum Kaufpreis, zum Lösegeld für den zur Zeit des Sündenfalls gleichfalls ungeborenen Keim (Samen) Adams.
Der Kaufpreis ist nicht zurückgenommen worden.
Wie wir schon gesehen, lehrt die Schrift ausdrücklich, dass unser Herr im Fleisch getötet, aber im Geist wieder lebendig gemacht worden ist; er wurde getötet als ein Mensch, aber er stand auf aus den Toten als ein Geistwesen höchster Ordnung, göttlicher Natur. Nachdem er das Werk, um deswillen er Mensch geworden, vollbracht, seine Aufgabe in dem Vater wohlgefälliger Weise gelöst, wurde er auferweckt aus den Toten zu außerordentlicher Ehre und Herrlichkeit, weit über alle Engel und Fürstentümer und Gewalten und jeden Namen, der genannt wird.
Auch hätte unser Herr nicht als ein Mensch aus den Toten auferweckt und gleichzeitig unser Lösegeld in den Händen der Gerechtigkeit gelassen werden können. Um Adam (und sein mit ihm verurteiltes Geschlecht) vom Urteil und aus dem Gefängnis des Todes wieder frei zu machen, musste vielmehr der Mensch Christus Jesus nicht nur Sterben, sondern auch tot bleiben, als Lösegeld für uns in alle Ewigkeit.
Wäre unser Herr Jesus als Mensch wieder auferstanden, so hätte das zwei Nachteile gehabt: zu erst wäre damit unser Lösegeld zurückgenommen worden, und wir ständen nach wie vor unter dem Todesurteil; zweitens aber würde es für unseren Herrn den bleibenden Verlust der höheren Natur bedeutet haben, die er verlassen hatte, um Mensch zu werden und unser Erlöser (Rückkäufer) zu sein; sein Gehorsam bis zum Tode hätte somit zum Resultat gehabt, dass er auf ewig von der höheren geistigen zur niedrigeren menschlichen Natur degradiert worden wäre. Aber die göttliche Vorkehrung kennt keine solchen Verkehrtheiten. Unser Herr erniedrigte sich selbst, und wurde ein Mensch und gab Menschentum auf als Lösegeld (Rückkaufpreis) für die gefallene Menschheit, und zum Lohn für den dabei bewiesenen Gehorsam stellte ihn der himmlische Vater nicht allein wieder als bewusstes Wesen her, sondern er verlieh ihm nun eine Natur, die nicht nur höher war, als die menschliche; sondern auch höher als die, welche er vorher gehabt; er verlieh ihm die göttliche Natur mit ihren höchsten Eigenschaften und Würden. In seiner jetzigen erhöhten Stellung wäre der Tod unmöglich; er ist jetzt unsterblich. (siehe Studie 13)
Da der Mensch Jesus das Lösegeld war, welches für den Rückkauf Adams und seines Geschlechtes hatte bezahlt werden müssen, so kann auch nicht der Mensch Jesus der zweite Adam, der neue Vater des Geschlechtes an Adams Statt sein. Denn der Mensch Jesus ist tot, für immer tot und könnte mithin nicht Vater, Lebensgeber für die Menschenwelt sein. Nein, der sich den Titel „Vater der Menschenfamilie“ zu eigen erworben, ist der auferstandene, herrlich gemachte Jesus, der Teilhaber an der göttlichen Natur. Er ist der zweite Adam.
Wie wir gesehen, war unser Herr Jesus im Fleisch nicht der zweite Adam. (siehe hierüber Studie 6) Er war im Fleisch nicht Vater eines Geschlechtes, sondern er kam lediglich zum Zwecke, Adam und sein Geschlecht zu erwerben und auf diese Weise der Vater zu werden. Und dies zu erwerben, kostete ihm alles, was er hatte; nichts wurde ihm gelassen. Dies ist die Auffassung der Schrift, wie der Apostel es ausdrückt: „Der erste Mensch ist von der Erde, von Staub (irdisch), der zweite Mensch (der zweite Adam ist der Herr) vom Himmel (während seiner zweiten Gegenwart im Tausendjahr-Reich) … Wie wir das Bild dessen von Staub (des irdischen Adams) getragen haben, so werden wir (die Herauswahl, die Miterben Christi, die Teilhaber an der großen Verheißung – Röm. 8:17; 2. Petr. 1:4) auch das Bild des himmlischen (zweiten Adam) tragen. So steht auch geschrieben: Der erste Mensch Adam wurde eine lebendige Seele, der letzte (zweite) Adam ein lebendig machender Geist; aber das Geistige war nicht zuerst, sondern das Natürliche, danach (kam) das Geistige.“ – 1. Kor. 15:45-49
Wenn wir der Frage, weshalb die Menschheit gekauft wurde, weiter nachgehen, so finden wir bei dem Apostel die Erklärung, dass durch den vollzogenen Kauf unser Herr Jesus der Mittler des Neuen Bundes wurde (d.h. zu werden das Recht erwarb). (Hebr. 8:6; 9:14-16) Der Neue Bund ist eine Gnadenvorkehrung Gottes, die ihm Erbarmen mit dem gefallenen Geschlecht und Begnadigung (Hafterlassung) desselben möglich machen sollte. Der neue Bund bedurfte, um in Kraft treten zu können, eines Mittlers. Dieser Mittler musste Gott bestimmte Garantien zu Gunsten der Menschheit geben. Vor allem musste er dieselbe aus dem Tode zurückkaufen, indem er das volle hierfür geforderte Lösegeld zahlte. Dieses Opfer, welches unser Herr Jesus brachte, heißt deshalb das „Blut des Bundes“, weil durch dasselbe der Bund in Kraft treten konnte. Nachdem er die Menschheit von dem wegen der Sünde über ihr bleibenden Todesurteil losgekauft und den Neuen Bund (Vertrag) versiegelt und anwendbar gemacht, ist der Mittler wohl ausgerüstet und vollberechtigt, für das erkaufte Geschlecht alles zu tun, was er vermag, es zurückzubringen zu voller, menschlicher Vollkommenheit, zu voller Übereinstimmung mit Gott, auf dass er sie ohne Fehl und Flecken dem Vater vorstellen könne, den sie alsdann lieben, und sie mithin nicht länger der Vermittlung eines besonderen Versöhnungsbundes, eines Mittlers bedürfen. Aber dieses Werk steht noch in seinen ersten Anfängen. Die Welt ist noch nicht annehmbar für den Vater, und es wird die ganze Wiederherstellungsarbeit des Tausendjahr-Zeitalters bedürfen, um die Willigen und Gehorsamen zu vollständiger Aussöhnung und Übereinstimmung mit dem Vater zu bringen.
Bis diese Zeit anbricht (d.h. in dem ihr vorangehenden, nun bald abgelaufenen Evangeliums-Zeitalter), wird eine kleine Zahl unter den Erkauften berufen, und die, so den göttlichen Ruf hören und durch Glauben an den Mittler und sein Werk zum Vater kommen, werden als gerechneterweise vollkommen angenommen, um ihnen zu ermöglichen, sich, wie ihr Erlöser (Rückkäufer) es vor ihnen getan, als lebendige Opfer zu weihen zum Dienst des Vaters gemäß seinem Plane und so in sich selbst die Ähnlichkeit mit Gottes geliebten Sohne zu entwickeln. Zum Lohn dafür sollen sie auch, wenn sie willig und fröhlich mit ihm gelitten, bald mit ihm herrlich gemacht werden und Miterben und Teilnehmer sein an seinem Tausendjahrwerk, die Welt nach der Weise des Neuen Bundes zu segnen. Diese wenigen sind aber Ausnahmen; sie, die Auserwählten des Evangeliums-Zeitalters sind gerechnet als Brüder Christi, als Leib Christi, der da ist die Kirche (Herauswahl); nie heißen sie Kinder Christi. Sie sind vielmehr vom himmlischen Vater als Söhne angenommen, gezeugt zur himmlischen Natur mittelst des Wortes der Wahrheit und des Geistes dieses Wortes. Sie dürfen, wie wir gesehen, Jehova als ihren Vater betrachten, der sie direkt gezeugt hat (Joh. 1:13), und so sind sie denn Brüder Christi Jesu. – 1. Petr. 1:3
Der Plan, den Gott mit der Welt vorhat, ist in einiger Hinsicht verschieden. Statt dass sie durch Glauben gerechtfertigt und zur göttlichen Natur neu gezeugt (wiedergezeugt) wurde, muss sie bis zum Tausendjahr-Zeitalter warten, und in diesem wird sie nicht etwa von Jehova zu einer neuen Natur gezeugt, sondern zu ihrer alten Natur, zur menschlichen Natur wiederhergestellt, befreit von dem Schaden, den ihr die Sünde gebracht. Die Hoffnung der Welt ist die Wiederherstellung dessen, was in Eden verloren ging. (Matth. 18:11; Apg. 3:19-21) Gottes Gnadenvorkehrung für die Welt ist die Beschaffung des Lösegeldes: – Der Mensch Christus Jesus gab seine vollkommene Menschlichkeit mit allen damit verknüpften Vorrechten freiwillig als Sühnopfer hin um damit für die Menschheit zurückzukaufen, was verloren war: die menschliche Vollkommenheit, die schon in Eden verloren ging, die Herrschaft über die Erde, alle Rechte und Vorzüge des vollkommenen Menschen, die Übereinstimmung mit Gott, ewiges Leben. Diese Dinge sind für die Menschheit erworben worden und werden zu rechter Zeit allen Völkern unter den Bedingungen des Neuen Bundes angeboten werden.
Die Herauswahl des Leibes Christi im Laufe des Evangeliums-Zeitalters hat für die Welt insofern Bedeutung, als sich unser Herr Jesus, das große Haupt der Herauswahl, die Besorgung, der Welt Leben zu geben, nicht allein vorbehalten hat, sondern sie mit einer „kleinen Herde“ solcher teilen will, die ihm ähnlich sind, die an den Leiden dieser Zeit Anteil gehabt haben und mit ihm Teilhaber der zukünftigen Herrlichkeit sein, mit ihm den großen Propheten, großen Hohenpriester, großen König, Lebensgeber oder Vater für die Menschheit bilden sollen, welcher jedem Leben geben wird, der es unter den im Neuen Bunde geltenden Bedingungen annehmen will. Darum gibt auch die Schrift unserem Herrn u.a. den Titel „Ewig-Vater“. Diese Besorgung hat er noch gar nicht begonnen; aber nachdem er die Welt um den Preis seines eigenen unverwirkten Lebens erkauft, hat er nun auch, nach dem Plan Gottes, die Macht und das Recht, so vielen, als willig sind und die Bedingungen annehmen, alles, was verloren ging und zurückgekauft wurde, alle Rechte, alle Vorzüge des Menschen samt größerer Erkenntnis mitzuteilen.
Da Er nun legitimer Vater der Menschheit ist und ihr ein Leben gibt, das ihm sein eigenes gekostet hat, so verfügt er auch nach dem Zeugnis der Schrift in durchaus freier Weise über sie. Er erklärt jeden einzelnen des ewigen Lebens würdig oder unwürdig. Bei der Welt wird er es im Tausendjahrzeitalter tun an des Vaters Statt; bei der Herauswahl, seiner Braut tat und tut er es im gegenwärtigen Zeitalter. Darum sagt der Apostel, dass, wie der Vater das Haupt Christi, so Christus das Haupt der Herauswahl sei. Als der Mann ist er des Weibes Haupt und der Vorsteher des Haushaltes. Darum lesen wir (Joh. 5:22): „Der Vater richtet niemanden, sondern alles Gericht hat er dem Sohn übertragen“. Die Braut Christi hat keine Beziehungen zum Vater, es sei denn in und durch ihren geliebten Bräutigam; ihre Bitten werden in seinem Namen vorgebracht und um seines Verdienstes willen berücksichtigt. So wird es bleiben, bis das Vollkommene gekommen sein wird, bis sie herrlich gemacht worden sein und die volle Freiheit der Söhne Gottes erhalten haben wird durch die Erste Auferstehung.
Ähnlicherweise kann auch die Menschheit im allgemeinen, die Kinder Christi, einzig mit ihrem Haupt, ihrem Vater Beziehungen haben. Mit dem himmlischen Vater können sie erst verkehren, von ihm werden sie erst anerkannt werden, wenn sie nach Ablauf des Tausendjahr-Zeitalters zur Vollkommenheit wiederhergestellt sein, sich den Bedingungen des Neuen Bundes unterworfen haben und damit seiner Segnungen teilhaftig geworden sein werden. Dann, wenn unser Herr Jesus das Reich Gott dem Vater übergeben wird, dann erst werden auch sie dem großen Vater aller, dem allmächtigen Jehova vorgestellt und seiner direkten Herrschaft unterstellt werden. – 1. Kor. 15:24
Unser Herr Jesus heißt darum in der Schrift mit Recht der Vater des erkauften und wiederhergestellten Geschlechts. Wenn er – wiewohl Schöpfer Adams (Joh. 1:3) – nicht als Vater Adams und seiner Nachkommen anerkannt wurde, so lag der Grund hierfür darin, dass der Logos bei der Schöpfung nur als Vertreter Jehovas handelte und das Werk ganz auf dessen Kosten, nicht auf seine eigenen vollbrachte, während er als „zweiter Adam“ den Menschen Leben geben wird auf eigene Kosten – Leben, das er um den Preis seines teuren, kostbaren Blutes erworben hat.
Erlösung nicht Vergebung
Der Umstand, dass der Unterschied zwischen „Erlösung“ und „Vergebung“ nicht beachtet worden ist, hat in vielen Köpfen große Verwirrung verursacht. Daher kommt es, dass ganz vernünftige Christen in einem Atemzug einerseits von Erlösung aus Grabesbann, Erkaufung vom Tode um einen kostbaren Preis, dem des Blutes Christi, und anderseits von der freien Vergebung aller Sünden seitens des Vaters reden können. Offenbar denken nur wenige, was viele wissen müssen, dass „Erlösung“ und „Vergebung“ zwei einander entgegengesetzte Gedanken ausdrücken. Beide Wörter kommen zwar in der Bibel vor, überall wo von dem Verfahren Gottes mit dem gefallenen Menschen die Rede ist. Aber sie stehen nicht eins für andere, von den Verfassern ohne Rücksicht vertauscht, sondern haben jedes ihren besonderen Sinn. Werden sie vertauscht, so geben sie den etwa angeführten Bibelstellen einen anderen Sinn, und dies stiftet Verwirrung, indem alsdann das Wort Gottes nicht mehr mit sich selbst übereinstimmt. Es kommt auch etwa vor, dass die Worte von den Auslegern absichtlich vertauscht werden, und letztere jede Aufklärung über den wahren Sinn der fraglichen Stellen ablehnen, weil diese alsdann ihre Lehren, wonach ein Lösegeld überflüssig, verdammen würden.
Nichts ist handgreiflicher, als dass Gott dem Adam seine Übertretung nicht verziehen, seine Strafe nicht erlassen hat. Ein Blick auf die seufzende dahin sterbende Menschheit einerseits und in das Wort Gottes anderseits überzeugt uns, dass der Fluch, der Tod als Sold der Sünde die Herrschaft führt, dass Gott also der Welt nicht verziehen, ihr die Strafe nicht erlassen hat, unter der sie nun seit 6000 Jahren dahingeht.
Wer die Gerechtmachung des Sünders durch das Verdienst des Sühnopfers Christi, des Stellvertreters und Loskäufers des Sünders, verwechselt mit Vergebung ohne Zahlung, der hat noch nicht vollständig geübte Sinne.
Hätte Gott Adam verziehen, so hätte er ihm wieder die Vorzüge verschafft, die er in Eden genoss, vorab den Genuss der Frucht des Baumes des Lebens, und Adam lebte noch jetzt, und sein ganzes Geschlecht wäre nicht gestorben um „des Ungehorsams des einen willen“.
Käme Gott zu irgend einer Zeit einem Menschen durch seine Vergebung zu Hilfe, so würde das für den Betreffenden Befreiung von jeglichem Schaden, Krankheit, Leiden und Tod, Wiederbeschaffung alles dessen, was verloren gegangen, bedeuten.
So hat Gott also sichtlich die Ursünde nicht verziehen, sondern vollstreckt noch stets fort das auf sein heiliges Gesetz gegründete Todesurteil an dem Sünder. Es gibt kein sichtbares Zeichen dafür, dass die Menschheit erlöst, erkauft worden ist. Einzig Gläubige wissen davon und nehmen die Kunde davon an, im Glauben an des Herrn Wort, ohne äußerlich etwas zu sehen. Die vielen Stellen der Schrift, welche davon zeugen, haben wir schon angeführt (Studie 15). Geschaut mit Augen werden die Zeichen des Loskaufs während des Tausendjahr-Reiches werden, wenn das Wiederherstellungswerk im Gange sein, wenn der Rückkäufer beginnen wird, seine erkauften Wiederhersteller-Rechte und Vollmachten auszuüben.
Vergeben wird überhaupt nicht die Ursünde, noch der Welt ihre Sünde, sondern vergeben wird nur denen, die durch Glauben an den Erlöser und sein Werk gerechneterweise vom Tode zum Leben, von der Verurteilung zur Gerechtmachung hindurch gedrungen sind. Der große Mittler, welcher sie und die gegen sie bestehenden Anklagen erkauft hat, , vergibt ihnen aus freien Stücken und stellt sie auf die Probe, ob sie auch des Lebens würdig seien, und leitet sie dabei mit dem Geist, nicht mit dem Buchstaben des Gesetzes. Ja nicht nur die vergangenen Sünden vergibt er, sondern er fährt fort, ihnen auch alle ihre laufenden Sünden zu verzeihen (wenn diese so lange nicht willentlich sind, als sie den neuen Sinn haben (1. Joh. 3:9; 5:18), diese unwillentlichen Sünden in Gedanken, Worten und Werken rechnend, als seien sie Teile der Ursünde und des davon herrührenden Schadens, der sich in ihrem Fleisch fortgeerbt hat. Gleicherweise heißt es vom himmlischen Vater, dass er sich unser (d.h. seiner Kinder) erbarmt, unsere Übertretungen vergibt und uns seine Gnade (Gunst) zu teil werden lässt: aber das alles um des Sühnopfers unseres Herrn Jesu Christi willen; „wir werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christo Jesu ist, welchen Gott gesetzt hat zu einer Sühne, durch den Glauben an sein Blut zur Erweisung seiner Gerechtigkeit beim Erlass der (Strafe für die) Sünden“ (Röm. 3:25, 26). „Wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade.“ – Eph. 1:7; Kol. 1:14
„Wir sind mit Gott versöhnt durch den Tod seines Sohnes“ heißt also: Gott hat aufgehört, unsere Sünden gleichsam zu empfinden, da die Schuld getilgt, das Lösegeld bezahlt worden ist, das er selber beschafft hat, er, der uns so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn gab, um uns zu erkaufen. So ist es ebenfalls zu verstehen, wenn wir lesen: „Gott war in Christo, die Welt mit ihm selbst versöhnend, ihre Übertretung ihr nicht anrechnend“ (sondern seinem geliebten Sohn, den er aus freien Stücken als unsern Bürgen hingab). Die Sünden wurden der Menschheit angerechnet, bis Jesus gestorben war; von da an schenkte Gott „uns“, hörte auf, „uns“ (d.h. der Herauswahl) anzurechnen, was durch unsern Bürgen, unsern Rückkäufer bezahlt worden. Gott verzieh nicht in dem Sinn, dass er auf den Vollzug der Strafe verzichtet hätte, sondern er vollzog vielmehr die Strafe an ihm (unserm Rückkäufer), indem er unser aller Ungerechtigkeit auf ihn legte (Jes. 53:6). „Er trug (die Strafe für) unsere Sünden in seinem eigenen Leib an das Holz“ (1. Petr. 2:24). Daran sehen wir, in welcher Weise uns Gott aus freien Stücken (die Schuld) schenkte „um Christi willen“ – weil er die Strafe zahlte, welche der Forderung der Gerechtigkeit entsprach. – 1. Joh. 1:7; 2:12; Eph. 4:32; Apg. 4:12; 10:43; 13:38; Luk. 24:47
Beachten wir aber ja, dass Gott den Gerechten nicht zwingen könnte, für die Ungerechten zu sterben. Die Gerechtigkeit könnte nicht dem Unschuldigen die Strafe für die Schuldigen auferlegen, es sei denn, der Unschuldige habe aus freien Stücken sich hergegeben als Bürge für die Schuldigen. Dies tat unser Herr Jesus. Die Schrift erklärt, dass er sein Leben freiwillig hergab, nicht aus Frucht vor dem Zorn Gottes, nicht aus Zwang, sondern: um der Freude willen, die ihm in Aussicht gestellt war (die Freude, dem Vater zu gehorchen, die Menschheit zurückzukaufen und wiederherzustellen und eine Anzahl Söhne herrlich zu machen), erduldete er das Kreuz. – Hebr. 12:2
Die griechischen Wörter (apolyo, aphiemi, Aphesis) sind im Neuen Testament mit „vergeben“ und „Vergebung“ übersetzt. Wir ziehen die Übersetzung „schenken“ vor, weil der Gedanke nicht der ist, dass die Schuld ohne Genugtuung als getilgt betrachtet, der Sünder bedingungslos aus der Haft (des Todes) entlassen wurde. Den Menschen wird der Rest der Strafe geschenkt, Gott hört auf, ihre Schuld zu empfinden, weil er ein Lösegeld ausfindig gemacht hat, welches zur Tilgung der Schuld hinreicht (Hiob 33:24). „Der Mensch Christus Jesus hat sich selbst hingegeben zum Lösegeld für alle“ (zur Tilgung der Schuld aller) 1. Tim. 2:6. Darum werden alle, die in den Gräbern (im Gefängnis des Todes) sind, zur rechten Zeit seine Stimme hören und hervorgehen, dann nämlich, wenn ihr Rückkäufer seine große Macht und seine Herrschergewalt an sich genommen haben wird.
Das dem Wort „vergeben“ im Sinne von „die Strafe nicht anwenden“ am nächsten kommende griechische Wort ist nicht aphiemi, sondern karazomai. Es kommt aber nur zwölfmal im Neuen Testament vor. Wir werden an einigen Beispielen sehen, dass diese Stellen mit der Oben vertretenen Anschauung durchaus in Einklang stehen. Wir lesen:
„Einander vergebend, wie auch Christus euch vergeben hat.“ – Kol. 3:13
„Da sie nicht hatten zu bezahlen, schenkte er es beiden aus freien Stücken.“ – Luk. 7:42
„Er, dem er mehr geschenkt hatte.“ – Luk. 7:43
In diesen vier Fällen ist Tilgung der Schuld ohne Gegenleistung gemeint. Aber man bemerke: es ist nicht Jehova, sondern es sind Christus Jesus und seine Jünger, die (in diesem Sinne) vergeben. Unser Herr Jesus hat durch sein Erdenleben und seinen Tod gerade das Lösegeld für Simon, Maria und andere bezahlt, und wissend, dass der Preis die Schuld im Hauptbuch der Gerechtigkeit tilgen würde, konnte er, der den Preis aufbrachte, ihnen vergeben, auf die Strafe verzichten. Das war ja gerade der Zweck, zu dem er die Sünder erkauft, dass er sie aus freien Stücken von dem Todesurteil wieder frei machen, sie aus dem Gefängnis herausführen könne. Hätte unser Herr Jesus denen, die er mit seinem eigenen Blut erkauft, nicht vergeben wollen, sondern fortgefahren, ihnen die durch Adams Fall entstandene Schuld anzurechnen, so hätte sein Sühnopfer für sie keinen Wert gehabt; sie wären verflucht, verurteilt geblieben wie zuvor. Anderseits, hätte Gott uns vergeben, die Schuld einfach aufgehoben, so wäre Christi Tod überflüssig, also wertlos geworden; er hätte keine Schuld mehr getilgt.
Jedermann wird zugeben, dass Gott gerecht ist. Demnach war sein Urteil, das den Menschen des Lebens beraubte, kein zu strenges. War aber diese Strafe vor 6000 Jahren gerecht, so ist sie es auch heute noch und wird sie es bleiben für alle Zeit. War die Strafe zu streng, und hebt Gott sie ohne weiteres auf, so war Gott entweder damals oder ist Gott jetzt ungerecht. War es vor 6000 Jahren gerecht, den Menschen um der Sünde willen des Lebens zu berauben, so wäre es für alle Zeit ungerecht, ihm das Leben wieder zu schenken, es sei denn zuvor die Schuld durch Darlegung des Betrages regelrecht getilgt worden. Und dies konnte einzig und allein geschehen durch die freiwillige Hinopferung eines Wesens der selben Art, dessen Recht aufs Leben nicht verwirkt war.
Eben weil Gottes Gerechtigkeit unabänderlich ist und fest gegründet wie die Berge, setzen wir ein so festes Vertrauen auf seine Verheißungen. Die Schrift erklärt, er sei derselbe, – gestern, heute und für immer; es sei bei ihm keine Veränderung noch ein Schatten von Wechsel (Jak. 1:17). Wäre er so veränderlich, dass er zu Adams Zeit das Geschlecht zum Sterben verurteilt, sechs (Tausendjahr -) Tagen später aber sein Urteil widerrufen hätte, was hätten wir für einen Verlass, dass er nicht nach abermals sechs (Tausendjahr -) Tagen, oder vorher, oder auch später, seine Begnadigung widerrufen und alle oder einige wiederum in den Kerker des Todes zurückschicken würde? Als ein Geschlecht von Sündern gibt es für uns Hoffnung auf ein zukünftiges ewiges Leben nur auf Grund der Tatsache, dass durch Gottes Gnade Christus für uns starb und so die gegen uns stehende Forderung der Gerechtigkeit tilgte.
So wird uns denn von Gott vergeben und das Leben geschenkt dank seiner eigenen Vorkehrung, dank Christo, der unsere Schuld getilgt und damit den Anforderungen der Gerechtigkeit genügt hat. Unser Herr Jesus aber, der uns erkauft hat, er vergibt aus freien Stücken jedem, der durch ihn zum Vater kommen will.
Das Ergebnis des Planes Gottes für uns ist mithin ein sehr günstiges: es ist gerade, als hätte uns der Vater bedingungslos und ohne Lösegeld vergeben, und befähigt uns außerdem, das ganze Verfahren zu erkennen, zu verstehen, wie wir, da doch unsere Sünden blutrot sind, weißer gemacht sind denn Schnee, und wie Gott gerecht bleiben und gleichwohl uns gerecht machen und uns aus der Haft entlassen kann. Dadurch hat uns Gott eine sichere Grundlage beschafft für unseren Glauben und unser Vertrauen.
Tilgt denn nicht des Menschen Tod seine Schuld?
Nun gibt es aber nicht wenige, denen, wenn sie einmal erkannt haben, dass der Sünde Sold der Tod ist, nicht die ewige Qual, der große Widersacher weiß zu machen sucht, dass alsdann jeder dadurch, dass er stirbt, seine Schuld bezahlt. Damit beseitigt (oder sucht zu beseitigen) der Widersacher den Glauben an die Notwendigkeit eines Erlösers und eines Lösegeldes, indem ja jeder durch Erleiden seiner Strafe seine Schuld bezahle. Danach hätte die Gerechtigkeit vom Menschen nichts weiter zu fordern, als dass er den Tod erleide, und somit sei die Auferstehung ganz in der Ordnung, ganz selbstverständlich, und die Forderung eines Lösegeldes wäre ungerechtfertigt seitens der Gerechtigkeit, da dieses einer doppelten Bezahlung der Schuld gleichkäme.
Dieser Trugschluss ist ermöglicht worden durch die irrige Vorstellung, wonach der Tod nur ein vorübergehendes Ereignis, ein Vorgang ist. In Wirklichkeit ist aber der Tod an sich ein Zustand, der Zustand des Nichtseins, und nur dank Gottes Heilsplan ist der Tod das letztere nicht mehr, sondern bloß ein Schlaf. Der Tod ist nicht ein Durchgangspunkt, sondern der Endpunkt der Existenz der gefallenen adamitischen Natur des Menschen, und die Auferweckung ist die Verleihung eines erneuten Wesens (Daseins) an den Menschen.
Die Schlussfolgerung beruht aber nicht auf obiger irriger Voraussetzung; sie ist zudem durchaus schriftwidrig. Die Schrift erklärt vielmehr, dass wir eines Erlösers bedürfen, dass dieser ein Lösegeld für uns bezahlen musste, sollten wir anders aus der Strafe für Adams Sünde entlassen werden können und Anspruch auf ein zukünftiges Leben haben. Wir wollen hier nicht wiederum alle einschlägigen Bibelstellen anführen, sondern nur nachzuweisen suchen, dass richtiges Denken und heilige Schrift auch hier wiederum harmonieren, dass jenes zur Erkenntnis der Richtigkeit der Erklärung der Schrift führt, wonach der Tod unseres Herrn Jesus als unser Lösegeld nötig war, damit Gott gerecht bleiben und gleichwohl gerecht machen könne, wer an Jesum glauben, ihn als seinen Erlöser (Rückkäufer) anerkennen würde.
Die, Adam angedrohte Strafe war nicht, bloß zu sterben, sondern tot zu bleiben. Die Strafe für die Sünde, der Sünde Sold ist nicht das Sterben, sondern der Tod, das Aufhören der Existenz. Die Seele (das Wesen), die da sündigt, die soll sterben (zu existieren aufhören), und dieses Aufhören hätte ewig gedauert, wenn nicht eine Erlösung von Gott erfunden, das Lösegeld von Christo Jesu bezahlt worden wäre. Dieser hat durch Tilgung der Schuld der göttlichen Gerechtigkeit genügt, die gestorbene und dahinsterbende Menschheit erkauft und wird sie mit Zustimmung der Gerechtigkeit zur vorbestimmten Zeit wieder auferwecken. Ohne diese Heilsvorkehrung, ohne Erlösungswerk wäre der adamitische Tod schon, was der Zweite Tod sein wird, d.h. „ewige Vernichtung hinweg von dem Angesicht des Herrn und der Herrlichkeit seiner Macht“.
Wer das einmal klar erfasst hat, für den wird es selbstverständlich, dass zur Bezahlung der Schuld alles nötig war, was ein Mensch hat und ist, dass nichts übrig bleibt, das Freude oder Schmerz zu empfinden imstande wäre. Die Lage des Menschen war deshalb dank der Sünde eine durchaus verzweifelte, und nichts konnte ihn aus derselben befreien als die Beschaffung eines hinreichenden Lösegeldes. Und dieses Lösegeld konnte nur aufgebracht werden durch bedingungslose, freiwillige, unwiederbringliche Drangabe einer schuldlosen, dem Tode nicht verfallenen menschlichen Natur. Der Tod bedeutete mithin für unsern Herrn Jesus die vollständige, ewige Vernichtung der menschlichen Natur. Seit seiner Auferstehung kennen wir daher Christum nicht mehr „im Fleisch“. Und dass der Preis (die menschliche Natur) bei der Auferstehung Jesu nicht zurückgenommen wurde, ist unsere Sicherheit dafür, dass alle Segnungen, alle Früchte des Lösegeldes der gesamten Menschheit (den Toten wie den Sterbenden) zu gute kommen werden, soweit den Bedingungen des Neuen Bundes nachgelebt wird. Alle Vollkommenheiten, alle Rechte und Ansprüche welche unserem teuren Erlöser in seiner Eigenschaft als Mensch gehörten, wurden statt Adams ursprünglich gleiche, dann aber verwirkten Rechte dahin geben und werden alsdann allen wiederum verliehen werden (zu gute kommen), die sie unter den von Gott gesetzten Bedingungen anzunehmen bereit sind. Dies geschieht „in den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von denen Gott durch den Mund aller seiner heiligen Propheten seit Anbeginn der Welt geredet hat“, und die gerade hiervon ihren Namen haben. – Apg. 3:19-21
„Welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zu Erkenntnis der Wahrheit kommen.“
– 1. Tim. 2:4 –
Manche, die zuvor, im Glauben an Menschenwort, ohne Nachprüfung an Hand der Schrift, geglaubt haben, ewige Qual sei der Sold der Sünde und alle verfallen ihr, die nicht reinen Herzens sind, zur kleinen Herde, zur auserwählten Kirche gehören, die aber jetzt von diesem schrecklichen Wahn geheilt sind, fallen nun leicht ins entgegengesetzte Extrem und ersetzen ihren Glauben an die ewige Qual durch einen Glauben an das ewige Heil aller.
Die Mehrzahl dieser Irrgläubigen verwirft die Lehre vom Lösegeld durchaus; einige aber stützen sich für ihren Glauben an diese Irrlehre gerade auf ihren Glauben an das Lösegeld, weil sie nicht recht verstehen, in welcher Weise das Lösegeld zu unsern Gunsten wirkt. Sie berufen sich dann auf obige Schriftstelle und denken: „Wenn Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, so ist die Sache in Ordnung. Die Zeit kommt, da auf Erden sein Wille ebenso gut geschieht wie im Himmel. Das Lösegeld, das der Mensch Christus Jesus bezahlt hat für alle, ist also eine Sicherung für die Durchführung der Absicht Gottes, alle zu retten. Ja durch Annahme des Lösegeldes ist Gottes Gerechtigkeit geradezu verpflichtet, alle Sünder zu retten und ihnen das in Eden verlorene ewige Leben wiederzugeben.“
Möge es uns gegeben sein, im folgenden darzulegen, worin der Trugschluss liegt.
Der Hauptfehler besteht darin, dass nicht alle einschlägigen Schriftstellen betrachtet und zur Bildung eines schriftgemäßen Urteils herangezogen werden. Außerdem aber werden die Schriftstellen, die diese Irrlehre stützen sollen, unvollständig zitiert und unrichtig ausgelegt.
Unser himmlischer Vater erklärt: „Ich habe keinen Gefallen am Tode des Sterbenden; so kehret um und lebet.“ – Hesk. 18:32
Dieses große Anerbieten, dass unser himmlischer Vater der verurteilten Menschenwelt macht, ist aber nichts neues; er ändert nicht; er hatte jederzeit diese gute Absicht mit seinen menschlichen Geschöpfen. Er hätte ja diese zu intellektuellen und sittlichen Maschinen machen können, die nicht frei gewesen wären, etwas seinem Wohlgefallen Zuwiderlaufendes zu wollen oder zu tun. Aber er wollte keine menschlichen Maschinen schaffen, sondern Wesen nach seinem eigenen Bilde, begabt mit der Freiheit, zwischen Gut und Böse zu wählen. Er sucht nicht die Verehrung solcher, die sie nicht verweigern könnten; er sucht sie nicht bei solchen, die dazu nur gezwungen würden, er sucht vielmehr nach seinem eigenen Wort (Joh. 4:23) die Verehrung solcher, die ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten, aus freien Stücken, aus Liebe, die Verehrung solcher, die seine Gerechtigkeit zu würdigen und hochzuschätzen imstande sind.
Gerade deshalb ließ Gott Adam die Freiheit, zwischen Gehorsam und Ungehorsam zu wählen. Und als Adam den Ungehorsam erwählt hatte, da fällte der selbe Gott, der kein Wohlgefallen hat am Tode derer, die da sterben, das Todesurteil und ließ dasselbe mehr denn 6000 Jahre lang an allen vollstrecken. Nun aber, nachdem er eine Erlösung gefunden in Christo Jesu, die jedem einzelnen Menschen eine Gelegenheit verschafft, wieder mit Gott in Einklang zu kommen und durch Christum ewiges Leben zu erlangen, muss er wie zuvor die Darlegung dieses ewigen Lebens an bestimmte Bedingungen knüpfen. Diese Bedingungen sind im Neuen Bunde ein erneutes Herz, eine aufrichtige Gesinnung gegen Gott und ein absoluter Gehorsam ihm gegenüber. Die Erfüllung dieser Bedingungen ist aber unmöglich ohne die Hilfe des Mittlers des Neuen Bundes. Darum lesen wir (Joh. 3:36): „Wer dem Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt (folgt), wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“
Dies stimmt sowohl mit der Aussage der Schrift, dass Gott kein Wohlgefallen hat am Tode dessen, der da stirbt, als mit derjenigen, dass Gott wolle, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Wer dieses Anerbieten der göttlichen Huld in Christo zurückstößt, verschmäht damit die göttliche Gunst und wird sicher des Zweiten Todes sterben, der da der Sold, die Strafe ist für seine Bevorzugung der Sünde vor der Gerechtigkeit.
Im übrigen sagt der hier betrachtete Text nichts von einem ewigen Heil, sondern er spricht von einer Errettung aus der Unwissenheit, Blindheit und Gefallenheit, die über die Menschheit gekommen ist infolge der Sünde Adams. Nur was Vater Adam verloren hat, das soll wiederhergestellt werden. Und er hat nicht ewiges Leben verloren; denn wiewohl er eines vollkommenen Lebens sich erfreute und der Tod ihm nichts sollte anhaben können, so war er eben doch nur auf Probe in Eden und sollte dort durch seinen gehorsam eine gottähnliche Gesinnung entwickeln, die ihn ewigen Lebens würdig gemacht hätte.
Wenn also Adam und seine Nachkommen vom Fluche des Todes zurückgekauft worden sind, so bedeutet dieser Rückkauf, diese Errettung vom Todesurteil nicht die Verleihung ewigen Lebens, sondern einer gleich günstigen Gelegenheit, wie Adam sie hatte, um sich des ewigen Lebens würdig zeigen zu können.
Diese neue Gelegenheit wird sogar in gewisser Beziehung günstiger sein als es die erste gewesen war, wegen der großen Zunahme der Erkenntnis. Der Mensch wird vollauf Gelegenheit gehabt haben, die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde zu kosten; er wird alsdann Gelegenheit bekommen, die Vorzüge der Gerechtigkeit und der Gnade Gottes in Christo zu schmecken. Die gemachten Erfahrungen werden jedem, der sich davon wird belehren lassen wollen, von nutzen sein, wenn er, im Tausendjährigen Reich, daraufhin auf die Probe gestellt wird, ob er auch ewigen Lebens würdig sei, wenn tausend Jahre lang die ganze Menschheit vor dem großen weißen Thron auf ihre Würdigkeit geprüft wird. – Offb. 20:4
Diese Errettung vom Fluch, diese Beschaffung einer günstigen Gelegenheit zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen, ist es, die Gott will. Hierzu hat er den Mittler bestellt zwischen ihm und den Menschen, den Menschen Christus Jesus, der sein Leben hingab als Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zur vorbestimmten Zeit verkündigt werden sollte.
Vergleiche mit unserer Stelle (1. Tim. 2:4), was Paulus in Römer 11:26 schreibt: „Und so wird ganz Israel errettet werden“. Dort ergibt sich ebenfalls aus dem Kontext, dass Israel nicht auf ewig gerettet werden soll, sondern dass es von seiner Blindheit (Verstockung) geheilt werden soll, in die es als Volk geraten zur Strafe für seine Verwerfung des Messias. Gott will also nicht nur alle Menschen wieder frei machen von dem gerechtermaßen über sie verhängten und an ihnen vollstreckten Todesurteil, welches der Erprobungszeit Adams ein Ende machte (dieser Teil seiner Absicht ist durch den Opfertod seines Sohnes erfüllt worden), sondern er will außerdem, dass alle Menschen wieder geheilt werden sollen von der Unwissenheit und Verblendung, womit Satan seit dem Fall ihre geistigen Fähigkeiten verdunkelt hat: „Der Gott dieser Welt hat denen, die nicht glauben, den Sinn verblendet, damit ihnen nicht scheine der Lichtglanz des herrlichen Evangeliums des Christus, der da Gottes Bild ist.“ (2. Kor. 4:4) Auf diese Weise will Gott alle freimachen von all dem Tross von Übeln, die auf Adams Fall und Verurteilung folgten, auf dass sie Kenntnis erhalten von der Wahrheit. Warum will er dies? Damit sie, im Besitze einer klaren Erkenntnis der Wahrheit, bei ihrer Erprobung auf ihre Würdigkeit ewig zu leben, möglichst gut bestehen. Um diesen Teil des Willens Gottes auszuführen wird der Messias sein 1000-jähriges Regiment antreten, dessen erste Verrichtung die Bindung Satans ist, damit von außen her keine bösen Einflüsse mehr an die Menschen herantreten. Alsdann werden die Menschen von ihrer Blindheit geheilt werden, wie geschrieben steht: „Die Augen der Blinden sollen aufgetan werden.“ – Jes. 35:5 – Aus demselben Grund, d.h. um die Chancen der Menschen bei ihrer Erprobung zu verbessern, wird dieses Erprobungswerk schrittweise vor sich gehen und im ganzen tausend Jahre dauern.
Das Verhältnis der Gerechtigkeit zum Lösegeld
Ein anderer Trugschluss, der auch etwa vorkommt, ist der, dass Gott nun, nachdem das Lösegeld bezahlt ist, durch seine eigene Gerechtigkeit gebunden, verpflichtet sei, jeden Menschen wiederherzustellen. Gott ist durchaus keine Verpflichtung eingegangen gegenüber der Menschheit; er hat diese bloß unserem Herrn Jesus Christus verkauft, welcher, wie wir gesehen, sie mit seinem eigenen kostbaren Blut gekauft hat. Der himmlische Vater hat keine Verantwortlichkeit für das Geschlecht übernommen; er hat mit demselben nichts mehr zu tun; er beabsichtigt nicht einmal, dasselbe auf die Probe zu stellen, um zu sehen, ob es sich ewigen Lebens würdig erweise oder nicht. Im Gegenteil, die Schrift bezeugt ausdrücklich, dass er die ganze Angelegenheit seinem Sohne überlasse, der das Geschlecht erkauft hat, daher dessen Haupt, Regierender, Eigentümer, Richter, Prophet (Verkünder der Wahrheit), Priester und König ist und im Einklang mit des Vaters Plan die nötigen Vorkehrungen trifft, um die Herauswahl des Evangeliums-Zeitalters sich selbst gleich zu machen, damit sie teilnehmen können an dem großen Werk, die Welt aufzuklären und die Gehorsamen wieder herzustellen.
Es ist aber nicht aus Mangel an Interesse, dass der himmlische Vater das ganze Geschlecht unserem Herrn Jesus überlassen hat, sondern nur aus Achtung vor den Anforderungen seines eigenen Gesetzes. Die göttlichen Gesetze sind unbeugsam; sie gestatten auch nicht den geringsten Grad von Unvollkommenheit oder Sündhaftigkeit. Sie sind eingerichtet für vollkommene Wesen, denn nie hat unser himmlischer Vater etwas Unvollkommenes erschaffen. Jede Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit ist eine Entartung, die nach dem Schöpfungsakt eintrat. Würde der Vater ein wenig Sündhaftigkeit im Menschen zulassen oder mit unvollkommenen Menschen direkt handeln, so würde das entweder die baldige Verurteilung derselben als unvollkommene und unwürdige Wesen zur Folge haben oder aber eine mit den Gesetzen seines Reiches im Widerspruch stehende Duldung und Begnadigung der Sünde bedeuten. Um also einerseits den Menschen eine gute Gelegenheit zu verschaffen und doch anderseits sich an seine eigenen Gesetze zu halten, hat der Vater das ganze Geschlecht in die Hand Jesu, unseres Erlösers verkauft. Jesus kann mit dem Geschlecht in der Weise verfahren, dass er denen, die zwar unvollkommen sind, aber nach Vollkommenheit streben, Gnade für Recht angedeihen lässt, und das so lange, bis er sie schrittweise aufwärts geführt hat bis zur Vollkommenheit, bis ans Ende des Millenniums, an welchem Zeitpunkt die, so dem großen Propheten gehorchen, zubereitet sein werden, um aus der Hand ihres Mittlers in die des Vaters entlassen zu werden, nachdem sie durch Christum den vom göttlichen Maßstab geforderten Grad der Vollkommenheit werden erreicht haben. Alle anderen werden durch den Zweiten Tod dahingerafft werden. (Apg. 3:23) Gerade weil selbst nach Tilgung der alten Schuld unsere gegenwärtige Unvollkommenheit uns vor dem Richterstuhl des Vaters und seiner Gerechtigkeit ein zweites Todesurteil zuziehen würde, warnt der Apostel so ernstlich, dem Spielen mit der uns in Christo gebotenen Gelegenheit zu entrinnen, indem er sagt: „Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ (Hebr. 10:31) Die göttliche Gnadenvorkehrung für die Sünder kennt keine andere Gnade als die in und durch Christum, unsern Mittler und sein Werk der Wiederaussöhnung und Wiederherstellung; von diesem Ausweg abgesehen ist Gottes Gesetz starre Gerechtigkeit, unnachsichtig, ein verzehrendes Feuer für alles, was von der Vollkommenheit abgefallen ist.
Wer ist, der nicht einsehe, dass, wenn Gott mit den Sündern verkehren, ihre Sünden zulassen, sich mit ihren gutgemeinten, aber unvollkommenen Anstrengungen begnügen könnte, es eines Erlösers (Rückkäufers), eines neuen, mit seinem Blute versiegelten Bundes nicht bedurft hätte?
Könnten in dem Falle nicht auch die heiligen Engel mit Recht sagen, wenn sie wollten: „Gott hat dem Menschengeschlecht eine Sünde übersehen; er wäre wohl uns gegenüber nicht weniger gnädig; wenn wir es wünschen, so sind wir mithin frei, eine Sünde zu begehen; wir können seitens der göttlichen Gnade auf Verzeihung zählen; Gott wird uns nicht wegen einer Sünde aus seiner Gesellschaft stoßen?“ So bestände in aller Ewigkeit die Gefahr weiter, dass diejenigen unter den sittlichen Geschöpfen Gottes, die noch nicht in Sünde gefallen, sündigen könnten. Jeder, der in dieser Weise für die Entschuldigung der Sünde sich darauf verlassen könnte, dass die göttliche Gnade das Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit durchlöchern würde, gäbe einen neuen Präzedenzfall, so dass schließlich ein heiliger Engel nach dem andern auf Probe sündigen und sich die Sünde von Gott verzeihen lassen würde. So kann es uns denn nicht verwundern, dass Gott im wohlverstandenen Interesse aller seiner heilig gebliebenen Geschöpfe und zu seiner eigenen Freude bestimmt hat, in jeglichem Geschöpf nur die Vollkommenheit gutzuheißen, und dass er die Gerechtigkeit zur Grundlage seines Thrones gemacht hat. – Psalm 89:14
Kein anderer Name, in welchem wir errettet werden können.
So erkennen wir denn deutlicher als je zuvor, dass jede Bezeugung göttlicher Gnade dem gefallenen Geschlecht nur in und durch Christum zu gute kommen kann, dass der himmlische Vater persönlich und unabhängig vom Sohne niemanden begnadigt, und dass „kein anderer Name unter dem Himmel gegeben ist unter den Menschen, durch welchen wir könnten gerettet werden“. (Apg. 4:12) Wir erkennen im ferneren, dass das Werk des Heilandes damit noch nicht hinausgeführt war, dass er das Geschlecht zurückkaufte, sondern dass er vielmehr noch der große Arzt seiner Erkauften sein, sie von der Erbsünde heilen, sie neu zum Leben bringen, ihnen die Vollkommenheiten ihrer Natur alle anerziehen muss, um, nachdem er tausend Jahre an dem Geschlecht erzieherisch gearbeitet, alle diejenigen, die gehorchen wollen, zubereiten zu können, dass er sie am Ende des Millenniums als vollkommene Geschöpfe dem Vater vorstellen kann. – 1. Kor. 15:28
So wollen wir denn noch untersuchen, ob der Mittler, in des Hände „alle Gewalt“, zu retten, gelegt ist, beabsichtigt, die, so er erkauft, alle auf ewig zu retten, oder ob er diese Errettung an bestimmte Bedingungen geknüpft hat. Da finden wir in der Schrift denn auch in der Tat, dass gewisse Bedingungen gestellt werden. In Jeremia, Kap. 31, z.B. lesen wir bei der Beschreibung des Tausendjahr-Zeitalters als derjenigen Zeit, in welcher Adams Fluch hinweggenommen, die Menschen ihm nicht mehr unterstellt sein werden, und das Sprichwort nicht mehr gelten soll: „Die Väter haben Herlinge gegessen, und den Kindern sind darauf die Zähne stumpf geworden.“ – da lesen wir (Vers 29, 30), dass jeder, der alsdann stirbt, um seiner eigenen Sünde willen sterben wird, und nicht um der Sünde eines andern willen. Wir finden ferner in Psalm 37:9 die Erklärung, dass, wenn der Herr die Nationen regieren wird, der Übeltäter hinweggerafft werden soll. Wir finden, dass der Apostel Petrus, nachdem er von diesen Zeiten der Erquickung und der Wiederherstellung, eben dem Tausendjahr-Zeitalter gesprochen, erklärt: Alsdann wird es geschehen, dass, wer jenen Propheten (den erhöhten Christus – Haupt und Leib) nicht hören (ihm nicht gehorchen) wird, aus der Mitte des Volkes hinweggerafft wird – durch den Zweiten Tod. – Apg. 3:19-23
Und wiederum auf Moses als das Vorbild jenes großen Propheten hinweisend, schreibt ein anderer Apostel: „Jemand, der das Gesetz Moses verworfen hat, stirbt ohne Barmherzigkeit; … wie viel schwererer Strafe, meinet ihr, wird der Wert geachtet werden, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch welches er geheiligt worden ist (Gott annehmbar, gerecht gemacht worden ist), für unheilig (etwas Gewöhnliches) gehalten und den Geist der (göttlichen) Gnade verschmäht hat? Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen! Denn wenn wir mit Willen sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit (die Erkenntnis der Gnade Gottes in Christo, zu welcher Gott alle einmal führen will) empfangen haben, so bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig (das Lösegeld für Adams Sünde deckt keine absichtlichen Sünden gegen volles Licht und volle Erkenntnis), sondern ein bestimmtes, furchtvolles Erwarten des Gerichts (der Vergeltung) und ein Feuereifer, der die Widersacher verzehren wird.“ – Hebr. 10:26-31
Hier werden wir belehrt, dass Widersacher des gegenbildlichen Moses (des erhöhten Christus) auf viel schrecklichere Weise verzehrt oder vernichtet werden sollen, als die einstigen Widersacher Moses (die Rotte Korah). Aber wenn doch schon die Widersacher Moses mit dem Tode bestraft wurden, was bleibt denn noch für eine schwerere Strafe für die Widersacher des Christus? Die von Moses verhängte Strafe kürzte nur das Restchen Leben ab, das seine Widersacher von Adam geerbt hatten; das Wesen, die Person, welche Gott zurückzukaufen beabsichtigte und später durch Christi Sühnopfer auch tatsächlich zurückkaufte, konnte die Strafe Moses nicht treffen. Wer aber, nachdem er erkannt, dass er zurückgekauft, dem gegenbildlichen Moses den Gehorsam verweigert, dem werden nicht ein paar Jahre eines schon verwirkten Lebens, sondern die Existenz, das Wesen, die Seele überhaupt, auf immer und unwiederbringlich genommen. Solche, wie alle Widersacher werden verbrannt werden als Spreu, als Dornen und Disteln, als die da das Land hindern.
Gleicherweise bezeugt das ganze Neue Testament aufs bestimmteste, dass der Mittler das gegen die Sünde gerichtete Gesetz Gottes strikte durchführen, dass nur Schwachheit und Unwissenheit als Entschuldigung für die Übertretungen dieser festen Regeln gelten, dass das Wiederherstellungswerk des Tausendjahr-Zeitalters diese Schwachheit und Unwissenheit befestigen, dass alsdann die Forderungen des Gesetzes der Gerechtigkeit höher und höher gestellt werden, und dass schließlich am Ende des Tausendjahr-Zeitalters unser Herr Jesus an alle, die noch übrig bleiben werden, einen ebenso strengen und unbeugsamen Maßstab legen wird als der himmlische Vater. Bei dieser Erprobung werden alle dem Zweiten Tod anheimfallen, welche Sünde in irgend einer Form oder irgend einem Grad tun oder lieb haben. Denn alsdann werden die Würdigen unter den Menschen die Vollkommenheit erlangt haben, und die Gerechtigkeit wird mithin auch berechtigt sein, diese Vollkommenheit in Worten, Werken und Gedanken zu verlangen.
So wird denn Gottes Wille auf Erden geschehen sein wie im Himmel. Denn es ist Gottes Wille, dass alle vom Fluche Adams geheilt werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen sollen; es ist ferner Gottes Wille, dass allen Gehorsamen ewiges Leben geschenkt wird; es ist endlich Gottes Wille, dass alle Ungehorsamen hinweggerafft werden aus der Mitte des Volkes. Auch hierin muss der Wille Gottes auf Erden geschehen so gut wie in den andern Punkten.
Einige behaupten zwar, dass, da der Zweck des Lösegeldes die Heilung des ganzen Geschlechts vom Schaden Adams ist, eine plötzliche Wiederherstellung der Vollkommenheit der menschlichen Natur zu erwarten sei. Aber diese Erwartung entspricht weder der Schrift noch den Anforderungen der Vernunft. Gar nichts deutet eine solche Plötzlichkeit der Vollkommenmachung an; vielmehr gibt sie zu verstehen, dass das Werk der Wiederherstellung schrittweise vor sich gehen werde. Die Neigung, an eine plötzliche Wiederherstellung zu glauben, kommt her von mangelhaftem, unrichtigem Denken, wobei von der Voraussetzung ausgegangen wird, dass, weil Adam als vollkommener Mensch auf die Probe gestellt worden, so auch sein Geschlecht als vollkommene Menschheit auf seine Würdigkeit, ewig zu leben, geprüft werden müsse, um gleich gute Chancen zu haben. Wir werden indes nachweisen, dass die Aussichten des Geschlechts viel besser sind, wenn es, so lange es noch unvollkommen, auf die Probe gestellt wird. Der weiteren unrichtigen Voraussetzung, dass die, allen Menschen gemeinsamen Schwachheiten und Unvollkommenheiten ebenso viele Hindernisse, Gott zu gehorchen, für die Zurückgekauften bedeuten würden, werden wir den Beweis entgegenhalten, dass Gott für Beseitigung dieser Hindernisse schon gesorgt hat.
Würde die Menschheit durch plötzliche Vollkommenmachung auf ihren Ausgangspunkt, die Vollkommenheit Adams zurückversetzt, so wären die Folgen:
1. Dass sofort von ihr vollkommener Gehorsam gegenüber dem vollkommenen Gesetz verlangt werden müsste, und keine Entschuldigung für die geltend gemacht werden könnte, so wenig wie seiner Zeit für Vater Adam. Einige wenige würden dank den schlimmen Erfahrungen, die sie jetzt mit der Sünde zu machen Gelegenheit haben, eine so schwere Probe wohl bestehen; aber weitaus die Mehrzahl wüsste von der Sünde und ihren Folgen gerade so wenig als Adam davon wusste, weil erstlich die größere Hälfte der Menschheit überhaupt im Kindesalter stirbt, und sodann ein großer Teil nie zu einer klaren Unterscheidung von Gut und Böse gelangt ist.
2. Dass die große Mehrzahl keine Gelegenheit hätte, die Segnungen der Rechtschaffenheit kennen zu lernen. Während 6000 Jahren hat die Welt die Sündhaftigkeit der Sünde und deren schlimme Folgen kennen gelernt; die Vorteile, die die Rechtschaffenheit bietet, kennen zu lernen, dazu fehlte es an Gelegenheit. Die werden die Menschen eben im Tausendjahr-Reich erhalten.
3. Dass die im ersten Leben gemachten Erfahrungen von keinem Nutzen für sie wären. Plötzlich zur Vollkommenheit zurückgeführt, wäre das Geschlecht ein ganz neues Geschlecht, keiner wäre imstande, sich selber wiederzuerkennen, in sich den einst mit allerhand Schwachheiten und Unfähigkeiten behafteten unvollkommenen Menschen zu erkennen. Die Kinder erst recht wüssten gar nicht, wer sie sind. Wollte Gott so verfahren, so hätte er ebenso gut Millionen Menschen erschaffen und sie alle in Eden auf die Probe stellen können, statt sie einer Weise wiederherzustellen, in der sie von ihren früheren Erfahrungen keinen Nutzen hätten.
4. Dass der Herauswahl und ihrem Haupt die Gelegenheit genommen würde, als der Same Abrahams die Welt zu segnen, sich an ihr als die königliche Priesterschaft zu erweisen. (Gal. 3:16, 29) Da doch Gott für eine solche königliche Priesterschaft gesorgt, so müssen welche da sein, die sie aufzurichten und zu unterrichten hat, von denen sie Sühnopfer und Schuldopfer entgegen zunehmen hat, denen sie Gnade und Vergebung zu Teil werden lassen kann. Hierzu hätte sie keine Gelegenheit, wenn beim zweiten Advent das Wiederherstellungswerk ein plötzliches wäre; denn vollkommene Menschen bedürfen keiner Aufrichtung, keines Unterrichts, keiner Opfer, keiner Gnade und keiner Vergebung.
5. Dass das Tausendjahr-Reich eine viel zu lange Zeit für das Wiederherstellungswerk wäre. Wozu so lange mit der Probe an vollkommenen Menschen warten? Ein Jahr wäre lange genug dazu.
6. Dass die Menschen nicht nach Gnade und Barmherzigkeit, sondern nur nach strengem Recht beurteilt werden könnten. Barmherzigkeit fände keinen Raum Angesichts gewollter, überlegter, absichtlicher Übertretungen seitens vollkommener Wesen. Außerdem würde jeder einzelne, der eine Übertretung sich zu schulden kommen ließe, das Todesurteil über sich heraufbeschwören als über einen willentlichen Sünder; es wäre mithin für solche kein Rückkauf möglich. Jeder wäre selber ein Übertreter und würde selber (persönlich, nicht infolge von Erbschaft) zum Tode verurteilt. In Adams Fall war es ganz anders; da schloss eines Menschen Ungehorsam seine ganze Nachkommenschaft ein, und ein anderer vollkommener Mensch wurde der Rückkäufer dieser Nachkommenschaft. Die Strafe für auch nur eine Übertretung eines einzelnen aufzuheben, würde je ein Menschenleben für jeden Übertreter erfordern. Eine Million Übertreter könnten nur durch den Opfertod von einer Million gerechter und heiliger Menschen wieder erkauft werden. Aber Gott hat keine neue Gnadenvorkehrung, die so schwere Opfer erforderte, getroffen; seine Gnadenvorkehrung in Christo ist hinreichend für alle Menschen. Diese hätten auch nach ihrer Wiederherstellung durch Christus nichts mehr zu gut von dessen Sühnopfer; sie hätten in der Wiederherstellung schon alles empfangen, was ihnen der Tod Christi an Gnadengaben erwirkt.
Nun lasst uns die Verständigkeit des göttlichen Vorsatzes (Planes), wonach die Wiederherstellung schrittweise vor sich gehen, mit der Zunahme des Einverständnisses des Menschen mit dem Schöpfer und seinen Gesetzen Schritt halten wird, und dessen Vorteile für die Menschheit betrachten.
1. Zunächst wird jeder aus dem Todesschlummer aufgeweckt, dies infolge des für ihn bezahlten Lösegeldes. Das ist die erste Stufe in der Wiederherstellung. Dann kommt er unter die Aufsicht und Fürsorge der königlichen Priesterschaft, deren Kampf mit der Sünde und Sieg über dieselbe während des Evangeliums-Zeitalters sie fähig gemacht haben, sich an denen, über die sie als Könige und Priester regieren soll, geduldig und hilfreich zu erweisen. – Offb. 5:10
Die Identität des einzelnen wird dadurch gesichert werden, dass ein jeder beim Erwachen aus dem Tode in die Umstände zurückkehrt, die er im Augenblick des Todes aus den Augen verlor, und die verschiedenen Stufen, die er auf seinem aus der Sünde heraus führenden Pfade zu durchlaufen haben wird, die Schwachheiten, die ihm ehedem (im gegenwärtigen Leben) angehaftet, werden sehr nutzbringende Belehrungen für ihn darbieten, sowohl was die Schuldigkeit der Sünde, als auch was die Vorteile der Gerechtigkeit anbelangt. So wird der große Rückkäufer (Erlöser) den Menschen Schritt für Schritt der Vollkommenheit näher bringen, und jeder wird gerade so viele Fortschritte machen, als er selber machen will. Wer aber bei aller ihm vermittelten Kenntnis, bei aller ihm verschafften Erleichterung keine Fortschritte macht, wird im Alter von hundert Jahren durch den Zweiten Tod aus dem Lande der Lebendigen hinweg gerafft werden, ohne Aussicht auf Wiederherstellung und neue Gelegenheit. Denn wer die verschaffte Gelegenheit unbenutzt gelassen und Recht und Unrecht genügend unterscheiden gelernt hat, der verschmäht die in Christo angebotene Gnade Gottes, wenn er der Weisungen des großen Propheten nicht achtet und sich weigert, auf dem Hochweg der Heiligung Fortschritte zu machen (Jes. 65:20; 35:8). Nach der Andeutung des Propheten werden sie auch im Alter von 100 Jahren noch als Kinder gelten, da sie, wenn sie einige Fortschritte hätten machen wollen, wenigstens bis ans Ende des Tausendjahr-Zeitalters (des Millenniums) hätten leben können.
2. So lange nun die Welt auf dem während des Tausendjahrzeitalters eröffneten Hochweg zur Heiligung fortschreiten muss, also noch nicht vollkommen ist, bleibt sie für den Fehlbetrag (für das, was zu ihrer Vollkommenheit noch fehlt) gedeckt durch das Verdienst des Sühnopfers, sofern sie lernt, was sie bedarf, und verschiedene Früchte des (neuen) Geistes hervorbringt. Während dieser Zeit werden Verirrungen infolge von Versuchen, auf anderem Wege fortzukommen, als Folge ihrer von Adam ererbten Schwachheiten gerechnet und insoweit von dem großen Priester verziehen werden können.
Wer behaupten wollte, dass Vollkommenheit der Natur oder Vollständigkeit der Erkenntnis die notwendige Voraussetzung der Erprobung auf Würdigkeit, zu leben, sei, leugnet damit, dass die Herauswahl gegenwärtig auf ihre Würdigkeit geprüft wird: und doch bezeugt die Schrift deutlich, dass dies letztere der Fall ist. Solche Vollkommenheiten werden nicht einmal wesentlich sein bei der Erprobung der Welt. Die Menschen werden zuerst, wie es jetzt uns ergeht, zur Erkenntnis der Gnade Gottes in Christo gebracht werden, bevor sie irgend eine Probe werden zu bestehen haben. Diese Erkenntnis ist ihnen ausdrücklich verheißen, und zur Bedeckung ihrer vererbten Schwächen während ihrer Erprobungszeit wird dasselbe Kleid von Christi ihnen zugerechneter Gerechtigkeit dienen, das jetzt uns Auserwählte bedeckt, so lange wir in den uns durch die Schrift vorgezeichneten Schranken laufen.
3. Die Schrift bezeichnet das Tausendjahr-Reich als den Tag des Gerichts für die Welt. „Gott hat einen Tag gesetzt, an welchem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch jenen Mann, den er dazu bestimmt hat“ (den Christus, Haupt und Leib). – Apg. 17:31
Wäre es Gottes Absicht, alle Menschen zu zwingen, jeden einzelnen Nachkommen Adams zwangsweise zu retten, wie könnte alsdann das kommende Zeitalter der Tag des Gerichts genannt werden? „Gericht“ heißt „Erprobung“, „Prüfung“ und setzt ebenso sehr die Annahme und Segnung derer, die die Prüfung bestehen als die Verwerfung derer, die sie nicht bestehen, voraus. Ein jeder wird, sei es ewigen Lebens würdig, sei es ewigen Todes schuldig befunden werden.
Wir erinnern hier an das Gleichnis von den Schafen und den Böcken, das nicht im Evangeliums-Zeitalter, sondern im Millennium seine Anwendung findet. Darum beginnt dasselbe auch mit den Worten: „Wenn aber des Menschen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen und auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird“. Dies geschieht zu einer Zeit, da, der Verheißung gemäß, seine Auserwählten mit ihm erhöht sind und an seinem Reich und seiner Herrlichkeit als Braut teilhaben. „Dann werden vor ihm versammelt werden alle Nationen, und er wird sie scheiden (richten), gleichwie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen (in Gnaden annehmen) und die Böcke zu seiner Linken (ihnen die bisher erwiesene Gnade entziehen)“. Dieses Richten und Scheiden wird das ganze Tausendjahr-Zeitalter andauern, und erst am Schluss desselben werden „die Schafe“ in des Vaters Gunst, zu ewigem Leben zurückkehren, die ungehorsamen „Böcke“ dagegen samt ihrem Anführer dem Teufel und seinen Engeln (ungehorsam gebliebenen bösen Geistern) mit ewiger Vernichtung, unwiederbringlicher Abtrennung von der Quelle des Lebens, mit dem Zweiten Tod (im Bilde „Feuersee“) bestraft werden. – Matth. 25:31-46; 1. Kor. 15:24
Die Schrift stellt das Gericht jenes großen 1000-jährigen Gerichtstages dar als eine Verhandlung vor einem großen weißen Thron der Heiligkeit und Gerechtigkeit, und deutet an, dass nach Entscheidung des Richters diejenigen, welche während jener Zeit den Geist (die Gesinnung) des himmlischen Vaters, den Geist der Liebe sich gänzlich werden angeeignet haben, als des Herrn Volk betrachtet werden und das (irdische) Reich ererben sollen, das ihnen bereitet ist von Grundlegung der Welt an. Die andern aber, welche während der ihnen verschafften günstigen Gelegenheit verfehlt haben werden, die vom Geist der Liebe getragene Gesinnung ganz zur ihrigen zu machen, ganz dem Herrn gleich zu werden, die werden als des Herrn Widersacher gelten und mit Satan vernichtet werden. – Offb. 20:9-13
Lösegeld: Bürgschaft
Die Lehre von der Stellvertretung (Bürgschaft) ist zwar in der Schrift deutlich zu finden und ist auch jahrhundertlang von Christen geglaubt worden; jetzt aber fängt man auch da an, daran zu zweifeln, wo dies vorher nicht der Fall, weil infolge des genaueren Denkens von heutzutage man erkennt, dass, wenn ewige Qual der Sold der Sünde wäre, unser Herr Jesus, wenn er an unserer Statt die Schuld zu tilgen hat, dann eben ewige Qual leiden müsste, damit wir davon frei wären. Der Schluss ist durchaus richtig, aber die Voraussetzung ist falsch; denn nicht ewige Qual, sondern Tod (Vernichtung) ist der Sold der Sünde; auf Tod lautet der Schuldbrief der Menschheit. Aber die irrige Voraussetzung lässt bei manchen ihre Frucht zurück, auch wenn sie erkannt haben, dass Tod der Sünde Sold ist, dass unser Herr Jesus des Menschen Bürge im Tode war und sein konnte, dass er genau das erlitt, zu was der Mensch verurteilt war; die böse Frucht heißt Abneigung gegen das Wort „Stellvertretung“, „Bürgschaft“. Braucht es auch die Schrift, wenn sie von der Erlösung spricht? Darauf antworten wir:
Wo sie es nicht tut, rührt das von der Übersetzung her. Das griechische Wort, mit welchem die Rolle, die unser Herr Jesus auf sich nahm, bezeichnet wird, enthält den Begriff der Bürgschaft oder Vertretung an vielen Stellen. Das Original, der griechische Urtext ist aber maßgebend für den Gedanken seiner Verfasser, und daher ist es wichtig, dass überall, wo diesen der Begriff der Bürgschaft vorgeschwebt, dies auch in der Übersetzung bemerkbar sei, denn was mit dem Begriff der Bürgschaft im Widerspruch steht, das steht auch im Widerspruch mit dem Begriff des Lösegeldes. Wie wir schon gesehen, wiederholt die Schrift sehr oft, dass wir mit dem kostbaren Blut Christi erkauft sind, dass er uns erlöst hat, indem er sein eigenes Leben in den Tod gab, uns zu erkaufen. Was ist das anderes als Vertretung, Bürgschaft? Wenn etwas gekauft wird, so vertritt das, was dafür bezahlt wird, den gekauften Gegenstand. Z. B. wenn wir einen Laib Brot kaufen, so tauschen wir denselben ein gegen ein Geldstück; für den Verkäufer vertritt das Stück Geld den Laib Brot. Wenn ein Bauer einen Sack Weizenkorn in die Mühle trägt und dafür einen gleich gewerteten Sack Mehl empfängt, so ist das Mehl für den Bauer zum Vertreter des Weizens, der Weizen für den Müller zum Vertreter des Mehls geworden. Das eine ist der Gegenwert, das Lösegeld, der Vertreter des anderen. Genau so, als Gegenwert, Lösegeld, Vertretung, Bürgschaft, hat unser Herr, als Mensch Christus Jesus, sich selbst für Vater Adam (und das mit ihm verlorene Geschlecht) in den Tod gegeben. Ja, bei diesem Wertaustausch entsprechen sich die ausgetauschten Werte noch genauer als in jedem anderen, den wir beispielsweise anführen könnten. Am nächsten kommt ihm der Austausch von Gefangenen im Krieg. Da wird darauf gesehen, dass ein Mann gegen einen Mann, ein Oberst gegen einen Oberst, ein General gegen einen General freigegeben wird. Der Ankauf eines Brotes ist kein so genaues Bild dafür, denn da ist nur der Wert der ausgetauschten Gegenstände gleich, nicht aber ihre Natur, denn Brot ist nicht Geld, und Geld ist nicht Brot. Beim Rückkauf des Menschengeschlechtes verlangte Gott einen absoluten Gegenwert, der dem verlorenen Gegenstand in Natur, in Vollkommenheit, in allem gleich war, einen vollkommenen Bürgen, der den Gegenwert vollständig aufzubringen vermochte; vorher konnte das Todesurteil über das Menschengeschlecht nicht aufgehoben werden.
Ein Gebrauch des Wortes „Stellvertreter“ hat dazu beigetragen, die Begriffe hinsichtlich der Erlösung zu verwirren. In gewissen Ländern hat ein zum Militärdienst Einberufener manchmal das Recht, einen Stellvertreter zu suchen, der an seiner Statt Dienst tut. Der den Stellvertreter gefunden, ist dann von der Verpflichtung, selbst zu dienen, befreit. Bis zu einem gewissen Grade ist auch dies Bild freilich zutreffend. Der Stellvertreter muss sich körperlich zum Militärdienst ebenso gut eignen als der, den er vertreten soll, sodann muss er nicht schon selber einberufen wurde, sondern aus freien Stücken zu dienen in der Lage sein. So anbot sich unser Herr, Adams Stelle einzunehmen: er entsprach hierbei allen Anforderungen der göttlichen Regierung, indem er genau wurde, wie Adam gewesen war, und nicht schon zum Tode verurteilt war, als er an unsere Stelle trat und sein Leben anbot und als Lösegeld angenommen wurde. Er hatte ein vollkommenes Leben hinzugeben an Stelle des verwirkten Lebens Adams.
Aber hier hat die Übereinstimmung der zweierlei Vertretung ein Ende. Denn die Verpflichtung, die im Fall des Soldaten dessen Stellvertreter übernimmt, ist die Ableitung des Kriegsdienstes, im Falle Adams aber ist es die Hingabe des Lebens. Die Übereinstimmung zwischen beiden Fällen bricht also da ab, wo der Stellvertreter angenommen wird und in die Uniform schlüpft, was im Fall Jesu die Annahme (seitens Gottes) seines Anerbietens und die Hingabe (seitens Jesu) seines Lebens (symbolisch durch die Taufe im Jordan bekundet) war. Weil der Stellvertreter angenommen, wird der Name des Einberufene aus der Liste der Einberufene gestrichen; und als Christus für Adam den Tod schmeckte, wurde Adams Name im Schuldbuch gestrichen, sofern die Verurteilung durch Gott in Betracht fällt. Weiter geht die Übereinstimmung nicht.
Wir tun nun wohl daran, wenn wir nicht ohne zwingende Gründe solchen das Wort „Bürgschaft“ aufdrängen, deren Urteil infolge von mangelndem Verständnis befangen ist, und die daher, wegen dieser Befangenheit nicht imstande sind, den hier behandelten Gegenstand richtig und ungetrübt zu begreifen. Aber auf unsere eigenen Herzen müssen wir acht haben, dass wir da den Begriff der Bürgschaft durchaus festhalten, weil derselbe der Lehre vom Lösegeld zu Grunde liegt. Wer, nachdem er richtig verstanden, nicht glaubt, dass Christus unser Bürge, Stellvertreter ist, dem fehlt der Glaube an das Lösegeld, der ermangelt also des Glaubens, der vor Gott gerecht macht.
War kein anderer Heilsplan möglich?
Manche, die die Lehre vom Lösegeld nur unvollständig erfassen, sind geneigt; diese Frage zu bejahen. Sie behaupten, nicht einsehen zu können, warum Gott nicht vermocht hätte, die Welt auf eine andere Weise zu retten als durch den freiwilligen Tod seines Sohnes als Bürge oder Loskaufpreis für den Menschen. Solchen antworten wir, dass sie die Frage nicht richtig stellen. Es handelt sich nicht darum, ob Gott keinen anderen Weg hätte gehen können, sondern darum, ob Gott diesen oder aber einen anderen Weg ging.
Natürlich hätte die göttliche Weisheit auch einen anderen Plan für die Errettung der Menschheit ausfindig machen können. Aber wir können ganz bestimmt feststellen, dass kein besserer, ja, soweit wir sehen und verstehen, kein auch nur ebenso guter Heilsplan sich, selbst von dem Allmächtigen, hätte finden lassen, bei dem alle Voraussetzungen, Umstände und Ziele so schön mit einander übereingestimmt hätten. Der Umstand, dass Gott mit den gefallenen Engeln anders verfuhr, beweist, in unsern Augen, dass er auch mit den gefallenen Menschen anders hätte verfahren können. Er hätte z. B. es den Menschen gerade so machen können, wie den Engeln, aber das wäre, wie wir gesehen haben (siehe „Was sagt die heilige Schrift über den Spiritismus?“) nach dem Urteil vieler, nicht gnädiger, vielleicht weniger erwünscht gewesen.
Selbst angenommen, dass auf diesem Wege gleichviel Menschen hätten gesegnet und schließlich wiederhergestellt werden können, so wären doch folgende Übelstände aus diesem Verfahren erwachsen:
1. Wie viel schrecklicher wäre die sittliche Verkommenheit unseres Geschlechtes, wenn es, nachdem es sittlich Schaden gelitten, im Vollbesitz der ihm bestimmten körperlichen und geistigen Vollkommenheit geblieben wäre. Wenn wir sehen, wie viel Sünde der Mensch in zehn, zwanzig, fünfzig oder hundert Jahren zu lernen vermag, welche Tiefen der Bosheit hätte er da nicht ergründet, wenn er sechstausend Jahre, fern von Gott, aber nicht zum Tode verurteilt, fortgelebt hätte!
2. Solch ein Heilsplan hätte, selbst wenn er der gleichen Anzahl zu gute gekommen wäre, als der von Gott befolgte, uns nimmer so viel von den Eigenschaften des Charakters Gottes offenbart. Wie es jetzt ist, sehen wir:
a) Gottes Gerechtigkeit bei der Verhängung der Todesstrafe auch über die, so nicht gesündigt hatten, wie Adam, die nur in Ungerechtigkeit geboren, in Sünden empfangen, infolge Erbschaft geborene Sünder sind (Röm. 5:14, 12; Psalm 51:5). Er hat uns dadurch eine Gerechtigkeit offenbart, die den Schuldigen nicht freispricht, und vor der nur das Vollkommene bestehen kann.
b) Gottes Liebe, die uns nachging und, „da wir noch Sünder waren“, uns um den großen Loskaufpreis (das kostbare Blut Jesu Christi) wieder erkaufte. Wie hätten wir diese Liebe merken können, wenn er mit uns verfahren wäre, wie mit den gefallenen Engeln?
c) Gottes Allmacht; denn die Menschen zum Tode verurteilen, wiederum erkaufen und schließlich, zur rechten Zeit, wiederherstellen, ihrer 50.000 Millionen wiederbringen und zwar so, dass sie sich auch selbst wieder erkennen, das erfordert eine noch weit größere Macht als die Erschaffung eines einzigen Menschen, die doch auch schon ein großes Wunderwerk war.
d) Gottes Allweisheit. Kein anderes Verfahren, soweit wir uns solche vorstellen können, hätte uns einen so hohen Begriff von Gottes Weisheit geben können, als es der einmal durchgeführt Plan Gottes tun wird. Derselbe wird zeigen, wie er alle Dinge nach seinen eigenen Willen gelenkt, auch da, wo weder Engel noch Menschen den Zweck seiner Vorkehrungen erkannten, wo Satan und die gefallenen Engel seine Absichten zu durchkreuzen beabsichtigt hatten. Der Beweis wird unwiderleglich erbracht sein dafür, dass Gott imstande ist, alle Dinge zur Herbeiführung des Guten, zur Verwirklichung seines Vorsatzes zusammenwirken zu lassen. Schließlich wird erwiesen sein, dass das Wort, das aus seinem Munde geht, nicht leer zu ihm zurückkehrt, sondern ausrichtet, was ihm gefällt, und durchführt, wozu es gesandt ist. – Jes. 55:11
Endlich wäre, falls Gott mit der Menschheit das gleiche Verfahren eingeschlagen hätte wie mit den gefallenen Engeln, oder sonst einen andern Weg gegangen wäre, keine so gute Gelegenheit gewesen für die Auserwählung der Evangeliums-Kirche, die berufen war, der Leib Christi zu sein. Denn alsdann hätte der Logos die schwere Probe seiner Treue und seines Gehorsams gegen den himmlischen Vater abzulegen, den großen Preis, die göttliche Natur zu erwerben, – hätte die kleine Herde in seinen Fußstapfen zu wandeln – nicht die Gelegenheit gehabt.
Diese Belehrung ist nicht nur für die Menschheit von nutzen, sondern für alle vernunftbegabten Geschöpfe Gottes, nicht nur für einige Jahrhunderte, sondern für alle Ewigkeit.
„O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? … Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“ – Röm. 11:33, 36