Besondere irdische Verpflichtungen der Neuen Schöpfung
„Seid vorsorglich für das, was ehrbar ist vor allen Menschen.“ – „Seid niemandem irgend etwas schuldig.“ – „Leihet, ohne etwas dafür zu hoffen.“ – Christliche Höflichkeit. – „Sorget nicht für den morgenden Tag.“ – „Mein Ziel ist Christus, und Christus allein.“ – „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Königreich Gottes eingehe.“ – Versicherungen. – Konsum- und andere Genossenschaften. – Wer mitmacht, erhalte sich dabei ein gutes Gewissen. – „Mit der Zunge loben wir Gott und fluchen wir den Menschen.“ – Verpflichtungen gegenüber Mitmenschen. – „Seid ehrerbietig gegen alle Menschen.“ – Teilnahme an öffentlichen Wahlen, an Wohlfahrtsbestrebungen. – Das Tragen von Schmucksachen. – Der Schmuck, auf den wir hoffen, ist Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit.
Seid vorsorglich für das, was ehrbar ist vor allen Menschen.
Römer 12:17
Wenn es von den Neuen Schöpfungen heißt, sie seien der Welt abgestorben und leben Gott durch Jesum Christum, unseren Herrn, so ist das völlig zutreffend hinsichtlich der Hoffnungen, Bestrebungen und Wünsche der neuen Gesinnung. Diese Gesinnung kann sich aber nur durch das Organ des adamitischen Leibes betätigen, solange sie den ihr in der ersten Auferstehung zugedachten herrlichen Leib nicht hat; und daraus ergeben sich nun eine Anzahl Verpflichtungen der Neuen Schöpfung den Mitmenschen, der Mitwelt, gegenüber. Wie die irdischen Verpflichtungen gegenüber den Angehörigen nach dem Fleische und gegenüber dem Haushalte des Glaubens durch die Verwandlung der Gesinnung nicht vermindert, sondern vergrößert werden, so steht es auch mit gewissen Pflichten allen Mitmenschen gegenüber.
Jedermann sollte die Prinzipien des Rechtes und der Gerechtigkeit im Verkehr mit seinesgleichen beobachten; Neue Schöpfungen aber sind darin zu um so größerer Aufmerksamkeit verpflichtet, als sie diesbezüglich Belehrung in der Schule Christi empfangen. Wenn es passend oder recht ist, vorsorglich zu sein für das, was ehrbar ist vor allen Menschen, so haben Neue Schöpfungen um so achtsamer demgemäss zu handeln. Wird von anderen Menschen erwartet, dass sie ehrbar, wahrhaft, aufrichtig, ehrenhaft, edelmütig seien, wie viel mehr darf dies von Neuen Schöpfungen erwartet werden, und wie sehr sollten diese bestrebt sein, sich im Denken, Reden und Handeln möglichst dem vollen Maße der göttlichen Anforderungen zu nähern.
„Seid niemandem irgend etwas schuldig, als nur einander zu lieben“, ermahnt der Apostel weiter. (Röm. 13:8) Es würde gut sein, wenn dieser Rat des Apostels allgemein bekannt wäre und befolgt würde; und die Welt wird einmal gezwungen werden, es zu tun: im Tausendjährigen Reiche. Für die Neuen Schöpfungen aber hat dieser Rat schon jetzt Gesetzkraft, und sie sollen ihm daher nach Kräften nachzukommen suchen, wie sehr auch andere es daran gebrechen lassen mögen. Sogar dem Hause der Knechte, Israel nach dem Fleische, war vorgeschrieben, dass sie teilweise ein Darlehn überlassen, aber dem Nächsten nicht die Last eines verzinslichen Darlehns aufladen sollten (5. Mose 15:6), und dieser Grundsatz empfiehlt sich für jeden, der ein gesundes Urteil hat, als die Summe der Weisheit, einer Weisheit, welche, wenn es möglich wäre, sie der Welt gegenüber anzuwenden, für diese eine große Wohltat wäre, einer Weisheit, welche die Welt zwar gutheißt, der aber sehr wenige vom Volke Gottes oder von der Welt auch wirklich als unabänderlicher Lebensregel nachzuleben trachten.
Mit anderen Worten ausgedrückt: Jedes Glied der Neuen Schöpfung sollte nicht über seine Mittel hinaus leben. Wer täglich nur einen Taler verdient, sollte auch keinen Augenblick daran denken, mehr als einen Taler auszugeben, äußerste Notfälle vorbehalten. Er sollte seine Verhältnisse so gestalten, dass er mit seinem Verdienste auskommen kann, bis die Umstände sich zu seinen Gunsten ändern. Nachdem er sich dem Herrn geweiht und übergeben hat, sollte er, fest davon überzeugt, dass Gottes Vorsehung über ihm waltet, das ihm von Gott zur Verfügung Gestellte nach bestem Wissen und Gewissen verwalten und verwenden und dann glauben, dass Gott mit Gewährung dieses Maßes an Hilfsmitteln gerade sein Bestes im Auge hat. Er sollte also damit vollständig zufrieden sein, wie Schweres er auch ertragen müsste, und geduldig auf den Herrn hoffen, ob und wann auch seine Liebe und Weisheit ihm Erleichterung verschaffen werde.
Ist umgekehrt das Einkommen reichlich, so ist Maßhalten in der Lebenshaltung zu beobachten. „Lasset eure Mäßigung vor allen Menschen kund werden.“ Sparsamkeit gehört mit zum Haushalte Gottes. Der Herr und seine Apostel haben uns darin ein Vorbild gegeben, am deutlichsten bei der Speisung der Fünftausend und der Viertausend, wo der, der die Macht hatte, aus nichts Speise zu schaffen für die Volksmenge, gebot, die Brocken zu sammeln, „auf dass nichts umkomme“.
Je beschränkter die uns zur Verfügung stehenden Mittel sind, um so mehr sollten alle Ausgaben eingeschränkt werden, um sie nicht auf, sondern unter das Niveau der Einnahmen hinunterzudrücken, damit wir etwas für zukünftige Bedürfnisse oder als Dankopfer für den Herrn oder, wie der Apostel anregt, zur Aushilfe für solche beiseite legen können, welche es dringender bedürfen als wir selbst. Vertrauen auf den Herrn schafft Zufriedenheit, und diese schafft Gemütsruhe und Herzensfrieden. Wenn dies die Mahlzeit würzt, schmecken Brot und Wasser oder Salzkartoffeln besser und schaffen mehr Gutes als reichlichere Nahrung in einem anderen Geiste genossen. Vertrauen schafft auch Dankbarkeit und ermöglicht einem Kinde Gottes, auch wenn es auf das allerärmlichste ausgestattet ist, dem Geber aller guter Gaben fortwährend zu danken, indem es fortfährt, in allen Angelegenheiten des Lebens sein Vertrauen auf Gott zu setzen. Damit ist nicht gemeint, dass eine Verbesserung seiner Lage dem Kinde Gottes gleichgültig sein soll, wenn sie auf ehrliche Weise erreicht werden kann; im Gegenteil, es wird eine solche Gelegenheit als eine neue Wohltat des Gebers aller guten Gaben ansehen und mit Dank zu ihm benutzen, in der Meinung, dass sie zu weiterer Belehrung durch den Meister führen wird.
Die Ermahnung: „Seid niemandem irgend etwas schuldig als nur einander zu lieben“ bedeutet, dass, wenn wir zu irgendeiner Zeit aus Unachtsamkeit, diesem Grundsatze voll göttlicher Weisheit zuwider, jemandem etwas schuldig geworden sind, wir auf jegliche ehrenhafte Weise bestrebt sein sollen, unsere Schuld abzutragen. Wenn jedoch die Schuld von schlechtem Geschäftsgange herrührt, wenn der Gläubiger sein Darlehn wissentlich auf die Gefahr hin, es zu verlieren, um möglichen Gewinnes willen gemacht hat, wenn Unglück und nicht Trägheit oder grobe Nachlässigkeit die augenblickliche Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt hat, und insbesondere, wenn das Anleihen gemacht worden ist, bevor die Zeugung zur Neuen Schöpfung stattfand, so ist es für diese kein Unrecht, ihre Zuflucht zur Konkurserklärung zu nehmen. Die Verjährung der Schulden ist im göttlichen Gesetze vorgesehen, sie fand je im Sabbat- und im Halljahre statt. Die Welt hat diesen richtigen Grundsatz anerkannt, und viele Gesetzgebungen enthalten ihn in dieser oder jener Form. Auch das gehört zu den guten Gaben, die das Kind Gottes mit gutem Gewissen aus der Hand des himmlischen Vaters annehmen darf. Freilich wird die Neue Schöpfung, falls ihre Umstände durch die Güte Gottes später sich bedeutend verbessern und ihr die Rückzahlung ihrer Schuld gestatten, diese aus Gehorsam gegen das Gebot der Nächstenliebe vornehmen und sich dann nicht mehr auf die Verjährung nach menschlichem Gesetz berufen.
Ganz anders liegen die Dinge, wenn die Schuld nicht ein geschäftliches Darlehn, sondern einen Freundschafts- oder Liebesdienst eines anderen zum Ursprung hat, wobei der Freund hat aus der Not helfen und keinen Gewinn machen wollen. Eine solche Schuld verjährt für das Gewissen der Neuen Schöpfung zeitlebens nicht, und die Bemühungen, sie zurückzuzahlen, sollen in allem und jedem fühlbar sein. Allein Neue Schöpfungen, welche unter dem Einfluss des Geistes und Wortes Gottes stehen, und den Geist eines gesunden Sinnes haben, werden solche Schulden überhaupt nicht machen, sondern es als eine Maßregel des Herrn ansehen, dass sie mit ihren eigenen Mitteln auszukommen lernen sollen. Nicht anwendbar ist jedoch dieser Grundsatz auf Hypothekaranleihen: solche bedeuten den Verkauf eines Teiles des Grundeigentums mit dem Vorbehalt, diesen Teil zu gelegener Zeit (durch Rückzahlung der Hypothek) wieder zurückzukaufen.
Witwen und Waisen sind weder nach göttlichem noch nach menschlichem Recht verantwortlich, Schulden des verstorbenen Familienhauptes zu übernehmen, es sei denn, sie hätten zu dessen Lebzeiten ihre ausdrückliche Zustimmung zu den Ankäufen gegeben, aus denen die Schuld herrührt. Für seine Schulden haftet das Familienhaupt bis zu seinem Tode (ausgenommen die gesetzlichen Ansprüche der Angehörigen); aber mit seinem Tode fällt eine solche Schuld dahin, es sei denn, einer der Hinterbliebenen übernehme dieselbe aus freien Stücken. Wir erwähnen dies hier, weil wir von Fällen gehört haben, in welchen arme Witwen und Waisen sich als durch göttliches, wo nicht durch menschliches Gesetz gebunden fühlten, solche laufenden Schulden des einstigen Versorgers zurückzuzahlen, und daher jahrelang sich abmühten, es auch zu tun. (Hypothekarschulden freilich vererben sich deshalb, weil der der Schuld entsprechende Teil des Grundeigentums, wie oben erwähnt, verkauft ist.)
Verbietet der Rat des Herrn seinem Volke, etwas schuldig zu sein, so gebietet er umgekehrt, dass „wir“ Brüdern, welche des Notwendigen ermangeln, Gutes erweisen und leihen sollen, ohne dabei auf eine Gegenleistung zu hoffen. Dies muss also so geschehen, dass damit dem Notleidenden nicht eine Last aufgebürdet, sondern aus der Not geholfen wird, und wenn eine Sicherheit, ein Pfand, erhältlich ist, so darf dasselbe nicht einen Zins, sondern nur das geliehene Kapital sicherstellen, für dessen Rückzahlung ein bestimmter Zeitpunkt bezeichnet werden sollte. Das Leihen unter Brüdern soll eine Gelegenheit sein, die brüderliche Liebe zu betätigen.
Ist der notleidende Bruder nicht in der Lage, eine Sicherheit zu geben, so sollte an die Stelle des Darlehns eine freie Gabe treten, welche sowohl nach den Verhältnissen des Helfers als auch nach den Bedürfnissen des Hilfsbedürftigen bemessen werden sollte. Dieser mag versprechen, die empfangene Summe zurückzuzahlen, aber der Geber sollte dieselbe ausdrücklich als freie Gabe bezeichnen, vorbehaltlich einer wesentlichen Besserung der Verhältnisse des augenblicklich Bedürftigen. Dann sollte die Liebe denjenigen drängen, die einst empfangene Gabe zurückzuerstatten, der Geber aber, vorausgesetzt, dass er den Verlust ertragen kann, sollte sie freundlich ablehnen und dem Bruder, dem er einst geholfen, vorschlagen, den Betrag jemand anderem zuzuwenden, der es nötiger habe, oder, wenn er gerade niemanden kenne, es für einen sich später zeigenden Notfall aufzuheben.
Ganz anders liegen die Dinge, wenn ein Bruder oder sonst jemand ein Anleihen aufzunehmen sucht, um sein Geschäft zu vergrößern und einträglicher zu machen. Bei solchen Darlehen dürfen mit vollem Rechte reichliche Sicherheiten verlangt und ein Zins gefordert werden; das ist kein Wucher. Sagt doch der Herr selbst im Gleichnis: „So solltest du mein Geld den Wechslern (Bankiers) gegeben haben, und wenn ich kam, hätte ich das meine mit Zinsen erhalten.“ – Matth. 25:27
In voller Übereinstimmung damit rät auch die Schrift davon ab, Bürge zu werden (Spr. 17:18); und diesen Rat zu befolgen wäre heilsam, nicht nur für Neue Schöpfungen, sondern auch für die Welt. Dem Bürgewerden ist das Indossament von Wechseln gleichzustellen, wodurch, wer sie an Zahlungs- Statt annimmt, für deren Einlösung haftet. Lässt sich die Sache in einem besonders dringenden Falle nicht ganz vermeiden, muss einmal für einen Bruder gutgestanden werden, so geschehe es nur bis zu dem Betrage, den man allenfalls leihen oder schenken könnte. Niemals geschehe es aus Prahlerei, zum Aufzeigen des Kredits, dessen man sich erfreue, niemals geschehe es zum Schaden des eigenen Geschäftes, der eigenen Angehörigen. – Spr. 22:26; 11:15; 6:1-5
Ein Wort über die kleinen Darlehen von Haushalt zu Haushalt. Neue Schöpfungen sollten in ihrem Herzen solche Belästigungen ihrer Nachbarn missbilligen und daher nach Kräften vermeiden. Im Falle von Krankheit oder anderer Verlegenheit mag ja zu diesem Aushilfsmittelchen gegriffen werden; für gewöhnlich aber sollte es so gehalten werden, dass, wenn z.B. infolge einer Unachtsamkeit die Butter, der Zucker oder dgl. ausgegangen und dies erst im letzten Augenblick bemerkt wird, eine Mahlzeit ohne das Fehlende zubereitet wird. Oder hat jemand nur ein Bügeleisen und vermag es nicht, ein zweites zu kaufen, so sollte er es eben mit dem einen machen können.
Wer selber achtsam und sorgfältig ist, wird es natürlich um so lästiger empfinden, wenn man ihn fortwährend um solche kleinen Dienste bittet. Dennoch sollte das Volk des Herrn im Rufe steter Hilfsbereitschaft und gleichzeitig größter Diskedition ihren Mitmenschen gegenüber stehen. Dann werden sie immer als gute Nachbarn gelten, auch wenn sie um ihrer Achtung vor dem Herrn und seinem Worte willen als ein „eigentümliches Volk“ betrachtet werden. Freilich mag der geliehene Gegenstand nicht zurückgebracht werden, freilich mag es sehr störend sein, ihm nachzulaufen, freilich mag man etwa umsonst erwarten, dass geliehene Butter oder dgl. zurückerstattet werde. Da mag uns der Gedanke helfen, es ruhig hinzunehmen, dass solche Entlehner sich genieren werden, wiederzukommen. Wo die Verhältnisse es gestatten, würden wir es vorziehen, den geliehenen Gegenstand nicht zurückzufordern, sondern es als eine Gelegenheit zu betrachten, sich Freunde zu machen mit dem ungerechten Mammon, als Gelegenheit, kleine irdische Vorteile daranzugeben und möglicherweise so größeren sittlichen und geistigen Einfluss auf die Nachbarn zu gewinnen.
Eine ähnliche Unart, wie die des ständigen Entlehnens beim Nachbarn ist die Anschauung einiger, sie hätten ein Recht, sich dem Nachbarn zum Besuche aufzudrängen, hätten Anspruch auf seine Zeit. Nun gehört freilich Gastfreundlichkeit zu den Eigenschaften des Geistes der Liebe; sie sollte daher von allen vom Volke Gottes als eine Gott wohlgefällige Betätigung, als ein Mittel zur Förderung des eigenen geistigen Wachstums, gepflegt werden. (Hebr. 13:2) Es sollte sie freuen, Freunde, Nachbarn usw. zu einer Mahlzeit, für eine Nacht, einzuladen, je nachdem es die Verhältnisse gestatten; der Wunsch, Gastfreundschaft zu üben, sollte auch da noch vorhanden sein, wo die Gelegenheit dazu fehlt. Gastfreundschaft ist nicht notwendigerweise mit Verschwendung über die vorhandenen Mittel hinaus verknüpft; es ist niemand verpflichtet, für einen Gast besser zu sorgen, als für die eigenen Angehörigen. Gastfreundlichkeit ist nur Bereitwilligkeit, einen anderen an dem teilnehmen zu lassen, was wir selber haben.
Nun aber die andere Seite. Die Geweihten des Herrn sollten sich nie und niemandem aufdrängen. Sie sollten erst sicher sein, dass sie eingeladen und willkommen sind, bevor sie eine Mahlzeit oder ein Nachtlager annehmen. Wie schön ist das Beispiel, das der Auferstandene in Emmaus gab. Es war freilich sein Wunsch, die Abendmahlzeit mit den beiden Jüngern zu teilen, damit er sie noch reichlicher segnen könne. Dennoch schickte er sich, vor dem Hause angelangt, an, weiterzugehen und wartete, dass sie ihn einluden, bevor er bei ihnen blieb. Das war kein Betrug seinerseits, und wenn wir ebenso handeln, ist es auch kein Betrug unsererseits. Unser Herr wäre tatsächlich weitergegangen, wenn er nicht zum Bleiben aufgefordert worden wäre. So sollten auch wir nur so lange in einem fremden Hause bleiben, als es unseren Gastgeber herzlich freuen mag, nicht länger, welches auch unsere Umstände seien.
Die bei einigen vorhandene Meinung, sie seien berechtigt, sich bei Anverwandten nach dem Fleische oder nach dem Geiste ungebeten niederzulassen, ist ein schwerer Irrtum. Ein solches Recht gibt es nicht. Wir haben das Recht, zu geben, freigebig zu sein; wir haben aber kein Recht, von anderen zu verlangen, dass sie sich gegen uns freigebig erweisen; diese haben vielmehr das Recht, von dem, was ihrer Verwaltung anvertraut ist, zu geben oder zurückzuhalten. Inwieweit Neue Schöpfungen verpflichtet sind, sich solche Aufdringlichkeit von Seiten fehlbarer Brüder oder Verwandten nach dem Fleische gefallen zu lassen, hängt von den Umständen, insbesondere von den Gesundheits- oder finanziellen Verhältnissen des Besuchers ab. Trotzdem sollten sie, ohne gegen sich selbst oder gegen den Besucher, der unrichtige Begriffe hat und dessen Besuch allmählich zur Last fällt, sich zu vergehen, freundlich aber deutlich zu dem Gast sagen können: „Ich sollte Ihnen vielleicht sagen, dass es mir nicht passt, Sie länger als … bei mir zu haben.“ Leichter ist es, solchen Besuchern gleich beim Beginn des Besuches die Zeit anzugeben, bis zu welcher sie bleiben können, sie für eine Mahlzeit, einen Tag, eine Woche, ja nicht für unbestimmte Zeit, einzuladen. Das ist unvermeidlich mit Rücksicht auf das eigene Heim, auf die verfügbaren Mittel, auf die eigene Zeit, auf den Dienst am Herrn usw. und gleichzeitig ist es eine passende und hilfreiche Belehrung für viele Leute, welche in dieser Sache unrichtige Begriffe haben. Deshalb brauchen wir weder zu noch von ihnen unfreundlich zu sprechen. Wir müssen vielmehr bedenken, dass, wenn sie in diesem Stücke tiefer gefallen sind als wir, wir möglicherweise auf einem anderen Gebiete tiefer gefallen sind als sie. Auf jeden Fall müssen wir wohlwollend und edel von ihnen denken und um so mehr uns vornehmen, selber nicht in den bei anderen beobachteten Fehler zu verfallen.
„Seid nicht besorgt auf den morgenden Tag“
– Matth. 6:34, 19, 20 –
Obige Worte unseres Herrn, sowie die weiteren: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen; sammelt euch vielmehr einen Schatz im Himmel“, sind, glauben wir, von vielen ernsten und wohlgesinnten Nachfolgern des Herrn sehr missverstanden worden. Einige haben daraus geschlossen, dass der Herr damit aufforderte, von der Hand in den Mund zu leben und gar keine Rücksicht auf die Zukunft zu nehmen. Das ist ganz irrig; denn der himmlische Vater gibt uns ein ganz anderes Beispiel: er denkt beständig an uns und hat mit Rücksicht auf uns die Jahreszeiten geordnet und einer jeden ihren Ertrag zugewiesen. Er wollte mithin, dass wir ähnliche Grundsätze befolgen, und er hat es in der Natur so eingerichtet, dass es für uns notwendig ist, zu pflanzen, wenn wir essen wollen, zu weben, wenn wir uns kleiden wollen und uns im voraus mit Öl zu versorgen, welches uns in der Nacht Licht geben soll. Derselbe Grundsatz ist auf alle Angelegenheiten des Lebens anwendbar, und wir sollten den Gedanken zurückweisen, dass unser Herr Jesus beabsichtigte, dieser göttlichen Anordnung zu widersprechen oder sie umzustoßen, wie sie uns überall in der Natur gezeigt wird.
Was meinte unser Herr? Das ergibt sich aus dem griechischen Texte, der in den verbesserten Übersetzungen wie in obiger Überschrift richtiger als von Luther („Sorget nicht für den folgenden Tag“) wiedergegeben wird. „Seid nicht besorgt, (d.h. in Angst), wegen des morgenden Tages.“ „Jeder Tag hat an seinem eigenen Übel genug.“ Das Volk des Herrn sollte nicht in Angst schweben wegen der Zukunft: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid inbrünstig im Geiste, dem Herrn dienend.“ Während sie pflanzen und säen und heuen und ernten, sollen sie im Glauben anerkennen, dass alle ihre Angelegenheiten der göttlichen Oberleitung anvertraut sind, und dass Gott verheißen hat, dass alle Dinge denen, die ihn lieben, zum Guten mitwirken. Sie sollten dieser Verheißung so völlig sicher sein, dass in ihren Herzen für die Angst kein Raum bleibt.
Es ist ein großer Unterschied zwischen Sorglosigkeit und Unbesorgtheit. Wäre unser Herr sorglos, verschwenderisch, gedankenlos gewesen, so hätte er den Jüngern nach der Speisung der Volksmenge nicht geboten, die Brocken aufzuheben. Dass er es tat, beweist, dass er an die nächste Mahlzeit, den nächsten Tag, dachte. Aber er tat dies nicht mit Besorgnis. Die Jünger sollten nur lernen, zu verwenden, was ihnen zuteil geworden war, und nichts zu vergeuden. Wäre ihnen aber der Mundvorrat ausgegangen, ohne dass sie eine Schuld traf, und wären sie augenblicklich nicht in der Lage gewesen, sich neuen zu beschaffen, so konnten sie unbesorgt sein, und dem Herrn so fest vertrauen, dass jede Sorge aufgehört hätte und ihre Tatkraft erhalten bliebe. Auch Joseph legte in den sieben fetten Jahren Vorräte zurück für die sieben darauffolgenden mageren Jahre.
Auch der zweite Text („Ihr sollte euch nicht Schätze sammeln usw.“) darf nicht so verstanden werden, als rate er zu oder rechtfertigte er Mangel an Sorgfalt in den Dingen des gegenwärtigen Lebens, der Versorgung der Angehörigen usw. Es bedeutet, dass kein irdisches Gut unser Schatz werden sollte, dass wir den himmlischen Schatz über alle anderen schätzen sollten. An diesen sollten wir unser Herz hängen, an ihm sich unser Gemüt fortwährend laben; im Besitze solchen Reichtums sollten wir durch Glauben volle Gemütsruhe haben, in unentwegtem Vertrauen auf die Verheißungen Gottes. Die Welt weiß nichts von diesen außerordentlich großen und köstlichen Dingen, die durch Glauben Eigentum der Neuen Schöpfung sind, wie es im Liede ausgedrückt ist:
Ein jedes suchet, was da sein;
Mein Ziel bist du und du allein.
Wenn wir Christum erwählen statt der Güter dieser Welt, so erwählen wir damit nicht nur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit, sondern auch die Leiden der Jetztzeit: die besonderen Prüfungen, Erprobungen, Erfahrungen, welche denen in Aussicht gestellt sind, die in seinen Fußspuren zu wandeln versuchen; denn die Prüfungen dienen als Zubereitung für die zukünftige Herrlichkeit. Außerdem haben diejenigen, welche Christum suchen, die sich völlig Gott geweiht haben, nichts Eigenes mehr. Solange sie von der Erde, irdisch waren, betrachteten sie alle irdischen Vorteile als persönliches Eigentum, als sie aber des Herrn Eigentum wurden, übergaben sie mit ihrem Selbst auch, was sie ihr Eigentum nennen mochten. Angelegenheiten betreffend Haus und Hof, Wald und Feld, Kinder, Gatten, Gattin, Brüder, Schwestern – alles haben sie dem Herrn dargebracht, geweiht. Nichts von alledem kann also hinfort von Neuen Schöpfungen als Eigentum, Schatz, Sicherheit betrachtet werden.
Damit ist nicht gesagt, dass sich Ehegatten nicht zärtlich lieben, sich nicht gegenseitig hochschätzen sollen, dass sie ihre Kinder nicht lieben, sich über deren gute Gemüts- und Geisteseigenschaften nicht freuen sollten, dass sie keine Freude mehr an der Natur haben, kein Haus-, kein Vieh usw. besitzen dürfen. Aber das ist damit gemeint, dass all dieser irdische Besitz nicht mehr als Eigentum (Besitz und Eigentum sind nicht gleichbedeutend; der Pächter ist Besitzer, der Pachtherr Eigentümer des Grundstücks), als Schatz betrachtet werden soll, nachdem man den Herrn als Schatz erwählt, „als den Schönsten unter Zehntausend“, den in jeder Hinsicht „Lieblichen“.
Geld sollten wir nicht lieben, nicht verehren; wir sind nicht zu seinen Knechten berufen. Wir haben uns dem Allmächtigen als Söhne und Knechte verdingt, und Geld ist eines seiner Werkzeuge; sei es viel oder wenig, wir sollten es immer als ein unserem Herrn gehörendes Werkzeug ansehen, das uns zur Verrichtung unserer Arbeit in seinem Dienste anvertraut ist.
Aber vergessen wir da nicht die in Matth. 19:16-22 verzeichnete Erklärung von dem reichen Jüngling, der den Herrn fragte: „Was fehlt mir noch?“ und darauf den Bescheid erhielt: „Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin, verkaufe deine Habe und gib den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach“; und er ging traurig von dannen; denn er hatte viele Güter. Lehrt diese Geschichte nicht, dass alle vom Volke Gottes arm werden müssen? Ja, gewiss! Wie schwerlich werden Reiche in das Königreich der Himmel eingehen! Es ist leichter für ein Kamel, durch ein Nadelöhr (Bezeichnung für den Fußgängerdurchgang neben dem Haupttor in der Stadtmauer, welcher offen blieb, wenn das Haupttor geschlossen war, und durch welchen das Kamel hineingelangen konnte, wenn es von seiner Last befreit wurde und niederkniete.)zu gehen, als für einen Reichen, in das Königreich der Himmel einzugehen. Die Reichen werden beständig von den Annehmlichkeiten des gegenwärtigen Lebens angezogen, die ihre Götzen, ihre Schätze werden möchten. Sie haben es in dieser Beziehung weniger leicht als die Armen, welche über wenige Güter dieser Welt verfügen und ihr Herz daran hängen können, die mithin ein bereitwilliges Ohr haben für die gute Botschaft von der Gnade Gottes, dem großen Schatze, den der Herr für diejenigen in Bereitschaft hält, welche ihm treu sind. Dagegen wäre es irrig, zu glauben, dass überhaupt niemand dieser Welt Güter sein eigen nennen könnte, ohne sie zu missbrauchen, zu seinen Götzen zu machen, für seinen Schatz zu halten, und umgekehrt wäre es auch irrig, zu wähnen, dass diejenigen, denen es an Reichtümern fehlt, dieselben nicht zu ihren Götzen machen, für ihren Schatz halten können. Wer hat nicht von armen Leuten gehört, welche den Reichtum verehrten und begehrten, sich nach ihm reckten und streckten und darüber unzufrieden wurden, dass ihre Hand nicht ergreifen konnte, woran sie ihr Herz gehängt hatten?
Wer zum Herrn kommt, ob reich oder arm an irdischem Besitz, muss es in der festen Absicht tun, ihm Herz und Willen und Eigentum auszuliefern; sonst kann er nicht angenommen werden. Der Arme muss die Götzen seiner Einbildungskraft und Bestrebungen, sein Sehnen nach noch nicht erlangtem Wohlstande, der Reiche die Pläne preisgeben, die er bis jetzt hinsichtlich der Verwendung seines Reichtums gemacht hat: was er hat und noch erwerben möchte oder könnte, alles muss geweiht, dem Herrn zur Verfügung gestellt werden.
Der reiche Jüngling hätte den Rat unseres Herrn besser verstehen können, wenn seine Herzensstellung die richtige gewesen wäre; der Herr hätte ihm sicher weitere Auskunft erteilt. Setzen wir den Fall, er hätte sich bereit erklärt, diese Bedingungen zu erfüllen, um das Reich ererben zu können, und hätte gefragt, ob er seine Herden und Häuser und Landgüter verkaufen, aus dem einkassierten Gelde einen großen Haufen machen, dann die Armen zusammenberufen, das Geld Handvollweise in die Luft werfen und die Armen ermuntern sollen, den rollenden Geldstücken nachzurennen, so dürfte der Heiland ihm ungefähr so geantwortet haben: „Aus deiner Bereitwilligkeit, dein Geld und Gut daranzugeben, ersehe ich, dass deine Herzensstellung insoweit richtig ist; das ermöglicht mir, dir weiter zu helfen, dir zu zeigen, auf welche Weise du ein Gott wohlgefälliger Verwalter der Güter sein oder werden kannst, welche du Gott zur Verfügung gestellt hast. Da könntest du zunächst das Geld zurückziehen, das du auf der Bank liegen hast, und verwenden. Wenn du sonst niemanden weißt, kannst du z.B. mit einem Apostel oder Jünger hier den Anfang machen. Denke darüber nach, welches Gute du ihnen oder anderen etwa erweisen könntest.
„Ist das verfügbare Geld auf nutzbringende, Gott wohlgefällige Weise verwendet worden, so kannst du ein Haus, eine Anzahl Schafe, einen Zug Rinder oder sonst etwas verkaufen und mit dem Erlös wiederum so verfahren, immer mit dem Gedanken vertraut und es auszuüben suchend, dass du nunmehr Verwalter von Gütern Gottes bist, der Rechenschaft von dir fordern wird. Wenn du bei dieser Rechenschaft dich darüber wirst ausweisen können, dass du das Geweihte nach bestem Wissen und Gewissen verwendest, dann darfst du erwarten, dass auch an dich die gesegneten Worte gerichtet werden: „Du hast recht gehandelt, guter und getreuer Knecht; gehe ein zu deines Herrn Freude.“
Die Weihung unseres Alles bedeutet nicht, dass wir alles, was wir haben, ausschließlich für sogenannte religiöse Werke verwenden. Als Verwalter des Herrn sollen wir fortwährend zu erfahren suchen, was ihm angenehm sein würde, und das können wir am besten erfahren durch Belehrung, die wir aus seinem Worte schöpfen. Dort werden wir aufgefordert, ihn zu verherrlichen; zu diesem Zwecke sollen wir unsere Stimmen erheben, unsere Federn in Bewegung setzen, all unser Können und Vermögen verwenden. Da wir des Herrn sind, so sind alle gegen uns bestehenden Forderungen, Forderungen an die nunmehr geweihte Zeit und Habe. Ein Weib haben ist eine Forderung an uns; wir sind schuldig, für sie zu sorgen; gleicherweise sind Kinder Forderungen an unsere Habe, Zeit und Fähigkeiten.
Es ist Gottes Wille, dass wir diese Forderungen anerkennen, dass wir Tag für Tag in verständiger Weise unsere Schuldigkeit tun; dass wir Gottes Hilfsmittel nicht verschleudern, sondern soviel wie möglich davon übrig haben zu dem besonders nützlichen Zweck, die Wahrheit, die frohe Botschaft von der bevorstehenden Befreiung der seufzenden Schöpfung, verbreiten zu helfen. Wenn nun die Versorgung von Weib und Kindern, alten Eltern oder sonst wie auf uns angewiesenen Personen eine vom Herrn als berechtigt anerkannte Verwendung des ihm geweihten Alles bedeutet, so folgt auch, dass wir alle Verschwendung auf diesem Gebiet unterlassen, damit um so mehr übrig bleibe für den Hauptzweck unseres Lebens, der da ist die Verkündigung der guten Botschaft vom nahen Königreiche Christi.
Nicht nur die augenblickliche Versorgung der Unseren gebietet die Schrift, sondern auch, dass wir an die Zukunft der Kinder denken und wie die Ameise für sie etwas zurücklegen. (Spr. 6:6) Dazu ermahnt auch der Apostel in 2. Kor 12:14. Da wir von Natur selbstsüchtig sind, sind freilich Ermahnungen in dieser Richtung weniger nötig als Verwarnungen vor dem Gegenteil. Unsere Richtschnur sei auch in diesem Punkte die Schrift: „Seid vorsorglich für das, was ehrbar ist vor allen Menschen“ und: „Wenn aber jemand für die Seinigen … nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlechter als ein Ungläubiger.“ – Röm. 12:17; 1. Tim. 5:8
Uns scheint, der hier zugrunde liegende Gedanke sei, dass alle Eltern schuldig sind, ihren Kindern etwas mehr für den Eintritt in den Kampf ums Dasein mitzugeben, als nur den kleinen gebrechlichen zur Welt gebrachten Leib. Nachdem sie sie erzeugt, ist es ihre Pflicht, zuzusehen, dass sie ihren Platz auf der Welt ausfüllen können. Dazu gehört mehr als Nahrung und Bekleidung in den ersten Jahren; dazu gehört Ausrüstung mit Kenntnissen und sittlichen Grundsätzen, wovon wir oben schon geschrieben haben. Dies erfordert aber Verzicht auf das Verbrauchen für sich im Hinblick auf die Kinder und deren Bedürfnisse. Auch daran darf und muss gedacht werden, dass das Leben höchst ungewiss ist, und dass wir den Kindern wegsterben können, ehe sie erwachsen sind; für solche Fälle sind Ersparnisse recht und gut. Wir sind nicht der Meinung, der Apostel habe die Eltern auffordern wollen, ihren Kindern große Vermögen aufzuhäufen, über die sie sich dann streiten, und die ihnen zum Fallstrick werden können. Das gesund zur Welt gebrachte und hernach gut geschulte und erzogene Kind ist schon an sich wohl daran; es hat ein reiches Erbe in sich selbst, und Eltern, die ihren Kindern ein solches Erbteil lassen, dürfen annehmen, dass sie dabei vom Geiste eines gesunden Sinnes geleitet worden sind, vom Heiligen Geiste, von richtiger, Gott wohlgefälliger Anschauung, auch wenn sie den Kindern weiter nichts hinterlassen als ein Dach, unter dem sie zu Hause sind. Solch ein Mensch hat seine Verwalterpflicht getreulich erfüllt, und solche Kinder werden einst erkennen, dass ihre Eltern ihrer treulich gedacht haben.
Teilnahme an Versicherungsgesellschaften, Vereinen usw.
Wir leben in einer Zeit, wo die Organisationen eine große Rolle spielen, und es ist unbestreitbar, dass es unter diesen Organisationen solche gibt, die wertvolle und vorteilhafte Einrichtungen sind. Die Versicherungsgesellschaften z.B. stehen zwar, wie es nicht anders sein kann, auf geschäftlichem Boden und betreiben ihr Geschäft nicht aus selbstloser Menschenliebe; sie sind aber dennoch als menschliche Bemühungen zu betrachten, über die Folgen der Unsicherheit des gegenwärtigen Lebens nach Kräften hinwegzuhelfen, die Not derer zu lindern, welche durch den Tod des Erhalters in Verlegenheit geraten können. Es ist hier nicht der Platz, die verschiedenen Arten der Versicherung zu besprechen, nur das sei gesagt, dass es unseres Erachtens für die Kinder Gottes nicht eine religiöse, sondern eine geschäftliche Frage ist, ob sie sich versichern wollen oder nicht.
Wir haben Umstände gekannt, unter denen wir es als weise betrachteten, wenn der Vater sein Leben versicherte. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Gattin die Anschauung des Mannes hinsichtlich der Nähe des Zeitalterwechsels nicht teilt und in der Versicherung eine Beruhigung für ihr Gemüt erblickt. Decken sich die Anschauungen von Mann und Frau auf geschäftlichem Boden in diesem Punkte ungefähr, so mag er die bestehende Versicherung weiter bestehen lassen. Wir möchten freilich nicht so verstanden sein, als ob wir die Versicherung empfehlen. Wir sind nur der Meinung, dass die Schrift den Neuen Schöpfungen darin keine Vorschriften macht, und dass es dem Urteil eines jeden überlassen bleibt, ob er so oder anders handeln will.
Wir halten dafür, dass die Erfüllung von Matth. 24:21 im Jahre 1915 stattfinden und dann unter großer Drangsal die neue Weltordnung geboren werden wird. Bei dieser Krisis werden der Handel, die Banken, die Versicherungsgesellschaften, die Vermögenstitel alle zusammen von der Sturzflut verschlungen werden; dies wird einer der Hauptzüge der großen Drangsal sein, und die Herzen aller derer werden trauern und erzittern, welche alsdann keine andere Sicherheit, keinen Schatz im Himmel haben.
Es ist sehr vernünftig anzunehmen, dass die sogenannten Gegenseitigkeitsgesellschaften schon vorher und vor den anderen fallen werden, weil sie ohne Kapital arbeiten und von den Mitgliederbeiträgen abhängen, und weil beim Hereinbruch der Krisis die Mitgliederbeiträge nicht nur sich nicht mehr vermehren, sondern infolge des geschäftlichen Druckes zurückgehen werden. Der Zusammenbruch aller dieser Genossenschaften wird die Hoffnungen vieler zerstören und vielen große Verlegenheiten bereiten.
Jeder muss demnach nach bestem Wissen und Gewissen bestimmen, was für ihn bei der Verwendung seines Besitzes oder Einkommens das weiseste Verfahren sei; aber keine Neue Schöpfung, die durch den Glauben an den Herrn sich leiten lässt, wird im Hinblick auf die Zukunft so erschauern, dass Furcht ihr Herz erfüllt; sie wird aber auch ihr Vertrauen nicht auf irgendeine menschliche Einrichtung setzen, aus keiner menschlichen Einrichtung ihre Sicherheit, ihren Schatz machen und dann gebrochenen Herzens dastehen, wenn diese Sicherheit verloren geht.
Wie steht es mit den Vereinen, Gesellschaften und dgl.? Ist es für die Neue Schöpfung recht oder nicht, Mitglied solcher Gesellschaften zu sein? Bei Vereinen, welche nur die Erleichterung der wirtschaftlichen Existenz ihrer Mitglieder im Auge haben, halten wir dafür, dass Neue Schöpfungen mit Recht Mitglieder sein dürfen. Anders steht es mit den Geheimbündnissen, welche, wenn wir recht unterrichtet sind, religiös gefärbte Gebräuche haben. Wir ziehen hier nicht gegen diejenigen zu Felde, welche solchen Geheimbündnissen angehören, so wenig wir gegen die verschiedenen Religionsgemeinschaften zu Felde ziehen. Wir betrachten diese wie jene als Teile der großen Babylon, von welchen einige weniger rein sind, wohl aber alle voller Verwirrung und Irrtum, und die von dem in der Schrift angedeuteten Organismus der auserwählten Kirche und den von ihrem Gründer und den zwölf Aposteln gegebenen Verhaltungsmaßregeln stark abweichen. Zu all diesen halbreligiösen Gesellschaften, Vereinen, Gemeinschaften, Orden usw. sollten unseres Erachtens die Neuen Schöpfungen keine Beziehungen haben. Hier gilt es: „Gehet aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an.“ (2. Kor. 6:17) Ihr „Gottesdienst“ und ihre Lehren sind für uns unrein, wenn sie auch an sich selbst nicht unrein sind. Nachdem die Augen unseres Verständnisses geöffnet worden sind, erscheinen uns alle Dinge in einem neuen Lichte, sodass wir Dinge, die wir einst liebten, nun hassen, und Dinge, die wir einst hassten, nun lieben.
Was aber andere Verbände und Vereine anbelangt, welche keinen religiösen Schein haben, sondern lediglich Erleichterungen für ihre Mitglieder zu erhalten oder zu schaffen suchen, deren Abzeichen weiter nichts bedeuten als äußerliche Zugehörigkeit, so haben wir durchaus nichts einzuwenden, wenn Neue Schöpfungen ihnen angehören. Sie alle bezwecken keine Verletzung göttlicher oder menschlicher Gesetze. Wir sehen also nicht, was dagegen eingewendet werden könnte, wenn eine Neue Schöpfung es für nötig oder nützlich hielte, einem solchen Verein beizutreten. Unsere Wahl und unser Rat an andere bleibt freilich, dass, soweit dies in jedem einzelnen Falle möglich, Neue Schöpfungen nur mit dem Herrn und den Seinigen verbunden sein und allen menschlichen Organisationen tunlichst fern stehen sollten, aber wir wissen sehr wohl, welch einen Kampf es kostete, bis die Arbeiterverbände sich Anerkennung verschafft hatten, und dass es ohne sie mit den Löhnen und allgemeinen Verhältnissen der Arbeiter bedeutend schlimmer stehen würde.
Wenn wir nun auch im allgemeinen mit den Bestrebungen dieser Verbände herzlich sympathisieren, so können wir doch für ihr Vorgehen nicht immer und nicht in allen Dingen die Verantwortung mit übernehmen; denn sie handeln oft in gewalttätiger Weise. Wir müssen mit ihrem großen Zweck, Widerstand gegen die übergroße Anhäufung von Reichtum im Besitz der Selbstsüchtigen, sympathisieren. Darum erachten wir, dass Brüder, die in Ortschaften wohnen, wo die Arbeiterorganisationen Einfluss haben und die Löhne hoch erhalten, diesen einen dem Mitgliederbeitrage gleichen Betrag freiwillig und regelmäßig zahlen und den von dort erhaltenen Befehlen, sofern sie nicht wider das Gewissen verstoßen, nachkommen sollten, aber ohne Mitglieder zu werden; sie können ja ihre Gründe dafür kurz angeben, wenn sie ihren Beitrag bringen. Das wird beweisen, dass sie nicht aus Abneigung gegen den Mitgliederbeitrag, sondern aus Liebe zur Freiheit nicht eintreten, und dass sie nicht von den Früchten der Arbeiterbewegung genießen wollen, ohne zu deren Kosten das Ihrige beizutragen.
Kann die Mitgliedschaft nicht vermieden werden, so finden wir in der Schrift kein Verbot, das sich ihr in den Weg stellen würde, insbesondere dann nicht, wenn die Mitgliedschaft eine Existenzfrage wäre. Neue Schöpfungen können ja dann den Sitzungen meist fern bleiben und ihre Gegenwart für solche Sitzungen sparen, in welchen sie voraussichtlich ein gutes Wort zu gelegener Zeit einlegen, und zur Erhaltung von Frieden und Gerechtigkeit beitragen können. Wird eine Arbeitseinteilung angeordnet, mögen sie mitmachen, aber an nichts teilnehmen, was die öffentliche Ordnung stören oder die Freiheit anderer beeinträchtigen könnte; dass sie hierfür nicht zu haben sein würden, sollten sie den Vereinsbehörden mitteilen, damit sie nicht zu solchen, ihrem Gewissen zuwiderlaufenden Diensten, beordert werden.
Verkehrter Eifer
„Sich in fremde Sachen zu mischen“, bezeichnet die Schrift als tadelnswert (1. Tim. 5:13; 1. Petr. 4:15), und ist mithin nicht vereinbar mit der neuen Gesinnung der Neuen Schöpfung. Selbst die Kinder des gegenwärtigen Zeitlaufes sind weise genug in ihrem Geschlechte, einzusehen, dass bei der kurzen Spanne Zeit, die ihnen zugemessen ist, die eigenen Angelegenheiten sie vollauf in Anspruch nehmen, und dass dieselben darunter leiden würden, wollte man fremden Dingen soviel Zeit widmen, um sie gründlich zu verstehen. Wie viel mehr sollten Neue Schöpfungen, gezeugt vom Herrn zu neuer gesunder Gesinnung, dies einsehen! Außerdem haben sie zu solchem Einmischen noch weniger Zeit als andere Menschen, da ihre ganze Zeit, ihre Fähigkeiten, ihr Einfluss dem Herrn und seinem Dienste geweiht sind.
Wenn Neuen Schöpfungen ein gesundes Urteil in dieser Richtung noch abgeht, so werden sie durch die Ermahnungen der Schrift darin geleitet. Auch einiges Nachdenken darüber, wie wenig Zeit ihnen für die Erfüllung ihrer Weiheverpflichtungen bleibt, wird ihnen dazu behilflich sein. Auch wird es ihnen helfen, wenn sie sich vergegenwärtigen, dass Einmischung in fremde Sachen der goldenen Lebensregel der Nächstenliebe zuwiderläuft. Sicherlich sähen sie selbst es ungern, wenn jemand sich in ihre persönlichen Angelegenheiten mischen wollte; darum sollten sie es anderen gegenüber so halten, wie sie wünschen, dass es ihnen gegenüber gehalten werde. So ermahnt auch der Apostel (1. Thess. 4:11), „euch zu beeifern, stille zu sein und eure eigenen Geschäfte zu tun.“
Diese natürliche Neigung, für die Sachen anderer Leute zu sorgen, da und dort mit dem Steuer der eigenen Weisheit nachhelfen und einen anderen Kurs herbeiführen zu wollen, Splitter aus dem Auge des Bruders zu ziehen, wobei der Balken im eigenen Auge nicht bemerkt wird (Matth. 7:3-5), macht sich zuweilen bei der Neuen Schöpfung in einer besonderen Gestalt geltend. Sie bildet sich ein, es sei ihre „Pflicht“, zu raten, zu untersuchen, zu tadeln, zu bessern usw.; es zu unterlassen, sei Sünde. In diesem Falle wird die Neigung zu einer durch das missleitete Gewissen verschärften Sucht, welche zuweilen aufrichtige Leute, wirkliche Neue Schöpfungen, gänzlich verhindert, im Dienste des Herrn das zu tun, was sie tun möchten.
Nehme ein jeder sich selbst in Acht und Zucht und lerne den Anforderungen der Liebe und Gerechtigkeit zu entsprechen, lerne den Unterschied zu machen zwischen brüderlicher Nachhilfe und ungehöriger Einmischung. Soweit unsere Beobachtung reicht, würde sicherlich solche Selbstzucht bei der Welt wie beim Volke Gottes vielfach zur Folge haben, dass es sich vielen Kritisierens enthalten würde; denn ein wenig Nachdenken über die Forderungen der Liebe und Gerechtigkeit lässt dieselben immer als berechtigt erscheinen. Die Folgen solcher Einsicht würden sich beim gegenseitigen Verkehr in vorteilhafter Weise fühlbar machen.
Bevor wir uns in fremde Sachen mischen, werden wir gut tun, uns die Frage vorzulegen: „Geht es mich etwas an?“ In den meisten Fällen, wo wir mit der Welt in Berührung kommen, wird es uns klar werden, dass wir da nichts zu tadeln oder zu kritisieren haben. Wir sind vom Herrn berufen worden und haben uns vom Laufe dieser Welt abgewandt, um auf dem schmalen Pfade zu wandeln. Das ist unsere Aufgabe. Wir sollten wünschen, dass die Welt uns nicht behelligt, damit wir ungestört dem Herrn folgen können; da müssen wir auch die Welt unbehelligt lassen und unsere gute Botschaft für die sparen, welche Ohren haben zu hören. Da die Welt nicht vom Herrn berufen worden ist und nicht auf dem schmalen Pfade wandelt, hat sie Anspruch darauf, ihre eigenen Wege selber zu bestimmen. Sie hat das Recht, von uns zu erwarten, dass wir uns nicht in ihre Angelegenheiten mischen, ja nicht einmal zu mischen wünschen. Das wird nicht verhindern, dass unser Licht zu scheinen fortfährt, und dass von uns ein indirekter Einfluss auf die Welt ausgeht, der weder tadelnder Worte noch zudringlicher Einmischung bedarf, um sich geltend zu machen.
Betreiben wir ein Geschäft in Gemeinschaft mit einem Kinde des gegenwärtigen Zeitlaufes, dann freilich wird es nicht Einmischung in fremde Sachen, sondern Besorgung der eigenen Angelegenheiten sein, wenn wir unsere Aufmerksamkeit dem Gegenstande zuwenden. Auch das ist noch nicht Einmischung in fremde Sachen, wenn der Hausvater sich um alle Angelegenheiten der Familie kümmert; doch darf dies nicht auf Kosten der individuellen Rechte der Angehörigen geschehen. Der Hausvater sollte die ihm von Gott übertragene Autorität liebevoll und weislich geltend machen, jedoch nicht zur Gewaltherrschaft ausarten lassen. Die Eigenheit, Vorliebe und den Geschmack des Weibes sollte er in Betracht ziehen, und auf ihrem Gebiete sollte sie volle Autorität haben als seine Gehilfin, als Hausbewahrerin, in seiner Abwesenheit endlich sollte sie den Gatten in allen Familienangelegenheiten zu vertreten in der Lage sein. Auch den Kindern gebührt je nach ihrem Alter eine gewisse Eigenheit in persönlichen Dingen; die Oberaufsicht des Vaters sollte nur über die Erhaltung der Ordnung und des Friedens sowie über die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung der Kinder sich erstrecken. Kinder sollten früh daran gewöhnt werden, nicht miteinander zu streiten, sich nicht gegenseitig in ihre persönlichen Angelegenheiten zu mischen, mit einem Worte, die goldene Lebensregel der Nächstenliebe im Verkehr untereinander zu beobachten.
Nirgends ist es so wichtig, die Warnung der Schrift vor Einmischung in fremde Dinge zu beachten, als gerade im Schosse der Herauswahl, und in diesem Punkte sollten die Ältesten mit gutem Beispiel vorangehen. Brüder sollten sich erinnern, dass es nicht Gottes Absicht ist, dass sie sich, der eine in die Angelegenheiten des anderen, mischen und darüber diskutieren. „Redet Böses über niemanden“, gilt hier wie anderswo; wo aber die Neigung zur Einmischung besteht, wenn es auch nur Grübeln über die Verhältnisse des anderen ist, kommt üble Nachrede mit ihrem ganzen Gefolge von Zorn, Bosheit, Haß und Streit, von allen Werken des Fleisches und des Teufels, wie wir in Kol. 3:5-10 nachlesen können. Oftmals entwickelt sich aus einem kleinen Samenkorn böser Nachrede eine große Wurzel der Bitterkeit, durch die viele zu Schaden kommen. Wer die neue Gesinnung hat, wird die Schädlichkeit schlechten Handelns von alledem ohne weiteres einsehen und danach trachten, zu Hause und in der Nachbarschaft das gute Beispiel zu geben. Die Welt erkennt wohl in Mord und Diebstahl strafbare Vergehen; aber es bedarf vollkommener Begriffe von der Gerechtigkeit, um zu begreifen, dass vor dem göttlichen Gesetz einer, der seines Nachbarn guten Namen durch üble Nachreden stiehlt, einem Mörder und Räuber gleichgeachtet ist. Feiner geartete natürliche Menschen empfinden das übrigens auch, wie auch ein Dichter sagt: „Wer meine Börse stiehlt, der stiehlt alten Kram, wer aber meinen guten Namen beschmutzt, der stiehlt, was ihn nicht reicher, mich aber arm macht.“
„Gott preisen und den Menschen fluchen“
Kein Wunder, dass der Apostel Jakobus die Zunge „ein unstetes Übel, voll tödlichen Giftes“ nennt. Kein Wunder, dass er erklärt, sie sei das Glied am Leibe, das am schwersten in Zucht gehalten werde, dass sie den Lauf der Natur entzündet. (Jak. Kap. 3) Wer hat das nicht an sich selbst erfahren? Wer ist, der noch nicht wüsste, dass die Hälfte der Widrigkeiten in unserem Leben auf ungebändigte Zungen zurückgeführt werden kann? Dass unüberlegte verletzende Worte Kriege entzünden, welche Millionen verschlungen und Hunderte und Tausende von Menschenleben gekostet haben? Dass die Hälfte aller Prozesse daher stammt, und mehr als die Hälfte aller Trübsal, an der die Menschheit seit 6000 Jahren leidet? „Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes geworden sind. … Dies, meine Brüder, sollte nicht also sein.“ (Jak. 3:9, 10) Ein Christ, der nur gelernt hat, nicht zu stehlen und zu morden, der aber mit seiner Zunge den guten Ruf seines Nächsten schädigt, hat recht wenig Fortschritte gemacht auf dem rechten Wege und ist noch recht weit von dem Zustande entfernt, in welchem allein er Bürger des Königreiches der Himmel sein kann.
Ja, auch nachdem wir einmal erkennen gelernt haben, wie verderbt die Zunge im Mittelpunkt unserer gefallenen Natur ist, auch dann noch merken wir, wie außerordentlich schwer es ist, sie zu zügeln. Wir erinnern deshalb an das einzig richtige Mittel, das vom Herrn selbst angegeben worden ist: Die Erfüllung des Herzens mit Erkenntnis der Wahrheit und Liebe zum Guten. „Wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über.“ Haben wir also noch viele Mühe mit unserer Zunge, so beweist es, dass es noch an dem Inhalt unserer Herzen fehlt. Je mehr dieser in Ordnung kommt, um so geringer wird die Mühe werden, die uns die Bändigung der Zunge kostet. Wer stets mit Verachtung von anderen spricht, verrät ein hochmütiges Herz voller Herrschsucht und Selbstbewusstsein. Wer stets Böses aussagt von seinem Nächsten, gerade heraus oder hinten herum, dessen Herz ist nicht rein, nicht voll von der Liebe Gottes; denn „die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses“, nicht einmal in Gedanken, sie „denkt nichts Böses“; sie erlaubt sich nicht einmal, Böses vom Nächsten zu glauben oder zu vermuten. Sie wird im Zweifelsfalle stets das Bessere, ihm Günstigere, glauben.
Die Selbstliebe ist meist mächtig genug, zu verhüten, dass jemand etwas sagt, das ihm selbst schadet. Richtige, selbstlose Liebe liebt nun den Nächsten wie sich selbst und wird deshalb ebenso wenig etwas zu Ungunsten des Nachbarn oder Bruders sagen oder andeuten, wie sie es für das liebe Selbst tut. Daraus geht hervor, wie wichtig es für die Neue Schöpfung ist, vollkommene Liebe zu haben. Gott gegenüber wird die vollkommene Liebe uns zu größerem Eifer, zu größerer Tatkraft und völligerer Hingabe im Dienste des Herrn treiben; den Menschen gegenüber wird sie uns antreiben, nicht nur gerecht und liebevoll zu handeln, sondern auch zu reden und zu denken. Das ist der Heilige Geist (die heilige Gesinnung), um den uns unser Erlöser bitten lehrte, und von dem er sagte, der himmlische Vater gebe ihn noch bereitwilliger als irdische Eltern ihren Kindern gute Gaben geben. Freilich kann um diese heilige Gesinnung nur dann aufrichtig gebetet werden, wenn wir von Herzen wünschen und bestrebt sind, Liebe zum Inhalt all unseres Tuns, Redens und Denkens zu machen. Steht es so mit uns, dann werden wir Kinder sein unseres Vaters im Himmel und wert erachtet werden seiner Liebe und aller köstlichen Dinge, welche er verheißt und vorbehält denen, die ihn lieben.
Gesellschaftliche Verpflichtungen
Solange die Neue Schöpfung den adamitischen Leib als Organ hat, kommt sie durch diesen mit natürlichen Menschen in Berührung und hat daher gewisse Verpflichtungen gegenüber der menschlichen Gesellschaft. Die neue Gesinnung hungert natürlich nach Verkehr mit anderen Neuen Schöpfungen, und je mehr Fortschritte sie macht, um so größer wird die Kluft, die sich zwischen ihr und ihren weltlichen Beziehungen, den Bestrebungen dieser Welt, dem Lesestoff und den Gesprächsgegenständen der Welt auftut. Bei manchen entsteht nun die Frage: „Wie weit soll die Neue Schöpfung, welche den Dingen dieser Welt abgestorben ist, die Beziehungen zu ungeweihten Freunden fortsetzen?“
Diese Frage muss sich jeder Geweihte allen Ernstes vorlegen, aber auch selbst beantworten, da nicht zwei Fälle einander genau gleich sind und mithin allgemein anwendbare Vorschriften nicht gegeben werden können. Der Apostel rät, dass wir nicht Umgang haben sollen mit Übeltätern, mit solchen, deren Gebräuche uns unsauber vorkommen, dass wir die Gesellschaft derer aufsuchen sollten, mit welchen die neue Gesinnung sich eins fühlen kann. Es wird ohne Zweifel sehr klug sein, diesem Rate zu folgen; denn solche Gesellschaft wird den Eigenschaften des alten Menschen keine Nahrung zuführen und es uns erleichtern, einem anderen Rat des Apostels zu folgen, nämlich über „alles, was wahr, würdig, gerecht, rein, lieblich ist, was wohl lautet“ (Phil. 4:8), nachzudenken und zu reden.
Zu unseren Blutsverwandten freilich sollten wir mehr Zuneigung empfinden als zu der uns innerlich und äußerlich fernstehenden Welt. Wenn uns also der Geist des Herrn treibt, freundlich und gütig zu sein zu allen Menschen, so sollten diese Eigenschaften zuerst und in höherem Grade, soweit Gelegenheit vorhanden ist, unseren Verwandten zugute kommen. Doch sollte dabei beachtet werden, dass es nicht klug noch schriftgemäß wäre, mit allen näheren und weiteren Vettern und Basen einen ebenso intimen oder gar intimeren Verkehr zu unterhalten als mit dem Haushalte des Glaubens. Davon nehmen wir solche Verwandte aus, welche sich uns gegenüber auf das Wort des Apostels berufen können: „Wenn aber jemand für die Seinigen … nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet.“ (1. Tim. 5:8) Als Richtschnur diene uns des Apostels Wort: „Wie wir Gelegenheit haben, lasst uns das Gute wirken gegen alle, am meisten aber gegen die Hausgenossen des Glaubens.“ Unsere uns ferner stehenden Verwandten kommen im Range unmittelbar nach dem Haushalte des Glaubens.
Es war augenscheinlich die Absicht unseres Herrn, seine Nachfolger einander näher zu bringen, eine Familie aus dem Haushalte des Glaubens zu machen. Darum finden wir in der Schrift die wiederholte Ermahnung und Aufmunterung, miteinander zu verkehren, einander zu helfen und sich regelmäßig zu versammeln; darum auch die Verheißung, dass, wo zwei oder drei versammelt seien in seinem Namen, er mitten unter ihnen sein werde. Unseres Herrn Handlungsweise stimmt völlig überein mit der besonderen Fürsorge, die er dem Haushalte des Glaubens zuteil werden ließ. Denn zum Passahmahl, das gemäß 2. Mose 12:1-21 in jeder Familie ohne Zuziehung von Außenstehenden gefeiert werden sollte, zog er nur seine zwölf Apostel hinzu unter Ausschluss seiner und ihrer Verwandten nach dem Fleische. Sie waren seine Familie. Denselben Gedanken äußerte er in Matth. 12:47-50, als er denen, die ihm sagten, seine Mutter und seine Brüder seien draußen und wünschten ihn zu sprechen, antwortete: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? … wer irgend den Willen meines Vaters tun wird, der in den Himmeln ist, derselbe ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“
Dem uns vom Meister gegebenen Beispiele folgend, sollten wir erwarten, dass unsere Zuneigung und unser Interesse sich vornehmlich den Mitgliedern am Leibe Christi zuwendet, den anderen Neuen Schöpfungen. Doch nicht in der Weise, dass dabei die passenden Beziehungen der Geschlechter oder die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten aufgehoben würden. Die Neue Schöpfung hat auch in der Ehe die Pflicht zuzusehen, dass den Lebensgenossen nichts von dem abgehe, was beschafft werden kann an äußerlichen oder innerlichen Liebeserweisungen. Nur dem Anspruche, dem Umgange mit den Genossen des Glaubens gänzlich zu entsagen, darf und soll begegnet werden unter Hinweis auf das göttliche Gebot: „Indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, sondern einander ermuntern, und das um so mehr, je mehr ihr den Tag herannahen sehet.“ – Hebr. 10:25
„Erweiset allen Ehre“
„Als Freie, und die nicht die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes. Erweiset allen Ehre; liebet die Bruderschaft; fürchtet Gott; ehret den König.“ (1. Petr. 2:16, 17) „Gebet allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre, dem die Ehre gebührt. Seid niemandem irgend etwas schuldig, als nur einander zu lieben.“ – Röm. 13:7, 8
Nachdem die Neue Schöpfung den Geist der Nebenbuhlerschaft und des weltlichen Ehrgeizes hat ablegen können und erfüllt worden ist vom Heiligen Geiste, der sie hochherzig und freundlich machte, hat sie keine Gelegenheit mehr, bei der Hochmut und Begehrlichkeit sie verhindern könnte, die guten Eigenschaften des Herzens oder der Gesinnung bei anderen zu würdigen. Es sollte ihr geradezu zur Freude gereichen, die irdischen Rechte und Ansprüche anderer voll und ganz anzuerkennen, nachdem sie selbst ihre irdischen Rechte und Ansprüche darangegeben hat, um geistiger, himmlischer Güter teilhaftig zu werden. Wo solche Gesinnung herrscht, da erfreuen sich auch die Regenten dieser Welt der aufrichtigsten Anerkennung; denn diese Gesinnung schafft Bürger, die sich ohne weiteres den Gesetzen und Forderungen unterwerfen, soweit dieselben nichts vorschreiben, was den göttlichen Anforderungen und Geboten zuwiderläuft ( Apg. 5:29). Da es heutzutage keine oder doch sehr wenige Herrscher gibt, welche etwas dagegen einwenden, dass wir an einen obersten Schöpfer glauben und ihm zu gehorchen suchen, so hat die Neue Schöpfung alle Ursache, ihre Achtung vor dem Gesetz in jeder Weise zu bezeugen, und gar keinen Grund zum Agitieren, Händelsuchen und Kritisieren. Nicht etwa, dass sie nicht noch deutlicher als andere Menschen einsähe, dass an den gegenwärtigen Zuständen vieles, sehr vieles auszusetzen ist, zumal dieselben eine Folge der Selbstsucht sind. Aber sie sieht eben gleichzeitig mit den Augen ihres durch Gottes Wort erleuchteten Verständnisses, dass menschliche Bemühung und Revolution nicht vermag, das herbeizuführen, was Not tut. Sie sieht, dass das Zehnfache des Besten der Menschheit noch weit hinter dem zurückbleibt, was der Herr uns gezeigt, an was zu glauben er uns gelehrt, und was eintreten soll zur bestimmten Zeit, wenn sein Königreich auf Erden aufgerichtet sein wird, dass alsdann der Wille Gottes auf Erden geschehen wird, wie er im Himmel geschieht.
Die Einsicht, deren sich die Neue Schöpfung erfreut, dass menschliche Bemühung ungenügend ist, gibt ihr ein gesundes Urteil hinsichtlich der gegenwärtigen Zustände, wie es andere nicht in gleichem Maße haben können. Sie kann verstehen, dass selbst bei der schlechtesten Regierungsform, bei der ausgesprochensten Willkürherrschaft, Ordnung und Gesetz besser gewahrt werden als bei völliger Gesetzlosigkeit und Anarchie. Sie hat sich an den Gedanken gewöhnt, dass der große Jehova sich der Sache annimmt, und dass sein Weg und seine Zeit allein weise und imstande sind, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Darum ist die Neue Schöpfung geduldig, freudevoll, hoffnungsvoll. Wie der Apostel Jakobus es ausdrückt: „Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Gegenwart (parousia heißt nicht „Ankunft“) des Herrn.“ (Jak. 5:7, 8) Sein Reich wird in kurzem Gerechtigkeit und Glück über die ganze Menschheit verbreiten.
Die Neue Schöpfung hört auch auf des Herrn Botschaft: „Erzürne dich nicht über die Übeltäter“ – zur bestimmten Zeit werden sie hinweggerafft werden. (Psalm 37:1, 2) Während es also anderen sehr wichtig ist, über Politik, Volkswirtschaft u. dgl. zu diskutieren, weiß die Neue Schöpfung, dass Gott vorausgesehen hat, dass es so kommen werde, und dass das „Mene tekel“ gegen die gegenwärtigen Zustände schon ausgesprochen worden ist. „Gewogen und zu leicht erfunden“ gilt allen unseren Einrichtungen. (Dan. 5:25-28) Sie gewahrt, dass Gottes in der Schrift verzeichnetes Urteil richtig und unabänderlich ist, und harrt daher geduldig des Augenblickes, wo der Herr alles dem göttlichen Willen und seinen kostbaren Verheißungen gemäß umgestalten wird. Auch dann noch, wenn sie gewahrt, dass diese Neugestaltung zunächst große Trübsal über die Welt heraufbeschwört, beruhigt sich die Neue Schöpfung bei den göttlichen Verheißungen und lässt der Zukunft Schlüssel in den Händen ihres Meisters. Sie weiß, dass, was sie auch sagen oder denken oder tun mag, es das Ergebnis der Wege Gottes nicht ändern wird, und der Glaube an Gottes Weisheit und Macht schafft ihrem Herzen Frieden. Nach der Aussage des Propheten (Psalm 46:5) wird in dieser unruhigen Zeit „Zion nicht wanken“ – ihr Vertrauen, ihre Zuversicht, ihr Glaube sind fest gegründet, nicht auf den Sand der Unkenntnis und daraus sich ergebenden Aberglaubens, sondern auf den ewigen Felsen des lebendigen Wortes Gottes.
Auch erscheint es der Neuen Schöpfung weder notwendig noch klug, den Versuch zu machen, die Welt durch die Ankündigung der kommenden Drangsal in Schrecken zu jagen. Vor allem erinnert sie sich der Voraussage, dass die Bösen es nicht verstehen werden. (Dan. 12:10) Sie erachtet ferner, dass die arme seufzende Schöpfung an der Plage des Alltagslebens genug habe und nicht erst der Angst vor der kommenden Drangsal bedarf, die sie ja doch nicht abzuwenden vermag. Während sie es also nicht scheuen wird, den ganzen Ratschluss Gottes da kundzutun, wo sie Anlass hat zu denken, dass sie hörende Ohren vor sich hat, wird sie es weislich vermeiden, ihre Bemühungen anderwärts zu vergeuden und den Zorn derer zu erregen, die den Herrn und sein Wort nicht zu schätzen wissen. Sie wird ihre Perlen nicht vor die Säue werfen, sondern die Weisheit von oben wird in ihrem Herzen wohnen, die da ist aufs erste rein, sodann friedsam, gelinde, lenksam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte. – Jak. 3:17
Den Menschen Ehre zu erweisen, ihrem Charakter oder ihrer öffentlichen Stellung gemäß, den Gesetzen unterworfen zu sein, bedingt keine Teilnahme an der Regierung dieser Welt. Wo der Abstimmungszwang gesetzlich eingeführt ist, sollte sich die Neue Schöpfung ohne Murren fügen, an den Abstimmungen und Wahlen teilnehmen und von ihrem Stimmrecht den gewissenhaftesten Gebrauch machen, denen die Stimme gebend, welche sie als die besten Kandidaten betrachtet. Wo kein Stimmzwang besteht, sollte sich, der Meinung sind wir, die Neue Schöpfung der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen enthalten und zwar aus folgenden Gründen:
1. Wir können nicht hoffen, unter den Kandidaten jemanden zu finden, der unseren Anforderungen völlig entsprechen könnte.
2. Wir können nicht hoffen, die Abstimmung in unserem Sinne zu beeinflussen.
3. Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, und was denselben vorausgeht, nehmen den Neuen Schöpfungen viel von der gänzlich Gott geweihten Zeit und Kraft weg, die den himmlischen Dingen und der Verkündigung der frohen Botschaft gewidmet bleiben sollte. Außerdem würde es ihren Geist so mit politischen Interessen erfüllen, dass ihnen nur wenig Raum mehr bliebe für das stille Erwägen der besseren Dinge, für den Umgang mit ihrem Herrn.
4. Wer für einen Mann oder eine Partei stimmt, wird mehr oder weniger verpflichtet, für das Wahl- oder Abstimmungsresultat einzustehen, eventuell mit den Waffen. Wenn es nun auch einem jeden Staatsbürger unter gewissen Umständen widerfahren kann, zum Schutze der bestehenden Gesetze und Behörden, unter denen er lebt, zu den Waffen gerufen zu werden, so wird doch seine Verantwortlichkeit denselben gegenüber größer sein, wenn er zur Herbeiführung und Erwählung derselben mitgeholfen hat. Es wird mithin für uns besser, vor dem Herrn, vor der menschlichen Gesellschaft, vor uns selbst ehrenhafter sein, wenn wir uns, der Schrift gemäß, als Fremdlinge in dieser Welt betrachten. (Psalm 39:12; 1. Petr. 2:11) Fremdlinge haben den Gesetzen untertan zu sein, das ist auch unsere Pflicht. Fremdlinge dürfen den Schutz der Gesetze anrufen; das dürfen wir auch. Aber Fremdlinge würden sich nicht verpflichtet fühlen, gegen ihr Herkunftsland in den Krieg zu ziehen, dessen Behörden sie ehedem anerkannten. Fremdlinge zu sein, ist unsere Stellung; denn sind wir nicht versetzt worden aus den Königreichen dieser Welt in das Königreich des Sohnes Gottes, jetzt schon, da dasselbe noch im Embryo-Zustande ist? – Kol. 1:13
Sind wir nicht Untertanen des großen Königs? Und sind nicht die Königreiche dieser Welt mehr oder weniger die Königreiche des „Fürsten dieser Welt“, mit der Selbstsucht als oberstem Gesetz? Sind wir also nicht Fremdlinge und Wanderer in ihnen? Es ist freilich am Platze, dass wir alle guten Gesetze und alle Wächter der irdischen Gesetze lieben, und dass wir uns darüber freuen, dass die Neue Schöpfung in ihrer großen Mehrzahl in zivilisierten Ländern lebt und alle Vorteile dieses Vorrechtes genießt. Darum verraten wir auch unser Geburtsland, seine Regenten und seine Gesetze nicht; allein damit ist nicht gesagt, dass wir nun auch mit fleischlichen Waffen dafür kämpfen oder für sie irgendeine Verantwortung übernehmen müssten, indem wir uns an Wahlen und Abstimmungen beteiligen.
Nicht alle Regierungen freilich entheben diejenigen, welche den Krieg für Unrecht halten, vom aktiven Kriegsdienst; allein sie lassen doch da und dort gewisse Rücksichten walten; z.B. durch Verwendung solcher Leute in den Sanitäts- oder Verwaltungstruppen. Sollte aber eine Neue Schöpfung zum Dienst an der Linie beordert werden, so hätte sie dem Befehl zu gehorchen und anzunehmen, dass der Herr, der dies zuließ, dadurch irgend etwas Gutes für den Ausgehobenen oder für andere wirken will. Gelingt es in diesem Falle nicht, sich zu den Sanitätstruppen versetzen zu lassen, indem man seine Grundsätze den zuständigen Beamten kurz mitteilt, so bleibe man in der Linie, aber erinnere sich, dass dem Befehl, einen Nebenmenschen niederzuschießen, Gehorsam nicht geschuldet wird.
Die Neue Schöpfung und die Bestrebungen zur Hebung der Sittlichkeit
Jeder Angehörige der Neuen Schöpfung sympathisiert naturgemäß mit allem, was sittlich, recht, rein und gut ist. Beim Fortschreiten auf der einmal betretenen Bahn wird er nicht nur reinen Herzens – das freilich in allererster Linie, sondern auch reinlich in Kleidung und Körperpflege zu sein wünschen, und namentlich auch in der Rede. Er wird nicht in den Irrtum der Welt verfallen, welche wähnt, was in den Mund hineingehe, verunreinige den Menschen mehr, als was aus demselben herausgehe. Reinheit des Herzens wird allmählich Reinheit der Lippen herbeiführen und Sorgfalt im Essen und Trinken und in der Kleidung, damit dem Herrn Ehre gemacht werde in allem, da wir ihm ja alles geweiht haben. Es ist nicht unsere Sache, anderen Fesseln aufzuerlegen, von denen die Schrift nichts sagt, aber jedes Glied der Neuen Schöpfung sollte sich dessen immer mehr bewusst werden, dass sein Weihegelübde mit allem und jedem in seinem Leben zu tun hat. Wer also Neigung hat zu übermäßigem Essen oder Trinken oder zu Unordentlichkeit in seiner Kleidung, sollte sich gründlich und im Gebet prüfen, ob er auch in allen Dingen den Herrn verherrliche und den Einfluss, den er auf Nebenmenschen ausüben kann, auch ganz ausnütze. Wir erlauben uns zu vermuten, dass nur sehr wenige Neue Schöpfungen sich selber das Zeugnis geben werden, dass sie immer gerade das essen und trinken, was auf ihre geistigen, sittlichen und physischen Eigenschaften den besten Einfluss ausübt. Solche Selbstprüfung wird vielmehr in den meisten Fällen offenbar machen, welchen Schaden unsere Fähigkeiten vom Fall davongetragen und wie viel mehr sie der Ausbesserung als der weiteren Beschädigung bedürfen.
Schmucksachen
Wir könnten mit ziemlich viel Recht geltend machen, dass für ein wahres, treues, edelgesinntes Kind Gottes, das sein Leben ganz im Dienste des Herrn geweiht hat, nichts zu schön oder zu kostbar ist. Wir könnten anführen, dass die Engel des Himmels ohne Zweifel herrlich anzuschauen sind, und könnten daraus schließen, dass schöne Erscheinung zu dem gehöre, was Gott an seinem Volke wohl gefalle. So möchte es auf den ersten Blick scheinen, als sollten sich die Glieder der Neuen Schöpfung auch äußerlich soviel wie möglich mit Gold und Edelsteinen schmücken. Doch bevor wir so entscheiden, wollen wir die Gründe ins Auge fassen, die die Neue Schöpfung dafür hat, nicht außerordentlich kostbare Schmucksachen zu tragen.
1. Wer besonders geschmückt einhergeht, läuft Gefahr, hochmütig zu werden, und wir wissen alle, dass Gefallsucht, der Wunsch, vor anderen in vorteilhafter Weise zu erscheinen, für unser Fleisch eine sehr starke Versuchung ist und mit der Pflege der Demut und Niedriggesinntheit nicht vereinbar ist. Was aber zum Hochmut hin- und von der Demut wegführt, ist der Neuen Schöpfung nicht zuträglich.
2. Weitaus die meisten Menschen verhindert Armut am Tragen äußerer Schmucksachen. Solange die Armen nicht die neue Gesinnung haben, ist es ganz natürlich, dass sie mit Neid auf die Reichen sehen, und insbesondere auf jene, die ihren Reichtum zur Schau tragen. Die Liebe zum Nächsten würde mithin die Neuen Schöpfungen antreiben, an die Lage, in der sich andere befinden, und die Empfindungen, die sie in ihr haben müssen, zu denken, sie nicht zu Neid und Begehrlichkeit zu reizen, noch ihnen ihr Leben und ihr Los noch mehr zu verbittern dadurch, dass sie Vergleiche anstellen.
3. Jedes Glied der Neuen Schöpfung hat alles dem Herrn und seinem Dienste geweiht; das bedeutet den Entschluss, alle Güter dieser Welt, die etwa in seinen Bereich kommen mögen, nicht zu missbrauchen, sondern nach dem Vorbilde dessen zu gebrauchen, der unser Erlöser und Anführer und Meister geworden ist. Dieses Vorbild ist aber das des Opferers, nicht nur von Einfluss und Zeit, sondern auch von Mitteln, Reichtümern usw. „Er, der reich war, ward arm um unseretwillen.“ Darum wird jedes Glied der Neuen Schöpfung, je höher es seinen Weihebund zu schätzen weiß, und je mehr es seinen Anforderungen zu entsprechen sucht, auch um so bessere Verwendung finden für die seiner Verwaltung anvertrauten Güter, als die Beschaffung außerordentlich kostbaren Schmuckes, der das eigene Herz zu Hochmut und das andere zu Neid hinreißen kann. Es wird sich gedrungen fühlen, einen jeden Taler so nutzbringend wie möglich im Dienste des Herrn zu verwenden.
Wir tun vielleicht wohl daran, darauf hinzuweisen, dass das Weihegelübde, das uns nicht gestattet, Geld für Juwelen oder kostbare Toiletten auszugeben, auch dem Anhäufen von Reichtum in Grundeigentum, Werttiteln usw. entgegensteht. Geld ist soviel wert als der Gebrauch, den wir davon machen. Neue Schöpfungen, welche Güter dieser Welt besitzen, tun also gut daran, sich ihrer Verantwortlichkeit in dieser Sache zu erinnern und den Willen Gottes hinsichtlich der Verwendung derselben zu erkennen zu suchen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Selbstsucht herabzieht, und dass, wer den großen Preis gewinnen will, dieselbe überwinden lernen muss.
Wenn schon ein weltlicher Mann von edler Gesinnung, der ausdrücklich erklärt, er sei kein Christ, und wenn er überhaupt eine Religion hat, etwa Buddhist ist, es als eine Schande bezeichnen kann, reich zu sterben, wie viel mehr sollten Neue Schöpfungen empfinden, dass es, nachdem sie ihr alles dem Herrn geweiht, eine Schande wäre, geweihtes Geld zu verschwenden, um sich herauszuputzen oder es aufzuhäufen, wo doch so viel Gelegenheit ist, es in nutzbringender Weise auszugeben. Die ganze Schöpfung seufzt und liegt in Geburtswehen, sagt der Apostel, und der Meister selbst erklärt: „Arme habt ihr allezeit bei euch.“ Ja gewiss, wer gütig, barmherzig, mitteilsam sein möchte, der hat dazu hinreichend Gelegenheit. Die Neuen Schöpfungen sollten solche Gelegenheiten erst recht wahrnehmen als Anlässe, bei denen sie sich als weise Verwalter ausweisen und Maßhalten in persönlichen Dingen an den Tag legen können, als Anlässe, bei denen sie von dem geistigen Reichtum mitteilen können, der ihnen zuteil geworden ist. Sie können dadurch Werkzeuge werden, anderen zu dem weißen Kleide von Christi zugerechneter Gerechtigkeit zu verhelfen, des Brotes, das vom Himmel herabgekommen ist, und dadurch dem umso mehr Ehre machen, der sie versetzt hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht. Es sind vortreffliche Gelegenheiten, ihr Licht umso heller leuchten zu lassen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass der Zweck, den der Herr im Auge hatte, als er seine Sache in einem Zustande hinterließ, welcher die Geweihten zu steter Selbstverleugnung, zum Aufnehmen des Kreuzes und zum Wandeln nach dem Vorbilde dessen, den Gott gesandt hat, veranlasst, der war, seinem Volke Gelegenheit zu geben, in dieser Weise zu dienen und seine Treue als Haushalter zu beweisen.
Wir meinen nun keineswegs, dass jemand sich selbst zum Bettler machen und so anderen zur Last fallen sollte, indem er im Dienste des Herrn alles weggäbe, sogar bildlich gesprochen den Samen der Aussaat. Wir meinen auch nicht, dass, um dem Herrn größere Opfer bringen zu können, Kinder Gottes unordentlich oder abgetragen einhergehen sollten. Unseres Erachtens ist das Richtige in diesem Stück Reinlichkeit, Vermeidung des Auffallenden und darum Anpassung in der Kleidung an die Umgebung und die Verhältnisse, in denen man lebt. (Die Kosten für die Bekleidung sollten in einem vernünftigen Verhältnis zu den Einkünften stehen.) In allen diesen Dingen geziemt es den Neuen Schöpfungen, als leuchtende Vorbilder vor der Welt dazustehen. Ganz besonders darauf sollten sie achten, in der Kleidung nicht mehr Aufwand zu machen, als ihre Mittel es ihnen gestatten, nicht einen Reichtum zu heucheln, den sie nicht haben, die ganze Lebenshaltung so einzurichten, dass nicht alles draufgeht, sondern etwas für die laufenden Bedürfnisse und zur Ausübung der gottähnlichen Tugenden des Wohlwollens und der Nächstenliebe gegenüber Notleidenden übrigbleibt.