Der Gegenstand der Versöhnung:
Der Mensch
Was ist der Mensch? – Antwort der „Rechtgläubigen“. – Antwort der Wissenschaft. – Die biblische Antwort. – Der Leib des Menschen. – Des Menschen Geist. – Die menschliche Seele. – Durch falsche Übersetzung hervorgerufene Verwirrung. – Das Erzeugen, bzw. Fortpflanzen von Seelen. – Was ist der „Schoel“, „Hades“, wohin alle Seelen nach dem Tod bis zur Auferstehung gehen. – Eine genaue Untersuchung aller diesbezüglichen Schriftaussagen.
Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst, und des Menschen Sohn, dass du auf ihn acht hast? Denn ein wenig hast du ihn geringer gemacht als die Engel; und mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert.
Psalm 8:4-8
Welch ein großes Wesen ist denn der Mensch, dass der Schöpfer des Weltalls so sehr um sein Wohlergehen bekümmert ist und so reichliche Fürsorge zu seiner Versöhnung getroffen hat – dabei sogar seines eigenen Sohnes nicht verschonend? Diese höchste aller irdischen Kreaturen Gottes sollten wir eigentlich so gründlich als möglich kennen: und doch ist unser Urteilsvermögen so beschränkt, und unser Wissen so begrenzt, dass wir in Bezug auf diesen Gegenstand fast allein auf das angewiesen sind, was unser lieber Schöpfer in seinem Wort uns offenbart. Obwohl das Erforschen des Menschen als höchste Wissenschaft fast allgemein anerkannt ist, so müssen wir doch zu unserem Befremden zugestehen, dass es kaum einen Gegenstand gibt, worüber so viel Verwirrung herrscht, als gerade in Bezug auf den Menschen. Untersuchen wir die Sache etwas näher, so begegnen wir zwei Hauptansichten, von denen wir aber keine als die richtige und biblische anerkennen können. Obwohl die beiden gewisse Wahrheiten enthalten, so sind sie doch beide ganz bedenklich falsch und irreleitend, so dass sogar solche, die von denselben noch nicht ganz irregeführt sind, doch so sehr von diesen Irrtümern beeinflusst werden, dass viele Wahrheiten ihnen als haltlos und ungereimt erscheinen, während sie andererseits manchen Trugschluss für wahr und unumstößlich halten. Unser Gegenstand muss daher allen wichtig sein, welche die Wahrheit zu erkennen begehren und den vollen Segen bringenden Einfluss derselben in ihren Herzen und Leben verspüren möchten. Ganz besonders wichtig ist er aber in Bezug auf unser Hauptthema, die Versöhnung. Wer nicht deutlich erkennt, was der Mensch ist, der wird schwerlich ein klares Verständnis der biblischen Lehre erlangen, welche sich auf das Lösegeld für die Sünde des Menschen und auf die Resultate dieses Lösegeldes beziehen.
Wir wollen zuerst die allgemeine, sogenannt „rechtgläubige“ (orthodoxe) Antwort auf die Frage, Was ist der Mensch? betrachten, dann die streng wissenschaftliche und schließlich die biblische Ansicht, die wohl sehr von den anderen abweicht, aber trotzdem viel verständiger ist als beide zusammen, und die zugleich auch die einzige Grundlage bietet, auf welcher die beiden anderen Ansichten sich vereinigen lassen
Die Ansicht der Orthodoxie
Befragen wir die Vertreter der sogenannt orthodoxen Theologie über das Wesen des Menschen, so wird uns ungefähr folgende Antwort (deren Richtigkeit wir jedoch bestreiten) zu teil:
Der Mensch besteht aus drei Teilen, Leib, Seele und Geist; der Leib wird auf gewöhnliche animalische Weise geboren, mit dem Unterschied jedoch, dass Gott bei der Geburt dazwischen tritt und in den Leib eine Seele und einen Geist pflanzt, die beides Teile von ihm selbst sind: und als Teile von Gott können sie selbstverständlich nicht zerstört und nicht vernichtet werden, sie sind also gleich Gott unsterblich. Diese beiden Teile, Seele und Geist, bilden zusammen den eigentlichen Menschen, während der Leib bloß die sichtbare Hülle des eigentlichen Menschen ist, worin derselbe während der Zeit seines irdischen Lebens wie in einem Hause wohnt. Beim Tode, sagen sie werde er von seinem fleischlichen Gefängnis befreit und er erreiche deshalb erst von da an einen ihm angemessenen Zustand.
Mit anderen Worten ausgedrückt, behauptet die „Orthodoxie“, dass der eigentliche Mensch kein irdisches, sondern ein Geistwesen sei, das im Grunde nicht für diese Erde passe. Ja, man ist, in der Theorie wenigstens, so weit gegangen, dass man den Tod, wo der Mensch von seiner „Hülle“ befreit werde, als einen großen Segen betrachtet; trotzdem scheuen aber die Menschen keine Anstrengung, um die Zeit ihres Wohnens im fleischlichen Hause soviel als möglich zu verlängern, indem sie sich der Medizin bedienen, Erholungsreisen unternehmen und alle möglichen Gesundheitsregeln befolgen. Viele betrachten „die Befreiung“ oder „Erlösung“ (genannt „Tod“) als eine weitere Stufe im Entwicklungsprozess; sie halten die Verwandlung vom irdischen in den himmlischen, vom animalischen in den geistigen Zustand für ein vernünftiges, logisches Endergebnis der wissenschaftlichen Theorie, laut welcher der Mensch ursprünglich nicht als Mensch erschaffen worden sei, sondern sich während vielen fast endlosen Zeitaltern vom Urgebilde (Protoplasma) bis zum Affen und vom Affen schließlich bis zum Menschen empor entwickelt habe. Und in Übereinstimmung mit dieser Lehre wird ferner behauptet, die frühesten Generationen der Menschheit seien gegenüber der heutigen ganz gewaltig im Rückstand gewesen; die Fortentwicklung bringe die Menschen vorwärts, und die nächste Stufe (für jedes menschliche Wesen) sei eine Verwandlung oder Weiterentwicklung zum geistigen Zustand, zu Engeln und Göttern, oder aber zu Teufeln.
Dies alles scheint dem Hochmut des 19. Jahrhunderts sehr zu schmeicheln (trotzdem man dadurch andererseits die denkbar schmählichste und unwürdigste Herkunft anerkennt). Man misst sich selbst die höchsten Errungenschaften der Gegenwart sowohl als auch eine zukünftige Erhöhung bei. Diese Anschauung ist zwar nicht bloß in den zivilisierten Ländern zu finden, sondern unter allen heidnischen Völkern, sogar die Wilden offenbaren in der Praxis den gleichen Gedanken, betreffend den Menschen, nur dass sie dessen Herkunft nicht so weit zurück verfolgen. Die Ansicht wird von allen heidnischen Philosophen unterstützt, und in beträchtlichem Maße stimmen ihr auch unsere heutigen wissenschaftlichen Theoretiker bei, die, obwohl sie den Gegenstand ganz anders definieren, sich dennoch gerne der Hoffnung auf ein zukünftiges, der Fortentwicklung entsprechendes Leben hingeben; sie erwarten damit eine Befriedigung ihrer Eitelkeit – auf eine Art und Weise, die freilich gar nicht mit ihren „Entdeckungen“ und Mutmaßungen bezüglich des Lebenskeimes des Menschen übereinstimmt.
Wie die Wissenschaft den Menschen beurteilt,
kann in ungefähr folgenden Worten kurz zusammengefasst werden: Der Mensch ist die bis jetzt höchst entwickelte Gattung des Tierreichs; sein Körper unterscheidet sich von denjenigen anderer Tiere durch seine schönere Gestalt, durch seine edlere Ausbildung. Sein Gehirn gleicht dem der Tiere, ist aber ebenfalls besser entwickelt, von einer feineren Substanz und mit größerer Fassungskraft ausgerüstet, wodurch der Mensch von Natur aus befähigt ist, über die niedere Kreatur zu herrschen. Der Mensch besitzt den gleichen Odem oder Geist des Lebens wie die anderen Tiere; sein Organismus sowie sein Lebenskeim stammen von seinen Eltern, gleich wie auch die Tiere ihr Leben und ihre Leiber von ihren Eltern erhalten.
Die Wissenschaft anerkennt jeden Menschen als eine Seele – ein fühlendes Wesen; was aber die Zukunft, den Zustand des Menschen in der Ewigkeit anbetrifft, ist sie nicht imstande, mit klarer Auskunft aufzuwarten, da sie eben keinen Grund für eine Schlussfolgerung, ja nicht einmal für eine vernünftige Vermutung finden kann. Ohne sich mit dem Gegenstand näher zu befassen, erwartet die Wissenschaft jedoch, dass die Zukunft den Grundsätzen der Fortentwicklung entsprechen werde, welche sie in der Vergangenheit nachweisen zu können behaupten. Auf die durch ihren Gott, „das Gesetz der Natur“, schon erreichte Entwicklungsstufe ist die Wissenschaft nicht wenig stolz, und sie hegt die Hoffnung, dass durch das fernere Wirken des Naturgesetzes (die Existenz eines persönlichen Gottes leugnet sie) die Menschheit schließlich in einen noch vollkommeneren gottähnlicheren Zustand gelangen werde, als sie es jetzt schon sei.
Der Mensch vom biblischen Standpunkt aus betrachtet
Wie schon früher erwähnt, stimmt die Bibel in einigen Punkten mit den soeben betrachteten Anschauungen überein, in der Hauptsache jedoch widerspricht sie beiden durchaus. Die Bibel bietet uns keinen Anlass zum Grübeln; als Stimme der Offenbarung Gottes spricht sie vielmehr mit Autorität und Nachdruck und gibt uns nicht bloß über die Vergangenheit und Gegenwart, sondern eben sowohl über die Zukunft des Menschen klaren Aufschluss. Die biblische Anschauung ist für uns die allein maßgebende; sie ist aber auch die einzig wahrhaft wissenschaftliche und „rechtgläubige“ Anschauung über diesen Gegenstand.
Dem menschlichen Stolz schmeichelt die biblische Darstellung freilich gar nicht; sie stellt den Menschen nicht als seinen eigenen Entwickler dar, noch auch schreibt sie das einem Gott der Natur zu, da es eben keinen solchen gibt. Die Bibel lässt in Bezug auf die Erschaffung des Menschen Gott allein die Ehre, indem sie klar und deutlich lehrt, dass Adam (der Stammvater der ganzen Menschheit) als Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Und wenn der Mensch nun verfehlt hat, diese Gottähnlichkeit beizubehalten, wenn er sich durch den Sündenfall geistige, körperliche und moralische Entartung bis zum schließlichen Tod zugezogen hat, so ist er selbst allein daran schuld und dafür verantwortlich. Wiederum gibt die Bibel Gott die Ehre durch die Offenbarung seiner Gnade und Großmut gegen den gefallenen Menschen, indem wir durch ihr Zeugnis vernehmen, wie Gott für eine Erlösung des Menschen und für dessen Wiederherstellung zu seinem ursprünglichen Zustand gesorgt hat – durch die Vermittlung seines Sohnes, während des Millenniums.
Wenn christliche Leute sich mit unserem Gegenstand befassen und untersuchen wollen, was die heilige Schrift darüber sagt, so verfehlen sie gewöhnlich den Unterschied zu erkennen zwischen der Menschheit im allgemeinen und der Kirche – der kleinen Herde, welche sich Gott während des jetzigen Zeitalters aus allen Völkern zusammen beruft, um sie für einen neuen, übermenschlichen (einen geistigen) Zustand zu erziehen und vorzubereiten – und gerade dieses Nichterkennen eines so bedeutenden Unterschieds ist zum guten Teil schuld an der großen Verwirrung, welcher wir hinsichtlich unseres Themas unter Christen leider überall begegnen. Da sie „das Wort der Wahrheit recht zu teilen“ verfehlen, so wenden sie die Weissagungen und Verheißungen der heiligen Schrift, Alten und Neuen Testamentes auf alle Menschen an, trotzdem besonders die letzteren ausschließlich an die Kirche (Herauswahl) gerichtet sind und mit den der Welt verheißenen Wiederherstellungssegnungen nichts gemein haben. So wahr und zutreffend diese „überaus großen und herrlichen Verheißungen“ in Bezug auf die Kirche (Herauswahl) sind, so unpassend und falsch sind sie in Bezug auf die Welt. So werden z.B. des Apostels Worte, „Der Leib ist zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen“ (Röm. 8:10), die sich doch nur auf die Kirche (Herauswahl) anwenden lassen – so werden die besonderen und eigentümlichen Bedingungen der während dieses Zeitalters vor sich gehenden Berufung der Kirche dahin ausgelegt, als wären sie eben sowohl auch auf die übrige Menschheit anwendbar. Die Worte „tot“ und „Leben“ werden hier in Bezug auf solche gebraucht, die, nachdem sie durch die Gnade Gottes durch den Glauben gerechtfertigt worden, fortan als von der Todesstrafe freigesprochen betrachtet werden, damit sie ihre Leiber als lebendige Opfer darbringen mögen, indem sie dieselben, was irdische Vorteile und Interessen anbelangt, als tot rechnen und dem gemäß behandeln: sich also nicht mehr als fleischliche oder menschliche Wesen, sondern als „neue Kreaturen“ betrachten – zu einer neuen Kreatur gezeugt durch die Verheißungen Gottes. Auf gerechtfertigte und geheiligte Gläubige (welche durch den Glauben und den Gehorsam in Christo einen neuen Lebensgeist empfangen haben) beziehen sich also die angeführten Worte „tot“ und „Leben“ und absolut nicht auf die Welt; letztere besitzt ja keine andere Natur als die menschliche, kann man doch nicht sagen, dass sie in irgend einem Sinn wieder- gezeugt worden wäre.
Eine andere Stelle, die auch oft fälschlicherweise in Bezug auf die Welt gebraucht wird, aber nur für die geweihten Kinder Gottes Gültigkeit hat, ist die folgende: „Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die Überschwenglichkeit der Kraft sei Gottes und nicht aus uns“ (2. Kor. 4:7). Dies bezieht sich offenbar nur auf die Kirche (Herauswahl) – auf solche, die den Schatz, d.h. die neue Gesinnung, die neue Natur, empfangen haben. Sie bewahren diesen Schatz (die neue Natur) in ihrem natürlichen Leib, der als tot gerechnet und hier als „irdenes Gefäß“ bezeichnet wird. Die Illustration ist für die Klasse, auf welche sie sich bezieht – auf die Kirche (Herauswahl)- sehr zutreffend; es wäre aber ganz falsch, sie auf die allgemeine Menschheit anzuwenden, mit der Voraussetzung, dass jedes menschliche Wesen einen himmlischen Schatz oder eine neue Natur besitze, und dass also jeder menschliche Leib als ein „irdenes Gefäß“, als ein Behälter solch einer neuen Natur betrachtet werden müsse. Die Welt hat, wie schon gesagt, nur eine Natur – die menschliche; eine neue Natur besitzt sie in keiner Hinsicht, und es ist auch gar kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass sie je eine solche erhalten werde. Das höchstmögliche Ziel, das der Menschheit eröffnet werden wird, ist die Wiederherstellung zur vollkommenen Menschennatur, welche in Eden verloren ging, aber auf Golgatha zurück erkauft wurde. – Apg. 3:19-23
Wir könnten eine große Menge neutestamentlicher Schriftzeugnisse anführen, die sich alle nicht auf die allgemeine Menschheit beziehen, sondern nur auf die geheiligte Kirche (Herauswahl), welche durch den heiligen Geist zu einer neuen Natur gezeugt worden ist. So wäre es für jeden interessant und von nutzen, wenn er z.B. nur alle die Grüße, womit die Apostel ihre verschiedenen Epistel einleiten, aufmerksam betrachten würde: sie sind nicht, wie es so viele glauben, an die ganze Menschheit gerichtet, sondern an die Kirche (Herauswahl), an „die Geheiligten“, an den „Haushalt des Glaubens“.
Behalten wir also im Gedächtnis, dass wir in diesem Kapitel, „Was ist der Mensch?“, nicht untersuchen wollen, was die Kirche (Herauswahl), die neue Kreatur in Christo Jesu, noch auch die Geistes-Natur sei, wozu die Herauswahl jetzt schon durch den Geist gezeugt ist, und deren sie in der Ersten Auferstehung im vollsten Maße teilhaftig werden soll, so sie bis ans Ende treu bleibt. Im Gegenteil, der Gegenstand unserer Betrachtung ist der erste Adam mit seiner Nachkommenschaft. Wir möchten wissen, wer und was und welchen Geschlechts wir von Natur sind. Was ist der Mensch? So verstehen wir dann auch am Besten, wovon der Mensch gefallen, wohin er gefallen, wovon er erlöst worden ist, und was ihm die verheißene Wiederherstellung bringen wird.
Der Mensch – Leib, Seele, Geist
Wenn wir die maßgebende Erklärung des Wortes „Tier“ (Animal – ein lebendes, empfindungsfähiges Wesen) gelten lassen, so müssen wir den Menschen ohne Zögern als das Haupt, als den König aller Tiere der Erde anerkennen, und soweit stimmt die heilige Schrift auch völlig mit den Folgerungen der Wissenschaft überein. Beachte nur die Stelle am Anfang dieses Kapitels: der Prophet David hebt dort besonders hervor, dass der Mensch in seiner Natur niedriger sei als die Engel, aber ein König und Haupt über alle irdischen Kreaturen, der Stellvertreter Gottes gegenüber allen niedrigeren Gattungen lebender Wesen.
Die Bibel sagt nirgends, weder direkt noch indirekt, dass jeder menschlichen Kreatur ein Stück, ein Teil oder ein Lebenskeim des göttlichen Wesens mitgeteilt werde. Das ist eine grundlose Behauptung von Seiten solcher, die gerne ein Lehrgebäude aufrichten möchten und das nötige Material nicht aufzutreiben vermögen. Und diese haltlose Hypothese (Vermutung), dass jedem Menschen bei seiner Geburt ein Stück aus Gott mitgeteilt werde, bildet die Grundlage einer ganzen Anzahl falscher Lehren, durch welche der göttliche Charakter – die göttliche Weisheit, Gerechtigkeit, Allmacht und Liebe – grob geschändet wird.
Diese Behauptung (dass ein Lebenskeim des göttlichen Wesens jedem Menschen bei seiner Geburt mitgeteilt werde) ist es, welche die Lehre von einer Hölle mit ewiger Qual unbedingt nötig gemacht hat. Man glaubte, wenn der Mensch erschaffen worden wäre, wie die anderen Tiere, so würde er auch sterben, wie alle anderen Tiere – ohne Furcht vor einer Ewigkeit in Qual. Wenn aber Gott dem Menschen einen Keim seines eigenen Lebens eingepflanzt habe, so müsse der Mensch ewig leben, weil Gott unsterblich sei; und deshalb sei es dem „Allmächtigen“ nicht möglich, sein Geschöpf zu zerstören, selbst wenn ihm dessen Vernichtung erwünscht wäre. Wenn der Mensch aber unzerstörbar ist, so muss er in alle Ewigkeit irgendwo existieren: und da die große Mehrzahl der Menschen böse ist und nur eine „kleine Herde“ heilig und gottgefällig lebt, so ist man zu der Behauptung gelangt, dass in der Ewigkeit die vielen Unheiligen in gleichem Verhältnis bestraft und gequält werden, wie die wenigen Heiligen belohnt und gesegnet werden. Anderseits wird freilich angenommen, dass es mehr im Interesse der Menschheit liegen und mehr zur Ehre Gottes und zum Frieden und Gedeihen des ganzen Universum gereichen würde, wenn alle Gottlosen vernichtet werden könnten. Man behauptet aber, dass Gott wohl die Macht habe zu erschaffen, aber nicht imstande sei, den Menschen als ein Geschöpf wieder zu vernichten, weil ihm eben auf eine gewisse, unerklärliche Weise ein Keim göttlichen Lebens beigebracht worden sei. Wir hoffen beweisen zu können, dass dieses ganze Lehrgebäude lauter Trug ist und nicht nur jeglicher biblischen Stütze entbehrt, sondern von der heiligen Schrift als ein aus den finsteren Jahrhunderten stammendes Machwerk auf das bestimmteste widerlegt wird.
Den Aussagen der Bibel gemäß besteht der Mensch aus zwei Elementen – aus Leib und Geist. Aus der Vereinigung dieser Elemente entsteht die Seele, das fühlende Wesen, die Intelligenz – der eigentliche Mensch. Der Begriff „Leib“ bezieht sich bloß auf den physischen Organismus, er kann also weder auf die den Organismus belebende Kraft noch auch auf das aus dieser Belebung entstehende fühlende Wesen angewendet werden. Ein Leib ist nicht ein Mensch, trotzdem es ohne den Leib keinen Menschen geben könnte. Gleicherweise ist auch der Geist des Lebens nicht der Mensch, obwohl ein Mensch ohne diesen Geist des Lebens nicht existieren könnte. Das in den alttestamentlichen Schriften vorkommende Wort „Geist“ ist eine Übersetzung des hebräischen Wortes „Ruach“, das in erster Linie Odem bedeutet; darum begegnen wir ziemlich oft dem Ausdruck „Odem des Lebens“ oder „Geist des Lebens“, weil der einmal eingepflanzte Lebenskeim durch die Atmung erhalten bleibt.
Der Ausdruck „Geist des Lebens“ bedeutet jedoch mehr als nur Odem; er bezieht sich auf den eigentlichen Lebenskeim, ohne welchen der Odem gar nicht denkbar wäre. Diesen Lebenskeim empfangen wir von unseren Vätern, während derselbe durch unsere Mütter ernährt und entwickelt wird. (siehe Studie 4) Es ist ganz falsch, zu glauben, dass der Keim des menschlichen Lebens auf eine wunderbare Weise mitgeteilt werde – anders als der Lebenskeim der niedrigeren Kreaturen. Die untergeordneten Geschöpfe wie Pferde, Hunde 2c) werden von den Eltern ihrer Art auf ganz gleiche Weise gezeugt und geboren wie die Menschenkinder; und es gibt in der Bibel keine einzige Stelle, die dieser Tatsache widersprechen würde. Es ist rein menschliche, zur Unterstützung falscher Lehren bestimmte Erfindung, wenn behauptet wird, dass bei der Geburt eines menschlichen Wesens eine göttliche Dazwischenkunft stattfinde. Dass Gott der direkte Schöpfer jedes in die Welt geborenen Menschenkindes sei, ist eine dem gesamten Schriftzeugnis scharf zuwiderlaufende Vermutung, denn in diesem Fall wäre ja Gott selbst der Urheber der Sünde, der Unordnung und Unvollkommenheit, während die Bibel erklärt: „Vollkommen ist sein Tun“ (5. Mose 32:4). Nein, nein, die geistig, körperlich und sittlich Gefallenen sind keine Erzeugnisse aus Gottes Hand. Sie sind weit entfernt und tief gefallen von dem Zustand ihrer vollkommenen Stammeltern, Adam und Eva, für deren Erschaffung allein Gott die Verantwortlichkeit trägt. Die, welche behaupten, dass Gott jedes menschliche Wesen direkt erschaffe, machen dadurch den Schöpfer für alle in der Welt existierende Geistesschwäche und Dummheit, für allen Irrsinn und Blödsinn verantwortlich. Aber die Wissenschaft sowohl wie die heilige Schrift erklärt einstimmig, dass die Kinder die Laster und Tugenden, die Schwächen und Talente von ihren Eltern ererben. So erklärt der Apostel mit größter Bestimmtheit: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde (als Folge der Sünde) der Tod: und also ist der Tod auf alle Menschen durchgedrungen, weil sie alle (durch Vererbung) gesündigt haben.“ Der Prophet bezieht sich auf ganz dieselbe Tatsache, wenn er fragt: „Die Väter haben Herlinge (Sünde) gegessen, und die Zähne der Söhne sind stumpf geworden“ – sie sind alle ausgeartet. – Röm. 5:12; Jer. 31:29, 30; Hes. 18:2
Aber, möchte jemand hier einwenden, wäre es denn nicht möglich, dass Gott einen Keim seiner unsterblichen Gottheit unseren ersten Eltern eingepflanzt hätte, und dass dieser Keim dann unwillkürlich auf ihre Nachkommen übergegangen wäre? Lasst uns das diesbezügliche Schriftzeugnis untersuchen, dabei nicht vergessend, dass es über diesen Punkt sonst gar keine Offenbarung gibt als die biblische, jedermann verständliche Schilderung. Wir können folglich daraus weit mehr vernehmen, als irgend jemand anders über diesen Punkt zu wissen vermag. Was finden wir in der Schöpfungsgeschichte? Wir finden in der Tat, dass die Schöpfung des Menschen ganz besonders erwähnt wird, während die der niedrigeren Wesen nicht so ausführlich beschrieben ist. Wir bemerken aber auch, dass all die Zeugnisse in höchst einfache und deutliche Sprache gekleidet sind und nicht im geringsten der Vermutung Raum lassen, dass dem Menschen irgend ein übernatürlicher Lebenskeim mitgeteilt worden sei. Wenn der Mensch der übrigen Kreatur auch sehr überlegen ist, so besteht (dem Zeugnis der Schrift gemäß) sein Vorrang dennoch nicht in einer vornehmeren Art von Odem oder Lebensgeist, sondern in seiner edleren Körpergestalt, seinem feineren Organismus, und hauptsächlich auch im Besitz eines viel besser entwickelten Gehirns, das ihn zu einer Denkkraft befähigt, welche die Intelligenz der untergeordneten Tiere bei weitem übersteigt. Kurz, wir finden in der Bibel, dass der Mensch in dieser Hinsicht als ein irdisches, fleischliches Ebenbild seines Schöpfers erschaffen wurde, welcher ein Geistwesen ist. Joh. 4:24
Der Geist des Menschen
Wie wir schon früher gesehen, stammt das in unseren gewöhnlichen Übersetzungen vorkommende Wort „Geist“ vom hebräischen Ruach und dem griechischen Pneuma. Wollen wir also vom Worte „Geist“ in der Bibel einen richtigen Begriff erhalten, so dürfen wir nie vergessen, welche Bedeutung den ursprünglichen Worten zu Grunde liegt. Wie wir gefunden haben, bedeutet „Geist“ in erster Linie Wind, das gleiche Wort kann aber auch in Bezug auf irgend eine unsichtbare Kraft gebraucht werden. Wird es in Verbindung mit Gott gebraucht, so will es uns sagen, dass er mächtig aber unsichtbar ist, und wenn es sich auf den Einfluss und das Wirken Gottes bezieht, so bedeutet es, dass dieses Wirken von einer unsichtbaren Kraft stammt. Das Wort „Geist“ bedeutet auch öfters Verstand, weil diese Kraft weder sichtbar noch greifbar ist; so sind auch Worte unsichtbar und manchmal doch recht mächtig, und das alles durchdringende Leben ist gleich der Elektrizität eine gänzlich unsichtbare Kraft. Darum finden wir das Wort „Geist“ auf all diese verschiedenen Dinge angewendet. So spricht die Bibel von dem Geist unseres Verstandes als von der unsichtbaren Kraft des Verstandes; vom Geist des Menschen – dem Willen und den geistigen Kräften eines Menschen; vom Geist des Lebens – der Kraft des Lebens, welche unsere Leiber und die ganze Schöpfung bewegt; vom Geist Gottes als von der Kraft oder dem Einfluss, welchen Gott bald auf leblose, bald auf lebendige Gegenstände ausübt. Wir lesen vom Geist der Weisheit und verstehen darunter einen weisen Sinn; vom Geist der Liebe und erkennen darin eine von Liebe durchdrungene Gesinnung. Der „Geist der Bosheit“ bezeichnet einen von Bosheit durchwirkten Sinn; der „Geist der Wahrheit“ bezieht sich auf den Einfluss und die Kraft, welche von der Wahrheit ausgehen in gleicher Weise wie „der Geist der Welt“ sich auf die Kraft und den Einfluss beziehen, welche die Welt ausübt. Wir sehen also aus all diesen Beispielen, dass sich das Wort „Geist“ wie schon gesagt, auf irgend eine unsichtbare Kraft oder einen Einfluss beziehen kann. Im Einklang mit dieser Tatsache stellt die Bibel himmlische Wesen als Geistwesen, d.h. als unsichtbare, mit Kraft und Intelligenz ausgerüstete Wesen dar; das bezieht sich aber nicht auf Gott den Vater, allein, von welchem unser Herr Jesus erklärte, „Gott ist ein Geist“, sondern auch auf unseren Herrn Jesum selbst, sowie auf die Engel und alle Glieder des Leibes Christi, indem jedem Überwinder bei der Ersten Auferstehung ein „geistiger Leib“ zu teil werden soll; auch Satan und seine Engel werden in der Schrift als Geistwesen bezeichnet, indem auch sie unsichtbare und doch mächtige Wesen sind.
„Geist“ und „neue Kreatur“ im Neuen Testament
Wenn wir den Gebrauch des Wortes „Geist“ in Verbindung mit dem Menschen einer sorgfältigen Betrachtung unterziehen, so werden wir gewahr, dass
1. im Neuen Testament die Worte „Geist“ und „geistig“ sich sehr oft auf (a) den Willen, insbesondere den neuen Willen der durch das Wort und den Geist Gottes gezeugten „Heiligen“ beziehen. Die „neuen Kreaturen“ sind berufen, ihre menschliche Natur daranzugeben, damit sie die geistige erlangen, und wenn sie treu bleiben, so sollen sie der göttlichen Verheißung gemäß in der Ersten Auferstehung –
b) „geistige Leiber“ empfangen, ähnlich dem Auferstehungsleib Christi und dem herrlichen Leib des Himmlischen Vaters. Diese Hoffnung und Verheißung der Kirche wird als
c) die geistige und himmlische bezeichnet, im Gegensatz zu den Verheißungen, welche die allgemeine Menschheit im Millennium ererben wird. „Geist“ wird auch –
d) zur Bezeichnung von Engeln gebraucht, welche von Natur geistige, nicht fleischliche Wesen sind. Überall aber, wo die Worte „Geist“ und „geistig“ vorkommen, deuten sie in erster Linie die Unsichtbarkeit des betreffenden Wesens oder Gegenstandes an, was wir hier mit einigen geeigneten Schriftstellen noch illustrieren möchten:
a) „Paulus setzte sich vor in seinem Geiste (Pneuma, Willen, Sinn) . nach Jerusalem zu reisen.“ – Apg. 19:21
a) „Paulus Geist (Pneuma, Gesinnung, Gefühle) wurde erregt, da er die Stadt voll von Götzenbildern sah.“ – Apg. 17:16
a) „Denn Gott ist mein Zeuge, welchem ich diene in meinem Geiste (Pneuma, meiner neuen Gesinnung, meinem neuen Herzen, meinem neuen Willen) in dem Evangelium seines Sohnes.“ Röm. 1:9
a) „Ein sanfter und stiller Geist (Pneuma, Gesinnung).“ – 1. Petr. 3:4
Siehe auch Apg. 18:5, 25; 1. Kor. 5:3; 6:20, wo dem Worte „Geist“ stets die Bedeutung von Wille, Sinn oder Gesinnung zu Grunde liegt.
b) „Es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistiger (pneumatikos) Leib. Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen (pneumatikos) Leib … Aber das Geistige (pneumatikos) war nicht zuerst, sondern das Natürliche, darnach das Geistige (pneumatikos).“ – 1. Kor. 15:44, 46
c) „Die Gesinnung des Geistes (Pneuma – eine vom göttlichen Geist oder Willen geleitete Gesinnung besitzen) ist Leben und Frieden.“ – Röm. 8:6
c) „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi hat uns gesegnet mit jeder geistigen Segnung (pneumatikos – Segnungen geistiger, unsichtbarer Art) in himmlischen Örtern in Christo.“ – Eph. 1:3
c) „Ihr seid aufgebaut, ein geistliches Haus (pneumatikos – eine Familie, eine Haushaltung geistiger Art oder Ordnung)“. – 1. Petr. 2:5
d) „Eine gewisse Magd, die einen Geist (Pneuma – eine unsichtbare Kraft) des Wahrsagen besaß“ – durch Gemeinschaft mit gefallenen Geistwesen. – Apg. 16:16
d) „Paulus .. wandte sich um und sprach zu dem Geiste (Pneuma – dem bösen Geistwesen, von dem das Weib besessen war): Ich gebiete dir … auszufahren.“ – Apg. 16:18
d) Ähnliche Stellen, wo für das Wort „Geist“ (Geistwesen oder Engel) im Griechischen Pneuma steht, sind auch Apg. 19:12, 13, 15; 23:8, 9 und andere mehr.
Im Alten Testament wird das Wort „Geist“
2. besonders auf die Menschheit im allgemeinen angewendet, aber immer mit Bezug entweder auf (e) den Geist des Lebens, den Lebenskeim, welchen Gott ursprünglich dem Adam schenkte, und der sich seither (durch Vererbung) auf dessen ganze Nachkommenschaft fortpflanzte – eine unsichtbare Kraft oder Eigenschaft, oder aber (f) auf den Geist des Verstandes, den Willen, der ebenfalls eine unsichtbare, die verschiedenen Taten des Lebens beherrschende Kraft ist.
Ruach, Pneuma – eine belebende Kraft
Wo von der Schöpfung des Menschen die Rede ist, bedeutet der Geist des Lebens nichts anderes als Odem des Lebens, und dass dieser selbe Geist des Lebens nicht bloß dem Menschen, sondern allen Kreaturen Gottes innewohnt, wird uns von der heiligen Schrift genügend verbürgt. Von den vielen einschlägigen Stellen seien hier nur einige angeführt.
e) „Alles Fleisch, in welchem ein Hauch des Lebens ist (Ruach – der Lebenskeim oder Odem alles Fleisches).“ – 1: Mose 6:17; 7:15
e) „Alles, in dessen Nase ein Odem des Lebenshauches war (Ruach – der Geist oder die Kraft des Lebens).“ – 1. Mose 7:22
e) „Und der Geist Jakobs, ihres Vaters lebte auf (Ruach – die Lebenskräfte Jakobs erwachten wieder).“ – 1. Mose 45:27
e) „Und Simson trank und sein Geist (Ruach) kehrte zurück, und er lebte wieder auf (seine Kräfte, seine Energie, kamen wieder zurück).“ – Richter 15:19
e) „In dessen Hand .. der Geist (Ruach) alles menschlichen Fleisches ist (der Geist des Lebens aller Menschen ist der göttlichen Macht unterworfen).“ – Hiob 12:10
e) „Gott, du Gott der Geister (Ruach – Lebenskraft, Geist des Lebens) alles Fleisches! Der eine Mann sündigt und du solltest über die ganze Gemeinde zürnen?“ – 4. Mose 16:22
Die Lehre, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier in einem verschiedenartigen Lebensgeist oder Odem bestehe und beim Tod der Geist des ersteren aufwärts und derjenige des letzteren abwärts fahre, scheint unter den Philosophen schon sehr alt zu sein, darum hören wir denn auch Salomo, den Weisen, fragen:
e) „Wer weiß (wer kann beweisen) von dem Odem der Menschenkinder, ob er aufwärts fährt, und von dem Odem der Tiere, ob er niederwärts zur Erde hinabfährt?“ (Pred. 3:19-20) Wie Salomo diesen Gegenstand betrachtete, erfahren wir aus der gleichen Stelle (Vers 19), indem er sagt:
e) „Denn was das Geschick (den Tod) der Menschenkinder und das Geschick der Tiere betrifft, so haben sie einerlei Geschick: wie diese sterben, so sterben jene, und einen Odem (Ruach – Geist des Lebens, Odem des Lebens) haben sie alle; und da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tier.“ Wenn in dieser Hinsicht (in der Art des Lebensgeistes) der Mensch vor dem Tier also keinen Vorrang besitzt, so muss derselbe anderswo zu suchen und auch zu finden sein, wie wir später sehen werden.
e) „In deine Hand befehle ich meinen Geist (Ruach – Geist des Lebens oder der Lebenskraft).“ – Psalm 31:5
Das war eine prophetische Äußerung der Worte unseres sterbenden Heilandes. Er hatte den Geist des Lebens vom Vater als eine Gabe empfangen: er war, im Gehorsam gegen den göttlichen Plan, Mensch geworden, um die Menschheit zu erlösen: und als er seinen Lebensgeist oder seine Lebenskraft aufgab, bezeugte er mit den erwähnten Worten sein festes Vertrauen in die Verheißung Gottes, der ihm den Geist des Lebens durch eine Auferstehung wiedergeben wollte.
Die Menschheit hat den Geist des Lebens von Gott, dem Urquell alles Lebens, erhalten, durch Vater Adam. Adam verwirkte aber durch Ungehorsam sein Recht auf den Geist des Lebens oder die Lebenskraft, welche er dann allmählich verlor, indem er während 930 Jahren langsam dahinstarb. Bei seinem Tode wurde der Leib wieder zu Staub, wovon er bei der Schöpfung genommen wurde, und der Geist des Lebens, das Recht zu leben, die Kraft oder Erlaubnis zum Leben, kehrte zu Gott zurück, der ihm dieses Vorrecht, diese Kraft, gegeben hatte: gerade wie jedes auf gewissen Bedingungen beruhende Vorrecht oder Geschenk auf den Geber zurückgeht, sobald diesen Bedingungen nicht nachgelebt wird (Pred. 12:7). Diese Stelle sagt nichts von einem Zurück-„Fliegen“ oder „Schweben“ zu Gott (wie man daraus zu schließen geneigt ist), denn der Geist des Lebens ist keine „Intelligenz“, keine Person, sondern einfach eine Kraft, ein Vorrecht, das verwirkt worden und deshalb an den ursprünglichen Geber zurück geht. Der begangenen Sünden wegen hat der Mensch also keine Lebensrechte mehr: dieselben gehen an Gott zurück, sein Fleisch kehrt sich wieder in Staub – das heißt klar und deutlich: Der Mensch verfällt genau demselben Zustand in dem er vor der Schöpfung gewesen.
Aber gleichwie unser Herr Jesus, gemäß der göttlichen Verheißung, bestimmt auf eine Rückkehr seines „Lebensgeistes“ oder seiner Lebenskräfte und -Rechte hoffen konnte, so sind, Kraft des Versöhnungsopfers unseres Herrn, für die ganze Menschheit gewisse Hoffnungen und Verheißungen eröffnet worden, durch „Jesum, den Mittler des Neuen Bundes“ (Hebr. 12:24). Die Gläubigen sind deshalb nicht „betrübt, wie die anderen, die keine Hoffnungen haben.“ Unser Erlöser hat den Lebensgeist oder die Lebenskraft, welche Vater Adam für sich und sein ganzes Geschlecht verwirkte, zurückgekauft, und darum können nun Gläubige ihren Geist, ihre Lebenskraft (und durch eine Erkenntnis des göttlichen Planes auch denjenigen anderer) in Gottes Hand befehlen, wie unser Herr und wie Stephenus es getan, voll Glaubens an eine sichere Auferstehung. Auferstehung wird für die Welt eine Wiederherstellung des menschlichen Körpers bedeuten und dessen Erweckung oder Belebung mit Energie, dem Lebensgeist (hebr.: Ruach, griech.: Pneuma). Für die Evangeliums-Kirche, die Teilhaber der Ersten Auferstehung bedeutet sie die Einpflanzung des Lebensgeistes, oder von Lebensenergie in einem geistigen Körper. – 1. Kor. 15:42-45
In jenem wunderbaren Bilde irdischer Auferstehung, das der Prophet Hesekiel uns vor Augen malt, ist das Verhältnis zwischen dem Körper und dem Geist des Lebens, dem „Odem“, sehr deutlich dargestellt, und wenn der Prophet das Bild auch bloß als ein Symbol gebraucht, so finden wir darin dennoch trefflich nachgewiesen, dass ein menschlicher Organismus kein Leben besitzen kann, bis er den Ruach empfängt, den Odem des Lebens, der, wie wir anderweitig gezeigt haben, auch allen Tieren gemein und zum Leben unbedingt nötig ist. Lasst uns Hesekiels Beschreibung einmal genau untersuchen:
e) „Siehe, ich bringe Odem (Ruach, Geist des Lebens) in euch, dass ihr lebendig werdet.
e) „Und ich werde … Fleisch über euch wachsen lassen und euch mit Haut überziehen, und Odem (Ruach, Geist des Lebens, Lebensenergie) in euch legen, dass ihr lebendig werdet.“
e) „Und ich sah, und siehe, Sehnen kamen über sie, und Fleisch wuchs, und Haut zog sich darüber oben her; aber es war kein Odem (Ruach, Lebensgeist, Lebenskraft) in ihnen.“
e) „Und er sprach zu mir: Weissage dem Odem (Ruach, Geist des Lebens) und sprich zu dem Odem (Ruach): So spricht der Herr, Jehova: Komme von den vier Winden (Ruach) her, du Odem (Ruach, Odem oder Geist des Lebens) und hauche diese Getöteten an, dass sie lebendig werden.“ (Bis der Odem sie anhaucht, sind es also noch „Getötete“).
e) „Und ich weissagte, wie er mir geboten hatte: und der Odem (Ruach, Geist des Lebens, Odem des Lebens, Lebensenergie) kam in sie, und sie wurden lebendig.“
e) „Und ihr werdet wissen, dass ich Jehova bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch aus euren Gräbern heraufkommen lasse, mein Volk. Und ich werde meinen Geist (Ruach, Geist des Lebens, Odem des Lebens) in euch geben, dass ihr lebt.“
Wäre Adam gehorsam geblieben, so hätte er das Recht gehabt, den von seinem Schöpfer empfangenen Geist des Lebens oder die Kraft des Lebens für immer zu behalten. Er verwirkte aber dieses Recht durch Ungehorsam, und das Recht zu leben ging an den großen Geber zurück. Weder als Person noch als Sache, sondern als ein Recht oder Privileg kehrt der Geist des Lebens zu Gott zurück, welcher dieses Recht oder Privileg verschenkt hatte – unter gewissen Bedingungen, die vom Empfänger verletzt wurden. – Pred. 12:7
e) „Kein Mensch hat Macht über den Wind (Ruach, Geist des Lebens, Lebenskeim), den Wind (Ruach, Geist oder Odem des Lebens) zurückzuhalten.“ – Pred. 8:8
Durch Gottes Gnade sind alle jene Lebensrechte oder Privilegien, welche die Menschen bei ihrem Tod Gott zurückerstatten müssen, durch das teure Blut zurück erkauft worden, und der Käufer wird nun im Evangelium als der neue Leben – Geber proklamiert, als der Wiederhersteller oder Vater des Menschengeschlechtes, welcher allen volles Leben schenken wird, die ihn schließlich annehmen.
Vom Neuen Testament führen wir bloß ein Beispiel an:
e) „Der Leib ohne Geist (Pneuma – Lebenskeim, Odem des Lebens) ist tot.“ – Jak. 2:26
Ruach, Pneuma – der Verstand, der Wille
Da der Verstand oder Wille auch eine unsichtbare Kraft ist, so wird derselbe in beiden, der griechischen und hebräischen Sprache mit den gleichen Wörtern bezeichnet, wie wir aus den folgenden Beispielen ersehen können:
f) „Und Hannah antwortete und sprach: Nein, mein Herr! ich bin ein Weib beschwerten Geistes (Ruach – Gemüt, Stimmung, Verstand).“ – 1. Sam. 1:15
f) „Der Tor lässt seinen ganzen Unmut (Ruach – Pläne, Absichten, Verstand) herausfahren.“ – Spr. 29:11
f) „Mein Geist (Ruach, Mut, Verstand) ermattete.“ – Psalm 77:3
f) „Mein Geist (Ruach, Verstand) forschte.“ – Psalm 77:6
f) „Wer aber treuen Geistes ist (Ruach, Gesinnung).“ – Spr. 11:13
f) „Alle Wege eines Mannes sind rein in seinen Augen, aber Jehova wägt die Geister (Ruach, Gedanken, Absicht, Willen).“ – Spr. 16:2
f) „Hoffart geht dem Sturz und hoher Mut (Ruach, Gesinnung, Wille) dem Fall voraus.“ – Spr. 16:18
f) „Besser, niedrigen Geistes (Ruach, Gesinnung, Gemüt) sein.“ – Spr. 16:19
f) „Vorschnell in deinem Geiste (Ruach, Willen, Stimmung).“ – Pred. 7:8, 9
Beachten wir auch einige Beispiele vom Neuen Testament:
f) „Das Kindlein wuchs und ward stark (gut entwickelt) im Geist (Pneuma, Verstand, Charakter).“ – Luk. 1:80
f) „Im Fleiße nicht säumig; inbrünstig im Geist (Pneuma, Gesinnung, Charakter).“ – Röm. 12:11
f) Wir haben nicht den Geist (Pneuma, Neigung, Sinn) der Welt empfangen.“ 1. Kor. 2:12
f) „Ich hatte keine Ruhe in meinem Geiste (Pneuma, Gesinnung).“ – 2. Kor. 2:13
f) „Werdet erneuert in dem Geiste (Pneuma, Charakter, Neigung) eurer Gesinnung.“ – Eph. 4:23
f) „In dem Schmuck des sanften und stillen Geistes (Pneuma, Gesinnung).“ – 1. Petr. 3:4
Wir sehen aus der biblischen Anwendung dieser Wörter, dass das Wort Geist unserer deutschen Sprache deren Bedeutung sehr gut wiedergibt, denn wir reden nicht nur vom Geist des Lebens, sondern auch von einem guten oder sanften Geist, von einem bösen, aufgebrachten oder von einem bitteren Geist und von einem feurigen Geist, und wir bedienen uns dieser Ausdrücke sowohl in Bezug auf die Tiere als auch auf den Menschen. Die Tatsache, die wir beweisen wollen, ist somit hinlänglich erklärt, nämlich, dass der Geist nicht der eigentliche Mensch und auch nicht ein anderer Mensch ist, sondern dass dieses Wort, wo es sich auf die Schöpfung des Menschen bezieht, einfach den Lebenskeim, oder die Lebenskraft bezeichnet, welche er mit allen Tieren gemein hat.
Neschamah – der Odem des Lebens
Trotzdem das Wort Ruach ziemlich häufig mit „Odem“ übersetzt wird, so hatten die Hebräer doch noch ein anderes, besonderes Wort für Odem, nämlich Neschamah, das im Alten Testament 26 Mal vorkommt und auch meistens mit Odem übersetzt wird. Als Beispiele von der Bedeutung dieses Wortes und als Beweis dafür, dass dasselbe bloß Lebenskraft und niemals ewiges Leben oder Unsterblichkeit bedeutet, mögen folgende Stellen dienen:
„Und Jehova Gott bildete den Menschen, Staub von der Erde, und hauchte in seine Nase Odem (Neschamah) des Lebens (Chajah).“ – 1. Mose 2:7
Und es verschied alles Fleisch, das sich regt auf der Erde, an Gevögel, an Vieh, an Getieren und an allem Gewimmel, das auf der Erde wimmelt, und alle Menschen; alles, in dessen Nase ein Odem (Neschamah) des Lebenshauches (Chajah) war, von allem das auf dem Trockenen war, starb.“ – 1. Mose 7:21, 22
Schon diese beiden Schriftstellen, in denen das Wort Neschamah zuerst vorkommt, beweisen die Richtigkeit unserer Behauptung aufs deutlichste: dass das Wort nicht den geringsten Bezug auf Unsterblichkeit oder auf irgend einen unsterblichen „Urstoff“ hat, sondern ganz einfach Lebensfähigkeit oder Lebenskraft bezeichnet. Diese Lebenskraft ist, gemäß dem Zeugnis der ersten Stelle, dem Adam verliehen, worden, und aus der zweiten Stelle geht unstreitig hervor, dass dieselbe Lebenskraft ebenso wohl auch in allen auf dem Trockenen lebenden Tieren vorhanden war: in allem Getier, Vögeln und Gewimmel und in allen Menschen, und so kann es uns denn nicht wundern, wenn auch alle diese „Seelen“ oder lebenden Wesen dem gleichen Schicksal verfielen, als sie durch das steigende Wasser ihres Odems beraubt wurden: – Alle (Menschen und Vieh) starben; und sie starben alle desselben Todes, mit der Ausnahme jedoch, dass die göttliche Vorsehung für den Menschen ein Sühnopfer bestimmt hatte, Kraft dessen er „zu seiner Zeit“ durch eine Auferstehung des Wesens oder der Seele aus der Gewalt des Todes befreit werden soll.
Eine menschliche Seele
Beim Betrachten der Schöpfungsgeschichte in 1. Mose haben wohl manche bemerkt, dass, nachdem Gott den Menschen aus dem Staube der Erde gebildet und ihm den Lebensodem mitgeteilt hatte, es heißt: „Und der Mensch wurde zu einer lebendigen Seele.“ Will der gewöhnliche Leser nun dieses Zeugnis mit seinem falschen Begriff von der Bedeutung des Wortes Seele (den ihm solche beibrachten, die ihn richtig hätten unterweisen sollen) in Verbindung bringen, so fängt gleich die Verwirrung an, und er sieht sich veranlasst zu glauben, dass es für den vorherrschenden Irrtum irgend eine Grundlage geben müsse, die ihm selbst freilich unbegreiflich, die aber, nach seiner Vermutung, von den erwählten Lehrern der Theologie gründlich erforscht und klargelegt worden sei.
Von denen, welche die Bedeutung des Wortes Seele nicht verstehen, nehmen sich viele die Freiheit, dieses Wort ganz rücksichtslos zu gebrauchen und infolgedessen auch diesbezügliche Schriftaussagen zu verdrehen; statt der Bibel zu glauben, dass der Mensch eine lebendige Seele ist, behaupten sie ganz dreist und kühn: Der Mensch hat eine lebendige Seele; was doch wahrlich nicht einerlei ist! Möchte deshalb jeder Wahrheitsforscher seinen Geist so viel als möglich von allen Vorurteilen befreien und besonders von solchen, die sich auf Dinge und Angelegenheiten beziehen, die er zugestandenermaßen selbst nicht begreift, denn leicht ist man geneigt, Eigenschaften und Kräfte solchen Dingen zuzuschreiben, die einem geheimnisvoll und unbegreiflich erscheinen. Und so ist man allgemein zum Glauben gelangt, die Seele sei überaus intelligent, mit wunderbaren Kräften ausgerüstet, dazu noch unverwüstlich, unantastbar, ein unbegreifliches Wesen.
Ein Methodisten-Bischof soll von der Seele einmal folgende Schilderung veröffentlicht haben: „Sie ist ohne Inneres, ohne Äußeres, hat weder Körper, Gestalt noch Bestandteile, und eine Million könnte man in eine Nussschale tun.“ Diese Schilderung entspricht den sogenannt orthodoxen Theorien gewiss sehr gut, so absurd sie bei näherer Betrachtung auch erscheinen mag. Den Lehren der Orthodoxie zufolge wäre die Seele das eigentliche Wesen, ein göttlicher Lebenskeim mit göttlichen Eigenschaften und Intelligenz ausgerüstet, vom Körper unabhängig; denselben nur für eine gewisse Zeit bewohnend, indem sie sich desselben als Haus bediene, das sie wieder verlassen könne, wenn es baufällig werde. Da aber bisher kein Mensch je eine Seele in einen Leib einziehen sah, und dieselbe während ihrem „Wohnen“ im Körper sich trotz der genauesten Untersuchung mit den besten Mikroskopen, ja selbst mit Röntgen Strahlen absolut nicht finden lässt, so ist man einfach auf die Vermutung geraten, dass sie ohne Körper, ohne Gestalt und ohne Bestandteile sein müsse, und wenn sie zu all dem, wie man vermutet, auch noch so klein ist, dass sie selbst mit einem Mikroskop nicht unterschieden werden kann, so dürfe man dreist behaupten, dass in einer Nussschale 50 Millionen solcher „Wesen“ eben sowohl Raum fänden wie 1 Million, und dass dann immer noch Platz übrig bliebe! Ja wahrlich, eine bessere Umschreibung von einem „Nichts“ hätte der Bischof unmöglich geben können.
Aber, möchten wir fragen, wo liegt denn der Grund, die Ursache, zu solch ausschweifenden Vermutungen? Wir brauchen nicht lang zu forschen, so entdecken wir, dass sie das Resultat menschlicher Grübeleien sind. Die klugen Menschen haben sich bezüglich des zukünftigen Lebens ihre eigenen Ansichten gebildet, um damit die einschlägigen Bibelzeugnisse, den göttlichen Plan, zu verwerfen. Menschliche Lehre hält ein zukünftiges Leben für unmöglich, wenn nicht ein bestimmtes Etwas, das nie sterben kann, schon vorhanden sei. Gottes Wort aber sagt, dass derselbe Gott, der im Anfang den Menschen erschuf, sehr wohl imstande sei, auch Tote wieder zu beleben. Hier haben wir die zwei Gegensätze zwischen dem Wort Gottes einerseits und all den Menschenlehren (zivilisierter sowohl als auch barbarischer Völker) andererseits. Die letzteren stimmen alle miteinander dahin überein, dass der Mensch nicht sterbe und deshalb weder eines Lebensgebers noch einer Auferstehung bedürfe. Die Bibel lehrt uns dagegen: Der Mensch stirbt, und ohne einen Lebensgeber, ohne eine Auferstehung würde mit dem Tode wirklich alles aufhören und ein zukünftiges Leben unmöglich sein.
Die Welt bezweckt lediglich die Verteidigung ihrer eigenen Theorie, wenn sie in all ihren religiösen Büchern (und hier müssen wir leider auch die meisten über diese Gegenstände handelnden, von bekennenden Christen verfassten Werke einschließen) die Unsterblichkeit der Seele behauptet – dass im Menschen eine Seele wohne, die ein vom Körper unabhängiges Leben besitze und unsterblich, unzerstörbar und deshalb für eine Ewigkeit in Schmerz oder Wonne bestimmt sei. Wir sehen uns somit veranlasst zu fragen:
Was ist die Seele?
Wenn wir diese Frage vom biblischen Standpunkt aus untersuchen, so finden wir, dass der Mensch einen Leib hat und einen Geist hat, aber eine Seele ist, und hiermit stimmt auch das Zeugnis der Wissenschaft überein. Das in der Schrift vorkommende Wort „Seele“ bedeutet empfindungsfähiges Wesen, oder ein mit Sinneskräften, mit Empfindungsvermögen begabtes Wesen. So lasst uns denn ohne Vorurteil die Geschichte von der Schöpfung des Menschen nochmals näher betrachten und uns merken, dass aufs erste ein Organismus oder Körper gebildet wurde, und dass zweitens der Geist des Lebens, auch Odem des Lebens genannt, diesem Körper mitgeteilt wurde, woraus dann drittens als Ergebnis eine lebendige Seele entstand. Dies ist doch sicher sehr einfach und leichtverständlich. Wir sehen daraus, dass der Leib nicht die Seele ist und auch der Lebensodem nicht, sondern dass erst nach der Vereinigung dieser beiden Teile durch den Schöpfer ein lebendiger Mensch hervorging – eine lebende, mit Empfindungsvermögen ausgerüstete Seele. In der ganzen Schilderung finden wir gar nichts Geheimnisvolles, auch keine Andeutung, dass dem Menschen ein göttlicher Lebensfunke eingepflanzt worden wäre, was dann seinen Vorrang über die niedrigeren Tiere bedingt hätte. Und wenn wirklich auch die Schöpfung der niedrigeren Tiere nicht besonders ausführlich beschrieben ist, so wissen wir dennoch, dass der Erschaffungsprozess bei den letzteren ziemlich der gleiche gewesen sein muss, wie beim Menschen. Wir wissen doch wohl, dass z.B. kein Hund bestehen könnte, ohne einen hündischen Organismus oder Leib einerseits und den diesen Körper belebenden Geist oder Odem des Lebens andererseits. Ein nie lebendig gewesener Körper eines Hundes wäre kein Hund; erst muss dieser Körper mit dem Lebenskeim oder Odem des Lebens erfüllt sein, dann entsteht daraus ein wirklicher Hund, und ganz dasselbe könnte man von den übrigen Tieren sagen.
In völliger Übereinstimmung mit dem Gesagten möchten wir nun auf eine Tatsache aufmerksam machen, die vielleicht manchen Leser überraschen wird: dass nämlich laut der heiligen Schrift jeder Hund, jedes Pferd, jede Kuh, sämtliche Vögel und alle Fische – lebendige Seelen sind! Das will sagen, es sind alle sich selbst bewusste, mit Empfindungsorganen begabte Wesen. Dieselben stehen freilich nicht alle auf gleicher hoher Stufe, aber das Wort „Seele“ bezieht sich mit biblisch begründetem Recht sowohl auf die niedrigeren Geschöpfe als auch auf das höchste und edelste, den Menschen – also auf Fische, Reptilien, Vögel, Säugetiere und auf Menschen. Das sind alles Seelen. Beachte wohl, wir sagen nicht, dass diese alle eine Seele haben, im gewöhnlichen oder falschen Sinn dieses Wortes, und doch hat jedes dieser Geschöpfe Seele, im Sinne von Leben, Bestand haben – sie sind lebendige Seelen, und das wollen wir beweisen.
In 1. Mose, im ersten, zweiten und neunten Kapitel des hebräischen Urtextes werden die Worte „lebendig Seele“ neunmal in Bezug auf die niedrigeren Tiere gebraucht; aber um die allgemein verbreitet, jedoch grundfalsche Seelenlehre, die der heidnische Prophet Platon ausgebrütet, möglichst sorgfältig zu schützen, scheinen die Übersetzer und „Verbesserer“ der lutherischen Bibel versucht zu haben, vor dem gewöhnlichen Leser die Tatsache zu verbergen, dass das Wort „Seele“ sich auch auf Tiere beziehen kann, und dass es im inspirierten Gotteswort auch wirklich auf Menschen und Tiere angewendet wird. Warum hätten sie sonst in all diesen neun Stellen und auch an zahlreichen anderen Orten die richtige Übersetzung sorgfältig vermieden, indem sie sich anderer Wörter bedienten zur Wiedergabe des gleichen hebräischen Wortes, das sie, wenn auf den Menschen angewendet, mit „Seele“ übersetzt haben? Ja, man hat so sorgfältig aufgepasst, dass in der Luther Bibel das Wort „Seele“ nur an ganz vereinzelten Stellen in Bezug auf die niedrige Kreatur gebraucht wird, so z.B. in 4. Mose 31:28, und hier offenbar nur weil der merkwürdigen Satzstellung halber keine andere vernünftige Übersetzung möglich war. Die Stelle lautet folgendermaßen:
„Und sollst dem Herrn heben von den Kriegsleuten, die ins Herr gezogen sind, je von fünf Hunderten eine Seele, beides an Menschen, Rindern, Esel und Schafen.“
Eine andere Stelle, die der Aufmerksamkeit der Übersetzer wahrscheinlich entgangen, ist Psalm 74:19: „Du sollst nicht dem Tiere geben die Seele deiner Turteltaube.“
Hier springt dem Leser die für Menschen und Tiere gemeinsame Anwendung des Wortes „Seele“ geradezu in die Augen; so wäre es aber auch in allen anderen Fällen, wenn sich die Übersetzer bei der Arbeit nicht durch ihre vorgefassten falschen Meinungen zu willkürlichen Textvergewaltigungen hätten verleiten lassen.
Lasst uns auch den neun Stellen in 1. Mose, wo das hebräische Wort für „Seele“ (Nephesch) in Verbindung mit den niedrigeren Tieren gebraucht wird, etwas näher treten: (Vergleiche die Übersetzung der Elberfelder Bibel)
„Gott sprach: Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen (Nephesch, Seele) Tieren.“ (1. Mose 1:20) Man beachte, dass dies schon in der vierten Schöpfungsperiode geschah, also lange vor der Erschaffung des Menschen.
„Und Gott schuf große Walfische und allerlei Tiere (Nephesch, Seele), das da lebt und webt und vom Wasser erregt wird“ 1. Mose 1:21. Es waren dies also Fisch-Seelen, die am fünften „Tag“ und ebenfalls schon lange vor dem Menschen entstanden.
„Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Tiere (Nephesch, Seele) ein jegliches nach seiner Art; Vieh, Gewürm und Tiere“ 1. Mose 1:24. Hier begegnen wir Landtier-Seelen, in ihrer Art schon auf höherer stufe als die Fische; menschliche Seele oder menschliches Leben existierte aber auch da noch nicht.
„Und allem Tier auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das da lebt (Nephesch, Seele), dass sie allerlei grün Kraut essen“ 1. Mose 1:30. Hier werden die niedrigeren Kreaturen sogar von einander unterschieden mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass dies alles lebendige Seelen sind.
„Denn als Gott der Herr gemacht hatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen, … denn wie der Mensch allerlei lebendige Tiere (Nephesch, Seele) nennen würde, so sollten sie heißen“ (1. Mose 2:19). Hier ist eine Erklärung überflüssig, kann doch die Tatsache nicht bezweifelt werden, dass das Wort Seele nicht bloß auf den Menschen, sondern auf jegliche der fühlenden, empfindungsfähigen Kreaturen, von der niedrigsten bis zur höchsten, sich bezieht,
„Alles was sich regt und lebt das sei eure Speise; … allein, esset das Fleisch nicht, das noch lebt (das Fleisch mit Nephesch, Seele) in seinem Blute“ 1. Mose 9:3, 4. Hier wird nicht nur erklärt, dass alle genießbaren Tiere Seele oder Leben haben, sondern ihr Blut wird als ihr Leben, Wesen oder ihre Seele bezeichnet, und darum ist es dem Menschen verboten, das Blut als Speise zu genießen und dadurch den Blutdurst zu erregen.
„Siehe ich richte mit euch (Noah) einen Bund auf, und mit eurem Samen nach euch, und mit allem lebendigen Tier (Nephesch, Seele) bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren auf Erden“ 1. Mose 9:9, 10. Hier ist ein fernerer, klarer Beweis, dass alle lebendigen Tiere ebenso wohl Seelen sind wie der Mensch, trotzdem sie hinter ihm in Natur, Organismus 2c) weit zurückstehen.
„Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich gemacht habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Tier (Seele, Nephesch)“ 1. Mose 9:12. Auch dieses Zeugnis steht all den bereits erwähnten an Klarheit nicht nach!
„Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Tier (Seele, Nephesch) in allerlei Fleisch“ 1. Mose 9:15.
Der gleiche Ausdruck wird auch im folgenden, 16. Vers wiederholt, und wenn der von falscher Übersetzung herrührende Schleier einmal gelüftet ist, so erfassen wir mit Leichtigkeit den Gedanken, den Gott uns in seinem Worte zu verstehen geben will, und so bleibt zur Kritik der Wort Bedeutung auch nicht der geringste Anhaltspunkt.
Es wären natürlich auch in anderen biblischen Büchern zahlreiche ähnliche Beispiele anzuführen; wir hoffen aber, jedem aufrichtigen Leser schon mehr als genügend bewiesen zu haben, dass im biblischen Sprachgebrauch der Begriff Seele eben sowohl für Tiere wie für den Menschen anwendbar ist. Jegliche Behauptung oder Lehre, die sich auf die Idee stützt, dass des Menschen Hoffnung auf ein zukünftiges Leben sowohl wie auch seine jetzige Erhabenheit über die niedrigere Kreatur daher rühre, dass er eine Seele besitze und sie nicht, ist somit grundfalsch, und wir sollten uns verpflichtet fühlen, solchem „Machtwerk“ schonungslos entgegenzutreten, sobald wir die Tatsachen vom wahren Standpunkt göttlicher Offenbarung erkennen.
Es soll uns aber niemand falsch verstehen und etwa glauben, weil alle lebendigen, sich regenden Kreaturen – von der Mücke bis zum Elefanten und vom Frosch bis zum Walfisch – lebendige Seele sind, so müsse auch für sie ein zukünftiges Leben bereit sein, sei es eine zukünftige Auferstehung oder eine Verwandlung in einen geistigen Zustand. Solches zu glauben, wäre krasser Unsinn, Verrücktheit. Milliarden lebendiger Seelen auf den niedrigsten Tierstufen werden jede Minute geboren, während gleichzeitig andere Milliarden sterben.
Wir behaupten vielmehr, dass der Mensch eine Seele oder ein Wesen der höchsten Ordnung ist, der König und Herr über alle anderen Arten von Seelen oder fühlenden Wesen, aber keinem dieser letzteren gleich. Er ist eine irdische, menschlich – animalische Seele und doch ursprünglich so herrlich gebildet (Adam), dass es mit Recht von ihm heißt, er sei Gott ähnlich, das Ebenbild seines Schöpfers gewesen.
Der Mensch als eine Seele unterscheidet sich von den geringeren Tieren oder Seelen durch seinen feineren Organismus und seine aufrechte Gestalt; aber auffallender noch tritt uns die Überlegenheit in seinen geistigen Fähigkeiten entgegen – denn in seinen moralischen, geistigen Kräften hat hauptsächlich die Ähnlichkeit mit seinem Schöpfer bestanden. Während viele Tiere niedrigerer Stufe zu Denken Imstande sind und ihre Vernunft in tausenderlei weise kundtun, so hat doch ein jedes seine oft recht engen Schranken, welche zu überschreiten ihm unmöglich ist. Die Denkkraft des Menschen dagegen ist eine fast unbegrenzte, eben weil er als ein Ebenbild Gottes erschaffen wurde – in der Ähnlichkeit seines Schöpfers. Aber trotz dem Sündenfall des Menschen und der darauffolgenden, Jahrtausend lang dauernden Finsternis und Entartung ist es mit der Gottähnlichkeit noch nicht gar aus – besonders bei denen nicht, welche Christi Amt der Versöhnung mit Gott angenommen haben, die wieder „Söhne Gottes“ geworden sind, und deren Bestreben es geworden ist, dem Bilde des Sohnes gleichförmig zu werden.
Versuchen wir das Gesagte noch besser zu illustrieren: Den Pferden, Hunden, manchen Vögeln 2c) können wir die Bedeutung vieler Wörter beibringen, so dass sie manche zum Alltagsleben gehörende Dinge verstehen lernen. Sie bekunden ihr Denkvermögen recht oft, und einige sind Imstande zu zählen – sogar bis auf zwanzig. Wer aber wollte versuchen, einem Pferde, einem Hund oder Vogel auch nur die Anfangsbegriffe von der Geometrie, Algebra oder Astronomie beizubringen? Wir sind auch Imstande, verschiedenen Tieren höherer Gattung einen gewissen Grad von Sittsamkeit anzuerziehen, so dass sie z.B. ihrem Meister gehorchen und nicht ausschlagen, beißen oder andere Tiere töten 2c), wer wollte aber versuchen, die stummen Tiere die 10 Gebote zu lehren? Wir vermögen in ihnen auch eine gewisse Art Liebe und Anhänglichkeit gegen ihre Meister und deren Freunde zu erzeugen; wer aber würde nur daran denken, ihnen etwas von Gottesliebe und Verehrung oder von Feindesliebe beibringen zu wollen! Beachten wir also, dass all diese Unterschiede nicht daher kommen, dass die geringeren Tiere eine andere Art Odem oder Lebensgeist besitzen, denn wir haben gesehen, dass sie „alle einerlei Odem haben“ Pred. 3:19; noch auch daher, dass der Mensch eine Seele sei und das stumme Tier nicht, denn es hat sich herausgestellt, dass sie alle Seelen sind. Wir haben aber gefunden, und das müssen alle zugeben, dass jede Tiergattung einen besonderen und verschiedenen Organismus besitzt, der einer jeden ihren Charakter verleiht, und durch den allein die höhere oder geringere Intelligenz einer Gattung bedingt wird. Es sei aber bemerkt, dass nicht die Ausdehnung oder das Gewicht des Körpers für den Grad der Intelligenz und geistigen Überlegenheit maßgebend ist, sonst wären wohl Elefant und Walfisch die Herren der Schöpfung. Der Unterschied liegt vielmehr in der „organischen Qualität“, welche hauptsächlich durch das Gehirn, dessen Oberfläche und Fähigkeit bestimmt wird.
Der Mensch ist also die höchste aller irdischen Kreaturen – „von der Erde, irdisch“, und seine Erhabenheit besteht in seinen großen, geistigen Fähigkeiten. Diese letzteren sind aber nicht das Ergebnis einer Entwicklung, sondern eine Gabe des Schöpfers
„Die Seele, welche sündigt, soll sterben.“
Wenn wir in der heiligen Schrift über die sündigende Seele wiederholt das Todesurteil ausgesprochen finden, so wird das oben Gesagte damit nur bestätigt. Mit den gewöhnlichen Anschauungen will diese Tatsache freilich gar nicht übereinstimmen, denn wie sollte die Seele sterben können, welche sowohl die menschliche Philosophie als auch die gesamte Gesangbuchtheologie ganz dreist als unsterblich, unzerstörbar erklärt! Wir lesen aber, dass unser Herr, als er unser Lösegeld bezahlte, „seine Seele als Schuldopfer stellte“, und dass er „seine Seele ausgegossen in den Tod“ Jes. 53:10, 12. Das war nötig, weil Adams Seele zum Tode verurteilt war, und die der Menschheit gegebene Verheißung auf eine Erlösung der Seele oder des Wesens aus der Gewalt des Todes lautete. „Gott aber wird meine Seele erlösen von der Gewalt des Scheols (Todeszustandes)“ Psalm 49:15. Und da durch die eine Erlösung alle Seelen erlöst sind, wie wir früher gesehen haben, so heißt es von all unseren Freunden – von der ganzen Menschheit, – dass sie „in Jesu schlafen“. – 1. Thess. 4:14
Wir möchten bloß bemerken, dass in dieser Stelle, „Gott wird die in Jesu geschlafen habenden herausführen“ (dies ist der genaue Wortlaut im griechischen), der Apostel nicht nur die Heiligen gemeint haben kann, wie wenn er von denen spricht, welche „in Christo sind“; denn wenn von „neuen Kreaturen“ die Rede ist, so geht es immer nur die an, welche von Gott durch den Geist zur Miterbschaft mit Christo gezeugt worden sind – als Christi Braut, Glieder seines Leibes. Aber der Ausdruck „die in Jesu geschlafen habenden“ schließt das ganze Menschengeschlecht ein, denn unser Herr Jesu war die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unserigen, sondern auch für die der ganzen Welt, und Kraft jenes Sühnopfers ist er nun unser Lebensgeber geworden, nicht allein aber der unsere, sondern auch der Lebensgeber für die ganze Welt – wovon das Zeugnis und die Gelegenheit zur Annahme für die meisten freilich erst zukünftig ist. – 1. Joh. 2:2; 1. Tim. 2:4-6
Dass der Apostel diesen Gedanken verfolgte, geht aus dem Zusammenhang unzweideutig hervor: er ermahnt hier die Gläubigen, sich nicht zu bekümmern wie diejenigen, welche keine Hoffnung haben, und als Grund der Hoffnung erwähnt er die Tatsache, dass Jesus für die Sünde des Menschen gestorben und um dessen Rechtfertigung willen wieder auferstanden sei, und dass folglich alle in Jesu schlafen, d.h. von der Todesstrafe gesetzlich befreit sind und Jesu angehören, damit er sie durch die göttliche Kraft aus der Todesgewalt heraus führe. Hätte der Apostel gesagt, dass nur die Gläubigen auf diese Weise durch Jesum gesegnet werden können, so hätten die Thessalonicher und alle seither Gläubigen wohl geringen Trost in seinen Worten finden können; denn die große Mehrzahl von Freunden und Angehörigen der Heiligen konnten und können nicht zu den Heiligen gezählt werden: und wenn der Segen einer Auferweckung aus dem Todesschlaf nur für die Heiligen bestimmt wäre, so würde der Gedanke statt Trost nur das Gegenteil, nämlich Angst und Kümmernis hervorrufen. Aber der Apostel schließt hier die ganze Welt ein – als in Jesu schlafend, obgleich diese Tatsache von niemandem richtig erkannt wird als vom himmlischen Vater und seinen geweihten Kindern, welche er durch das Wort der Wahrheit von seinen gnädigen Zukunftsplänen unterrichtet hat, damit sie sich freuen mögen über die Länge und Breite und Höhe und Tiefe der göttlichen Güte und sich „nicht betrüben wie die übrigen, die keine (so feste) Hoffnung haben“. 1. Thess. 4:13
Wie der gesunde natürliche Schlaf eine gänzliche Bewusstlosigkeit bedingt, so verhält es sich auch mit dem Tode, dem bildlichen Schlaf; er ist eine Periode gänzlicher Bewusstlosigkeit – noch mehr ein Zeitraum absoluter Existenzlosigkeit. Für die zur Wiederherstellung Gelangenden wird das Erwachen vom Tode folglich nichts anderes bedeuten, als eine Wiederbelebung des Bewusstseins, von genau dem gleichen Moment und Standpunkt an, wo das Bewusstseins, von genau dem gleichen Moment und Standpunkt an, wo das Bewusstsein im Tode aufhörte. Das Gedächtnis wird die Auferweckung als das erste Ereignis nach dem Augenblick des Todes wahrnehmen, denn die Zwischenzeit hat auch nicht den geringsten Eindruck auf dasselbe zu machen vermocht.
Dieser gleiche Zustand kann auch an Personen beobachtet werden, deren Gehirn (infolge von Verletzungen am Kopf ) durch die Gehirnschale beengt oder bedrückt wird, und die deshalb zeitweise das Bewusstsein verlieren, ohne dass dadurch ihr Leben erlischt. Durch operatives Eingreifen kann ein solcher Druck gewöhnlich beseitigt werden, und da wissen nun die Ärzte von zahlreichen Fällen zu berichten, wo der auf solche Weise plötzlich wieder zur Besinnung gelangte Patient einen Satz beendigte, in welchem er durch die erlittene Gehirnerschütterung unerwartet unterbrochen worden war. So wird die göttliche Kraft all die Gehirnfaltungen in den einzelnen Menschen wieder zu erzeugen und dessen verschiedenste Erinnerungen und Gedanken wieder zu beleben völlig imstande sein, und darum wird die allgemeine Menschheit in der Auferstehung mit den gleichen Worten und Gedanken erwachen, mit denen sie in den Tod ging. Man vergesse aber nicht, dass wir uns hier ausschließlich auf die allgemeine Menschheit beziehen und nicht auf die Auserwählten, auf die aus allen Völkern heraus gesammelte besondere Klasse, die Kirche oder den Leib Christi, denn dieselben haben teil an der Ersten Auferstehung, die sich von der allgemeinen in mancher Hinsicht unterscheidet.
Während nun, Kraft des Lösegeldes, der adamische Tod von einer Vernichtung in eine Unterbrechung des Lebens, genannt Schlaf, verwandelt worden ist, so bezeugt die heilige Schrift dennoch klar und deutlich, dass es nach der Auferweckung vom Todesschlummer dann auf jeden einzelnen ankommt, ob er unter dem Regiment, der Leitung und dem Einfluss des verherrlichten Christus zu Leben und Vollkommenheit gelangen, oder aber willentlich, mit Bedacht und Hartnäckigkeit seinen früheren Sündenweg weiterverfolgen wird. Sollte er das letztere erwählen, so zieht er sich dadurch die ursprünglich über Adam verhängte Strafe, den Tod zu, aber nicht mehr den adamitischen Tod, die Strafe für Adams Sünde, sondern den „anderen“ oder zweiten Tod. Dieser zweite Tod wird nirgends als Schlaf bezeichnet, und wir finden in der ganzen Bibel auch nicht die leiseste Andeutung auf ein Wiedererwachen von demselben – er wird vielmehr als „das ewige Verderben vom Angesicht des Herrn“ dargestellt. – 2. Thess. 1:9
Auf diese erlöste und auferweckte Klasse, deren Prüfung hauptsächlich im Millennium stattfinden wird, bezieht sich die biblische Erklärung: „Die Seele, welche sündigt, soll sterben“ Hes. 18:20. Dass diese Weissagung auf unser jetziges Zeitalter nicht anwendbar ist, erhellt aus folgenden Umständen:
1. Während des Evangeliums-Zeitalters starben und sterben alle Menschen – sowohl die Heiligen als auch die Sünder – ohne Ausnahme, so dass unser Schriftwort für sie kraftlos sein würde.
2. Die Drohung bezieht sich auf die Handlungen jedes einzelnen und passt somit auch in dieser Hinsicht nicht auf die Jetztzeit, weil wir alle um „eines Menschen Ungehorsam“ willen sterben – weil die über ihn verhängte Todesstrafe sich auf sein ganzes Geschlecht erstreckt hat. – Röm. 5:12
3. Wie wir aus dem Zusammenhang ersehen, geht die Stelle in erster Linie diejenigen an, welche befreit worden sind von der adamitischen Erbsünde, die heutzutage noch überall vorherrscht. Das Wort muss also dem nächsten Zeitalter, dem Millennium, angehören. Man lese nur das ganze Kapitel (Hes. 18) und vergesse dabei nicht, dass die Bedingungen des Neuen Bundes während des Millenniums in jeder Weise dem jüdischen Gesetzesbund entsprechen werden, mit der Ausnahme jedoch, dass der Neue Bund einen besseren Mittler haben wird, der dann willig und imstande ist, allen denen, welche in Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit zu wandeln suchen, Beistand und Hilfe zu gewähren, ohne ihre unabsichtlichen Fehler und Gebrechen in Anrechnung zu bringen. In dem erwähnten Kapitel (Hes. 18) finden wir die Erklärung, das es in Israel nicht mehr heißen soll, „Die Väter essen Herlinge, und die Zähne der Söhne werden stumpf“, sondern es wird im Gegenteil jeder einzelne für sich selbst vor Gott verantwortlich sein, und „Die Seele, welche sündigt, soll sterben. Ein Sohn soll nicht die Ungerechtigkeit des Vaters mit tragen und ein Vater nicht die Ungerechtigkeit des Sohnes mit tragen; die Gerechtigkeit des Gerechten soll auf ihm sein und die Gesetzlosigkeit des Gesetzlosen soll auf ihm sein“ – Hes. 18:2, 4, 20 Diese Zeit ist offenbar noch nicht gekommen. Die Kinder haben immer noch stumpfe Zähne, weil ihre Väter Herlinge der Sünde gegessen haben; wir stehen noch unter der Erbsünde; alle sterben wegen Adams Sünde und nicht wegen ihrer eigenen. Als Beweis hierfür brauchen wir bloß an die unbestrittene Tatsache zu erinnern, dass fast die Hälfte der Menschen schon in der Kindheit sterben, also ohne ein Alter zu erreichen, wo sie vernünftigerweise für ihr Betragen verantwortlich gemacht werden können. Wer dürfte behaupten, dass ein Kind, das nach wenigen Tagen oder Monaten erkrankt und stirbt, um seiner eigenen Sünden willen sterbe? Stirbt es nicht vielmehr, weil es dem adamitischen Geschlecht angehört, welches immer noch dem gegen Adam ausgesprochenen Fluch – „sterbend sollst du sterben“ – unterstellt ist? Es hat sich durch Vererbung den Fluch zugezogen, wird aber auch durch Christum den Segen Gottes ererben – in der kommenden Auferstehung, die Kraft des auf Golgatha vollendeten Sühnopfers der ganzen Menschheit zugesichert ist.
Wenn wir uns zu Jeremia 31:29-34 wenden, so finden wir dort eine weitere Bezugnahme auf ganz die gleichen Zustände, wie sie der Prophet Hesekiel erwähnt, nur dass Jeremia noch mehr Einzelheiten anführt, die auf das deutlichste beweisen, dass dieses Verhältnis nicht dem gegenwärtigen, sondern einem kommenden Zeitalter angehören. Jeremia erklärt:
„In jenen Tagen wird man nicht mehr sagen: Die Väter haben Herlinge gegessen, und die Zähne der Söhne sind stumpf geworden, sondern ein jeder wird für seine Missetat sterben: jeder Mensch, der Herlinge isst, dessen Zähne sollen stumpf werden.“
Die Worte, „in jenen Tagen“, beziehen sich ohne Zweifel auf die zukünftigen Zeiten der Wiederherstellung unter der Herrschaft Christi und nicht auf dieses Zeitalter, wo Satan, Sünde und Tod das Regiment führen. Der Prophet geht übrigens noch weiter in der Beschreibung der dem kommenden Zeitalter angehörenden Verhältnisse; er spricht von einem neuen Bund, den Jehova mit Israel und Juda aufrichten werde, von dem ewigen Bund, unter welchem sie ihr lang ersehntes Teil an den Segnungen und Verheißungen Abrahams empfangen werden. (vergl. Röm. 11:26-31)
Der gleiche Gedanke, nämlich dass im Millennium der Tod wiederum der Sünde Sold sein und allen vom adamitischen Tod Befreiten gedroht werden wird, die die einmal erkannte Gnade Gottes von sich stoßen und somit vergeblich empfangen haben, wird von den eigenen Worten unseres Herrn bestätigt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen (fürchtet euch nicht vor denen, die euch das gegenwärtige Leben nehmen, das ohnehin schon der Todesstrafe verfallen ist; bedenkt vielmehr, dass ihr erlöst worden seid, dass ein zukünftiges Leben in eurem Bereich liegt, und dass kein Mensch euch dessen berauben kann, was Gott durch die Erlösung in Christo Jesu euch in Aussicht gestellt hat); fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben (wörtlich: gänzlich zu vernichten) vermag in der Hölle (Gehenna)“. – Matth. 10:28
Hier wird die Macht Gottes, die Seele oder das Leben zu zerstören, aufs deutlichste bestätigt und zwar von einer unantastbaren Autorität. Wir haben wohl bemerkt, dass eine verschrobene Theologie die Schrift zu verdrehen gesucht hat und, um ihre falsche Lehre zu stützen, diese Stelle nun so deutet, als sei Gott freilich imstande, die Seligkeit der Seele in der Gehenna zu zerstören, die Seele selbst aber nicht! Es ist das eine Wortverdrehung, welche sicher nicht verfehlen wird, schlimme Folgen für alle diejenigen nach sich zu ziehen, welche an Gottes Wort Betrug üben! Wir haben schon anderswo gezeigt, („Was sagt die heilige Schrift über die Hölle?“) dass das hier gebrauchte Wort Gehenna den zweiten oder anderen Tod“ – die gänzliche Vernichtung – bedeutet, für alle Seelen, welche den großen Propheten Gottes nicht hören wollen, wenn er zu seiner Zeit mit allem Volk klar und deutlich reden wird – statt wie in der Jetztzeit, in Gleichnissen und dunkeln Reden, die nur von der Kirche, der kleinen Herde, verstanden werden können – Apg. 3:23; Matth. 13:11
Wir behaupten also, dass die heilige Schrift unzweideutig Folgendes erklärt: Der Mensch ist eine Seele oder ein Wesen; sein Lebensrecht wurde jedoch durch seine Sünde verwirkt, und so steht er unter dem Fluch der göttlichen Strafe – dem Tod. Die Güter und Vorrechte des Menschen sind aber alle zurückgekauft worden von dem Menschen Christus Jesus, der sich selbst dahin gab als Lösegeld für jedermann, was zur Folge hatte, dass der Tod von da an nicht mehr als eigentlicher Tod oder Vernichtung betrachtet werden konnte, sondern vielmehr als ein temporärer „Schlaf“, von welchem die Menschheit durch ihren Erlöser am Auferstehungsmorgen wiedererwachen wird.
Verwirrung infolge unrichtiger Übersetzung
Denken wir an die groben Irrtümer bezüglich der Frage, „Was ist die Seele, der Geist , der eigentliche Mensch?“; wie sie von den Übersetzern unserer gewöhnlichen Bibel festgehalten wurden und noch werden, so soll es uns nicht überraschen, wenn dieselben in ihrer oft großen Verlegenheit durch ihr Bemühen, die Übersetzung gewisser Schriftstellen ihren vorgefassten Meinungen anzupassen, den gewöhnlichen Leser mannigfaltig verwirrt haben. Sie haben die Bedeutung gewisser Wörter so vertuscht und verdreht, dass es dem gewöhnlichen Leser fast unmöglich ist, sich ein klares Urteil zu bilden, indem er gegen eine zweifache Schwierigkeit zu kämpfen hat: 1. gegen die falsche Lehre über den betreffenden Gegenstand und 2. gegen die unrichtigen Übersetzungen, welche diese falsche Lehre unterstützen.
Dank der göttlichen Vorsehung leben wir jetzt aber in einer Zeit, wo es durch zahlreiche Hilfsmittel verschiedener Art auch dem „Laien“ möglich geworden ist, sich über den ganzen Gegenstand sogar ein besseres Urteil zu bilden, als zu ihrer Zeit die Übersetzer selbst.
Ein Wort, das in gewöhnlichen Bibeln die mannigfaltigste Übersetzung erfahren hat, ist wohl unstreitig das im Alten Testament etwa 700mal vorkommende hebräische Nephesch, welches freilich in der Mehrzahl der Stellen mit „Seele“, je nach Umständen aber auch auf dutzenderlei andere Weise wiedergegeben worden ist. Beispiele haben wir oben gegeben.
Das im Neuen Testament an die Stelle des hebräischen Nephesch tretende griechische Wort heißt Psyche und bedeutet ebenfalls Seele, empfindungsfähiges Wesen. In den deutschen Übersetzungen ist es hauptsächlich auf zweierlei Weise wiedergegeben worden – mit „Seele“ und mit „Leben“, und gerade diese letztere Übersetzungsweise hat denn auch zur Verdeckung der Wahrheit sehr viel beigetragen, indem dadurch der gewöhnliche Leser den Eindruck empfangen musste, dass Seele und Leben zwei ganz verschiedene Dinge seien, und dass ein Mensch deshalb sein Leben verlieren könne, ohne dabei seine Seele zu verlieren. Die Stellen, wo das Wort Psyche mit „Leben“ übersetzt worden ist, wo aber viel Verwirrung hätte vermieden werden können, wenn es richtig mit Seele oder Wesen übersetzt worden wäre, sind die folgenden:
„Sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben (Psyche, Seele, Wesen) trachteten.“ – Matth. 2:20
„Seid nicht besorgt für euer Leben (Psyche, Seele, Wesen), was ihr essen sollt … Ist nicht das Leben (Psyche, Seele, Wesen) mehr als die Speise?“ – Matth. 6:25; Luk. 12:22, 23
„Wer sein Leben (Psyche, Seele) findet, wird es verlieren, und wer sein Leben (Psyche, Seele) verliert um meinetwillen, wird es finden.“ – Matth. 10:39; 16:25; Luk. 9:24; 17:33
„Des Menschen Sohn ist gekommen, .. sein Leben (Psyche, Seele) zu geben als Lösegeld für viele.“ – Matth. 20:28
„Ist es euch erlaubt … das Leben (Psyche, Seele) zu retten oder zu töten?“ – Mark. 3:4; Luk. 6:9
„Denn wer irgend sein Leben (Psyche, Seele) erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben (Psyche, Seele) verliert um meinet- und des Evangeliums willen, wird es erretten. Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewönne und seine Seele (Psyche) einbüßte?“ Denn was wird ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele (Psyche)?“ (Wie sollte da der gewöhnliche Leser merken, dass der griechische Text viermal „Seele“ (Psyche) gebraucht, und nicht zweimal „Seele“ und zweimal „Leben“?!) – Mark. 8:35-37
Der dieser Schriftstelle und deren Parallelen zu Grunde liegende Gedanke ist folgender: Gottes Kinder sollen sich erinnern, dass ihr gegenwärtiges Leben oder Dasein ohnehin unter der Strafe des Todes steht; dass die göttliche Vorsehung jedoch für eine Erlösung gesorgt hat – nicht für ein Fortleben, sondern für eine Auferstehung, ein Wiederleben. Die Gläubigen dieses Zeitalters sind berufen, dem Vorbild ihres Erlösers gemäß, ihr Leben als lebendiges Opfer im Dienste des Herrn niederzulegen, wogegen ihnen, nach treuem Ausharren, die Mitherrschaft mit Christo und die göttliche Natur verheißen ist – in der Ersten Auferstehung. So werden sie dann ihre Seele, ihr Leben oder Dasein zurück empfangen und werden „Leben (Zoe) in Überfluss haben.“ – Joh. 10:10
„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht (liebt nicht weniger) seinen Vater und seine Mutter und sein Weib und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben (Psyche, Seele), so kann er nicht mein Jünger sein“. – Luk. 14:26
„Der gute Hirte lässt sein Leben (Psyche, Seele) für die Schafe (Unser Herr hat „seine Seele ausgeschüttet in den Tod; seine Seele hat das Schuldopfer gestellt“ – Jes. 53:10, 12) – Joh. 10:11
„Ich lasse mein Leben (Psyche, Seele, Wesen) für die Schafe.“ – Joh. 10:15
„Ich lasse mein Leben (Psyche, Seele), auf dass ich es (Kraft der göttlichen Verheißung durch die Auferstehung) wieder empfange.“ – Joh. 10:17
„Wer sein Leben (Psyche, Seele) liebt, wird es verlieren; und wer sein Leben (Psyche, Seele) in dieser Welt hasst, wird es zum ewigen leben (eis Zoen Aionion) bewahren.“ – Joh. 12:25
(Unter dieser „gegenwärtigen argen und bösen Welt“ Treue gegen Gott beweisen, heißt soviel wie die gegenwärtigen Zustände missbilligen, die Vorrechte oder Vorteile dieses Zeitlaufes gering schätzen und bereit sein, dieselben alle im Dienste Gottes und der Gerechtigkeit wie auch zum Nutzen der Mitmenschen aufzuopfern, denn wer so handelt, wird gemäß göttlicher Verheißung der Existenz unter den günstigeren Verhältnissen der kommenden Heilszeitordnung würdig geachtet. Wer aber die gegenwärtigen Verhältnisse und Zustände „liebt“ und die Genüsse und Vergnügungen dieser Zeit höher schätzt als die Gerechtigkeit und den Gehorsam gegen Gott, der erweist sich selbst als der von Gott uns angebotenen zukünftigen Existenz unwürdig; er ist nicht wert, dass seine Seele, sein Wesen in der Ersten Auferstehung zu höherem Leben erneuert werde).
„Dein Leben (Psyche, Seele, Wesen) willst du für mich lassen?“ – Joh. 13:38
„Größere Liebe hat niemand, als diese, dass jemand sein Leben (Psyche, Seele, Wesen) lässt für seine Freunde.“ – Joh. 15:13
„Männer, die ihr Leben (Psyche, Seele, Wesen) hingegeben haben.“ – Apg. 15:26
„Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben (Psyche, Seele, Wesen, Existenz) als teuer für mich selbst, auf dass ich meinen Lauf vollende.“ – Apg. 20:24
(Der Apostel hatte gelernt, die gegenwärtige Existenz richtig zu beurteilen und sie – im Vergleich zu der in der Auferstehung verheißenen zukünftigen – als wertlos zu halten. Er hielt sie nicht für teuer und kostbar, in dem Sinne, dass er sie höher geschätzt hätte als den Herrn und seine Gnade – höher als die Gelegenheit, am Werk des Herrn dienen zu dürfen. Er war willig in seines Meisters Dienst alles daran zu geben und selbst geopfert zu werden, in der zuversichtlichen Hoffnung, dass er dafür zur Ersten Auferstehung gelangen möge – wie er es in Phil. 3:8-11 uns klar und mit großer Freudigkeit schildert.)
„Männer, ich sehe, dass die Fahrt mit Ungemach und großem Schaden, nicht nur der Ladung und des Schiffes, sondern auch unseres Lebens (Psyche, Seele) geschehen wird.“ – Apg. 27:10
„Denn kein Leben (Psyche, Seele) von euch wird verloren gehen.“ – Apg. 27:22
„Ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten nach meinem Leben (Psyche, Seele).“ – Röm. 11:3
„Welche für mein Leben (Psyche, Seele, Wesen) ihren Hals preisgegeben haben.“ – Röm. 16:4
„Denn um des Werkes willen ist er dem Tode nahe gekommen, indem er sein Leben (Psyche, Seele, Wesen) wagte, auf dass er den Mangel in eurem Dienste gegen mich ausfüllte.“ – Phil. 2:30
„Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass er für uns sein Leben (Psyche, Seele) dar gegeben hat („dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod“ und „seine Seele als Schuldopfer gestellt“); auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben (Psyche, Seele) darzulegen.“ – 1. Joh. 3:16
„Und es starb der dritte Teil der Geschöpfe, welche im Meere waren, die Leben (Psyche, Seele) hatten.“ – Offb. 8:9
„Sie haben ihr Leben (Psyche, Seele) nicht geliebt bis zum Tode.“ – Offb. 12:11
Wenn wir einmal klar begriffen haben, in welcher Beziehung die Wörter Nephesch und Psyche von den inspirierten Verfassern der heiligen Schrift gebraucht worden sind, dann verschwinden all die „Geheimnisse“, welche hinter den dunkeln Wörtern Seele und Geist zu stecken schienen, und die nicht nur dem Ungebildeten, sondern auch manchem Gelehrten – als unbeschreiblich und unbegreiflich – viel Kopfzerbrechen verursacht haben.
Es soll sich aber niemand zum Glauben verleiten lassen, der Leib sei die Seele: Das wäre ein Irrtum, denn unser Herr erklärt deutlich: „Gott vermag beides, Leib und Seele zu verderben (wörtlich: gänzlich zu vernichten).“ Andererseits kann aber keine Seele, kein empfindungsfähiges Wesen ohne einen Leib – sei derselbe nun himmlischer oder irdischer, geistiger oder animalischer Art – bestehen.
Wenn wir zur Erschaffung des Menschen (1. Mose 2) zurückkehren, so sehen wir dort, dass wohl der Leib zuerst gebildet wurde; damit war derselbe aber nicht ein Mensch, eine Seele oder ein Wesen, bis er belebt wurde. Er hatte Augen und sah nichts, Ohren und hörte nichts, einen Mund, der nicht reden konnte, eine Zunge, die nicht schmeckte; er hatte eine Nase und roch nichts, ein Herz, das nicht schlug, Lungen, die sich nicht bewegten, Blut, das leblos in den Adern und Gefäßen stand – kurz, er war nicht ein Mensch sondern ein Körper, ein lebloser Leib.
Die nun folgende Arbeit in der Schöpfung des Menschen musste darin bestehen, dem „gebildeten“ und in jeder Hinsicht zubereiteten Leib Lebenskraft zu verschaffen, und das wird uns mit den Worten gesagt: „Und (Gott) hauchte in seine Nase Odem des Lebens.“ Man hat schon die Erfahrung gemacht, dass ertrunkene Personen, trotz ihrer Leblosigkeit, wieder zu Leben und Besinnung gebracht werden konnten, indem durch anhaltendes Bewegen der Arme und Bearbeiten des Brustkorbes der Odem nach und nach wieder in Nase und Lunge zurückkehrte. Bei Adam brauchte es seitens des Schöpfers selbstverständlich keine derartigen Anstrengungen um den vollkommenen Organismus zu veranlassen, den belebenden Sauerstoff der Atmosphäre einzuatmen. Als der belebende Odem einströmte, dehnten die Lungen sich aus, die dort vorhandenen Blutkörperchen kamen mit Sauerstoff in Verbindung und flossen gegen das Herz, welches dieselben nach allen Gliedern und Organen des Leibes zu treiben begann und dadurch alle die zubereiteten, bisher aber noch schlummernden Nerven zum Fühlen und Wirken anregte. Im Augenblick hatte das belebende Element auch das Gehirn erreicht und dasselbe zum Empfinden und Denken befähigt – Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch, Gefühl folgten unmittelbar; mit einem Wort: aus dem leblosen menschlichen Organismus wurde ein Mensch, ein sich selbst bewusstes Wesen, oder wie der Text sagt: eine „lebendige Seele.“ Der Ausdruck „lebendige Seele“ bedeutet somit nichts mehr und nichts weniger als „empfindungsfähiges Wesen“, d.h. ein Wesen, das fühlen, wahrnehmen und denken kann. Beachten wir aber ferner, dass es für Adam, trotz der Vollkommenheit seines Organismus, nötig war, sein Leben – seine Seele oder sein empfindendes Wesen – zu unterhalten durch den Genuss der Früchte von den Lebensbäumen. Und als er sündigte, ließ ihn Gott aus dem Garten treiben, „damit er seine Hand nicht ausstrecke und nehme auch von dem Baume (Mehrzahl: den Bäumen) des Lebens und esse und lebe ewiglich (durch den beständigen Genuss dieser Früchte).“ – 1. Mose 3:22
Wie doch die Nebel und Geheimnisse verfliegen und verschwinden vor dem Licht der Wahrheit, das uns aus dem göttlichen Worte so hell entgegen leuchtet!
Trotzdem der Mensch von seiner ursprünglichen Vollkommenheit weit abgekommen ist (durch seinen Fall in Sünde und Tod), und durch sein beständiges Sinnen auf niedrige und gemeine Dinge viele seiner geistigen Fähigkeiten vernachlässigt und ganz verkümmert wurden, so sind doch alle seine ursprünglichen Fähigkeiten noch in seinem Gehirn vorhanden, wenn auch schlummernd, und sie können entwickelt werden, was bei den auch jetzt noch fast vollkommenen Exemplaren des Tierreiches nicht der Fall ist. So sehen wir, dass der Schöpfer den Menschen mit einem viel feineren Organismus ausrüstete und ihn dadurch hoch über das Tierreich erhob. Menschen und Tiere besitzen ähnliches Fleisch und Gebein, sie atmen dieselbe Luft, trinken vom gleichen Wasser, genießen ähnliche Nahrung und sind alle mit Intelligenz begabte Seelen oder Geschöpfe. Dank seinem besseren Körper oder feineren Organismus besitzt der Mensch aber Fähigkeit zu höherer Intelligenz, und er wird von seinem Schöpfer auf eine ganz andere Weise behandelt. In dem Verhältnis, wie die Sünde den Menschen von seiner ursprünglichen Schöpfer-Ähnlichkeit degradiert, kann von ihm gesagt werden, er sei „tierisch“ – eher den Tieren ähnlich, weil aller feineren Gefühle beraubt.
Wem nun über diesen Gegenstand die Augen des Verständnisses aufzugehen beginnen, und wer erkennt, dass das Wort „Seele“ Intelligenz, Wesen bezeichnet, und die Worte „Odem“ und „Geist des Lebens“ die göttliche Kraft zum Leben bedeutet, der wird aus dem Vorhergesagten deutlich ersehen, dass jede ihres Lebens bewusste Kreatur aufs erste einen Leib oder Organismus besitzt und zweitens den diesen Leib belebenden Geist oder Lebensodem, woraus drittens, als Ergebnis der beiden ersten, die Existenz oder Seele entsteht. Zum leichteren Verständnis der Leser erinnern wir an die Ähnlichkeit zwischen Seele und Hitze. Wenn ein Stück Kohle unter günstigen Verhältnissen dem Sauerstoff der Atmosphäre ausgesetzt und dann entzündet wird, so entsteht dabei etwas Drittes, nämlich die Hitze. Die Kohle ist nicht die Hitze, trotzdem sie Eigenschaften hat, welche unter günstigen Verhältnissen Hitze erzeugen würden; aber auch der Sauerstoff ist nicht Hitze, obwohl er unter geeigneten Umständen ein Hitze erzeugendes Element sein kann. Ziehen wir nun den Vergleich, so ergibt sich, dass der Leib nicht die Seele ist, trotzdem er Eigenschaften besitzt, die zur Seele unentbehrlich sind; andererseits ist auch der Odem nicht die Seele sondern die von Gott kommende Kraft, die zur Erzeugung der empfindungsfähigen Geschöpfe unbedingt notwendig ist. Aber wenn der Leib unter geeigneten Umständen mit dem Odem oder Geist des Lebens in Verbindung kommt, dann entsteht daraus etwas Neues – ein Wesen, eine Seele, ein fühlendes Geschöpf.
Der Prozess der Auflösung, der Tod, bestätigt das oben Gesagte aufs deutlichste, denn sobald der Odem des Lebens ausgeht, so erfolgt unmittelbar der Tod. Aber was stirbt nun? Der Odem des Lebens? Sicherlich nicht, denn der Odem war nie ein fühlendes Wesen, er ist ein Prinzip oder eine Kraft, wie z.B. die Elektrizität; er hat weder Gedanken noch Empfindungen und kann an und für sich also weder leben noch sterben. So muss doch der Leib sterben!? Nein, auch der Leib nicht! Der Leib kann wohl das Leben, womit der Vater ihn ausgerüstet, verlieren; aber der Leib ohne Odem oder Geist des Lebens ist bewusst und gefühllos. Man hat also ebenso wenig Grund zu behaupten, dass der Leib sterbe; er war leblos, bevor der Geist des Lebens eintrat, und wird wieder leblos, wenn der Geist des Lebens ihm entzogen wird.
Aber was stirbt denn eigentlich? Nun, die Antwort liegt auf der Hand: – Die Seele stirbt, das empfindungsfähige Wesen hört auf zu bestehen. Vergessen wir also nicht, dass das empfindungsfähige Wesen durch die Vereinigung des Lebensodems oder -Geistes mit dem Organismus entstanden ist, und dass eine Auflösung oder Trennung dieser beiden Elemente das Aufhören des Wesens oder der Seele, d.h. den Tod bedingt. Dass dies bei der niedrigen Kreatur der Fall ist, wird niemand auch nur einen Augenblick bezweifeln; aber trifft es nicht eben sowohl beim Menschen zu, bei der höchsten Gattung des Tierreiches, die nach des Schöpfers Ebenbild und in dessen moralischer Ähnlichkeit erschaffen wurde? Ja wohl, es trifft beim Menschen nicht weniger zu, und dass dem also sein muss, wird jeder nachdenkende Leser als selbstverständlich betrachten. Wir sind uns freilich bewusst, dass einige wenige Schriftstellen verdreht und fälschlich so verständen werden können, als würden sie unserer Behauptung direkt zuwiderlaufen. Wir werden die betreffenden Stellen jedoch später in Betracht ziehen und herausfinden, dass sie mit dem Gesagten in schönstem Einklang stehen.
Um die Verwandtschaft zwischen dem menschlichen und tierischen Leib, Geist und Seele noch besser zu zeigen, möchten wir den lieben Leser an die Kerze erinnern: Die nicht angezündete Kerze kann mit dem unbelebten, menschlichen Leib oder Körper verglichen werden, während das Anzünden der Kerze der ursprünglichen Einpflanzung des Lebenskeimes durch den Schöpfer entspricht. Die Flamme oder das Licht ist ein schönes Bild für das empfindungsfähige Wesen, die Intelligenz oder Seele, und die den Sauerstoff enthaltende Luft, welche in Verbindung mit dem Brennstoff der Kerze die Flamme unterhält, stellt uns trefflich den Odem oder Geist des Lebens dar, der, mit dem physischen Organismus verbunden, intelligentes Wesen oder Seele erzeugt. Wird nun durch irgend einen Zufall die Kerze zerstört, so erlischt die Flamme selbstverständlich, und so verhält es sich auch mit Mensch und Tier: Wenn der Leib durch Krankheit oder Unfall zerstört wird, so hört die Seele, das Wesen – Intelligenz und Persönlichkeit – auf. Oder wenn wir andererseits der Kerze den Luftzufuhr abschneiden, sei es durch Aufsetzen eines Löschhütchens oder durch Untertauchen der Kerze ins Wasser, so ersticken wir dadurch die Flamme, trotzdem die Kerze dabei nicht im geringsten beschädigt worden ist. Gleicherweise hört auch die Seele, das Leben, die Existenz bei Mensch und Tier sofort auf, wenn ihnen der Odem des Lebens (durch Ersticken oder Ertrinken) entzogen wird, so unversehrt der Leib auch geblieben sein mag. Die angezündete Kerze kann unter günstigen Verhältnissen auch andere entzünden, ist aber die Flamme einmal erloschen, so vermag sie weder sich selbst noch andere Kerzen wieder anzünden: so kann auch der Mensch oder das Tier als lebendige Seele nach göttlicher Einrichtung andere Seelen oder Wesen erzeugen – Nachkommen; ist aber der Lebenskeim einmal ausgegangen, so hört die Seele oder das Wesen auf und damit auch jegliche Fähigkeit zu denken, zu fühlen oder sich fortzupflanzen. Im Einklang mit dem Gesagten lesen wir bezüglich Jakobs Kinder: „Und es waren alle Seelen, die aus den Lenden Jakobs hervorgegangen waren, siebzig Seelen“ 2. Mose 1:5. Jakob hatte seinen Lebenskeim sowohl wie auch seinen physischen Organismus und somit auch das Erzeugnis dieser beiden Elemente, nämlich seine Seele, sein intelligentes Wesen von Isaak und also von Adam empfangen, welch letzterer einzig sein Leben direkt vom Schöpfer empfing. Jakob pflanzte Leben, Organismus und Seele wieder weiter, auf seine Nachkommen, und so verhält es sich mit der ganzen Menschheit.
Eine erloschene Kerze kann von irgend jemand, der über die nötigen Mittel verfügt, wieder angezündet werden; der des Lebenskeimes entblößte menschliche Leib dagegen muss dem göttlichen Gesetz gemäß „vergehen“, wieder zu Staub werden, wovon er genommen ist, und sein Lebenskeim kann nicht wieder „entzündet“ werden, es sei denn durch göttliche Kraft – durch ein Wunder. Die verheißene Auferstehung bedeutet somit eine „Wiederentzündung“ oder Wiedererweckung animalischer Existenz oder Seele, da nun kein Wesen oder Seele ohne einen Leib bestehen kann, so erhellt daraus, dass bei einer Auferweckung von Wesen oder Seelen neue Leiber, neue Organismen, mit inbegriffen sind. So versichert uns die Schrift, dass die zum Staub zurückkehrenden menschlichen Körper nie wiederhergestellt werden, sondern dass Gott in der Auferstehung einem jeden einen Leib geben wird nach seinem Gutfinden. – 1. Kor. 15:37-40
Der Apostel erklärt in diesen Versen, dass in der Auferstehung eine besondere Klasse einer neuen Natur wird würdig erachtet werden – der geistigen Natur, statt der menschlichen oder fleischlichen, und dass diese große Naturverwandlung, wie wir erwarten sollten, darin bestehen wird, dass die Glieder dieser Klasse eine andere Art Leib empfangen. Die Kerze kann uns auch hier zum Beispiel dienen. Angenommen, die fleischliche oder menschliche Natur werde durch die Talgkerze vertreten, so könnte der neue Leib durch die heller brennende Wachskerze oder besser noch durch eine elektrische Bogenlampe dargestellt werden.
Wäre uns die Auferstehung nicht durch unseren allmächtigen und allweisen Schöpfer verbürgt, so könnten wir mit Recht irgend einen Missgriff befürchten, wobei die Identität (die Persönlichkeit) des einzelnen verloren gehen würde, besonders bei solchen, denen eine Natur-Verwandlung gewährt wird durch ihr Teilhaben an der Ersten Auferstehung als Geistwesen. Wir dürfen aber auch diese Angelegenheit, wie alle anderen, Ihm überlassen, mit dem wir es zu tun haben. Er kennt all unsere Gedanken und ist imstande, dieselben im neuen Gehirn wiederzuerzeugen, so dass auch keine einzige unserer hier empfangenen Lektionen und gemachten wertvollen Erfahrungen verloren sein wird. Er ist zu weise, als dass er sich irren könnte, und zu gut, um hart oder lieblos zu sein; und was er verheißen hat, wird er auf eine Art und Weise erfüllen, die dann all unser Bitten und Erwarten weit übersteigt.
Manche scheinen zu glauben, dass die beerdigten Leiber in allen ihren Teilen wiederhergestellt werden sollen; dass aber dem nicht also ist, bezeugt des Apostels Wort: „Du säest (in den Tod) nicht den Leib, der werden soll.“ Die Seele oder das empfindungsfähige Wesen ist es, was Gott durch seine Erweckungskraft wiederherzustellen beabsichtigt, und er wird in der Auferstehung jeder Person (jeder Seele oder jedem fühlenden Wesen) einen solchen Leib geben, wie ihn seine unendliche Weisheit vorgesehen hat: der Kirche – der in diesem Zeitalter auserwählten „Braut“ – geistige Leiber, und der übrigen Menschheit (der Wiederherstellungsklasse) menschliche Leiber, doch nicht die, welche sie im Tode verloren. – 1. Kor. 15:37, 38
Wie bei Adams Erschaffung die Vereinigung eines Organismus (Körpers) mit dem Odem des Lebens ein fühlendes Wesen oder eine Seele erzeugte, so bewirkt die durch irgend eine Ursache hervorgerufene Trennung dieser beiden Elemente das Ende jedes fühlenden Wesens – das Aufhören aller Gedanken und Empfindungen. Die Seele (das fühlende Wesen) hört auf zu bestehen; der Leib zerfällt in Staub, wovon er genommen ist, währenddem der Geist oder Odem des Lebens zurückkehrt zu Gott, welcher ihn dem Adam und durch denselben der ganzen Menschheit mitgeteilt hat (Pred. 12:7). Er kehrt in dem Sinne zu Gott zurück, dass er fortan nicht mehr unter der menschlichen Gewalt steht, wie bei der Zeugung, und dass er nur durch die göttliche Kraft den Menschen je wieder gegeben werden kann. Wenn wir als vom Herrn Belehrte uns dieser Tatsache stets erinnern, so setzen wir als natürliche Folge davon unsere Hoffnung auf zukünftiges Leben durch die Auferstehung allein auf Gott und auf Christum, seinen nun erhöhten Stellvertreter (Luk. 23:46; Apg. 7:59). Wenn Gott also für das zukünftige Leben des Menschen nicht durch ein Lösegeld und eine verheißene Auferstehung Vorsorge getroffen hätte, so würde der Tod für die Menschheit das Ende jeglicher Hoffnung bedeutet haben. -1 . Kor. 15:14-18
Gott hat aber für unser Wiederleben Vorkehrungen getroffen, und seit dem er seine gnädigen Ratschlüsse bekannt gegeben, haben alle seine inspirierten Schriftsteller, Propheten sowohl wie Apostel, den Zustand der Menschen zwischen ihrem Tod und dem Auferstehungsmorgen nie anders als einen „Schlaf“, d.h. als eine Zeit gänzlicher Bewusstlosigkeit dargestellt, was jeder denkende Mensch auch selbstverständlich finden muss. Der Vergleich dieses Zwischenzustandes mit dem Schlaf ist übrigens ein ganz vortrefflicher, denn die Menschen werden den Augenblick ihrer Auferweckung als den nächsten Moment nach ihrer Auflösung empfinden. So sprach z.B. auch unser Herr vom Tode des Lazarus: „Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen; aber ich gehe hin, auf dass ich ihn (von seinem Schlafe) aufwecke.“ Nachher aber, als er sah, dass seine Jünger ihn nicht verstanden hatten, sagte er: „Lazarus ist gestorben“ (Joh. 11:11). Angenommen, die Lehre, dass die Menschen ihr Bewusstsein auch im Tode beibehalten, sei richtig, ist es dann nicht merkwürdig, dass Lazarus nicht das Geringste von seinen Erfahrungen erzählte, die er während jenen vier Tagen gemacht hatte? Es wird doch niemand behaupten wollen, er sei in einer „Hölle“ und in der Qual gewesen, denn unser Herr hieß ihn ja seinen „Freund“. Wäre er aber in himmlischer Seligkeit gewesen, so hätte ihn unser Herr nicht wieder zurückgerufen, denn damit hätte er ihm wahrlich keinen Freundesdienst erwiesen. Wie unser Herr erklärte, hat Lazarus aber geschlafen, und der Herr erweckte ihn zu Leben und Bewusstsein, er wurde wieder ein fühlendes Wesen, eine Seele; und dieses ganze Wunderwerk Jesu ist sowohl von Lazarus wie auch von seinen Freunden augenscheinlich als eine große Gnade anerkannt und gewürdigt worden.
Der Gedanke, dass wir uns jetzt in der Nacht des Sterbens und des Schlafens befinden im Vergleich mit dem Morgen der Auferweckung und Auferstehung, durchzieht die ganze Bibel. „Während einer Nacht dauert das Weinen, aber am Morgen kommt die Freude“ (Psalm 30:5 engl. Übers.) – am Auferstehungsmorgen, wenn die Schläfer aus ihren Gräbern hervorkommen werden, wie der Prophet es schildert: „wachet auf und jubelt, die ihr im Staube (der Erde) lieget!“ – Jes. 26:19.
Auch die Apostel bedienten sich häufig dieser passenden und hoffnungsvollen Redensart. so sagt Lukas von Stephanus, dem ersten Märtyrer, „er entschlief“; den gleichen Ausdruck legt er auch dem Paulus in den Mund, indem er dessen Rede zu Antiochien wiedergibt und in Bezug auf David schreibt, „er entschlief“ Apg. 7:60; 13:36. Petrus braucht die gleiche Redensart, indem er sagt: „Die Väter sind entschlafen“ (2. Petr. 3:4). Und Paulus selbst bediente sich derselben öfters, wie wir aus den folgenden Stellen zur genüge ersehen können:
„Wenn aber der Mann entschlafen ist.“. – 1. Kor. 7:39
„Von denen die meisten bis jetzt übriggeblieben, etliche aber auch entschlafen sind.“. – 1. Kor. 15:6
„Wenn es aber keine Auferstehung gibt, … dann sind auch die, welche in Christo entschlafen sind, verloren gegangen.“ – 1. Kor. 15:13-18
„Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen.“ – 1. Kor. 15:20
„Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: wir werden nicht alle schlafen.“ – 1. Kor. 15:51
„Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid.“ – 1. Thess. 4:13
„Gott wird die durch Jesum Entschlafenen mit ihm bringen (griechisch „herausführen“ – aus dem Tode).“ – 1. Thess. 4:14
Wenn das Königreich und die Zeit der Auferstehung hereinbricht, „werden wir, die übrigbleiben, in der Ankunft (Gegenwart, griechisch Parusia) des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen.“ – 1. Thess. 4:15
Der gleiche Gedanke liegt auch in Daniels Beschreibung der Auferstehung: „Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen“ Dan. 12:2. Aus dieser Stelle ergibt sich demnach, dass bei den Schäfern beides, die guten und die bösen inbegriffen sind. Sie „entschliefen“ im Frieden, um auf den Tag Christi – den Tausendjahrtag – zu warten, in der festen Überzeugung; „dass er (Christus) mächtig ist, das ihm von mir (ihnen) anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“. – 2. Tim. 1:12
Im Alten Testament kommt dieser Gedanke nicht minder häufig vor, und von jener Zeit an, da Gott dem Abraham zum ersten Mal das Evangelium von einer Auferstehung verkündigte, hat sich der Ausdruck „mit seinen Vätern entschlafen“ im Alten Testament so zu sagen eingebürgert. Hiob kleidet den Gedanken in ganz besonders deutliche Sprache, wenn er sagt: „O, dass du in dem Scheol mich versteckst, mich verbirgst, bis dein Zorn sich abwendete (vorüber wäre)“. Die gegenwärtige Zeit des Sterbens ist die Zeit des Zornes Gottes, indem um Adams Sünde willen der Fluch des Todes auf der ganzen Menschheit lastet. Es ist uns aber verheißen, dass der Fluch zu einer bestimmten Zeit aufgehoben werden wird, und dass durch den Erlöser ein Segen auf alle Geschlechter der Erde kommen soll; und so fährt denn Hiob weiter: „All die Tage der mir verordneten Zeit will ich warten, bis meine Wandlung kommt; (dann) wirst du rufen (Joh. 5:25), und ich will dir antworten, du wirst dich sehnen nach dem Werk deiner Hände“ (Hiob 14:14, 15 engl. Übers.) Und die wir dem Neuen Bunde angehören, lesen die entsprechende Antwort des Herrn: „Alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören (sie werden erwachen und zu voller Erkenntnis Gottes kommen und somit zu reichlicher Gelegenheit, das ewige Leben zu erlangen).“ – Joh. 5:25, 28, 29; 6:45
Dieser Todesschlaf ist eine Periode der vollständigsten Bewusstlosigkeit, so dass die Auferweckten keine Ahnung von dessen Zeitdauer haben werden. Der „Schlaf“ ist allerdings hier ein bloß angepasster, d.h. bildlicher Ausdruck, denn die Toten sind wirklich tot, gänzlich vernichtet, ausgenommen, dass Gott in seiner Weisheit ihre Identität (ihr Gedächtnis) aufbewahrt und durch Christum ihre Auferweckung verordnet hat – ihre Neugestaltung und Auferstehung. Und das wird in der Tat eine Neuschöpfung sein – eine größere Offenbarung der göttlichen Macht als es die ursprüngliche Erschaffung Adams und Evas war, indem diese Neuschöpfung die ungeheure Zahl von 50 Milliarden einschließen wird, statt nur zwei Personen – eine Wiedererzeugung unendlicher Verschiedenheit, statt der ursprünglichen Einheit in Adam. Ja, allein unser Gott besitzt solch unbegrenzte Weisheit und Allmacht, und er ist beides, fähig und willig, das großartige Werk hinaus zuführen. In der Ausrottung des von Gott eine Zeitlang zugelassenen Bösen werden all die herrlichen Einzelheiten des göttlichen Charakters zu Tage treten, wie sie sonst nicht offenbar und erkannt worden wären. So werden vor Engeln und Menschen die Gerechtigkeit und Liebe, die Allmacht und Weisheit Gottes hervor leuchten, und alle seine Geschöpfe werden einen so herrlichen Charakter bewundernd anerkennen und sich dessen Einzelheiten anzueignen suchen.
Das Zeugnis der heiligen Schrift betreffend die Notwendigkeit einer Auferstehung der Toten ist ganz klar und bestimmt – wie könnte aber von einer Auferweckung die Rede sein, wenn niemand tot wäre, sondern, wie viele es behaupten, „alle, die zu sterben scheinen, viel lebendiger werden als sie es zuvor waren?“ Eine solche Behauptung widerspricht nicht nur den fünf Sinnen eines jeden denkenden Wesens, sondern auch der bestimmten Erklärung der Schrift: „Denn für einen jeden, der all den Lebenden zugesellt wird, gibt es Hoffnung; denn selbst ein lebendiger Hund ist besser daran als ein toter Löwe. Denn die Lebenden (auch die mit Vernunft am wenigsten begabten) wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts, und sie haben keinen Lohn mehr, denn ihr Gedächtnis ist (in den allermeisten Fällen) vergessen. Sowohl ihre Liebe als auch ihr Hass und ihr Eifern sind längst verschwunden, und sie haben ewiglich (hebr.: Olam, für eine lange unbestimmte Zeit) kein Teil (kein Interesse) mehr an allem, was unter der Sonne geschieht … Alles, was du zu tun vermagst mit deiner Kraft, das tue; denn es gibt weder Tun noch Überlegung, noch Erkenntnis noch Weisheit im Scheol (Scheol ist der Zustand der Toten und betrifft die Seele, im Gegensatz zu „Grab“, dem Orte, wo die toten Leiber hingelegt werden, und wofür im Hebräischen „Gebar“ steht. Siehe Psalm 30:3; 49:15; 89:48; im Gegensatz zu 2. Chron. 34:28; Hiob 10:19; Psalm 88:5. Die Seele unseres Herrn ging in den Scheol, den Zustand des Todes (Psalm 16:10; Apg. 2:27), währenddessen sein Leib im Grabe eines Reichen gelegen hat. Jes. 53:9.) wohin du (die Seele, das fühlende Wesen) gehst.“ – Pred. 9:4-10; Jes. 26:14
„Du machst zu Nichte die Hoffnung der Menschen. Du überwältigst ihn für immer, und er geht dahin; sein Angesicht entstellend, sendest du ihn hinweg. Seine Kinder kommen zu Ehren, und er weiß es nicht, und sie werden gering, und er achtet nicht auf sie.“ – Hiob 14:19-21; Jes. 63:16
Beachte auch die Bedeutung der Apostelworte in dem bekannten, über die Auferstehung handelnden Kapitel, 1. Kor. 15:12-54. Er sagt:
„Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er aus den Toten auferweckt sei, wie sagen etliche unter euch, dass es keine Auferstehung gibt?“
Wenn die Toten nicht tot sondern „lebendiger sind als zuvor“, dann gibt es ja überhaupt keinen Toten, und somit wäre die Auferstehung der Toten ein Ding der Unmöglichkeit. Der Apostel glaubte aber an keine derartige Lehre, sondern bezeugt im Gegenteil, dass die Toten vergehen wie die niedrigere Kreatur, und verloren wären, wenn Gott sie nicht auferwecken würde, und dass all unsere Hoffnungen für sie vergeblich wären, wenn sie nicht Auferstehungshoffnungen seien. Beachte jedes Wort dieser kräftigen Beweisführung Paulus, als eines der größten Logiker, welche die Geschichte aufzuweisen vermag:
„Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, so ist auch Christus nicht auferweckt (sondern immer noch tot); wenn aber Christus nicht auferweckt (sondern noch tot) ist, so ist also auch unsere Predigt vergeblich, aber auch euer Glaube vergeblich (weil ein toter Christus nichts wissen und niemandem helfen könnte). Wir werden aber auch als falsche Zeugen Gottes erfunden (wir sind gottlose Betrüger anstatt von Gott gesandte Lehrer); weil wir in Bezug auf Gott gezeugt haben, dass er den Christus auferweckt habe, den er nicht auferweckt hat, wenn wirklich Tote nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, so ist auch Christus nicht auferweckt.“
Man sollte beachten, dass Paulus in seiner Beweisführung nicht auf eine Auferweckung des Leibes abgesehen hat, sondern auf eine Auferweckung des Wesens oder der Seele; – dass „seine Seele dem Scheol (Hades) nicht gelassen werde“ Psalm 16:10; Apg. 2:31, 32). Hätte Paulus der heutzutage im Schwange gehenden Auferstehungslehre gehuldigt, so würde er sich wohl etwa geäußert haben: Einige von euch reden von einer Auferstehung des Leibes, als wäre dieselbe ohne Bedeutung; sie ist aber sehr wichtig, denn der Leib ist in Wirklichkeit ein „Hindernis“, ein Gefängnis“ für die Seele, welche viel besser daran wäre, wenn sie davon „befreit bliebe“. Die Auferstehung des Leibes wird, wann irgend sie stattfinden mag, als ein Unglück empfunden werden, indem sie das „Wiedergefangen nehmen“ der Seele und infolgedessen eine Beschränkung ihrer Fähigkeiten nach sich zieht.
Der Apostel sagt aber gar nichts Derartiges, weil er damit der Wahrheit ins Gesicht geschlagen hätte. Er lehrte eine Auferstehung der Seele oder des fühlenden Wesens vom Zustand der Bewusstlosigkeit, des Todes; die Auferstehung des gestorbenen Leibes jedoch bestritt er, indem er sagt: „Du säest nicht den Leib, der werden soll:… (In der Auferweckung des Wesens oder der Seele) gibt Gott ihm einen (neuen) Leib, wie er gewollt hat und einem jeden der Samen seinen eigenen (den für ihn passenden) Leib“ 1. Kor. 15:37, 38. Die Massen der Menschheit (des menschlichen Samens) werden menschliche Leiber empfangen, doch nicht die gleichen Leiber, die in der Erde vermoderten, und deren Bestandteile sich in unendlich kleine pflanzliche oder tierische Organismen verwandelten. Die Glieder der Kirche werden geistige Leiber empfangen, gleich demjenigen ihres auferstandenen Herrn und gänzlich verschieden von ihren irdischen Leibern – wie denn auch der Apostel erklärt: „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass, wenn er offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ – nicht wie er war. – 1. Joh. 3:2
Lasst uns aber die Beweisführung des Apostels weiter verfolgen. Er erklärt:
„Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden. Also sind auch die, welche in Christo entschlafen sind, verloren gegangen.“ – Vers 17, 18
Denjenigen, welche behaupten, dass die Seele nicht sterben kann und wirklich nicht stirbt, welche somit die Auferweckung der Seele oder des fühlenden Wesens leugnen und infolgedessen genötigt sind, alle die Auferweckung betreffenden Schriftzeugnisse nur auf den Leib anzuwenden, verursachen diese Worte des inspirierten Apostels große Verlegenheit. Wenn sie behaupten, dass Christus während jenen drei Tagen (von welchen er selbst erklärt: „Ich war tot“) lebendig gewesen sei – „lebendiger als je“ – und dass sein Auferstehungsleib derselbe sei, den man als verwundet und vernarbt in Josephs Grab gelegt, wie wollen sie denn beweisen, dass der Glaube an einen Christus, der ja doch nicht gestorben (sondern bloß seinen Leib für drei Tage beiseite gelegt hatte), ein eitler Glaube sei? Wie können sie zugeben, dass solch ein Glaube nicht von der Verdammnis befreit? Wie wollen sie beweisen, dass der von seinem Leibe „befreite“ und deshalb nur „um so lebendigere“ Christus ohne seine Auferstehung den Sündern nicht helfen könnte, und also alle in Christo Schlafenden „verloren“ seien?
Ihre ganze Theorie steht in argem Gegensatz zu der von der heiligen Schrift bestätigten Tatsache. Sie leugnen, dass irgend eine Seele sterben (griech.: apollymi – vernichtet werden) könne, während der Apostel sagt, dass es geschehe, und selbst unser Herr erklärt: „Gott vermag beides, Leib und Seele, gänzlich zu zerstören.“ Sie leugnen mit ihrer Theorie, dass es in Christo Entschlafene gibt, da sie ja nicht zugeben wollen, dass der Tod ein Schlaf sei, dem am Auferstehungsmorgen ein Erwachen folgen werde, trotzdem sowohl unser Herr selbst wie auch seine Apostel und alle heiligen Propheten einstimmig den Tod als einen Schlaf erklären, von dem allein durch Gottes Macht die Seele oder das fühlende Wesen wieder zum Bewusstsein, zum Leben erweckt werden kann. Auch die, welche in der Ersten Auferstehung die Verwandlung zur göttlichen Natur erfahren, werden so sicher Seelen sein, als sie es in ihrer irdischen Natur gewesen sind. Ist doch Gott selbst eine Seele wenn jemand sich zurückzieht, so wird meine Seele (Psyche, fühlendes Wesen) kein Wohlgefallen an ihm haben“. – Hebr. 10:38
Die platonische Philosophie (wonach der Mensch nicht sterben kann, sondern bei seinem Tode nur zu sterben scheint) hatte sich zur Zeit des ersten Advents in ganz Griechenland eingebürgert und bildete für die Verbreitung des Evangeliums unter den Heiden ein großes Hindernis. So lesen wir z.B., dass, als Paulus in Athen predigte, ihm die Philosophen als einem großen Lehrer willig Gehör schenkten, bis er auf die Auferstehung der Toten zu sprechen kam – da war es genug; sie hatten sodann kein Interesse an seiner Lehre, indem sie ihren Glauben als einen großen Vorsprung hielten, im Vergleich zu der jüdischen Idee, wonach die Toten ohne eine Auferstehung keine zukünftige Existenz zu erwarten hätten. „Als sie aber von Toten-Auferstehung hörten (und daraus erkannten, dass Paulus mit ihrer Lehre von der Unsterblichkeit der Seele nicht einig ging), spotteten die einen, die anderen aber sprachen: Wir wollen dich darüber auch nochmals hören.“ – Apg. 17:32
Die heidnische Idee, dass der Tod nicht ein Aufhören der Existenz, sondern eine Stufe zu vollkommenerem Leben bedeute, hatte zur Zeit des ersten Advents den jüdischen Glauben nicht im geringsten verscheucht. Die Pharisäer bildeten die Hauptsekte unter den Juden, und unser Herr erkannte sie als Nachfolger und Vertreter des mosaischen Gesetzes an, indem er erklärte: „Die Schriftgelehrten und Pharisäer haben sich auf Moses Stuhl gesetzt“ (Matth. 23:2). Die an Zahl geringere Sekte der Sadduzäer stand in Bezug auf ihren Einfluss den Pharisäern am nächsten; sie waren eigentliche Ungläubige, Materialisten. Sie leugneten jede zukünftige Existenz und glaubten, der Mensch sterbe genau wie das Tier, indem sie keine Auferstehung der Toten zugaben. Sie glaubten nicht an all die messianischen Verheißungen und leugneten das Dasein jeglicher übermenschlicher Wesen, wie Engel 2c) Josephus sagt freilich etwas von einer Sekte, welche der unter den Heiden allgemein verbreiteten platonischen Lehre huldigte, laut welcher der Mensch in Wirklichkeit nie sterbe, sondern in der als Tod bekannten Krisis nur einen Fortschritt in seiner Lebensentwicklung mache. Vergessen wir aber nicht, dass Josephus seine jüdische Geschichte schrieb, während er am römischen Hofe weilte, und dass er damit das Interesse des Kaisers und seines Hofes für die jüdische Nation zu gewinnen suchte. Die Römer hatten die Juden als ein „halsstarriges und aufrührerisches Volk“ kennen gelernt, und sie schrieben ihren Charakter zu guten Teil ihrer sonderbaren Religion zu. In gewisser Beziehung war dies eine richtige Vermutung, denn es ist eine unbezweifelte Tatsache, dass die Wahrheiten göttlicher Offenbarung in ihren Verehrern einen gewissen Geist der Freiheit erwecken – indem sie die großen Unterschiede zwischen Priesterschaft und gewöhnlichem Volk und zwischen Königen und Untertanen ganz beträchtlich verringern, denn laut dem Worte Gottes gilt bei dem höchsten Richter und König kein Ansehen der Person – alle müssen vor ihm offenbar werden. Josephus wünschte aber diesem biblischen Charakterzug seines Volkes und damit auch der jüdischen Religion entgegenzutreten; er tat deshalb der Wahrheit Gewalt an, indem er dem römischen Hof zu zeigen suchte, dass die Religion seines Volkes mit verschiedenen heidnischen Religionen 1. in Bezug auf das Bewusstsein der Toten, und 2. in Betreff des Glaubens an eine ewige Qual (An die ewige Qual glaubten die Juden nie, einige wenige ausgenommen; die römischen Kaiser begünstigten diese Theorie, indem dieselbe den kaiserlichen Einfluss auf das gewöhnliche Volk vermehrte. Später legten sich die Kaiser den Titel „Pontifex Maximus“ (höchster religiöser Herrscher) bei, welcher Titel nachher von der röm. katholischen Kirche den Päpsten verliehen wurde.), völlig übereinstimme. Um das zu beweisen, erwähnt er die Sekte der Essenier, als wäre sie die maßgebende unter den Juden gewesen. In Wirklichkeit war diese Sekte aber so unbedeutend, dass sie im ganzen Neuen Testament nur gar nirgends erwähnt ist und augenscheinlich auch nie, weder mit dem Herrn noch mit den Aposteln in Berührung kam, während auf die Pharisäer und Sadduzäer beständig und häufig Bezug genommen ist.
„Für ihn leben alle.“
– Luk. 20:37, 38 –
Kurz nachdem unser Herr die Doktoren des Gesetzes und die Pharisäer und Schriftgelehrten durch Beantwortung ihrer Fragen in Verwirrung gebracht hatte, kamen die Sadduzäer mit einer Frage und hofften damit die Lehren des Herrn widerlegen zu können und ihre Stellung als Ungläubige zu rechtfertigen. Diesen Sadduzäern, welche behaupteten, die Toten bleiben für immer tot, entgegnete unser Herr: „Dass aber die Toten auferstehen, hat auch Mose angedeutet in dem Dornbusch, wenn er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist aber nicht Gott der Toten, sondern der Lebendigen: denn für ihn leben alle.“
Jesus brachte dies als einen selbst redenden Beweis, „dass die Toten auferstehen“, indem sich Gott sicherlich nicht auf Wesen berufen würde, die gänzlich und für immer von jeder Existenz abgeschnitten sind. Er beweist damit ferner, dass Gott in seinem Plan eine Auferstehung bestimmt hatte, und dass diejenigen, welche von den Menschen „tot“ genannt werden, „für ihn alle leben“. Von Gottes Standpunkt aus betrachtet, „schlafen“ sie nur. Und deshalb spricht das Wort Gottes von solchen als von „Entschlafenen“ und nicht als von Vernichteten. Die ursprüngliche Strafe lautete allerdings auf Vernichtung, aber diese Strafe ist durch das Lösegeld nun aufgehoben. So spricht deshalb Mose: „Du läsest zum Staub zurückkehren den Menschen, und sprichst (in der Auferstehung): Kehret zurück, ihr Menschenkinder!“ Psalm 90:3; 103:4. Indem er sagt: „Ich bin der Gott Abrahams“, spricht Gott nicht nur von vergangenen Dingen als wären sie noch gegenwärtig, sondern auch zukünftigen als wären sie schon da. – Röm. 4:17
Geist, Seele und Leib der Kirche (Herauswahl)
– 1. Thess. 5:23 –
Die Ausdrücke Geist, Seele und Leib werden hier im bildlichen Sinn in Bezug auf die gesamte Kirche (Herauswahl) gebraucht. Paulus bittet den Herrn: „Euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt auf die Gegenwart unseres Herrn Jesu Christi.“ Dieses Gebet müssen wir als sich auf die erwählte Kirche, auf die, deren Namen im Himmel angeschrieben sind. Der wahre Geist der „kleinen Herde“ ist erhalten geblieben, und auch ihr Leib (Körper) kann trotz der Unmasse von Scheinweizen (Lolch), die ihn zu verstecken und zu ersticken droht, noch heute unterschieden werden. Und ihre Seele, ihre Intelligenz, ihre Tätigkeit, ihr empfindendes Wesen offenbart sich überall und zeugt vor allem Volk von dem Kreuz, von der Versöhnung.
Anders lassen sich diese Worte des Apostels nicht auslegen; denn so sehr auch die Ansichten betreffend die Erhaltung der persönlichen „Geister“ und „Seelen“ der hier angeredeten Leute von einander abweichen mögen, so stimmen doch alle darin überein, dass ihre Leiber nicht erhalten geblieben, sondern auch zu Staub und Asche geworden sind, wie diejenigen aller übrigen Menschen. Zudem ist zu beachten, dass in dieser Stelle die Worte „Geist, Seele und Leib“ in der Einzahl und nicht in der Mehrzahl gebraucht werden.
Was bedeutet Scheol oder Hades, wohin alle Seelen gehen?
Da es von den Seelen oftmals heißt, sie gehen in den Scheol oder Hades, so hat man die Theorie aufgestellt, es müsse nach der Auflösung des Menschen – nach der Trennung des Odem oder Lebensgeistes vom Organismus oder Leib – die Seele als ein wirkliches, seines Daseins bewusstes Wesen weiterbestehen; es ist deshalb nur am Platz, wenn wir auch hierüber das Wort Gottes zu Rate ziehen, und an Hand desselben untersuchen, was Scheol und Hades ist.
Das hebräische Wort Scheol kommt im Alten Testament 65 mal vor und ist in der gewöhnlichen Luther-Bibel einige Mal mit Grube und Grab, meistens aber mit Hölle übersetzt worden. Diese Übersetzungen erweisen sich aber alle drei als falsch, wenn man den Sinn der heute gebräuchlichen Wörter Grube, Grab und Hölle mit demjenigen des Wortes Scheol vergleicht. (Die Elberfelder-Bibel hat die Worte Scheol und Hades überall unübersetzt beibehalten). Die Bedeutung des hebräischen Wortes Scheol und des ihm genau entsprechenden griechischen Hades kann nämlich mit keinem deutschen Worte genau wiedergegeben werden; der Sinn der Wörter ist verborgen, oder ausgelöscht, oder dunkel – der Zustand des Todes: sie bezeichnen nicht einen Ort, sondern einen Zustand, und es würde deshalb das Wort Vergessensein den Ausdrücken Scheol und Hades vielleicht besser entsprechen als irgend ein anderes deutsches Wort. In den Wörtern Scheol und Hades liegt nicht die geringste Andeutung von Freude oder Leid oder von irgend einem Gefühl; der Zusammenhang kann uns allein als Wegleitung dienen. Das klare Zeugnis der heiligen Schrift geht dahin, dass die ganze Menschheit dem Scheol, Hades, dem Vergessensein anheimfallen muss, und dass dieser Zustand jegliches Licht, jegliche Erkenntnis, Weisheit und Überlegung gänzlich ausschließt; da gibt es weder Lob des Herrn noch Lästerung seines Namens; es ist ein Zustand gänzlicher Stille, in keiner Hinsicht wünschenswert, ausgenommen, dass damit eine Hoffnung der Auferstehung verbunden ist.
Wir werden uns überzeugen können, dass beiderlei „Seelen“, gute und böse, in den Scheol, in den Zustand des Vergessenseins gehen, um dort auf den Morgen des Tausendjahrtages zu warten, wo der Ruf des Lebensgebers ihrem Vergessensein ein Ende machen wird. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Übersetzer und Verbesserer der gewöhnlichen Luther-Bibel sich in Bezug auf die Verdeutschung von Scheol und Hades vielerorts widersprechen. Trotzdem ihre Inkonsequenz der Unehrlichkeit oft recht verdächtig ähnlich sieht, wollen wir ihnen dieselbe nicht gänzlich zur Last legen, sondern sie eher als das Ergebnis der bezüglich dieses Gegenstandes allgemein herrschenden Verwirrung betrachten, die in den finsteren Jahrhunderten durch falsche Lehren erzeugt wurde und großenteils bis auf den heutigen Tag unterhalten wird. Es ist übrigens auch möglich, dass das von Luther so viel gebrauchte „Hölle“ in der altdeutschen Sprache mehr den Sinn von „hüllen“ in sich barg und somit von der heutigen „Hölle“, dem angeblichen Orte ewiger Qual, wesentlich unterschied.
Der Leser möge die hiernach angeführten Stellen, in welchen das hebräische Wort Scheol vorkommt, nun recht sorgfältig prüfen und sich überzeugen, welch schreckliche Schlussfolgerung man einerseits daraus ziehen müsste, wenn mit Luthers Hölle immer „höllisches Feuer“ oder „Ort ewiger Qual“ gemeint wäre, und wie andererseits die gleichen Stellen so schön und harmonisch klingen und dem Zusammenhang so trefflich entsprechen, wenn das Wort Scheol überall mit Vergessenheit oder Vergessensein übersetzt wird. Im letzteren Fall bezeugen sie alle einstimmig, dass die „Seelen“ dem Scheol, der Vergessenheit anheimfallen – nicht um dort zu leiden oder sich zu freuen, auch nicht um irgend etwas zu lernen oder zu tun – sondern um in der Vergessenheit zu bleiben bis zum Ertönen der „Stimme des Erzengels und der Posaune Gottes“. Betrachten wir nun folgende Schriftzeugnisse:
„Leidtragend werde ich hinabfahren zu meinem Sohne in den Scheol (in die Vergessenheit).“ – 1. Mose 37:35
So beweinte Jakob seinen Sohn Joseph, den er eines gewaltsamen Todes gestorben glaubte.
„Begegnete ihm (Benjamin) ein Unfall auf dem Wege, auf dem ihr zieht, so würdet ihr mein graues Haar mit Kummer hinabbringen in den Scheol (in die Vergessenheit).“ – 1. Mose 42:38 Dies waren die Worte Jakobs, als er seinen Benjamin nach Ägypten ziehen lassen sollte; er befürchtete, Benjamin möchte auch getötet werden, wie er es von Joseph vermutete.
Die gleichen Worte finden wir in 1. Mose 44:29 wieder, als die Brüder Joseph erzählten, was ihnen bei der Abreise ihr Vater bezüglich Benjamins eingeschärft hatte. Und im 31. Vers bestätigen sie es selbst mit den Worten: „Und deine Knechte werden das graue Haar deines Knechtes, unseres Vaters, mit Kummer hinabbringen in den Scheol (Vergessensein).“
Hier haben wir vier Beispiele, wo in den gewöhnlichen Bibelübersetzungen das Wort Scheol mit „Grube“ wiedergegeben ist. Man beachte, wie ganz unpassend es wäre, wenn hier das Wort „Hölle“ mit seinem gewöhnlichen, Feuer, Angst und Qual einschließenden Sinn stehen würde. Augenscheinlich haben die Übersetzer eingesehen, dass Jakob und seine Söhne sich nicht in der Hölle befinden können und auch nie erwarteten, dorthin zu gelangen; so mussten sie für das hebräische Wort Scheol einen anderen Ausdruck wählen, und so übersetzten sie es mit „Grube“. Trotzdem glaubten sie dabei aber nicht, noch tut es die große Mehrzahl, dass Jakob in die Grube ging, oder irgend daran dachte, in die Grube zu gehen. Der Patriarch bezog sich dabei auch selbst nicht auf die Beerdigung seines Leibes in ein Grab, denn sonst würde er sich ohne Zweifel desselben hebräischen Wortes bedient haben, das er anderwärts in Bezug auf Rahels Grab gebraucht, nämlich Queburah (1. Mose 35:20), oder aber des Wortes Queber, welchen Ausdruck sein Sohn Joseph bezüglich des Grabes Jakobs brauchte, das sich der letztere schon zu seinen Lebzeiten hatte zubereiten lassen. (1. Mose 50:5) Wir sehen aber im Gegenteil, dass Jakob von ihm selbst als einem Wesen, einer Seele sprach – dass der Verlust Benjamins ihn in seinem nun hohen Alter und seiner schwachen Gesundheit hinabbringen würde in die Vergessenheit, in den Zustand des Todes.
„Wenn aber Jehova ein Neues schafft, und der Erdboden seinen Mund auftut und sie verschlingt, und alles, was sie haben, und sie lebendig hinabfahren in den Scheol (in die Vergessenheit) … Und sie … fuhren lebendig hinab in den Scheol (Vergessenheit); und die Erde bedeckte sie; und sie kamen um aus der Mitte der Versammlung.“ – 4. Mose 16:30, 33
Diese zwei Texte beziehen sich auf Korah, Dathan und Abiram und zeigen, wie diese Männer umkamen. Luther gebraucht hier dass Wort „Hölle“; wäre aber damit die sogenannte Feuerhölle gemeint, so hätten wir hier den Beweis, dass sich der angebliche Ort der Qual gerade unter der Oberfläche unserer Erde befinde. Wie einfach und klar sind aber die beiden Stellen, wenn sie richtig verstanden werden: die Erde öffnete ihren Mund und verschlang sie, und sie fuhren mitten aus des Lebens Tätigkeit hinab in die Vergessenheit, in die Bewusstlosigkeit.
„Denn ein Feuer ist entbrannt in meinem Zorn und wird brennen bis in den untersten Scheol, und es wird verzehren die Erde und ihren Ertrag und entzünden die Grundfesten der Berge.“ (5. Mose 32:22)
Hier ist allerdings von einem Feuer die Rede, aber von keinem buchstäblichen Feuer. Der ganze Zusammenhang beweist, dass es sich um den Feuereifer Gottes handelt; man lese nur die darauffolgenden Verse: „Sie vergehen vor Hunger und sind aufgezehrt von Fieberglut und giftiger Pest. … Draußen wird das Schwert rauben und in den Gemächern der Schrecken.“ Wie diese Weissagung sich erfüllte, brauchen wir nicht bloß zu vermuten, denn der unter dem Einfluss des heiligen Geistes redende Apostel Paulus bezieht sich auf diese selbe Stelle und wendet sie auf das fleischliche Israel an und auf die Trübsal, welche über sie als Nation hereinbrach, als sie den Herrn Jesum verworfen hatten und deshalb dann selbst auch vom Herrn verworfen wurden. Der Apostel erklärt, dass „der Zorn Gottes völlig (bis zum Ende) über sie gekommen“ sei (1. Thess. 2:16): Der göttliche Zorneseifer entbrannte wider sie und hörte nicht auf zu brennen, bis sie als Volk für ihre Nationalsünde aufs äußerste gezüchtigt worden waren. Wenn Gott seinen Zorn an ihnen völlig ausgeübt haben wird, sie dabei bis in das tiefste Vergessensein (Scheol) immer wieder heimsuchend, dann wird er wieder freundlich zu ihnen reden und zur Herauswahl (seiner wahren Kirche sprechen: „Tröstet, tröstet mein Volk! Redet zum Herzen Jerusalem und rufet ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand Jehovas Zwiefältiges empfangen hat für alle ihre Sünden“. (Jes. 40:1, 2) Dann wird auch die von Paulus bestätigte Errettung Israels kommen, Kraft des göttlichen Ausspruches: „Dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“ (Röm. 11:26, 27). Den gleichen Gedanken, dass nach diesem Brennen des göttlichen Zornes gegen Israel bis in ihr tiefstes Vergessensein wieder göttlicher Segen folgen wird, finden wir auch in später folgenden Versen unseres Textes. (siehe 5. Mose 32:26-43)
„Jehova tötet und macht lebendig, er führt in den Scheol (in die Vergessenheit) hinab und führt herauf (durch eine Auferstehung aus dem Vergessensein, aus dem Scheol).“ – 1. Sam. 2:6
„Die Bande des Scheols (der Vergessenheit) umringten mich.“ – 2. Sam. 22:6
Der Prophet David bezeugt in diesen Worten, wie sehr sein Leben in Gefahr gewesen sei, wie ihn aber Gott von der Hand Sauls errettet habe. Aus dem weiteren Zusammenhang ersehen wir jedoch ganz deutlich, dass der Psalmist in prophetischer Weise von dem Christus spricht und der Zeit der völligen Erlösung des Leibes Christi (der kleinen Herde) aus der gegenwärtigen argen Welt in die Herrlichkeiten des zukünftigen Zeitalters, indem er in den Versen 8-18 zeigt, dass die Befreiung des Leibes Christi gerade vor der großen Trübsal stattfinden werde – vor der Offenbarung der göttlichen Macht und Entrüstung wider alle Gottlosigkeit.
„Lass sein graues Haar nicht in Frieden hinabfahren in den Scheol (den Zustand der Vergessenheit), … sondern bringe sein graues Haar mit Blut hinab in den Scheol.“ (1. Kön. 2:6, 9)
In der hier angeführten Stelle erinnert David seinen Sohn Salomo an Joab, den gefährlichen, blutdürstigen Mann, dem noch vor seinem Tode eine gerechte Vergeltung gehöre. In Luthers Übersetzung steht auch hier das Wort „Hölle“, trotzdem nach allgemeiner Kirchenlehre die Haare und der übrige physische Leib des Menschen begraben werden und nur die nackte Seele in die Hölle wandert. Den Übersetzern anderer Bibeln muss dieser Widerspruch wohl etwas zu denken gegeben haben, indem Stier z.B. das Wort Scheol hier ausnahmsweise mit „Totenreich“ wiedergibt. Wenn wir aber die Stelle richtig verstehen, so wird es uns kaum schwer werden, zu glauben, dass sowohl die grauen Haare Jakobs wie auch die grauen Haare des Joab miteinander in den Scheol gingen – dem Vergessensein anheim fielen, zumal „graue Haare“ ein Symbol des hohen Alters sind.
„Die Wolke schwindet und fährt dahin; so steigt, wer in den Scheol (Vergessenheit) hinabfährt, nicht herauf.“ (Hiob 7:9)
Hiob hebt hier die gänzliche Vernichtung des menschlichen Wesens oder Seele durch den Tod hervor. In Vers 21 schließt er jedoch seine Aussage mit der Erklärung: „Nun lege ich mich schlafen in den Staub; und du wirst mich suchen am Morgen, aber ich werde nicht sein“ (nach engl. Übers.). Der Zustand zwischen Tod und Auferstehung ist hier als Schlaf geschildert; während der Tausendjahrtag mit dem Morgen verglichen ist. Das gegenwärtige Zeitalter ist die Nacht des Weinens, der Trübsal und des Sterbens. Der Herr wird am Morgen mit seiner Auferstehungskraft den Hiob suchen, und wenn er auch nicht mehr da ist – wenn gleich der Tod seine gänzliche Vernichtung bewirkt hat, so liegt seine Auferstehung nicht außerhalb der göttlichen Allmacht, und wenn die Zeit des Herrn gekommen ist, so „wird er sich sehnen nach dem Werk seiner Hände“. Wenn der Tag des Zornes des Herrn vorüber sein wird, und die Zeiten der Erquickung gekommen sind, – dann wird Er rufen und Hiob sowohl wie auch alle anderen werden ihm antworten. (siehe Hiob 14:14, 15)
„Himmelhoch (sind die Tiefe Gottes und das Wesen des Allmächtigen) – was kannst du tun? tiefer als der Scheol (Vergessenheit) – was kannst du wissen? (Hiob 11:8)
Dies sind Worte Zophars, eines der „leidigen Tröster“ Hiobs, den der Herr nachher zurechtwies. Zophar versuchte damit dem Hiob zu beweisen, dass die göttlichen Regierungsgrundsätze für die Menschheit unerforschlich seien; als Beispiel, wie dem Menschen die Erkenntnis Gottes gänzlich fehle, bezieht er sich auf den Scheol; gleichwie es im Scheol keine Erkenntnis gebe, also, behauptet er, gebe es für den Menschen auch keine Erkenntnis der göttlichen Weisheit und seines Planes.
„O dass du in dem Scheol (in der Vergessenheit) mich verstecktest, mich verbärgest, bis dein Zorn sich abwendete, mir eine Frist setztest und dann meiner gedächtest!“ (Hiob 14:13)
Hier haben wir die einfachste und deutlichste Bestätigung von Hiobs Hoffnung. Es war ihm nicht daran gelegen, dass seine gegenwärtigen Verhältnisse mit Sünden und Sorgen, Trübsal und Schmerz immer fortdauern sollten, sondern er war ganz willig, in der Vergessenheit verborgen zu sein, bis auf die Zeit, wo der Fluch, der „Zorn“ von der Erde weggenommen und an dessen statt die Zeit der Erquickung gekommen sein wird. Er wünscht also nicht für immer vertilgt zu sein. O nein! In seinem Vertrauen, dass Gott durch eine Auferstehung für ein zukünftiges Leben gesorgt habe, bittet er, dass Gott zu seiner Zeit, nachdem der Fluch der Sünde beseitigt, seiner gedenken und ihn aus der Vergessenheit wieder ins Leben rufen möge – Kraft des Wiederherstellungswerkes, welches dann durch den Christus vollbracht werden soll. – (siehe Apg. 3:19-21)
„Wenn ich hoffe (warte), so ist der Scheol (die Vergessenheit) mein Haus, in der Finsternis bette ich mein Lager. Zur Verwesung rufe ich: Du bist mein Vater! zu dem Gewürm: Meine Mutter und meine Schwester!“ – Hiob 17:13, 14
Welch ein Nachdruck liegt in diesem Ausspruch! Vergessenheit ist das Haus oder Bett und ist voller Finsternis – Hiobs Seele, sein Wesen, schläft, liegt bewusstlos im Tode und wartet auf den Auferstehungsmorgen, während sein Leib in Verwesung übergeht.
„Wo denn also ist meine Hoffnung? ja, meine Hoffnung, wer wird sie schauen? Sie fährt hinab (engl. Übers.: „sie fahren hinab“ – die Menschen) zu den Riegeln des Scheols (Vergessenheit), wenn wir miteinander im Staube Ruhe haben.“ – Hiob 17:15, 16
Hiob bezieht sich hier als Knecht Gottes auf seine persönliche Hoffnung, sein Vertrauen, fragt aber, wie viel andere wohl solch ein Vertrauen haben können. Er hat seiner Hoffnung, dass sein Tod nur ein Schlaf sein werde, aus welchem er „am Morgen“ wiedererwachen dürfe, schon Ausdruck gegeben, will aber mit obigen Worten sagen, dass, wenn auch alle Menschen einzeln in den Scheol, in die Vergessenheit gehen, so werden doch alle miteinander im Staube Ruhe haben, ob sie diese Hoffnung haben oder nicht.
„In Wohlfahrt verbringen sie ihre Tage, und in einem Augenblick sinken sie in den Scheol (in die Vergessenheit) hinab.“ – Hiob 21:13
Hiob beschreibt hier das Wohlergehen solcher Leute, die nicht in Gottes Wegen wandeln, und vergleicht es mit den Prüfungen und Leiden, welche viele von den Kindern Gottes durchmachen müssen, weil diese unter der erziehenden Zucht Gottes stehen, um für kommende, bessere Verhältnisse zubereitet zu werden.
„Dürre und Hitze raffen Schneewasser hinweg: so der Scheol (die Vergessenheit) die gesündigt haben.“ – Hiob 24:19
Alle Menschen haben gesündigt, darum sind sie auch alle dem Tode verfallen und fahren hinab in das Vergessensein. Die einzige Hoffnung liegt in ihm, der uns vom Tode erlöst hat, und der uns gemäß seiner gnädigen Verheißung „am Morgen“ von dem Zustand des Vergessensein befreien wird. Hiob nimmt an dieser Stelle jedoch besonders auf die Übeltäter Bezug, die durch einen schlechten Lebenswandel ihren Tod beschleunigen.
„Der Scheol (die Vergessenheit) ist nackt vor ihm, und keine Hülle hat der Abgrund (Abaddon – die Zerstörung).“ – Hiob 26:6
Hiob hebt hier die Allwissenheit des Schöpfers hervor, dem das Ende vor dem Anfang bekannt, und vor dessen alles durchdringendem Blick auch jedes, längst der Vergessenheit anheim gefallenes Geheimnis offenbar ist.
„Denn im Tode ist deiner kein Gedächtnis; im Scheol (Vergessenheit), wer wird dich preisen?“ – Psalm 6:5
Welch ein klares und bestimmtes Zeugnis für die Bewusstlosigkeit des Menschen im Tode! Man sollte auch beachten, dass sich dasselbe nicht auf die Gottlosen sondern auf die Knechte Gottes bezieht, die ihm für empfangene Gnaden danken und ihn preisen möchten. Auch wird hier nicht auf das tote Fleisch Bezug genommen, das im „Queber“ begraben wird, sondern auf die Seele, die in den Scheol (Vergessenheit) geht.
„Es werden zum Scheol (zur Vergessenheit) umkehren die Gesetzlosen, alle Nationen, die Gottes vergessen.“ – Psalm 9:17
Das Wort „umkehren“ bedeutet an, dass die hier erwähnten gesetzlosen vom Scheol, von der Vergessenheit, befreit waren, aber um ihrer Boshaftigkeit und Gottesvergessenheit dahin zurückkehren müssen. Die allgemeine Befreiung der Menschheit aus dem Scheol wird am Tausendjahrtag stattfinden, als Folge des auf Golgatha bezahlten Lösegeldes. Diejenigen aber, welche, nachdem sie auferweckt worden und zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen sind, absichtlich in Bosheit verharren, werden wieder in die Vergessenheit fahren müssen – diesmal in den „Zweiten Tod“, von welchem es keine Erlösung gibt.
Dass diese Stelle nicht auf die Massen der Menschheit (auf die Heiden), welche Gott nie erkannt haben, angewendet werden kann, liegt auf der Hand, denn ihrem eigenen Wortlaut gemäß bezieht sie sich auf solche, die Gottes vergessen, nachdem sie zu seiner Erkenntnis gekommen sind und dementsprechende Verantwortung tragen.
„Denn meine Seele wirst du dem Scheol (der Vergessenheit) nicht lassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe.“ – Psalm 16:10
Der mit dem heiligen Geist erfüllte Apostel Petrus erklärt uns in seiner Pfingstrede die wahre Bedeutung dieser Weissagung, indem er hervorhebt, dass sie sich unmöglich an David selbst erfüllt habe, weil Davids Seele im Scheol gelassen sei, und sein Fleisch die Verwesung gesehen habe. Er erklärt, „dass David sowohl gestorben als auch begraben ist, und sein Grab ist unter uns bis auf diesen Tag.“ „David ist nicht in den Himmel gefahren.“ – Apg. 2:27-34
Diese Worte des Apostels sind voll Nachdruck und in doppelter Hinsicht völlig überzeugend: dass 1. die Seele Davids in den Scheol, in die Vergessenheit gegangen und dort geblieben und bis zur Zeit von Petrus Predigt nicht in den Himmel gegangen war; 2. dass die Seele Jesu Christi auch in den Scheol, in die Vergessenheit ging, aber nicht darin gelassen, sondern am dritten Tag auferweckt wurde – und später in den Himmel aufstieg.
Diese deutlichen, aus inspirierter Quelle stammenden Zeugnisse sollten alle Wahrheitssucher über diesen Gegenstand völlig aufklären. Wir sehen daraus folgende Tatsachen: 1. Die Seele (das Wesen ) unseres Herrn Jesu verfiel bei seinem Tode der Vergessenheit, dem Scheol. 2. Er war während 3 Tagen (während Teilen dreier Tage) tot. 3. Am dritten Tag stand er auf – er wurde aus der Vergessenheit zurückgerufen und zur göttlichen Natur verwandelt, durch die Kraft des heiligen Geistes Gottes, und wurde so „der Erstling unter denen, welche schliefen.“ Das Wesen oder die Seele unseres Herrn hatte während der Zeit seines Todes aufgehört zu bestehen: „Er hat seine Seele ausgeschüttet in den Tod“ und „seine Seele als Schuldopfer gestellt.“ Aber seine Seele (sein Wesen) wurde in der Auferstehung wieder lebendig gemacht, und er empfing einen neuen, geistigen Leib. (siehe Band 2, Studie/Kapitel 5) „Die Bande des Scheols (der Vergessenheit) umringten mich, es ereilten mich die Fallstricke des Todes.“ – Psalm 18:5
Dies ist ein bildlicher Ausdruck höchster Angst und Todesfurcht.
„Jehova! du hast meine Seele heraufgeführt aus dem Scheol (Vergessenheit), hast mich belebt.“ – Psalm 30:3
Ein Dankgebet Davids für seine Genesung von schwerer Krankheit, die ihn dem Tode nahe gebracht hatte.
„Lass beschämt werden die Gesetzlosen, lass sie schweigen im Scheol! Lass verstummen die Lügenlippen.“ – Psalm 31:17, 18
Wie an anderer Stelle, so drückt der Psalmist auch hier sein Verlangen aus, dass die Erde von allen solchen gesäubert werden möchte, welche die Bosheit lieben und ausüben. Von einem zukünftigen Leben ist hier nichts erwähnt noch auch von einer Auferstehungshoffnung. Wenn der Herr unter den Nationen regieren wird, wenn die Gesetze der Wahrheit und Gerechtigkeit aufgerichtet sein werden und durch die göttliche Barmherzigkeit und Liebe für jede Kreatur Gelegenheit für volle Erkenntnis und Befreiung von Sünde vorhanden sein wird, dann mag es sein, dass etliche von denen, die hier Gesetzlose waren, nach Recht und Gerechtigkeit suchen und nach der Gnade der Gerechtigkeit Christi verlangen und durch ihn schließlich noch zu ewigem Leben gelangen werden. Weder der Prophet David noch irgend jemand anders könnte wider solch eine Sinnesänderung etwas einwenden, noch auch wider die Gabe des ewigen Lebens an die gründlich Bekehrten, welche mit Gott wieder in Einklang gekommen sind.
„Man legt sie in den Scheol (in die Vergessenheit) wie Schafe, der Tod weidet sie; und am Morgen herrschen die Aufrichtigen über sie; und ihre Gestalt wird der Scheol (Vergessenheit) verzehren, fern von ihrer Wohnung. Gott aber wird meine Seele erlösen von der Gewalt des Scheols (der Vergessenheit).“ – Psalm 49:14, 15
Dass in diesen Versen nicht von „Hölle“ die Rede sein kann, ist offenbar, denn es wird niemand glauben wollen, dass auch Schafe in die Hölle gehen. Andererseits kann aber auch nicht „das Grab“ im gewöhnlichen Sinn gemeint sein, sondern das Vergessensein, wie wir Scheol übersetzen; denn die Schafe werden nicht begraben, aber alle Schafe verfallen der Vergessenheit, werden so vergessen, als ob sie nie gewesen wären. Der Prophet bezeugt hier seinen persönlichen Glauben an die Auferstehung – dass Gott seine Seele vom Scheol, aus der Vergessenheit erlösen werde. Dies stimmt auch völlig mit Petrus Zeugnis, dass David nicht in den Himmel gefahren sei. Davids Seele ging in den Scheol, in die Vergessenheit, und seine einzige Hoffnung ist die Befreiung seiner Seele aus dem Scheol, aus dem Vergessensein ins Leben – durch den Erlöser in der Auferstehung. Übrigens sollen sogar die, welche gleich Schafen der Vergessenheit anheimfallen, wieder hervorkommen, denn aus dieser Stelle geht deutlich hervor, dass am Auferstehungs- „Morgen“, am Morgen des Tausendjahrtages, die „Aufrichtigen“ über sie herrschen und sie in Gerechtigkeit richten werden. Darum sagt auch der Apostel, „dass die Heiligen die Welt richten werden.“ – 1. Kor. 6:2
„Der Tod überrasche sie, lebendig mögen sie hinabfahren in den Scheol (in die Vergessenheit)! Denn Bosheiten sind in ihrer Wohnung, in ihrem Innern.“ – Psalm 55:15
Wie an fast allen Orten, so hat Luther das Wort Scheol auch hier mit „Hölle“ übersetzt; die Stelle wird denn auch gewöhnlich falsch verstanden, ist aber schon manchem Kind Gottes zum Stein des Anstoßes geworden. Sie haben sich gesagt: – Wie kann ein guter Mensch, wie David, bitten, dass seine Feinde in die Hölle – in die ewige Qual – kommen möchten. Ein frommer Mann würde nicht also beten, und dies war auch nicht der Grundton von Davids Gebeten. Wie wir gesehen haben und immer aufs neue uns überzeugen können, enthält das Wort Scheol nicht die leistete Andeutung, weder von Feuer, noch von Flammen, weder von Qual noch irgend etwas Derartigem. Es bedeutet einfach „Vergessensein“, Auslöschen des Lebens. Davids Gebet oder Wunsch bezüglich seiner Feinde, den Gegnern der Gerechtigkeit, ist somit in jeder Hinsicht gerechtfertigt und entspricht auch völlig den Gesetzen der höchst zivilisierten Völker unseres aufgeklärten Zeitalters. Die heutigen Gesetze zivilisierter Völker verlangen die Hinrichtung aller Mörder und bestimmen dazu im allgemeinen die mutmaßlich leichteste und schmerzloseste Todesart. Das Gesetz spricht also, wie David: Lasst die Verbrecher dem Scheol, der Vergessenheit verfallen – lasst sie sterben. Nichtsdestoweniger hat aber Gott in seiner Gnade, durch das teure Blut Christi den am tiefsten gefallenen Sünder ebenso wohl erlöst wie den am wenigsten gefallenen, denn „Christus Jesus schmeckte durch Gottes Gnade den Tod für jedermann.“ „Er gab sich selbst zum Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden soll.“
Wenn manche unserer Mitmenschen auch verkehrter sein mögen, als wir es sind, so ist dies sehr oft dem Umstand zuzuschreiben, dass Satan seinen verblendenden Einfluss ganz besonders auf sie ausübt (2. Kor. 4:4), oder dass sie schon durch Vererbung und Erziehung, ohne ihr Verschulden, dem Bösen viel weniger zu widerstehen vermögen. In jedem Fall hat Gott dafür gesorgt, dass jedem Glied des menschlichen Geschlechtes eine gute, unverkürzte Gelegenheit geboten werden wird, seine Wahl treffen zu können, sei es für Gerechtigkeit und Leben, oder für Ungerechtigkeit und den Zweiten Tod – die Rückkehr zum Scheol. Für dies alles bietet uns der auf das Verdienst Christi gegründete und mit seinem teuren Blut versiegelte Neue Bund vollständige Gewähr.
„Denn deine Güte ist groß gegen mich, und du hast meine Seele errettet aus dem untersten Scheol (Vergessensein).“ – Psalm 86:13
Der unterste Scheol bedeutet hier die Tiefe des Vergessenseins. Wir dürfen mit Recht annehmen, dass der Prophet hier, wie in vielen anderen Psalmen, den Standpunkt des Herrn Jesu einnimmt, und dann haben die Worte, „Tiefe des Vergessenseins“, eine ganz besondere Bedeutung. Für die Menschheit bedeutet der Tod nur einen Schlaf, und ihr Vergessensein ist bloß ein vorübergehendes, wovon sie in der Auferstehung wieder erwachen wird – als Folge des Sühnopfers. Bei unserem Herrn Jesus war die Sachlage jedoch eine andere: Da er an die Stelle des Sünders (Adam) getreten war, musste der Tod für ihn die äußerste Strafe der Sünde, nämlich ewiges Vergessensein bedeuten, wenn er nicht durch des Vaters Macht und Gnade aus den Toten auferweckt worden wäre, damit er der Befreier derer würde, welche er erlöste.
„Denn satt ist meine Seele vom Leiden, und mein Leben ist nahe am Scheol (dem Vergessensein).“ – Psalm 88:3
Auch dies ist eine kurze, poetische Beschreibung von Kummer und Todesnot.
„Welcher Mann lebt und wird den nicht sehen, wird seine Seele befreien von der Gewalt des Scheols (Vergessenheit)?“ – Psalm 89:48
Wie schön stimmt doch diese Frage und die zugleich darin enthaltene Antwort mit alledem überein, was wir über diesen Punkt bis jetzt gefunden haben, und wie unvereinbar sind diese Worte mit den entsprechenden, allgemein herrschenden Ansichten! Nach überall anerkannter Kirchenlehre ist keine menschliche Seele dem Tod unterworfen, den Augenblick des Sterbens hält man vielmehr für einen Übergang zu vermehrten und freierem Leben; die Seele wäre somit der Gewalt des Scheols, der Vergessenheit völlig überlegen – da sie angeblich nicht sterben kann – und stände es also außer Frage, ob die Seele sich von des Scheols Gewalt befreien könnte, wenn ja doch der Scheol nicht die geringste Gewalt an der Seele auszuüben vermöchte. Wie klar und verständlich ist doch die heilige Schrift und die Wahrheit, und wie ungereimt und absurd die allgemein verbreitete platonische Philosophie!
„Es umfingen mich die Bande des Todes, und die Bedrängnisse des Scheols (Vergessenheit) erreichten mich, ich fand Drangsal und Kummer.“ (Psalm 116:3) – Eine sprechende, poetische Schilderung von Todesnot.
„Wohin sollte ich gehen vor deinem Geiste (Macht – der göttlichen Allmacht entgehen, oder mich vor ihr verbergen), und wohin fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich auf zum Himmel, du bist da, und bettete ich mir in dem Scheol (in der Vergessenheit) siehe, du bist da.“ – Psalm 139:7, 8
In der Luther-Bibel steht auch hier für Scheol das Wort „Hölle“; der vorherrschenden Ansicht gemäß wäre also aus dieser Stelle zu schließen, dass Gott in dieser schrecklichen Folterkammer der Hölle seine beständige Wohnung aufgeschlagen habe. Der Prophet will jedoch in den obigen Worten die göttliche Macht schildern und bezeugen, dass es im ganzen Weltall kein Plätzchen gibt, das nicht von Gottes Allmacht und Allwissenheit erfüllt sei. Sogar die Vergessenheit des Todes ist ihm unterworfen, indem er erklärt: „Ich habe die Schlüssel des Todes und des Hades (der Vergessenheit).“ Und gerade auf diese seine Allmacht und Allweisheit gründet sich unser Glaube an die Auferweckung der Toten.
„Wie einer die (auf der) Erde schneidet und spaltet, so sind unsere Gebeine hingestreut am Rachen des Scheols (der Vergessenheit).“ – Psalm 141:7
Die Bedeutung dieser Stelle ist eine ziemlich dunkle, sie begünstigt jedoch in einem Fall die Annahme, dass mit Scheol ein Ort der Höllenqual gemeint sei, zudem sind es ja Davids und seiner Freunde Gebeine, die „am Rachen der Hölle hingestreut sind.“
„Wir wollen sie lebendig verschlingen wie der Scheol (die Vergessenheit).“ – Spr. 1:12
Diese Worte werden hier den Mördern in den Mund gelegt, welche ihre Opfer schnell zu verderben suchen, und sie von ihrem Angesicht und aus ihrem Gedächtnis weg (in die Vergessenheit) schaffen möchten.
„Ihre Füße steigen hinab zum Tode, an dem Scheol (der Vergessenheit) haften ihre Schritte.“ – Spr. 5:5
Mit diesen poetischen Worten schildert uns der weise Salomo die Versuchung der Hurerei mit ihren verderblichen Folgen: ihre Wege führen ins Verderben, zum Tode – in die Vergessenheit.
„Ihr Haus sind Wege zum Scheol (Vergessenheit), die hinabführen zu den Kammern des Todes.“ – Spr. 7:27
Dass auch hier mit Scheol nicht eine Hölle mit flammendem Feuer gemeint sein kann, ist offenbar, zumal von den finsteren Kammern des Todes – des Vergessenseins – die Rede ist.
„Er weiß nicht, dass dort die Schatten (buchstäblich: die Hingestreckten) sind, in den Tiefen des Scheols (des Vergessenseins) ihre Geladenen.“ – Spr. 9:18
Hier sind in biblischer Sprache die Gäste der Hure als Tote geschildert, als solche, die alles Selbstvertrauen, alle Menschenwürde eingebüßt haben. Ohne Zweifel befinden sich solche auf dem Weg des Todes, denn jegliche Ausschweifung begünstigt die Krankheit und beschleunigt den Tod. Sie befinden sich auf dem Pfad zur Vergessenheit, nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern verlieren auch Achtung und Einfluss unter Menschen.
„Scheol (Vergessenheit) und Abgrund (Abaddon-Untergang, Verlorensein) sind vor Jehova, wie viel mehr die Herzen der Menschenkinder!“ – Spr. 15:11
Auch in dieser Stelle erinnert nichts an eine ewige Qual, sondern es wird Scheol (Vergessensein) dem Untergang zur Seite gestellt.
„Der Weg des Lebens ist für den Einsichtigen aufwärts, damit er dem Scheol (dem Vergessensein) unten entgehe.“ – Spr. 15:24
Die Weisen wandeln auf dem aufwärts, nach der Gerechtigkeit führenden Pfad, damit sie Kraft der Auferstehung dem Vergessensein entgehen – von demselben befreit werden mögen.
„Du schlägst ihn (den Knaben) mit der Rute und du errettest seine Seele von dem Scheol (Vergessensein).“ – Spr. 23:14
Es ist wohl nicht nötig zu sagen, dass diese Stelle nicht dahin zu verstehen ist, als sollte man nach dem Tode den Körper schlagen, auf dass die Seele „von der Hölle errettet“ werde. Der Sinn dieser Stelle ist aus dem Zusammenhang leicht ersichtlich: Wenn man dem Kinde die nötigen Rutenstreiche nicht vorenthält – ihm, mit anderen Worten, eine richtige Erziehung angedeihen lässt, so kann dadurch sein Leben um Jahre nützlichen Daseins verlängert werden – seine Seele wird vor frühzeitigem Dahinschwinden in die Vergessenheit und möglicherweise auch vor dem Zweiten Tod – vor einer Rückkehr in die Vergessenheit – bewahrt.
„Scheol und Abgrund sind unersättlich; so sind unersättlich die Augen des Menschen.“ – Spr. 27:20
Aus dem Wortlaut der gewöhnlichen Bibelübersetzungen zu schließen, wäre mit dieser Stelle das Vorhandensein einer Feuerhölle von solch großer Ausdehnung, dass sie nie voll werden könne, bestätigt. Die Stelle sagt aber nichts anderes, als dass der Tod, das Vergessensein, die Vernichtung keine Grenzen kennen, also nie überfüllt werden können.
„Drei sind es, die nicht satt werden, vier die nicht sagen: Genug! Der Scheol (die Vergessenheit) und der verschlossene Mutterleib, die Erde, welche des Wassers nicht satt wird, und das Feuer, das nicht sagt: Genug.“ – Spr. 30:15, 16
Diese Worte haben denselben Sinn wie die vorhergehende Stelle: Der Tod, die Vergessenheit ist an keinen Raum gebunden – kennt keine Schranken, kann somit nie voll werden.
„Alles, was du zu tun vermagst mit deiner Kraft, das tue, denn es gibt weder Tun noch Überlegung noch Kenntnis noch Weisheit im Scheol (in der Vergessenheit), wohin du gehst.“ – Pred. 9:10
Hier haben wir eines der deutlichsten Zeugnisse betreffend den Scheol (oder die „Hölle“, wie Luther auch hier übersetzt hat). Es gibt nicht bloß die Gottlosen, sondern auch die Gerechten – alle, die dem Tod verfallen – an. Es geschieht weder Gutes noch Böses, es ertönt weder Lobgesang noch Fluchen, es gibt weder gute noch böse Gedanken, weder himmlische noch irgend andere Erkenntnis und Weisheit im Scheol, in der Vergessenheit des Todes. Wahrlich, eine an Klarheit fast unübertreffliche Schilderung über den Zustand des Vergessenseins!
„Liebeseifer (Eifersucht) ist unerweichlich wie der Scheol (die Vergessenheit).“ – Hohelied 8:6
An dieser Stelle wird der Zustand des Todes, des Vergessenseins als die Verkörperung von Gefühllosigkeit und Härte geschildert. Unerbittlich verschlingt er das ganze Menschengeschlecht und berücksichtigt dabei weder Charakter noch Ansehen der Person.
„Darum sperrt der Scheol (die Vergessenheit) weit auf seinen Schlund und reißt seinen Rachen auf ohne Maß.“ – Jes. 5:14
Der Prophet gebraucht das Wort Scheol, um den über Israel gekommenen Ehrverlust und ihre Schmach und Schande drastisch darzustellen. Sie waren geworden wie die Toten, zu großen Scharen waren sie in die Vergessenheit versunken. Die Stelle hat weder mit dem buchstäblichen Grab noch mit dem Feuersee irgend etwas zu tun.
„Der Scheol (die Vergessenheit) drunten ist in Bewegung um deinetwillen, deiner Ankunft entgegen.“ – Jes. 14:9
In höchst bildlicher Sprache schildern diese Worte das, wie wir glauben, in nächster Zukunft fällige Schicksal Babylons (siehe Band 4, Studie 1) Babylon, die Große soll verschlungen werden, soll wie ein ins Meer geworfener Mühlstein vor aller Augen verschwinden und nie mehr gefunden werden – sie fährt in die Vergessenheit, in den Scheol. – Offb. 18:21
„Hinabgestürzt in den Scheol (in die Vergessenheit) ist deine Pracht, das Rauschen deiner Harfen!“ – Jes. 14:11
Dies ist die Fortsetzung desselben Bildes von der Zerstörung der geistlichen Babylon, deren Größe bald der Vergangenheit angehören und in der Vergessenheit (nicht in einer brennenden Hölle) liegen wird.
„Denn ihr sprecht: wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol (Vergessenheit) gemacht.“ – Jes. 28:15
In diesem und den folgenden Versen ist von schrecklicher Trübsal, von Anlaufen und Fallen die Rede, das alles über diejenigen kommen wird, welche sich durch falsche Lehren verleiten lassen, das Zeugnis der Schrift zu verwerfen, laut welchem der Tod der Sünde Sold ist. Die Zeit der Vergeltung wider die, so das Schwert Gottes betrügerisch gebrauchen und die, statt von der Wahrheit sich heiligen zu lassen, den Irrtum vorziehen, ist nahe, ja vor der Tür. Satan hat sich den über diesen Punkt vorherrschenden Glauben zum Nutzen gemacht, um die Welt in hierauf sich gründende und deshalb ebenso falsche Lehren zu verstricken. So hat er schon lange die ganze Heidenwelt und besonders auch die Römisch-Katholische Kirche zu Gebeten und Messelesungen für die Toten verleitet, weil man dieselben nicht tot, sondern lebendig in den Qualen des Fegefeuers glaubt. Und heutzutage betrügt derselbe Widersacher durch Spiritismus, Theosophie und dergleichen Künste nun auch die Protestanten, weil auch sie nicht glauben, dass die Toten tot sind, und deshalb für solche Betrügereien empfänglich sind.
Die Christen der verschiedenen Denominationen haben „mit dem Tod einen Bund gemacht“ und erklären ihn als einen Freund, während die Bibel denselben als den größten Feind der Menschheit – als den Sold ihrer Sünde darstellt: mit der Bedeutung des Grabes sind die Namenchristen einverstanden; sie betrachten es als Aufbewahrungsort für den irdischen Leib, den die Seele nach dem sogenannten Tod nicht mehr bedürfe. Indem sie zu erkennen verfehlen, dass Tod (Vergessensein) der Sünde Sold ist, sind sie bereit Satans Lüge zu glauben, wonach ewige Qual der Sünde Sold sein soll. Nicht glaubend, dass der Tod der Sünde Sold ist, leugnen sie infolgedessen auch, dass der Tod Christi das Heilmittel, der entsprechende Kaufpreis für des Menschen Erlösung ist, und darum sind all die gnädigen Vorkehrungen des göttlichen Planes der Versöhnung und Wiederherstellung vor ihren Augen ganz oder zum großen Teil verborgen – unverständlich.
„Euer Bund mit dem Tod wird zunichte werden, und euer Vertrag mit dem Scheol (Vergessenheit) nicht bestehen.“ – Jes. 28:18
So erklärt der Herr, dass er die Welt schließlich von der Wahrheit der Schriftzeugnisse betreffend den Zustand des Todes und der Vergessenheit überzeugen werde; doch nicht anders als durch eine Zeit größter Trübsal und Verwirrung, die besonders schwer über alle solche hereinbrechen wird, welche unter diesem Betrug stehen und sich über diesen Gegenstand vom Worte Gottes nicht belehren lassen wollten.
„Ich sprach: In der Ruhe meiner Tage soll ich hingehen zu den Pforten des Scheols (der Vergessenheit), bin beraubt des Restes meiner Jahre.“ – Jes. 38:10
So hat Hiskia, der fromme König Judas gesprochen, um welches willen Jehova ein Wunder geschehen ließ, zur Verlängerung seiner Tage. Wir sehen aus seinen Worten deutlich, was er in seiner Krankheit gedacht hat. Gewiss glaubte Hiskia nicht, dass er in eine Hölle mit ewiger Qual gekommen wäre, und mancher aufrichtige Bibelleser hat sich schon mit Recht an dem bezüglichen Wortlaut der Luther-Übersetzung gestoßen: „Nun muss ich zur Höllen Pforten fahren.“ Der König erklärt einfach, dass er sich dem Tode, der Vergessenheit nahe fühlte und sich des Restes seiner Tage beraubt glaubte, der ihm nach menschlichem Dafürhalten noch gehört hätte.
„Denn nicht der Scheol (die Vergessenheit) preist dich, der Tod lobsingt dir nicht.“ – Jes. 38:18
Dies sind ebenfalls Worte Hiskias und bilden einen Teil der gleichen Beschreibung seiner Krankheit und Todesfurcht und seiner Schilderung von der Güte und Barmherzigkeit des Herrn, welcher er die Verlängerung seines Lebens verdankte. Er erklärt: „Du, du zogest liebevoll meine Seele aus der Vernichtung Grube“; er stellt den Tod und das Vergessensein (den Scheol) nebeneinander, braucht die beiden als gleichbedeutende Begriffe und fährt dann weiter: „Der Lebende, der Lebende preist dich, wie ich heute.“ Mit anderen Worten: ein lebender Mensch kann den Herrn preisen; wenn der Mensch aber tot, wenn seine Seele in den Scheol, in die Vergessenheit gegangen ist, dann hört aller Lobgesang auf; seine Erinnerung an empfangene Wohltaten ist gänzlich unterbrochen bis – laut Hiobs Zeugnis – der Herr am Auferstehungsmorgen rufen wird, dann werden alle ihm antworten.
„Du zogest mit Öl zum König … und erniedrigst dich bis zum Scheol (Vergessenheit).“ – Jes. 57:9
Der Prophet stellt hier das Haus Israel als ein Weib dar, das ihren Gatten, den Herrn vernachlässigt, um mit den Königen der Erde sich zu verbinden – sich dabei aber so sehr erniedrigte, dass der Herr sie als tot, als der Vergessenheit verfallen betrachten musste – indem sie den Herrn und seine Wahrheit und die auf Glauben beruhende Gerechtigkeit ganz vergessen hatte.
„An dem Tage, da er in den Scheol (die Vergessenheit) hinabfuhr, machte ich ein Trauern … Von dem Getöse seines Falles machte ich die Nationen erbeben, als ich ihn in den Scheol (Vergessenheit) hinabfahren ließ. … Auch sie fuhren mit ihm in den Scheol (Vergessenheit) hinab, zu den vom Schwert erschlagenen.“ – Hes. 31:15-17
In bildlicher Sprache verkündigt Jehova durch den Propheten hier den Fall Babylons. Wie wir bereits gesehen, hat sich dieser Fall und die bezüglich ergreifende Schilderung am buchstäblichen Babylon zum Teil erfüllt; der größere Teil der Weissagung geht jedoch auf die nahe Zukunft und wird sich erst beim gänzlichen Sturz des geistlichen Babylon erfüllen. Die ehemalige Stadt Babylon wurde von den Medern und Persern eingenommen und zerstört und ist längst in die Vergessenheit versunken, Ähnlicherweise wird auch die heutige Babylon in die Vergessenheit versinken um nie wieder aufzustehen.
„Aus der Mitte des Scheol (der Vergessenheit) reden von ihm die Helden mit seinen Helfern.“ – Hes. 32:21
Diese Stelle handelt von Ägyptens Fall in die Vergessenheit. Die schon vor Ägypten untergegangenen starken Nationen werden hier dargestellt, als redeten sie miteinander über den Sturz der „Menge Ägyptens“. So sagen auch wir von der Geschichte, dass sie uns dies oder das erzählt.
„Sie liegen nicht bei den Helden der Unbeschnittenen, die gefallen sind, welche in den Scheol (in die Vergessenheit) hinabfuhren mit ihren Kriegswaffen“ – Hes. 32:27
Der Prophet weissagt hier von der Zerstörung Mesechs und Thubals, wie auch sie in die Vergessenheit fahren werden samt ihren Kriegswaffen. Nach Luthers Übersetzung kämen also auch die Kriegswaffen in die Hölle, was wohl jedermann lebhaft bezweifeln wird; dass sie aber der Vergessenheit verfallen können, ist in der Tat leicht möglich, und wir danken dem Herrn, dass deren Wiederherstellung im kommenden, herrlichen Zeitalter, wenn Immanuel sein Königreich eingesetzt haben wird, in keiner Weise vorgesehen ist; denn die bestimmte Verheißung Gottes lautet: „Er beschwichtigt die Kriege bis ans Ende der Erde.“ (Psalm 46:9), und: „Sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“ – Jes. 2:4
„Von der Gewalt des Scheols (der Vergessenheit) werde ich sie erlösen, vom Tode sie befreien! Wo sind, O Tod, deine Seuchen? wo ist, O Scheol (Vergessenheit), dein Verderben?“ – Hosea 13:14
Um dem Leser den Vergleich zu erleichtern, führen wir diese Stelle auch nach dem Wortlaut der Luther-Bibel an: „Ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erretten. Tod, ich will dir ein Gift sein; Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.“ Wer sich also noch nicht hat überzeugen können, dass Scheol nicht einen Ort der Qual bedeutet, kann doch wenigstens aus dieser Stelle Trost schöpfen, da der Herr hier unzweideutig erklärt, dass der Scheol vernichtet werden soll. Wenn irgend jemand noch glaubt, es sei damit ein Ort der Qual gemeint, den lasst aber auch glauben, dass er nicht in alle Ewigkeit bestehen soll, zumal der Herr selbst dessen Vernichtung verordnet hat.
Aber wie wunderbar klar und mit sich selbst übereinstimmend präsentiert sich dieses ganze Zeugnis, wenn vom richtigen Standpunkt aus betrachtet! Das Lösegeld ist von unserem teuren Heiland schon bezahlt worden, und das Werk der Befreiung der Menschheit vom Scheol, von der Vergessenheit des Todes, lässt nur noch lange auf sich warten, bis die Herauswahl der Kirche, des Leibes Christi, aus allen Völkern vollendet und die so genannte „kleine Herde“ mit ihrem Herrn und Haupt, mit Christo Jesu verherrlicht sein wird. Sobald die Auferstehung der Kirche (die Erste Auferstehung) vollendet ist, „dann (erklärt der Apostel) wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: Verschlungen ist der Tod in Sieg. Wo ist, O Tod, dein Stachel? wo ist, O Tod, dein Sieg?“ – 1. Kor. 15:54, 55
Das Verschlungenwerden des Todes in Sieg wird das Werk des Tausendjahrtages bilden und sich allmählich vollziehen, gerade wie der Tod die Menschheit auch allmählich verschlungen hat. Die jetzt noch auf den Menschen lastende Todesstrafe und der die Menschheit immer noch gefangen haltende Scheol – die Vergessenheit – werden schließlich ganz verschwinden, weil alle von ihrer Gewalt erlöst werden sollen. Unter den neuen Verhältnissen, dem Neuen Bunde mit seiner reichlichen Heilsgelegenheit, wird niemand dem Tode (der Vergessenheit) wieder anheimfallen, es sei denn „dass er absichtlich und wider besseres Wissen in der Sünde verharre. Dies wird der Zweite (jegliche Hoffnung auf Erlösung ausschließende, unwiederbringliche) Tod sein.
„Wenn sie in den Scheol (die Vergessenheit) einbrechen, wird von dort meine Hand sie holen.“ – Amos 9:2
Mit diesen stark biblischen Worten bezeugt der Herr seine unbegrenzte Macht und Gewalt über die Menschen, hier im besonderen über das Volk Israel. Es war ihnen, sowohl persönlich, wie auch als Nation, unmöglich, den göttlichen Gerichten zu entgehen, und wenn sie auch persönlich und als Volk dem Tode anheimfallen würden so sollten dennoch die göttlichen Verheißungen sowohl als auch seine Drohungen an ihnen sich erfüllen. Nachdem der Herr ihnen jedoch den gänzlichen Fall und ihre Zerstreuung unter die Nationen, wie wir sie heute vor unseren Augen erfüllt sehen, gedroht hatte, fährt er weiter (in Vers 11-15) mit der Verheißung: „An jenem Tage (am Morgen des Tausendjahrtages) werde ich die verfallene Hütte Davids aufrichten, … und ich werde die Gefangenschaft meines Volkes Israel wenden; … und sie sollen nicht mehr herausgegriffen werden aus ihrem Lande, das ich ihnen gegeben habe, spricht Jehova, dein Gott“. Es wird wohl niemandem in den Sinn kommen, in einen Ort der ewigen Qual einzubrechen; zu nationalem Vergessensein hat jedoch Israel seinen Weg gefunden, doch wird sie die göttliche Hand von dort herausholen.
„Ich schrie aus dem Schosse des Scheol (des Vergessenseins), du hörtest meine Stimme.“ – Jona 2:2
Der Schoss des Scheol, oder der Hölle, wie Luther auch hier sagt, in welchem Jona sich befand, und aus dem er wieder befreit wurde, war der Bauch des großen Fisches, welcher ihn verschlungen hatte. Wenn Gott ihn nicht errettet hätte, so wäre der Fischbauch für ihn tatsächlich zum Schoss des Vergessenseins, der Vernichtung, des Todes geworden.
„Der Wein ist treulos; der übermütige Mann, der bleibt nicht, er, der seinen Mund weit aufsperrt wie der Scheol (die Vergessenheit), und er ist wie der Tod und wird nicht satt, und er rafft an sich alle Nationen und sammelt zu sich alle Völker.“ – Hab. 2:5
Diese Worte beziehen sich allem Anschein nach auf ein eroberungssüchtiges Volk. Man könnte sie trefflich auf unsere heutigen großen Nationen anwenden, die fast keine Mittel und keinen Verlust an Menschenleben scheuen, wenn es gilt, sich ein kleineres, weniger zivilisiertes Volk zu unterwerfen, oder dasselbe unter ihr „Protektorat“ zu bringen. Ebenso gut passen sie aber auch auf den „Menschen der Sünde“ und seinen weltenweiten Einfluss, wodurch er sich seine Einkünfte aus allen Völkern unter der Sonne zuzieht. Der Sinn der Stelle bleibt in jedem Fall sich gleich: Die Habgier ist unersättlich wie der Tod, sie wird nie befriedigt, und auch ihr Rachen kann nie gestopft werden.
„Hades“ im Neuen Testament
Das im Neuen Testament vorkommende griechische Wort Hades entspricht genau dem hebräischen Scheol. Den sichersten Beweis hierfür bietet uns die Tatsache, dass die Apostel beim Anführen alttestamentlicher Stellen das Wort Scheol immer mit Hades wiedergeben. Wir führen hier sämtliche Stellen des Neuen Testamentes an, in welchen das Wort Hades vorkommt:
Und du, Kapernaum, die du zum Himmel erhöht worden bist, bis zum Hades (Vergessenheit) wirst du hinabgestoßen werden.“ – Matth. 11:23
Wie das Wort Scheol im Alten, so ist in der Luther-Bibel auch das Wort Hades im Neuen Testament überall mit „Hölle“ übersetzt worden. Dass aber Kapernaum in die ewige Qual gegangen, ist doch gewiss nicht wahr, ebenso wenig versank die Stadt in ein Grab, im gewöhnlichen Sinn des Wortes; dass sie aber bis auf den Grund zerstört wurde und in gänzliche Vergessenheit verfallen ist, bleibt wohl eine unbestrittene Tatsache (nicht einmal ihr Standort war, wenigstens in den sechziger Jahren, genau bekannt).
„Aber auch ich sage dir, dass du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und des Hades (der Vergessenheit) Pforten werden sie nicht überwältigen.“ – Matth. 16:18
Petrus hatte soeben das gute Bekenntnis abgelegt, dass der Herr Jesus der Gesalbte, der Sohn des lebendigen Gottes – der Messias – sei, und diese Wahrheit ist der mächtige Fels, auf welchen die ganze Kirche oder Herauswahl Christi als lebendige Steine aufgebaut werden muss, denn „es ist kein anderer Name den Menschen gegeben“, und „einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Unser Herr erklärte Petrus als einen dieser lebendigen Steine („Petrus“ bedeutet „ein Stein“), und Petrus selbst bezeugt (1. Petr. 2:5), dass alle geweihten Gläubigen ebenfalls solche lebendige Steine seien, aufgebaut auf den unerschütterlichen Felsen – auf Christum, den Gesalbten. Diese lebendigen Steine bilden, wenn einst alle vollendet und zusammengefügt, den herrlichen Tempel, in welchem Gott durch seinen Geist wohnen wird und durch welchen er dann alle Geschlechter der Erde segnen will. Trotz dieser Tatsache, dass Gott eine gewisse Zahl von Gläubigen in Christo angenommen hat und sie als Glieder seines zukünftigen Tempels betrachtet, lässt er jedoch zu, dass der Tod jetzt seine Kinder überwältigt, dass dieselben scheinbar wie alle anderen dem Tod, der Vergessenheit anheimfallen, und darum muss der Herr sie ermutigen durch seine Versicherung, dass der Tod nicht über sie zu triumphieren, und die Vergessenheit ihre Pforten nicht für immer über ihnen verschlossen zu halten vermöge, sondern dass – gleich wie er (symbolisch gesprochen) die Pforten des Todes sprengte und durch des Vaters Allmacht auferweckt wurde – auch seine Kirche von der Gewalt des Todes und der Vergessenheit befreit werden und an seiner, an der Ersten Auferstehung teilhaben sollen. Dies stimmt deutlich mit dem ganzen Zeugnis der Schrift überein, und anders lassen sich die angeführten Worte des Herrn nicht auslegen, ohne mit der Schrift selbst in Widerspruch zu geraten.
„Und du, Kapernaum, die du bis zum Himmel erhöht worden bist, bis zum Hades (Vergessensein) wirst du hinab gestoßen werden.“ – Luk. 10:15
Kapernaum war hoch erhöht und in großem Maß bevorzugt, weil unser Herr eine Zeitlang daselbst wohnte; die Stadt hatte somit besonders reichliche Gelegenheit, seine Lehren zu vernehmen und seine Wundertaten zu sehen, und dies war, bildlich gesprochen, ihre Erhöhung bis zum Himmel. Da sie aber diese hohen Vorrechte und Gelegenheiten richtig zu schätzen und zu gebrauchen verfehlte, musste unser Herr der Stadt ein um so größeres Gericht verkündigen – den gänzlichen Zerfall, den Sturz in die tiefste Vergessenheit. Und diese Drohung hat sich auch wirklich erfüllt.
„Und im Hades (Zustand des Vergessenseins) seine Augen aufschlagend, als er in Qualen war.“ – Luk. 16:23
Hier haben wir die einzige Stelle der heiligen Schrift, welche die Möglichkeit des Denkens und Fühlens, der Qual oder der Freude im Hades oder Scheol andeutet. Aufs erste scheint sie dem Zeugnis Salomos, dass es im Scheol weder Tun, noch Überlegung, noch Kenntnis, noch Weisheit gebe, schnurstracks zu widersprechen, und sie kann auch nur dann richtig verstanden werden, wenn sie als das betrachtet wird, was sie ist, nämlich als Gleichnis. Wir haben uns schon anderswo (Siehe „Was sagt die Heilige Schrift über die Hölle?“) mit der Betrachtung dieses Gleichnisses und dessen Einzelheiten befasst und dort gezeigt, dass der reiche Mann, der in die Vergessenheit fiel und, trotzdem er in der Vergessenheit war, noch gequält wurde, die jüdische Nation darstellt. Israel ist sicherlich der Vergessenheit verfallen; als Nation, sind sie tot, aber die unter alle Völker zerstreuten Splitter Israels leben weiter, und durch dieselben hat Israel seit seiner Verwerfung des Messias fortwährend Qual gelitten und wird weiter leiden müssen, bis es „Zwiefältiges empfangen hat für seine Sünden“, und seine Trübsal sich in göttliche Gunst verwandeln wird, gemäß den Bestimmungen des göttlichen Bundes. – Röm. 11:26-29
„Du wirst meine Seele nicht im Hades (in der Vergessenheit) zurücklassen.“ – Apg. 2:27
Dies ist die Stelle aus den Psalmen, mit welcher wir unsere gegenwärtige Betrachtung eröffnet haben, um uns zu vergewissern, ob es die Seele oder nur der Leib sei, der in den Hades oder Scheol, in die Vergessenheit fährt. Der angeführte Text lehrt mit vollem Nachdruck, dass die Seele unseres Herrn dem Hades, dem Zustand des Vergessenseins verfiel und durch eine Auferweckung wieder davon befreit wurde. Der Zusammenhang beweist uns, dass auch Davids Seele dem Scheol anheim fiel, dass dieselbe bis jetzt aber noch nicht vom Scheol befreit worden ist und den Bestimmungen des göttlichen Planes gemäß auch nicht befreit werden kann, bis die ganze Herauswahl, der Leib Christi, zuerst befreit und die Erste Auferstehung vollendet sein wird. – Apg. 2:29, 34; Hebr. 11:32, 39, 40
„David hat voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet, dass er nicht im Hades (in die Vergessenheit) zurückgelassen worden ist.“ – Apg. 2:31
Mit diesem bestimmten Zeugnis wird das, was wir eben gesehen haben, noch weiter bestätigt.
„Wo ist, O Tod, dein Stachel? wo ist, O Hades (Vergessenheit), dein Sieg?“ – 1. Kor. 15:55
Der Apostel erwähnt diese alttestamentliche Stelle zur Bekräftigung seiner Beweisführung, dass die einzige Hoffnung der Toten auf einer Auferstehung beruht – nicht auf einer Auferstehung des Leibes, denn nach Vers 37 und 38 ist der begrabene Leib nicht der, welcher auferweckt wird: Die Auferstehungshoffnung bezieht sich auf das Wesen, auf die Seele, ungeachtet welcher Art der Leib sei, den ihr Gott nach seinem Wohlgefallen geben wird. Es heißt nicht, „wenn der Leib nicht auferweckt wird, so ist euer Glaube eitel sondern wenn Tote nicht auferweckt werden, so ist euer Glaube eitel … dann sind auch die, welche in Christo entschlafen sind, verloren gegangen.“ (Vers 16-18) Das, was entschläft, soll wieder erweckt werden und auferstehen, aber nicht das, was in Verwesung übergeht.
„Und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in die Zeitalter der Zeitalter und habe die Schlüssel des Todes und des Hades (der Vergessenheit).“ – Offb. 1:18
Den Kindern Gottes sollen diese Worte zur Ermutigung dienen; das Wort Hades kann deshalb sicher auch hier nicht „Hölle“, d.h. einen Ort der Qual bezeichnen, denn worin würde sonst die Kraft dieses Ausspruches bestehen? Die Stelle deutet an, dass auch die Kinder Gottes, wie die andern, dem Hades (der Vergessenheit) verfallen müssen, mit der Hoffnung jedoch, dass unser großer Erlöser zu seiner Zeit dieses bildliche Gefängnis des Todes aufschließen und all die Gefangenen aus dem Grab, aus dem Scheol oder Hades, aus dem Vergessensein hervorbringen wird. Hierin liegt die Bedeutung seiner Aussage, dass er die Schlüssel, d.h. die Macht und Autorität über den Hades besitze – er kann öffnen und schließen; alle Gewalt liegt in seiner Hand.
Aus Luk. 4:18 ersehen wir, wie unser Herr die Weissagung Jesaja: „Er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen, … Zerschlagene in Freiheit hinzusenden“ (Jes. 61:1), auf sich selbst anwendet und dies als das Evangelium erklärt. Es ist das Evangelium von der Auferstehung, die frohe Botschaft von der Befreiung aller Gefangenen aus der Vergessenheit des Todes und aus der Gewalt des Widersachers, aus den Schlingen „dessen, der des Todes Gewalt hat, das ist der Teufel.“ Von welch wunderbarer Bedeutung sind doch diese Schriftzeugnisse, wenn vom richtigen Standpunkt aus betrachtet, und wie verwirrend und absurd müssen sie von jedem anderen Standpunkt aus erscheinen, wenn die Finsternis nicht so dick wäre, dass dadurch all die Ungereimtheiten und Widersprüche zugedeckt und verborgen blieben.
„Sein Name war Tod und der Hades (Vergessenheit) folgte ihm. Und ihm wurde Gewalt gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Tod und durch die wilden Tiere der Erde.“ – Offb. 6:8
Eine unbegrenzte Einbildungskraft wäre unumgänglich nötig, wenn man diese Stelle mit der allgemein verbreiteten Ansicht in Einklang bringen wollte, wonach der Hades ein Ort der Qual sei, und zwar von solch ungeheurer Ausdehnung, dass er die fünfzigtausend Millionen der unseligen Menschen alle zu fassen vermöge. Und welches wäre wohl die Bedeutung dieser Worte, wenn solch ein Ort im Symbol als auf einem Pferde reitend dargestellt sein sollte? Lassen wir aber dem Wort Hades seine richtige Bedeutung, so gewinnt das ganze Bild viel an Verständlichkeit: Der Tod und sein Begleiter, der Hades – der Zustand des Todes, die Vernichtung, Vergessenheit, Bewusstlosigkeit – durchstreifen die Erde und fegen die Menschen in großer Menge vom Erdboden weg. Wir begnügen uns, hier bloß die vernünftige Bedeutung der Stelle zu zeigen, ohne uns auf eine Erklärung der einzelnen Symbole einzulassen.
„Und der Tod und der Hades (die Vergessenheit) gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken.“ – Offb. 20:13
Als Folge des ersten Sündenfalles in Eden kam die Todesstrafe auf die ganze Menschheit. Wohl fünfzigtausend Millionen Menschen sind schon in den Scheol, in den Hades, in die Vergessenheit gegangen, und Hunderte von Millionen, die wir noch zu den Lebenden zählen, sind wahren Sinne des Wortes nicht lebendig, sondern zu neun Zehnteln tot, indem sie alle der Todesstrafe verfallen sind und deren Folgen deutlich zu verspüren bekommen. Als ein Resultat des auf Golgatha bezahlten Lösegeldes soll nun aber jedem Glied des Menschengeschlechtes eine Gelegenheit zu einer neuen Prüfung angeboten werden, welche als besondere Gnade in diesem für die Herauswahl der Kirche bestimmten Zeitalter nur einer kleinen Minderheit zu teil werden sollte. Die ursprüngliche Todesstrafe wird aufgehoben und alle Menschen werden persönlich auf die Probe gestellt, ob sie sich, je nach ihren Werken – ihrem Gehorsam oder Ungehorsam – des ewigen Lebens würdig erweisen oder nicht. Die hier erwähnte Schriftstelle zeigt uns, dass zur geeigneten Zeit nicht nur den Toten, welche wohl unter der Todesstrafe stehen, aber noch nicht ins Grab gegangen sind, volle Gelegenheit geboten wird, sich als des ewigen Lebens wert oder unwürdig zu erweisen, sondern dass auch alle die, dem Scheol, dem Hades, der Vergessenheit Verfallenen aus ihrer Bewusstlosigkeit, aus ihrem Todesschlummer erwachen sollen, um gerichtet zu werden – um ihre persönliche Prüfung zu bestehen. Dieses Werk der Prüfung gehört laut vielfachem Schriftzeugnis ins tausendjährige Reich, das „der Tag des Gerichts“ für die Welt ist, während die Herauswahl ihre Prüfung in dem Evangeliums-Zeitalter zu bestehen hat.
„Und der Tod und der Hades (die Vergessenheit) wurden geworfen in den Feuersee. Dies ist der Zweite Tod, der Feuersee.“ – Offb. 20:14
In Luther-Übersetzung steht auch hier für Hades „die Hölle“; wer nun darauf bestehen will, dass Hades einen Ort ewiger Qual bezeichne, der muss beim Betrachten dieser Stelle unwillkürlich in große Verwirrung geraten. Wie vernünftig und harmonisch erscheint sie aber, wenn vom richtigen Standpunkt aus betrachtet! Der Feuersee (Gehenna) ist das Bild gänzlicher Vernichtung; er ist „Der Zweite Tod“, der schließlich alles Böse gänzlich vertilgen wird. „Tod und Hades“, die hier als durch den Zweiten Tod vernichtet dargestellt werden, sind dieselben Begriffe, die wir soeben anlässlich des vorhergehenden 13. Verses beschrieben haben. Der gegenwärtige Zustand der Verdammnis – die Folge der adamitischen Übertretung – wird „Tod und Hades“ genannt – der sterbende Zustand derer, die wir lebendig heißen, und der bewusstlose Schlaf der wirklich Gestorbenen.
Wie der 13. Vers erklärt, dass zu seiner Zeit alle Menschen aus diesen Zuständen befreit werden und zu einer Prüfung gelangen sollen, so bezeugt dieser 14. Vers, dass der adamische Tod und der damit verbundene Schlaf in der Vergessenheit nach dem tausendjährigen Reich nicht mehr vorhanden sein werden, weil dann alles durch den Zweiten Tod, den Zustand ewiger Vernichtung, werde verschlungen worden sein. In der Zukunft wird niemand mehr wegen Adams Sünde sterben: dieselbe fällt in der zukünftigen Prüfung gänzlich außer Betracht. Der einzige Tod wird der Zweite Tod sein, und diesem werden nur die verfallen, welche persönlich die Sünde tun, nicht aber deren Eltern, noch auch ihre Kinder. „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben.“ Trotzdem dieselben mit Schwachheiten der adamitischen Natur behaftet sein werden, von denen sie sich nicht erholt haben, weil sie die während des Millenniums durch den Mittler des Neuen Bundes in ihren Bereich gestellten Hilfsmittel und Gelegenheit verschmähten, so werden nach den Bedingungen dieses Neuen Bundes jene Schwachheiten doch nicht wider sie in Rechnung gebracht, indem dieselben durch das Opfer ihres Erlösers gänzlich beseitigt wurden. Wenn also nach der Zeit, da diese volle Heilsgelegenheit jedem einzelnen zuteil geworden sein wird, ihnen noch adamische Gebrechen und Unvollkommenheiten anhaften, so werden sie nicht des adamitischen, sondern des Zweiten Todes schuldig erachtet; – denn wenn sie während dieser günstigen Zeit keine Fortschritte gemacht haben, so wird das die Folge ihrer eigenen Halsstarrigkeit und Bosheit sein und nicht das Resultat von Adams Übertretung oder ihrer vererbten Schwächen.
Wir haben nun jede Schriftstelle in Betracht gezogen, worin die Wörter Scheol und Hades vorkommen, und haben uns vergewissern können, dass es die Seelen der Menschen sind, welche beim Tode in diesen Zustand kommen; wir sagen Zustand, weil wir uns ebenfalls überzeugen konnten, dass damit nicht ein Ort gemeint ist, trotzdem derselbe in bildlicher Sprache hin und wieder einem Ort, einem Gefängnis verglichen wird, aus welchem am Auferstehungsmorgen alle Gefangenen hervorkommen werden. Wir haben gefunden, dass es ein Zustand der Finsternis und der Stille ist, und dass für die, welche diesem Zustand des Vergessenseins anheimfallen, jegliches Bewusstsein, alles Denken, Reden und Handeln, sowohl Fluchen als Gott-Loben, gänzlich ausgeschlossen ist. Ihre einzige Hoffnung ruht im Herrn, – dass er durch das Opfern seiner Seele ihre Seelen von der Vernichtung erlöst hat, und dass er sie zu seiner Zeit befreien, sie aus der Vergessenheit aufwecken wird in günstigere Verhältnisse, als es die gegenwärtigen sind – wenn sein Zorn, der Fluch, vergangen sein und das tausendjährige Zeitalter des Segens begonnen haben wird.
Dass die Übersetzer und Verbesserer der allgemein gebräuchlichen Luther-Bibel und damit verwandten Übersetzungen vielfach von den falschen Ansichten beeinflusst waren, welche in Bezug auf die Natur des Menschen, auf die Zeit und den Ort seiner Belohnung und auf seinen Zustand in der Zwischenzeit des Todes, allgemein vorherrschen, müssen wir leider als eine Tatsache erkennen; und es sollte uns deshalb nicht überraschen, wenn sie sich haben verleiten lassen, gewissen Schriftstellen Gewalt anzutun, um dieselben mit ihren falschen Begriffen in Einklang zu bringen. Die so vergewaltigten Schriftzeugnisse haben aber schon manchem Wahrheitssucher zum Anstoß gereicht, und es ist somit gewiss recht und billig, solche Hindernisse näher zu betrachten und aus dem Wege zu räumen; damit wir aber den eigentlichen Gegenstand unserer Betrachtung nicht unterbrechen, verschieben wir dies auf den folgenden Band unseres Werkes.