Das Passah der Neuen Schöpfung
Das Joch Ägyptens und die Befreiung von demselben im Vorbilde und im Gegenbilde. – Die „Kirche der Erstgeborenen“. – „Wir, die wir viele sind, sind ein Leib“ (Laib, engl. Übers.). – Das Gedächtnismahl ist noch zeitgemäß. – Wer darf daran teilnehmen? – Wer darf es austeilen? – Wie es gefeiert werden sollte. – Ostern-Passah. – Mc. Clintock und Strongs Enzyklopädie.
Unser Passah, Christus, ist geschlachtet. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit ungesäuertem (Brote) der Lauterkeit und Wahrheit.
1. Korinther 5:7, 8
Besonders bemerkenswert unter den Erfahrungen des vorbildlichen Volkes Israel war die Verschonung desselben durch die zehnte Plage Ägyptens und der darauffolgende Auszug. Die Erinnerung daran wurde alljährlich am siebentätigen Passahfeste gefeiert, welches jeweils am 15. Tage des ersten Monats begann. Der Auszug aus Ägypten und der Durchgang durch das Rote Meer sind der Geburt der israelitischen Nation gleich zuachten und gelten noch heute unter den Juden als Ereignisse, deren Andenken jährlich gefeiert zu werden verdient.
Die Glieder der Neuen Schöpfung interessieren sich für diese Ereignisse ebenfalls in besonderer Weise, wie denn überhaupt jegliches Tun und Wirken des himmlischen Vaters für sie von großem Interesse ist, ob es nun Israel nach dem Fleische oder die Menschheit als Ganzes betrifft. Insonderheit interessiert sich die Neue Schöpfung für die erwähnten Ereignisse, weil ihr der Herr das Geheimnis mitgeteilt hat, dass das, was mit Israel nach dem Fleische geschehen ist, die größeren und besseren Dinge im Plane Gottes vorschatte, welche dem geistlichen Israel, der Neuen Schöpfung, zuteil werden sollen.
Mit Bezug hierauf schreibt der Apostel den Korinthern, der natürliche Mensch könne es nicht fassen noch erkennen, weil es geistlich beurteilt werde; Gott aber habe es „uns“ (d.h. der Neuen Schöpfung) geoffenbart durch seinen Geist. (1. Kor. 2:10, 14) Gott benutzte die Apostel als seine Mundstücke, um uns gewisse Schlüssel zu geben, mit deren Hilfe wir unter der Leitung seines Geistes die tiefen Dinge Gottes verstehen können. Einen dieser Schlüssel gibt uns die eingangs zitierte Stelle in 1. Kor. 5:7, 8. Führen wir den Gedanken des Apostels weiter, so gewahren wir, dass Israel nach dem Fleische das ganze Volk Gottes vorschattete, alle, welche es bis an das Ende des Tausendjahrreiches geworden sein werden; dass die Ägypter die Widersacher des Volkes Gottes vorschatten, Pharao den Satan, den Fürsten der Bosheit und Finsternis, seine Diener und Kriegsleute die gefallenen Engel und diejenigen Menschen, welche wie Satan dem Herrn und seinem Volke, der Neuen Schöpfung, dem Haushalte des Glaubens, widerstehen. Wie das Volk Israel sich nach Befreiung sehnte und unter der Herrschaft der Fronvögte schmachtete, aber nicht imstande war, sich selbst zu befreien, sondern warten musste, bis der Herr ihm in Moses einen zuvor bestimmten Befreier sandte, so sehen wir auch die ganze Menschheit, jetzt sowohl als auch in der Vergangenheit, zusammen seufzen und in Geburtswehen liegen, gequält vom Fürsten dieser Welt und seinen Helfern, Sünde und Tod. Diese Hunderte von Millionen von Menschen seufzen nach Befreiung aus den Banden der eigenen Sünde und Schwachheit, wie auch von den Folgen derselben, Leiden und Sterben. Aber ohne göttliche Hilfe vermag die Welt nichts. Einige wenige kämpfen einen energischen Kampf und erzielen etwas; aber befreien kann sich keiner. Das ganze Geschlecht Adams ist der Sünde und dem Tode unterworfen und hat keine andere Hoffnung als Gott und den gegenbildlichen Moses, welcher sein Volk zur zuvor bestimmten Zeit befreien und durch das Rote Meer hindurchführen, d.h. vom zweiten Tode erretten wird, der den Satan und alle, die mit demselben einverstanden sind, verschlingen soll wie das Rote Meer den Pharao und seine Wagen. Des Herrn Volk aber „wird nicht beschädigt werden von dem zweiten Tode.“ – Offb. 2:11
Das soeben Gesagte ist ein Bild von dem, was der Menschheit im allgemeinen bevorsteht; doch ein Teil des Vorbildes bezieht sich nicht auf das ganze Geschlecht, auf die Befreiung desselben aus den Banden von Sünde und Tod, sondern nur auf eine besondere Klasse, nämlich die der Erstgeborenen, die Versammlung der Erstgeborenen, deren Namen im Himmel angeschrieben sind, die Neue Schöpfung.
Im Vorbilde nahmen die Erstgeborenen eine besondere Stellung ein – sie waren Erben; eine besondere Stellung auch insofern, als sie vor ihren Brüdern einer besonderen Prüfung unterworfen wurden. Vor dem allgemeinen Auszuge standen sie auf der Prüfung für Leben oder Tod. Nach dem Auszuge nahm der Stamm Levi ihre Stelle ein, indem er statt ihrer abgesondert wurde und auf sein Erbteil im Lande Kanaan verzichtete, auf dass er, göttlicher Ordnung gemäß, die Brüder belehren könne.
Der Stamm Levi ist ein sehr deutliches Vorbild des Haushaltes des Glaubens, der königlichen Priesterschaft auf Probe, welche um der Brüder willen jeden Anspruch auf das irdische Erde (die Wiederherstellung) preisgibt und, wenn würdig befunden, mit der Priesterkönigswürde (Melchisedeks) bekleidet werden und alsdann unter der Leitung ihres Herrn und Hauptes Jesus Christus tausend Jahre lang die Welt belehren, richten (regieren) und segnen wird. (Offb. 20:4) Wie die Erstgeborenen Israels in Ägypten der Gefahr des Todes ausgesetzt waren, aber verschont wurden, wenn das Blutzeichen sich fand, und wie sie dadurch, dass sie ihren Anteil am Lande verloren, eine Priesterschaft wurden, so läuft im Gegenbilde die Versammlung der Erstgeborenen Gefahr, dem zweiten Tode zu verfallen, indem sie jetzt schon, vor ihren Mitmenschen, auf ewiges Leben oder ewigen (unwiederbringlichen) Tod geprüft wird und letzterem nicht anders entrinnen und zum Leben hindurchdringen kann, als durch das Verdienst des Blutes (Todes) ihres Erlösers (Rückkäufers).
Als Teilhaber an der Vorzugsstellung ihres Herrn verzichten sie auf ihr irdisches Erbe, die Wiederherstellung auf Erden, um des höheren, himmlischen Lebens teilhaftig zu werden. Während sie wie alle Menschen sterben und hinsichtlich irdischer Dinge mehr zu verlieren oder daranzugeben scheinen als andere, werden sie dennoch, auf eine dem natürlichen Menschen nicht verständliche Weise, vom Tode verschont oder errettet und Miterben der Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit ihres Hohenpriesters. Diejenigen deren Verschonung noch während der Nacht des Evangeliums-Zeitalters stattgefunden hat, bevor der Tausendjahrtag anbricht und die Sonne der Gerechtigkeit aufgeht, sind zu Führern des Volkes des Herrn bestimmt, dazu verordnet, es aus den Banden Satans und der Sünde hinauszuführen. Merke, wie des Apostels Worte in Röm. 8:22, 19 damit stimmen, wo es heißt, dass die ganze Schöpfung (Menschheit) zusammen seufzt und in Geburtswehen liegt, erwartend das Offenbar- (oder Kund-)werden der Söhne Gottes, erwartend das endgültige Vorübergehen (Verschonung) der Versammlung der Erstgeborenen, deren Hindurchdringen bei der ersten Auferstehung zum Leben in Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit.
Betrachten wir nun einen anderen wichtigen Zug des Vorbildes. Damit die Erstgeburt Israels verschont und das Volk aus der Knechtschaft Ägyptens befreit werden konnte, musste das Passahlamm geschlachtet und mit bitteren Kräutern und ungesäuertem Brote noch in jener Nacht gegessen und mussten Türpfosten und Türschwellen mit dem Blute des Lammes bestrichen werden. So stellte jedes Haus in Israel den Haushalt des Glaubens, jedes Lamm das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde (Schuld) wegnimmt (zahlt), und alle israelitische Erstgeburt den Christus, Haupt und Leib, die Neue Schöpfung dar. Die bitteren Kräuter schatteten die Trübsale und Leiden des gegenwärtigen Zeitalters vor, welche im Haushalte des Glaubens die Lust an dem Herrn und seiner Wahrheit, dem ungesäuerten Brote, rege erhalten. Dass das Passah mit dem Stabe in der Hand und dem Gurt um die Lenden gefeiert werden sollte, bedeutet, dass der gegenbildliche Haushalt des Glaubens und die gegenbildliche Erstgeburt, die das gegenbildliche Passah in der Nacht des Evangeliums-Zeitalters feiern, Pilgrime und Fremdlinge in dieser Welt sind, die das Joch der Sünde und des Todes als eine ihrer unwürdige Knechtschaft empfinden und vom Herrn zur Freiheit von Sünde und Verderben, zur Freiheit der Söhne Gottes, hingeleitet zu werden wünschen.
Das Gedächtnismahl unseres Herrn
In Übereinstimmung mit dem Vorbilde starb auch am 14. Tage des 1. Monats, dem Tage, welcher dem siebentägigen Passahfeste vorausging und an dem das Passahlamm geschlachtet wurde, unser Herr als das gegenbildliche Passahlamm, als das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde (Schuld) wegnimmt. Erst an jenem Tage war das Vollbringen des bei seiner Taufe begonnenen Opfers fällig; darum, obwohl die Juden oftmals versuchten, ihn zu greifen, legte doch niemand Hand an ihn, weil seine Stunde noch nicht völlig gekommen war. – Joh. 7:8, 30
Wie den Juden geboten war, das Passahlamm am 10. Tage des 1. Monats auszuwählen und ins Haus zu bringen, so bot sich der Herr fünf Tage vor dem Passahfeste den Juden an, als er auf dem Eselsfüllen in Jerusalem einzog und die Volksmenge um ihn herum jubelte: „Hosianna dem Sohne Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ „Er kam in das Seinige, und die Seinen nahmen ihn nicht an; so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht Kinder Gottes zu werden.“ (Matth. 21:9; Joh. 1:11, 12) Die Nation, d.h. die maßgebenden Juden nahmen ihn nicht auf, sondern verwarfen ihn und stellten sich auf die Seite des Widersachers. Trotzdem ist durch Gottes Gnade das Blut des Neuen Bundes auch für das Haus Jakob wirksam. Freilich hat es, als es sich weigerte, vom gegenbildlichen Lamme zu essen (Joh. 6:53), die Gelegenheit, als ganzes Volk die Nation der Erstgeborenen, die königliche Priesterschaft, die heilige Nation, das auserwählte Volk des Messias zu werden, zum Leben durchzudringen und Glieder der Neuen Schöpfung, gekrönt mit einem herrlichen Leben in Ehre und Unsterblichkeit zu werden, verloren. Aber wir freuen uns, dass ihnen die Schrift anderswo eine herrliche Gelegenheit in Aussicht stellt, das Lamm Gottes anzunehmen, sein Fleisch zu essen, sich das Verdienst seines Opfers anzueignen, der Knechtschaft der Sünde und des Todes zu entrinnen, dazu angeleitet durch den Herrn und seine treuen Brüder, das geistliche Israel, die gegenbildliche Herauswahl der Erstgeborenen. – Röm. 11:11-26
Es war am Schlusse seiner irdischen Laufbahn, am 14. Tage des 1. Monats, „in der Nacht, da er verraten ward“, mithin am gleichen Tage (nach jüdischem Brauch), an dem er als das gegenbildliche Lamm auch starb, dass der Herr mit seinen Jüngern das vorbildliche Passah feierte, mit den Zwölfen das vorbildliche Lamm aß, welches ihn selbst darstellte, die Hingabe seiner selbst für die Sünden der Welt und als die wahrhaftige Speise, in deren Kraft allein das Leben, die Freiheiten und die Vorrechte der Söhne Gottes erhältlich sind. Es war also nicht blinder Zufall, sondern Gottes Vorsehung, die herbeigeführt hatte, dass die Juden den Tag abends mit Sonnenuntergang begannen, denn dies machte es möglich, dass das Passahmahl und der Kreuzestod Jesu am selben Tag stattfanden.
Als Juden unter dem Gesetz geboren, waren der Herr und seine Apostel verpflichtet, das vorbildliche Passah zur vorgeschriebenen Zeit zu feiern. Nachdem sie nun das Lamm mit den bitteren Kräutern und vermutlich auch, wie es gebräuchlich war, mit der Frucht des Weinstockes gegessen hatten, setzte der Herr, indem er von dem ungesäuerten Brote und der Frucht des Weinstockes nahm, die vom vorbildlichen Passahmahl übriggeblieben waren, für seine Apostel und für die ganze Herauswahl, welche in jenen vertreten war (Joh. 17:20), einen neuen Brauch ein, welcher für sie und für die ganze Herauswahl der Erstgeborenen, das geistliche Israel, die Neue Schöpfung, an die Stelle des jüdischen Passahmahles treten sollte. Unser Herr setzte nicht ein neues und höheres Vorbild ein, sintemal die Erfüllung des alten Vorbildes, das Gegenbild, vor der Tür stand. Eine neues Vorbild wäre für die, welche das Gegenbild annehmen würden, unannehmbar, und das gegenbildliche Lamm war nahe daran, geschlachtet zu werden, wie der Apostel er ausdrückt: „Unser Passah(-Lamm), Christus, ist geschlachtet.“
Wer nun in Christo das Passahlamm annahm und damit bezeugte, dass für ihn das Gegenbild an die Stelle des Vorbildes getreten war, konnte hinfort nicht mehr das vorbildliche Passahmahl, zum Andenken an die vorbildliche Befreiung, bereiten und essen. Seit jener Zeit ist es für alle, die in Jesu das wahre Passahlamm sehen, vielmehr passend, die Türpfosten ihres Herzens mit seinem Blute zu besprengen, damit bezeugend, dass sie glauben, dass er ihre Sünden gesühnt hat, und dass sie nun durch sein Blut die Vergebung der Sünden haben können . Solche müssen hinfort das Verdienst ihres Erlösers essen (sich aneignen), das Verdienst des Menschen Christus Jesus, welcher sich selbst hingab als Lösegeld für alle. Durch Glauben müssen sie teilnehmen an diesem Verdienste und erfassen, dass, wie einerseits ihre Sünden auf den Herrn gelegt worden sind, und er für dieselben gestorben ist, so andererseits sein Verdienst und seine Gerechtigkeit ihnen angerechnet werden. Diese Dinge eignen sie sich durch Glauben an oder essen sie durch Glauben.
Wenn nun unseres Herrn Abendmahl die Stelle des jüdischen Passahmahles einnehmen sollte, aber nicht als ein höheres Vorbild, sintemal das Gegenbild schon begonnen hatte, welche Bedeutung kommt ihm denn zu? Es ist ein Gedächtnismahl, welches Jesu Nachfolger an den Anfang der Erfüllung des gegenbildlichen Passahs erinnern soll.
Unser Lamm in dieser Weise anzunehmen und das Andenken seines Todes für uns zu feiern, das bedeutet das Erwarten der verheißenen Befreiung des Volkes Gottes, bedeutet, dass diejenigen, welche das Gedächtnismahl feiern, wiewohl noch in der Welt, sich doch nicht als von dieser Welt betrachten; dass sie sich wie Pilgrime und Fremdlinge vorkommen, die bessere Zustände, in denen die Schäden, Sorgen und Fesseln der Jetztzeit, da Sünde und Tod noch herrschen, nicht mehr sein werden, suchen. Solche haben an dem gegenbildlichen ungesäuerten Brote Anteil; sie suchen es rein zu erhalten von dem Sauerteig der Schriftgelehrten, von aller Beschädigung durch Menschenweisheit, Ehrgeiz, Selbstsucht usw., auf dass sie stark seien in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Sie haben auch ihren Anteil an den bitteren Kräutern der Verfolgung, gemäß dem Worte des Meisters, dass der Diener nicht über seinem Herrn stehe, und dass, wo der Herr verspottet, verfolgt und verworfen worden, sie für sich selbst sich auf Ähnliches gefasst machen müssten, weil die Welt sie nicht kenne, gleichwie sie ihn nicht gekannt habe. Ja, er bezeugt sogar, dass niemand vor ihm annehmbar sein werde, dessen Treue ihm nicht die Ungunst dieser Welt zugezogen habe. „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden.“ – „Sie werden jedes böse Wort lügnerisch wider euch reden um meinetwillen. Freuet euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln.“ – Matth. 5:11, 12; 2. Tim. 3:12
Das von unserem Herrn eingesetzte Gedächtnismahl war etwas Neues, das zwar zu dem alten Passahmahle in Beziehung stand, aber nicht ein Teil desselben war. Es wurde zur Erinnerung eingesetzt an die Erfüllung des durch das Passah vorgeschatteten Gegenbildes. Wir lesen: „Er nahm Brot, und nachdem er gedankt hatte, brach er es und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird. (Dies stellt mich als gegenbildliches Passahlamm dar; es stellt mein Fleisch dar.) Dieses tut zu meinem Gedächtnis.“ Unser Herr beabsichtigte offenbar, dem Gemüte seiner Nachfolger die Tatsache fest einzuprägen, dass er für den Haushalt des Glaubens, die gegenbildlichen Erstgeborenen, das gegenbildliche Passahlamm sei. Der Ausdruck: „Dieses tut zu meinem Gedächtnis“ bedeutet, dass dieser neue Brauch bei den Nachfolgern des Herrn an die Stelle des früheren treten sollte, der durch die Verwirklichung des Gegenbildes hinfällig werden musste. „Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahle und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute (das Blut des Bundes – das Blut, welches den Neuen Bund besiegelt); dies tut, so oft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis.“ Wir verstehen diese Worte nicht so, als bedeuteten sie, dass das Gedächtnis des Herrn ohne Rücksicht auf Zeit und Stellung usw. gefeiert werden sollte, sondern, dass, wenn das Brot und der Kelch von nun an zur Feier des Passahs dienten, dies nicht mehr zur Erinnerung an das Vorbild, sondern zur Erinnerung an das Gegenbild geschehen solle. Wie es aber nicht zulässig, passend und vorbildlich gewesen wäre, das Passah zu einer anderen Zeit zu feiern als zu der zur Erinnerung an die Errettung der Erstgeborenen vom Herrn eingesetzten Zeit, so ist es auch unpassend, die Erinnerung an die Beschaffung des Lösegeldes, nicht für die Erstgeborenen allein, sondern auch für die Welt, zu einer anderen Zeit zu feiern als am Jahrestage des Geschehnisses. – 1. Kor. 11:23-25
Der Apostel fügt bei: „Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1. Kor. 11:26) Diese Worte zeigen uns, dass die Jünger richtig verstanden, dass hinfort die jährliche Passahfeier für alle Nachfolger des Herrn eine neue Bedeutung haben sollte: Darum trat an die Stelle des Lammes das ungesäuerte Brot als Bild des Fleisches des Herrn und der Wein als Bild des Blutes des Herrn.
Wenn nun auch dieser neue Brauch den Nachfolgern des Herrn nicht als ein Gebot gegeben wurde, auf dessen Nichtbeachtung eine Strafe gefolgt wäre, so wusste unser Herr doch sehr wohl, dass alle, die auf ihn trauen und in ihm das gegenbildliche Passahlamm erkennen und wertschätzen würden, freudig den Brauch des Gedächtnismahles, den er angeregt hat, aufnehmen würden. Und so ist es heute noch. In diesem schlichten Gedächtnismahle findet der Glaube an das Lösegeld seine bildliche Darstellung, „bis er kommt“, nicht nur bis zu seiner Ankunft, sondern noch während der Gegenwart des Herrn am Ende dieses Zeitalters, bis seine Getreuen, einer nach dem anderen, durch den Vorhang gegangen und es jenseits desselben, wie der Herr erklärte, von neuem feiern werden – im Königreiche.
„Ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen“
„Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib, sind wir, die Vielen, denn wir alle sind des einen Brotes teilhaftig.“ – 1. Kor. 10:16, 17
Der Apostel weist uns hier, unter der Leitung des Heiligen Geistes, noch auf einen anderen im Gedächtnismahle ausgedrückten Gedanken hin. Er leugnet nicht, sondern bestätigt, dass in erster Linie das Brot den gebrochenen Leib Jesu Christi darstelle, der um unseretwillen geopfert wurde, und dass der Kelch sein Blut darstelle, das die Vergebung unserer Sünden besiegle. Hier zeigt er nun außerdem, dass die Glieder der Herauswahl, des Leibes des Christus, die voraussichtlichen Erstgeborenen, die Neuen Schöpfungen, am Opfertode unseres Herrn Anteil bekommen, und dass es ein Teil unseres Bündnisses ist, „in unserem Fleische zu ergänzen, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus“ – wie er es (Kol. 1:24) ausdrückt. Der gleiche Gedanke liegt in dem Ausdruck: „Wir sind in seinen Tod getauft.“ Während also unseres Herrn Fleisch der Laib war, der für die Welt gebrochen ward, gelten die Glaubenden des Evangeliums-Zeitalters, die Getreuen, die Auserwählten, die Neuen Schöpfungen, als Teil dieses einen Leibes, als Glieder des Leibes Christi. Darum müssen wir im Brechen des Laibes zunächst eine Erinnerung an die Hingabe des Herrn zu unseren Gunsten, im ferneren aber auch einen Hinweis darauf erblicken, dass die ganze Herauswahl gebrochen, geopfert wird, alle, die sich geweiht haben, um mit ihm tot zu sein, gebrochen zu werden, an seinen Leiden teilzuhaben.
Das liegt alles im Worte „Gemeinschaft.“ Darum ist die jährliche Feier des Gedächtnismahles nicht nur eine Anerkennung der Grundlage unserer Hoffnung, die auf dem Opfer unseres Erlösers für unsere Sünden beruht, sondern auch gleichsam die Erneuerung unseres Gelübdes, mit ihm zu leiden und zu sterben, auf dass wir auch mit ihm leben und herrschen mögen. Wie erhaben ist mithin die Bedeutung dieser göttlich eingesetzten Feier! Wir setzen nicht das Symbol an die Stelle der Wirklichkeit; nichts könnte dem Herrn ferner gelegen haben als so etwas, und nichts wäre unpassender für uns. Die wahre Gemeinschaft liegt in der Herzens- und Gedankengemeinschaft mit ihm, in der Speisung unserer Herzen aus ihm, in der Herzens- und Gedankengemeinschaft mit unseren Mitgenossen aus seinem Leibe, in der völligen Erfassung der Bedeutung unseres Weihegelübdes, dem wir, so wir anders treu sind, Tag für Tag, das ganze Jahr hindurch, nachkommen, indem wir täglich mit unserem Herrn gebrochen werden, uns beständig von seinem Verdienste nähren, im Herrn und in der Macht seiner Stärke heranwachsen und stark werden. Welch ein Segen liegt also für uns in der Feier des Gedächtnismahles! Wie brennt unser Herz vor Verlangen, zu wachsen in der Erkenntnis, in der Gunst bei Gott, auch fernerhin an dem Dienste Anteil zu haben, zu dem wir berufen sind, nicht allein jetzt in Niedrigkeit, sondern auch einst in Herrlichkeit!
Der Apostel erwähnt auch den Kelch, für welchen wir Gott preisen: „Ist er nicht die Gemeinschaft (Gemeinsamkeit) des Blutes Christi?“ O, welch ein großartiger Gedanke, dass die wahrhaft geweihten, standhaften Mitglieder der kleinen Herde Neuer Schöpfungen das ganze Evangeliums-Zeitalter hindurch der Christus im Fleische gewesen sind; dass das Leiden, die Prüfungen, die Schmach, der Tod derer um Jesu willen, welche der Herr als Glieder seines Leibes im Fleische angenommen und erkannt hat, als Teile des Opfers des Hauptes gerechnet werden, weil die Glieder an den Schicksalen desselben Anteil haben. Wer ist, der dies versteht und die Berufung Gottes zur Mitgliedschaft seiner Herauswahl – zur Teilnahme am Opfer bis in den Tod jetzt und an dem herrlichen Werke der Zukunft jenseits des Vorhanges – zu schätzen weiß, und der sich nun nicht freuen würde, um des Namens Christi willen Schmach zu erdulden und sein Leben im Dienste seiner Wahrheit daranzugeben, als Fleisch von seinem Fleische und Bein von seinem Bein? Was macht es einem solchen, wenn die Welt ihn nicht kennt, gleichwie sie auch den Herrn nicht gekannt hat (1. Joh. 3:1), wenn er selbst die auserlesensten Vorteile dieser Erde entbehren und verlieren sollte, da er doch nichts sehnlicher wünscht, als jetzt der Leiden, so auch einst der Herrlichkeit seines Erlösers teilhaftig zu werden?
Je mehr ein solcher in der Gnade und Erkenntnis und in dem Eifer für Christo wächst, um so mehr wird er befähigt, Maß und Gewicht des Apostels anzuwenden und mit diesem von irdischer Gunst und irdischen Vorteilen zu sagen: „Ich achte auch alles für Verlust“, und „ich halte dafür, dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.“ – Phil. 3:8; Röm. 8:18
Ferner liegt im gemeinsamen Gedächtnismahle der Gedanke der gegenseitigen Liebe und Anteilnahme ausgedrückt, welche die verschiedenen Glieder des „einen Leibes“ des Herrn verbinden sollte. Je mehr der Geist des Herrn in unseren Herzen zur Herrschaft gelangt, um so mehr werden wir uns einer jeden Gelegenheit freuen, die sich bietet, Gutes zu tun allen Menschen, insonderheit aber dem Haushalte des Glaubens. Je mehr unsere erbarmende Liebe zur Menschheit wächst, um so mehr muss auch unsere Liebe zum Herrn und zu denen wachsen, die er anerkennt, die seinen Geist haben und in seinen Fußstapfen zu wandeln suchen. Der Apostel zeigt, dass unsere Liebe zu den Brüdern, den Mitgliedern seines Leibes, für unsere Liebe zum Herrn den Maßstab abgebe. Wenn unsere Liebe derart ist, dass sie von denen, die draußen sind, alles duldet und alles erträgt, wie viel mehr wird das gegenüber den Gliedern des Leibes der Fall sein, mit denen wir durch das Haupt, unseren Herrn, so eng verbunden sind! Kein Wunder, dass der Apostel Johannes die Liebe zu den Brüdern als einen der Hauptbeweise dafür anführt, dass wir vom Tode zum Leben hindurchgedrungen sind (1. Joh. 3:14), und dass Paulus, wenn er vom Ergänzen dessen spricht, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus, beifügt: „Für seinen Leib, das ist die Versammlung (Ekklesia, Herauswahl).“ – Kol. 1:24
Derselbe Gedanke ist in 1. Joh. 3:16 mit den Worten ausgedrückt: „Auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben darzulegen.“ Welch eine Brüderlichkeit wird hierbei vorausgesetzt! Wo anders können wir hoffen, solche Liebe für die Brüder vorzufinden, die um derselben willen selbst ihr Leben darangibt? Wir reden hier nicht davon, wie es dem Herrn wohlgefallen könnte, das Opfer der Herauswahl, vorgeschattet durch „des Herrn Ziegenbock“ (s. die Broschüre „Stiftshütte“), als Teil des Opfers des Versöhnungstages anzusehen. Wir wollen nur mit dem Apostel darauf hinweisen, dass, soweit wir in Betracht kommen, unser Opfer, die Darangabe unseres Lebens im Dienste an den Brüdern, jetzt geschehen soll, da der Dienst an der Welt in das kommende Tausendjahr-Zeitalter gehört. Unter den jetzt noch obwaltenden Umständen haften an unserer Zeit und Stellung, unseren Fähigkeiten und Mitteln mehr oder weniger Forderungen anderer (von Weib und Kind, greisen Eltern oder sonst auf uns angewiesenen Personen), und wir haben im weiteren auch die Pflicht, für uns selbst das für das Leben Notwendige, Schickliche, in den Augen aller Menschen Ehrbare, durch Arbeit zu beschaffen. So verfügen wir meist nur über einen ganz kleinen Rest, den wir opfern und in den Dienst der Brüder stellen können. Auf diesen Rest erheben nun die Welt, das Fleisch und der Widersacher stetsfort Ansprüche, um uns von dem Opfer abzubringen, das wir durch die Weihung darangegeben haben.
Die erschwerenden Umstände einer Zeit, wo das Böse vorherrscht, geben dem Herrn bei der Auserwählung der Seinen den Maßstab, an welchem er unsere Ergebenheit und Liebe zu ihm und den Brüdern ermessen kann. Ist unsere Liebe kalt, so werden die Ansprüche der Welt, des Fleisches und des Widersachers siegen und unseren freien Rest an Zeit, Geld und Einfluss erhalten. Je stärker und wärmer aber unsere Liebe für den Herrn ist, um so mehr wird es unsere Wonne, ihm diesen Rest zu opfern; wir werden aber nicht allein unseren Überfluss an Kraft, Einfluss und Mitteln bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Dienst der Brüder stellen, sondern auch innerhalb vernünftiger Schranken an den Forderungen von Haus und Heim, insbesondere aber an uns selbst sparen, auf dass wir um so mehr auf den Altar des Herrn zu legen imstande seien. Wie unser Herr 3 1/2 Jahre lang seinen Leib brach und sein Blut (sein Leben) hingab und am Kreuze nur den letzten Rest opferte, so besteht auch unser Opfern in der stückweisen Darangabe unseres Lebens im Dienste der Brüder in kleinen Dingen zeitlicher und geistlicher Art. Sind nun auch die geistlichen wichtiger, so würde doch die Vorenthaltung zeitlicher Aushilfe dem notleidenden Bruder gegenüber verraten, dass die Gesinnung des Herrn in unseren Herzen nicht in richtiger Weise vorherrscht.
Die Feier des Gedächtnismahles noch jetzt angebracht
Die Einsetzung des Gedächtnismahles durch unseren teuren Erlöser fand, wie wir gesehen haben, am 14. Tage des ersten Monats des jüdischen Jahres statt. (Das hebräische Jahr beginnt mit dem ersten Sichtbarwerden der Mondsichel nach der Frühlingstagundnachtgleiche. Danach ist der 14. Tag des ersten Monats leicht zu berechnen. Am 15. begann dann das achttägige frohe Fest der ungesäuerten Brote, das das ganze Leben eines Christen bei seiner Weihung, insbesondere das Jahr von einem Gedächtnismahle zum anderen, vorschattet. Die Passahfeier für die Juden leitete das Fest der ungesäuerten Brote ein, auf die das Hauptaugenmerk gerichtet war. Unser Gedächtnismahl gilt der Schlachtung des Opferlammes und ist daher am 14. Nisan, oder, da dieser schon am Vorabend begann, am Abend des 13. Nisan fällig.)An diesem Datum werden alle mit Freuden festhalten, welche nach den alten Pfaden fragen und darauf zu wandeln wünschen. Die jährliche Feier, auf deren symbolische Bedeutung der inspirierte Apostel als ein Zeichen unserer Teilnahme am Opfer des Herrn hinwies, und die bei der ersten Kirche Brauch war, ist nun bei denen, welche zum Lichte der gegenwärtigen Wahrheit gelangt sind, auch wiederum Brauch geworden.
Es braucht uns nicht zu überraschen, dass die jährliche Feier des Gedächtnismahles vernachlässigt wurde, da doch die wahre Bedeutung des symbolischen Abendmahles unseres Herrn immer mehr den Blicken entschwand. Die Geschichte lehrt uns darüber folgendes:
„Nachdem die Apostel und deren unmittelbare Nachfolger (Dieser Ausdruck stammt nicht von uns, da wir keine Nachfolger der Apostel anerkennen, sondern von dem angeführten Geschichtsschreiber) entschlafen waren, machten sich bald Einflüsse geltend, die schon im dritten Jahrhundert zu Verhältnissen führten, unter denen der römische Katholizismus zu keimen anfangen konnte. So wurde z.B. gelehrt, das Sühnopfer Christi habe wohl die Sünden der Vergangenheit gesühnt, könne aber die persönlichen Sünden des Gläubigen nicht gutmachen, nachdem er mit Christo in Beziehung getreten, getauft worden sei. Für solche Sünden sei ein neues Opfer notwendig. Dies führte zur Einsetzung des Meßopfers, das als ein erneuertes Opfer Christi zugunsten dessen gilt, um deswillen es dargebracht wird. Dabei wird angegeben, der amtierende Priester verwandle Brot und Wein in das Fleisch und Blut Jesu und opfere durch das Brotbrechen den Herrn von neuem.“
Wir haben früher (Band 2, Kap. 9, und Band 3, Kap. 4) gezeigt, dass diese Lehre und dieser Brauch in den Augen Gottes verwerflich sind, der von Daniel (11:31; 12:11) und dem Herrn (Matth. 24:15) vorausgesagte „Greuel der Verwüstung“ sind, indem sie einer Menge anderer Irrlehren Eingang verschafften und so den großen Abfall herbeiführten, der in der Papstkirche seinen vollkommensten Ausdruck fand und ihren antichristlichen Charakter kundmachte. Jahrhunderte lang beherrschten diese Irrlehren die Christenheit, bis endlich im 16. Jahrhundert das große Reformationswerk ihnen zu widerstehen anfing, das allmählich immer weitere Wahrheiten ans Licht zog, die in der Nacht des finsteren Mittelalters unter dem Scheffel der falschen Lehren und Bräuche des Antichristen verborgen gewesen waren. Das größere Licht, dessen sich die Reformatoren durch Gottes Gnade erfreuten, ermöglichte es ihnen, zu klareren Ansichten hinsichtlich des Opfers Jesu Christi zu kommen und in den päpstlichen Messen den Greuel der Verwüstung zu erkennen und mit mehr oder weniger Bestimmtheit als solchen zu brandmarken.
Die Messe trat an die Stelle des jährlichen Gedächtnismahles, wurde aber zwischendurch oft gefeiert, in der Absicht, die Gläubigen oft von ihren Sünden zu reinigen. Nachdem die Reformatoren erkannt hatten, dass sich die Christenheit hierin auf einem Irrwege befand, suchten sie unter Verwerfung der von der Papstkirche der Messe gegebenen äußeren Form zu der ursprünglichen Feier zurückzukehren. Da sie jedoch die nahe Verwandtschaft zwischen dem Vorbilde des Passahs und dem Gegenbilde, nämlich dem Tode unseres Herrn, und das Abendmahl als eine Gedenkfeier des Gegenbildes nicht erkannten, so verstanden sie nicht den Gedanken der Richtigkeit seiner Verrichtung bei seiner jährlichen Wiederkehr. So finden wir denn, dass in der einen protestantischen Kirche das Abendmahl alle drei, in der anderen alle vier Monate, bei den „Disziples“ sogar alle Sonntage gefeiert wird, indem sie den in Apg. 2:42, 46 und 20:7 erwähnten Brauch mit dem Gedächtnismahle verwechseln. Wir haben in der achten Studie gezeigt, dass diese wöchentlichen Feiern nicht das Gedächtnismahl, sondern Liebesmahle waren, an denen man der Auferstehung des Herrn und des Brotbrechens durch den Auferstandenen, an mehreren Sonntagen innerhalb der 40 Tage bis zu seiner Himmelfahrt, freudig gedachte. Die Erinnerung an dieses Brotbrechen, bei dem ihnen die Augen aufgingen, sodass sie in dem Fremdling den Herrn erkannten, führte zu regelmäßigem Zusammenkommen am ersten Tage der Woche, wobei dann ein gemeinsames Mahl eingenommen (das Brot gemeinschaftlich gebrochen) wurde. Zum Unterschied vom Gedächtnismahl wird bei diesem Brotbrechen der Kelch nie erwähnt, welcher in den Beschreibungen des Gedächtnismahles eine ebenso wichtige Rolle spielt als der Laib Brot.
Wer darf am Gedächtnismahle teilnehmen?
Jedenfalls niemand, der nicht an das kostbare Blut Jesu als Sühne für unsere Sünden glaubt, der nicht durch Glauben auf die Türpfosten und Schwellen seiner irdischen Hütte das Blut der Besprengung gestrichen hat, dessen Sprache eine bessere ist als diejenige des Blutes Abels, das nach Rache schrie (Hebr. 12:24); niemand, der nicht in seinem Herzen das wahre Mahl feiert, Christum als das Brot genießt, welches Leben gibt, niemand, der nicht Glied des einen Leibes (Laibes) ist und sein Leben als im gleichen Kelche geopfert rechnet wie der Erlöser. Eine scharfe Linie scheidet in diesem Punkte nicht nur Glaubende von Nichtglaubenden, sondern auch Geweihte von Nichtgeweihten. Allein ein jeder muss, solange sein Bekenntnis das richtige ist und sein Wandel mit demselben übereinstimmt, für sich selbst entscheiden, auf welche Seite der Scheidelinie er hingehört. Es ist nicht Sache eines Gliedes, der Richter des anderen zu sein. Ja, nicht einmal die Versammlung hat in dieser Frage zu entscheiden, es sei ihr denn zuvor ein bestimmter Einzelfall in der vorgeschriebenen Form zur Entscheidung vorgelegt worden. Die Ältesten oder leitenden Brüder sollten nur den Versammelten in Erinnerung rufen, dass 1. der Glaube an das kostbare Blut, und 2. die Weihung bis in den Tod die Bedingungen zur Teilnahme am Gedächtnismahle sind, und dann alle so Gesinnten und Geweihten auffordern, sich an der Verkündigung des Todes des Herrn und ihres eigenen Todes zu beteiligen. Dies, sowie alle privaten Einladungen zur Teilnahme am Gedächtnismahle sollten immer so klar gehalten sein, dass dabei auch nicht der Schein entstehen kann, es handle sich um die Feier im Schosse einer Sekte. Jeder, der obige zwei Bedingungen erfüllt, soll beim Mahle willkommen sein, welches auch in anderen Stücken seine Anschauungen seien.
Der Apostel schreibt darüber folgendes: „Wer also irgend das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt unwürdig, wird des Leibes und des Blutes des Herrn schuldig sein. Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er von dem Brote und trinke von dem Kelche. Denn wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet.“ – 1. Kor. 11:27-29
Des Apostels Warnung scheint sich gegen eine oberflächliche Feier des Gedächtnismahles zu richten, welche diesem den Anschein eines Festes gäbe, sowie gegen die Einladung von Leuten ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis. Die Gedächtnisfeier soll nicht ein solches öffentliches Fest sein, sondern einen ernsten Charakter tragen. Sie ist nur für die Glieder des Leibes (der Körperschaft) des Herrn bestimmt, und wer denselben nicht unterscheidet, wer nicht erkennt, dass der Laib das Fleisch Jesu und der Kelch das Blut Jesu darstellt, würde sich verdientermaßen durch Teilnahme an dem Gedächtnismahle eine Verurteilung (nicht „das“ Gericht, wie es in der Lutherbibel heißt), zuziehen, eine Verurteilung in den Augen des Herrn und in seinem eigenen Gewissen. Bevor jemand an dem Gedächtnismahl teilnimmt, sollte er durch Selbstprüfung entscheiden, ob er an den gebrochenen Leib und an das vergossene Blut des Herrn als unser Lösegeld glaubt, und ob seine Weihung eine völlige ist zum Zwecke, als Glied dieses einen Leibes gerechnet zu werden.
Aus dem Vorhergehenden erhellt, dass jedes wahre Glied der Herauswahl am Gedächtnismahle teilnehmen darf, es sei denn zuvor durch eine gemäß Matth. 18:15-17 erfolgte Entscheidung der Versammlung davon ausgeschlossen worden. Jeder, dessen Herzensstellung richtig ist, kann teilnehmen, wird teilzunehmen wünschen, wird gerne der Aufforderung des sterbenden Meisters nachkommen: „Esset alle davon, trinket alle davon“; er wird empfinden, dass, es sei denn, wir essen sein Fleisch und trinken sein Blut, wir kein Leben in uns haben, und dass, wenn wir in Herz und Sinn des Verdienstes des Opfers des Herrn teilhaftig sind, es ein Vorrecht und eine Freude ist, durch Teilnahme am Gedächtnismahle unseren Glauben an das Lösegeld vor dem Herrn und vor einander zu bekennen.
Wer darf Brot und Wein austeilen?
Die heutzutage noch herrschende Ansicht, es gehöre zur Feier des Gedächtnismahles ein ordinierter Geistlicher, der allein berechtigt sei, die Sakramente zu verwalten, rührt von dem tiefen Eindruck her, den die katholische Kirche durch die Schaffung des Messopfers und des Geistlichenstandes auf die Gemüter gemacht hat. Dass diese Anschauung gründlich verkehrt ist, werden diejenigen leicht einsehen, welche sich erinnern, dass alle, die am Gedächtnismahle teilnehmen dürfen, geweihte Glieder der königlichen Priesterschaft sind, vom Herrn beauftragt, ihrem Vermögen und ihren Gelegenheiten gemäß das Wort zu verkündigen, und ermächtigt, jede Handlung in seinem oder seines Leibes Dienst zu verrichten, zu der sie fähig sind. „Ihr seid alle Brüder“, ist des Herrn Losung, und diese dürfen wir nicht vergessen, wenn wir das Abendmahl mit ihm feiern und seines Erlösungswerkes und unserer Gemeinschaft mit ihm und allen Gliedern seines Leibes gedenken.
Dennoch deutet die Schrift an, dass in jeder kleinen Versammlung Ordnung herrschen sollte, und dass zu dieser Ordnung die Bestellung von „Ältesten in jeder Versammlung“ gehört. Während jedes Glied der Herauswahl (der Neuen Schöpfung) vom Herrn ermächtigt ist, am Gedächtnismahl teilzunehmen, so deutet doch die Versammlung durch die Bestellung von Ältesten an, dass diese letzteren als Vertreter der Gesamtherauswahl bei Gelegenheiten wie das Gedächtnismahl gelten sollten. Demgemäss haben die Ältesten die Pflicht, das Nötige für die Feier des Gedächtnismahles vorzubereiten, denn dies gehört zu dem Dienste an der Versammlung, zu dem sie seinerzeit gewählt wurden.
Die Aussage unseres Herrn: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, gibt uns unzweifelhaft zu verstehen, dass, wo immer es möglich ist, das Gedächtnismahl in Gemeinschaft mit anderen Gliedern seines Leibes gefeiert werden sollte. Der davon ausgehende Segen bezweckt, die Glieder einander näher zubringen, nicht nur bei dieser jährlichen Gelegenheit, sondern überhaupt. Wenn auch nur zwei oder drei unter Berufung auf seine Verheißung zusammenkommen, weil es ihnen unmöglich oder untunlich ist, sich in stärkerer Anzahl zu versammeln, so feiern sie darum trotzdem das Gedächtnismahl als eine vollständige Versammlung. Ja, selbst wenn ein einzelner so gestellt wäre, dass er sogar bei dieser Gelegenheit nicht mit anderen zusammentreffen kann, meinen wir, dass er es allein mit seinem Heiland feiern könne, indem er dessen Gegenwart als zweiter im starken Glauben erfasst. Das Alleinsein sollte niemand davon abhalten, die Jahresfeier des großen Sühnopfers zu veranstalten und seine Beteiligung an demselben zu bezeugen. Der Einsame mag ungesäuertes Brot und Wein, gegorenen (Solchen, glauben wir, benutzte der Herr bei der Einsetzung des Gedächtnismahles. Allein mit Rücksicht darauf, dass der Herr nicht „Wein“, sondern „von der Frucht des Weinstocks“ sagt, und dass der alkoholische Wein so schrecklich missbraucht wird, glauben wir die Billigung des Herrn dafür zu haben, dass wir ungegorenen Wein gebrauchen. Wo es jemandem unter den Teilnehmern Gewissenssache ist, gegorenen Wein zu gebrauchen, mögen einige Tropfen davon dem ungegorenen beigemischt werden. Das könnte selbst den Schwächsten (nach dem Fleische) unter des Herrn Brüdern nicht schädigen.) oder ungegorenen, wenn erhältlich, beschaffen und, im Geiste mit dem Herrn und den fernen Brüdern vereint, das Abendmahl genießen.
Eine bestimmte äußere Form der Feier
ist vom Herrn nicht vorgeschrieben worden. Wir wollen daher auch in diesem Stücke nichts vorschreiben, sondern nur mitteilen, was uns als eine ordentliche, verständige Feier erscheint, in der Meinung, es sei damit vielleicht sowohl solchen, die sich mit einer sehr umständlichen Form plagen, als auch solchen, die an keine solche Feier gewöhnt sind, ein Dienst geleistet. Gebunden möge sich durch das hier folgende Beispiel niemand fühlen.
1. Eröffnung mit einem oder mehreren passenden Liedern, die für diese Gelegenheit geeignet sind – Lieder ernsten Charakters, die die Gedanken der Teilnehmer in die Richtung des Gedächtnismahles lenken.
2. Gebet um Segnung der Versammelten, insbesondere der Teilnehmenden, ferner aller Glieder des Leibes in der Welt und insbesondere derer, die es am Jahrestage feiern.
3. Vorlesung des Einsetzungsberichtes (1. Kor. Kap. 11 oder in einem Evangelium) durch den Leitenden.
4. Kurze Auslegung des Vorbildes und des Gegenbildes, sei es in freier Rede, sei es durch Verlesen einer schon ausgearbeiteten Erklärung (der hier vorausgehenden oder einer anderen wahrheitsgemäßen).
5. Gebet eines anwesenden Bruders (oder im Notfalle des Leitenden) um Segnung des Brotes und derer, die davon essen werden, damit allen Teilnehmern die Augen des Verständnisses über die Bedeutung und den Wert des Gedächtnismahles weit aufgehen mögen, damit alle Teilnehmer eine gesegnete Gemeinschaft mit dem Herrn haben und ihre Gelübde, mit ihm geopfert zu werden, erneuern mögen.
6. Hierauf mag eines der ungesäuerten Brote mit den Worten des Herrn: „Dies ist mein Leib, der für euch gebrochen ist, esset alle davon“, gebrochen und dann der Teller mit den Brotstücken herumgereicht werden, sei es vom Leitenden, sei es von einem anderen Bruder, oder, in größeren Versammlungen, je ein Teller von 2, 4 oder mehr Brüdern gleichzeitig.
7. Während des Herumgebens der Wahrzeichen sollte unseres Erachtens Schweigen herrschen, allerhöchstens wären kurze Bemerkungen über die Bedeutung des Brotes, und wie der Herr unsere Speise ist, am Platze, obwohl auch das bei der der Verteilung der Wahrzeichen vorausgehenden Erklärung geschehen kann, damit nichts die Sammlung der Teilnehmer störe.
8. Gebet um Segnung des Kelches, wie wir vom Herrn lesen: „Er nahm den Kelch und segnete ihn“ und gab ihn darauf den Aposteln. Ein Bruder mag aufgefordert werden, dieses Gebet zu sprechen. Alsdann mag beim Herumreichen des Kelches wiederum Stille herrschen.
9. Schlusslied und Aufhebung der Versammlung ohne Gebet (nach dem Muster des Herrn). Desgleichen sollten aber auch alle Begrüßungen, Unterhaltungen usw. nach der Feier vermieden werden, auf dass womöglich nichts die Sammlung unterbreche und den Gedanken eine andere Richtung gebe. Diese Sammlung sollte noch den ganzen folgenden Tag dauern, eingedenk des Leidens des Herrn von Gethsemane bis Golgatha und eingedenk, dass, wenn unser auch ein Gethsemane wartet, wir der Tröstung und Aufrichtung durch Brüder bedürftig wären.
Vom Meister steht geschrieben: „Es war niemand bei ihm.“ Kein Mensch war imstande, in jener schweren Stunde ihm Mitleid zu bezeugen. Bei uns liegen die Dinge anders. Wir haben Brüder am Leibe Christi, welche wie wir in seinen Tod getauft, wie wir geweiht, als Glieder des einen Leibes gebrochen werden, wie wir angenommen und von demselben Heiligen Geiste gesalbt worden sind. Lasst uns darum um so ernster suchen, unseren Brüdern hilfreich zu sein, daran denkend, dass das, was wir dem Geringsten unter seinen Brüdern tun, uns angerechnet wird, als hätten wir es dem Haupte getan. Ferner mögen wir an die Geschichte des Petrus denken, wie feurig er war im Dienste des Herrn und doch schwach und der Hilfe und Fürbitte des Herrn bedürftig in einem Augenblicke der Prüfung. „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Dieser Worte zu gedenken, wird für uns ebenso von Nutzen sein, wie es sicherlich hernach für Petrus war. Es wird uns befähigen, mehr und mehr zum Herrn aufzuschauen und von ihm Gnade und Hilfe in jeder Zeit der Not zu erwarten.
Gleichzeitig mögen wir des Judas und seines Strauchelns wegen seiner Selbstsucht, seiner Begehrlichkeit, seines Ehrgeizes gedenken; und wenn wir gewahren, wie der Satan eben durch jene Tür der Selbstsucht mehr und mehr hineindringen konnte in sein Herz, wird uns dies eine Warnung sein, damit wir nicht in ähnlicher Weise vom Widersacher verleitet und zu Fall gebracht werden, nicht aus irgendeinem Grunde, wie Petrus, den Herrn verleugnen, der uns erkauft hat, nicht, wie Judas, den Herrn, seine Brüder und seine Wahrheit verraten. Lasst uns den ganzen Tag nach der Feier dem Herrn auf seinem Leidenswege in Gedanken folgen, nicht nur, um ihn dadurch um so lieber zu gewinnen, sondern auch, um es nicht befremdend zu finden, wenn wir etwa durch Feuer der Trübsal hindurchgehen müssen. Durch solche führt die Nachfolge Christi bis in den Tod; beim letzten Atemzuge erst ist das Opfer „vollbracht“. Beim Herrn bedeutete der Tod am Kreuze die Vollendung seines Opfers für unsere Sünden, auf dass wir durch seine Wunden geheilt werden. Seither aber lebt er und bittet für uns, leistet uns Beistand in jeglicher Zeit der Not.
Ostern – Passahfest
Das Wort „Ostern“ kommt in der englischen Bibel einmal vor. (Apg. 12:4) Es ist aber in dieser Stelle falsch übersetzt, es sollte „Passah“ heißen. Der Name Ostern ist von den Heiden übernommen. Er ist sächsischen Ursprungs und zu Ehren der Göttin der Sachsen, Ostara, eingeführt, für die im Frühling jedes Jahres ein Fest gefeiert wurde, etwa zu der Zeit, da Israel das Passahfest feierte. Die Annahme dieses Namens und seine Anwendung auf die Zeit des Gedächtnisses des Todes und der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, herab bis zum Pfingstfeste, geschah augenscheinlich aus Bequemlichkeit, die christlichen Einrichtungen an Stelle derer des Heidentums zu setzen. Diese Übernahme, gleichwie die meisten von ihnen, datiert aus dem dritten Jahrhundert. Der heidnische Ursprung dieses Namens hat auf unser Gemüt keinen Einfluss, weil wir das Fest nicht zur Ehre der Göttin Ostara feiern. Die Protestanten gebrauchen diesen Namen für einen Tag, anstatt wie in alter Zeit für eine Periode, wie es nur von den Katholiken heute noch geschieht. Dieser Tag wird Ostersonntag genannt. Das Gedächtnis der Auferstehung unseres Herrn wird für sein Volk allezeit kostbar sein, aber jene, die diese Tatsache wirklich wertschätzen, werden jeden Sonntag als einen Ostersonntag ansehen, weil uns jeder Sonntag an die Auferstehung unseres Herrn vom Tode erinnert.
Wir möchten besonders darauf hinweisen, dass die Osterzeit, die auch heute noch von den Katholiken beobachtet wird, und die sowohl den Karfreitag als auch den Ostersonntag einschließt, mit der Passahzeit sehr verwandt ist. Man sollte meinen, die häufige Feier der Messe würde die jährliche Feier des Todes unseres Herrn beiseite geschoben zu haben, aber dies ist nicht so. Die ursprüngliche Sitte der ersten Kirche, die große Tat zu feiern, die ja die Grundlage ihrer Existenz ist, wurde fortgesetzt. Dennoch wurde die Feier des Abendmahles zu der bestimmten Zeit durch die zahlreichen Opfer der Messe abgeschwächt, und sie verlor somit ihre Bedeutung.
Jahrhunderte hindurch war es Brauch, das Datum der Kreuzigung unseres Herrn nach dem jüdischen Kalender zu berechnen, wie wir dies bereits ausführten. Durch das Verlangen getrieben, sich soweit wie möglich von allen jüdischen Einrichtungen loszusagen, ließ man später einen Wechsel in der Berechnungsweise des Datums des Todes Christi, unseres Passahlammes, eintreten. Das „Ökumenische Konzil“ zu Nizäa beschloss, dass die Osterfeier fortan mit dem Freitage, der dem ersten Vollmonde nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche folgte, beginnen sollte. Hiermit wurde nicht allein die Feier des Todes unseres Herrn allein auf einen Freitag, „Karfreitag“ genannt, festgesetzt, sondern es war auch damit der Ausschlag gegeben, dass die Feier höchst selten mit der jüdischen Passahfeier zusammentreffen würde. Wir erinnern uns daran, dass der Unterschied in der Methode der Berechnung darin besteht, dass die Juden sowohl damals als auch heute noch den Monat mit dem ersten Neumonde nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche beginnen und das Passah feiern, nachdem der Neumond voll geworden ist, am 14. Tage. Diese gelegentlich geschehene Änderung ruft zwischen den beiden Methoden der Berechnung oftmals eine Differenz von nahezu einem Monat hervor.
Es ist nicht unsere Sache zu entscheiden, welches die vorzüglichere Methode der Berechnung ist, aber wir geben derjenigen den Vorzug, welche unser Herr und die Apostel anwandten, nicht etwa, dass wir meinen, wir würden ein Verbrechen begehen, wenn wir in der Kalkulation irrten und an einem falschen Datum feierten, sondern es ist für uns eine Befriedigung, zu wissen, dass wir bestrebt waren, der göttlichen Einrichtung, dem Muster, so nahe wie möglich zu kommen. Es mögen wohl manche der Meinung sein, dass es besser wäre, nach unserem modernen Kalender ein bestimmtes Datum festzusetzen, vielleicht den 1. oder 15. April oder sonst ein anderes Datum, um allen Kalkulationen aus dem Wege zu gehen. Wir antworten darauf, dass der Herr nicht ohne Grund die Anordnung nach dem jüdischen Kalender traf, und dass wir es vorziehen, auch fernerhin seine Einrichtung anzuerkennen.
In einem bestimmten Sinne ist die Sonne das Vorbild des geistigen Königreiches Gottes, der Mond aber das des vorbildlichen Gottesvolkes und seines Gesetzesbundes. Es dürfte nicht von ungefähr sein, dass der Herr gerade an dem Tage gekreuzigt wurde, an dem der Mond voll wurde und mithin abzunehmen begann. Jedenfalls bezeugt die Schrift (Joh. 7:30; 8:20), dass die Juden den Herrn nicht greifen konnten, bevor seine Stunde gekommen war. Das Abnehmen des Mondes erscheint im betreffenden Falle als Vorbild des Fallens aus der Gunst Gottes, das für Israel nach dem Fleische mit der Kreuzigung des Herrn begann.
Mac Clintock und Strongs Enzyklopädie
sagen über das Osterfest folgendes: „Ostern, Passah. Ostern ist ein Wort sächsischen Ursprungs und von der Göttin der Sachsen, Ostara, abgeleitet, der man alljährlich (im Frühling) um die Zeit des Passahfestes Opfer darbrachte. Der Name wurde mit den Begriffen über das christliche Fest der Auferstehung in Verbindung gebracht, welches in die Zeit des Passahfestes fällt, und von da ab redet man von dem Ostertage oder Ostersonntage. Dieses Vorgehen war jedoch höchst unpassend, da dieses Fest in keiner Beziehung zur Göttin der alten Sachsen steht. In der autorisierten englischen Übersetzung kommt das Wort einmal vor und zwar Apg. 12:4 “ … und gedachte ihn nach Ostern dem Volke vorzustellen“, und dies ist ein bemerkenswertes Beispiel von dem Mangel in der Sicherheit der Übersetzer … Bei der letzten Revision wurde überall das Wort „Passahfest“ eingesetzt, nur hier nicht. …
„Die Versammlungen Kleinasiens feierten den Tod des Herrn an dem Tage, der dem 14. Nisan entsprach, an welchem auch die Kreuzigung stattgefunden hatte. Die Versammlungen des Westens hingegen legten das Hauptgewicht auf den betreffenden Wochentag, an welchem das Ereignis war. Sie trauerten demnach am Karfreitag und Samstag, und erst am Sonntag gedachten sie froh der Auferstehung. Die kleinasiatischen Versammlungen ihrerseits beendeten die Trauer schon um 3 Uhr nachmittags (die Todesstunde des Herrn) am 14. Nisan und feierten unmittelbar darauf das Liebesmahl und das Abendmahl des Herrn. Der Name Passah war den beiden Gruppen gemeinsam; sie verstanden darunter bald die ganze Passionswoche, bald deren Haupttage (Karfreitag und Ostersonntag).
„Gegen Ende des zweiten Jahrhundert machte der Aufseher der Versammlung zu Rom den Versuch, sämtlichen Versammlungen, auch denjenigen des Ostens, die Passionsfeier am Freitag und Sonntag, statt am 14. und 16. Nisan aufzudrängen. Einige Versammlungen entsprachen der Zumutung, allein die Versammlung zu Ephesus lehnte es ab und verwies durch ein Schreiben ihres Aufsehers Polykrates an Viktor, den Aufseher der Versammlung in Rom auf die Autorität der Apostel Philippus und Johannes, des Aufsehers Polycarp und der sieben Brüder, die vor Polykrates Aufseher der Versammlung in Ephesus gewesen waren.
„Später erhob sich ein Streit darüber, welcher Tag dem 14. Nisan entspreche. Viele Kirchenväter waren der Meinung, dass gemäß der jüdischen Zeitrechnung, die mit der Zerstörung Jerusalems und der Auflösung des Judenstaates ein Ende nahm, der 14. Nisan immer nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche lag, und dass Ostern mithin immer nach dem 21. März zu feiern sei. Wenn der 14. Nisan der Juden seither bisweilen vor den 21. März falle, so sei das eine Missrechnung der Juden.
„Da das Jahr der Juden immer mit einem Neumonde begann, am 14. Nisan mithin immer Vollmond war, so kam es, dass, wenn der 14. Nisan vor den 21. März fiel, die Christen ihr Passah einen vollen Mondmonat später feierten als die Juden das ihre. Zu der Unzuverlässigkeit des jüdischen Kalenders gesellte sich dann noch die Unsicherheit hinsichtlich des Datums der Tag- und Nachtgleiche, die von den einen auf den 18., von anderen auf den 19. oder 21. März angesetzt wurde. Das Konzil von Arles im Jahre 314 suchte schon eine einheitliche Ansetzung des Osterfestes herbeizuführen, scheint aber kein Gehör gefunden zu haben. Einige Jahre später hingegen gelang es, bei dem ökumenischen Konzil zu Nizäa einen als verbindlich anerkannten Beschluss zu fassen, demzufolge der Karfreitag immer nach der Tag- und Nachtgleiche, und zwar auf den dem 14. Nisan folgenden Freitag, fallen sollte. Die Versammlung in Alexandrien sollte jeweils das Datum ausrechnen und es dann der Versammlung in Rom mitteilen. Diese wiederum sollte das Datum durch Rundschreiben an die Versammlungen allgemein bekannt machen. Ganz war dem Streite freilich damit noch nicht abgeholfen; aber den Rest der Unsicherheit beseitigte einige Zeit später Dionysius Exiguus mit seinen Berechnungen. In Großbritannien aber z.B. erhielt sich die Passionsfeier am 14. Nisan noch lange; erst nach Karl dem Großen verschwindet jede Spur der Passionsfeier an ihrem ursprünglichen Datum (14. Nisan, dem Vollmonde nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche).
„Bei der Verbesserung des Kalenders nach Gregor XIII. (im Jahre 1582) wurden die Berechnungen des Dionysius noch einmal nachgeprüft und der Ostervollmond noch ein wenig genauer bestimmt, was zur Folge hatte, dass jetzt gelegentlich der Karfreitag der Tag vor dem 14. Nisan ist und mithin das jüdische Passah mit dem christlichen Ostern zusammenfällt, was das Konzil von Nicäa um jeden Preis hatte vermeiden wollen.“
Zum Worte „Passah“ lesen wir in oben erwähnter Enzyklopädie:
„Das Passahfest war das Hauptjahresfest der Israeliten und aus der Erzählung, dass Josua bei der Volksversammlung zu Gilgal das Volk zuerst beschneiden und dann das Passah feiern ließ, scheint hervorzugehen, dass letzteres in einer gewissen Beziehung zu dem jüdischen Bundeszeichen stand. (2. Mose 12:44) Aber der Zusammenhang wurde erst ersichtlich, als das Gegenbild erfüllt war und des Herrn Abendmahl an die Stelle des Passahfestes trat.“