Der Geist des gesunden Verstandes
Der Geist Gottes treibt bei seinen Kindern den Geist der Furcht aus. – Die Menschheit ist im allgemeinen ungesund, sowohl in geistiger als auch in körperlicher Beziehung. – In welcher Hinsicht ist der heilige Geist ein Geist des gesunden Verstandes (oder Sinnes)? – Die Wirksamkeit, welche dieses Resultat erzeugt. – Die Beweise des Geistes des gesunden Verstandes
Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und des gesunden Verstandes („der Besonnenheit“).
2. Timotheus 1:7
So mannigfaltig der Wortlaut obiger Stelle in den verschiedenen Übersetzungen auch sein mag, so sehen wir darin doch deutlich, wie der Geist der Furcht einem anderen Geist gegenüber gestellt wird. Wenn nun der Geist der Liebe, der Kraft und des gesunden Verstandes eine Persönlichkeit oder gar drei Personen zugleich ist, dann muss ohne Zweifel auch der Geist der Furcht als eine Person betrachtet werden. Die Unrichtigkeit einer solchen Behauptung ist aber so augenscheinlich, dass es bloß eine einfache Untersuchung braucht, um dieselbe umzustoßen.
Je mehr die Kinder Gottes von seinem Geist oder Einfluss erfüllt sind und dadurch ihr Verständnis, ihre Erkenntnis, sich erweitert, desto weniger Raum haben sie für den Geist der Furcht. Dieser Geist der Furcht ist beim Christen nichts anderes als ein Geist des Zweifels; er verrät immer einen Mangel an Glauben, an heiligem Geist. Der Geist der Furcht ist eine ergiebige Quelle des Bösen, er verhindert das christliche Wachstum auf allen Seiten, sowohl bei einzelnen Gläubigen, als auch bei ganzen Versammlungen; sehr oft sind sogar auch körperliche Schwächen und Unfähigkeiten auf denselben zurückzuführen. Mit seinem eigenen, natürlichen „Selbst“ verglichen, ist das vom heiligen Geist erfüllte Gotteskind ein wahrer Riese! Und warum wohl? Weil all seine Befürchtungen unterdrückt sind, und sein Herz fest geworden ist; weil sein Glaube gewurzelt und gegründet und seine Seele in den göttlichen Verheißungen fest und sicher verankert ist. Sie werden vor allen gefahrbringenden Felsenriffen bewahrt, auch wenn die Sturmwinde der Trübsal sie mit noch so großer Gewalt dagegen anzutreiben scheinen. So hat sich der heilige Geist in den Kindern Gottes schon oft als eine Kraft geoffenbart, die ihre Feinde geradezu in Staunen setzte.
Wir behaupten nicht, dass das Evangelium Christi besonders die geistig und körperlich Starken ergreife, so dass die ihm Angehörenden deshalb stark genannt werden; die tägliche Erfahrung sowohl, als auch die Schriftzeugnisse beweisen das gerade Gegenteil, nämlich dass vielmehr die Schwächeren, d.h. solche, die sich ihrer Schwachheit bewusst sind, vom Evangelium ergriffen werden, weil dieselben eher ein Bedürfnis nach Hilfe empfinden. Der Sinnes ändernde Einfluss des heiligen Geistes ist aber ein so mächtiger, dass die, welche ihn empfangen, gerade durch ihre Schwachheit stark gemacht werden können. Die Schwachen dieser Welt werden auf solche Weise „stark in Gott“ (Durch den Geist, die Kraft Gottes), so dass sie Festungen der Sünde und des Irrtums zu bezwingen vermögen und fähig sind, als tüchtige Kriegsleute Jesu Christi einen guten Kampf siegreich zu bestehen – zur großen Überraschung solcher, die ihnen von Natur weit überlegen sind. – 1. Kor. 1:27; 2. Kor. 10:4; 2. Tim. 2:3, 4
Schon zu Anfang unseres Zeitalters war das der Fall, als die Schwachen in der Welt das Evangelium freudig aufnahmen und demselben bis zu ihrem Ende treu blieben trotz all den schwersten Leiden und Prüfungen, die sie als Märtyrer von Seiten der Stärksten und Größten dieser Welt standhaft erduldeten. In unserer Zeit sind freilich die Verhältnisse hinsichtlich Verfolgung wesentlich anders geworden; deswegen gilt es aber nicht weniger „teilzunehmen an den Mühsalen als gute Kriegsleute“ und das Leben hinzugeben für die Brüder; und dabei machen die Schwachen, die Unedlen und Verachteten, die sich Gott erwählt hat, auch heute noch die Weisheit und Macht der Welt zunichte. – 1. Kor. 1:27, 28
Dieser in uns wohnende Geist Gottes ist aber nicht allein ein Geist der Kraft, sondern auch ein Geist der Liebe, sagt der Apostel. Hier ist aber nicht von der natürlichen Liebe die Rede, wie wir sie in gewissem Grade bei allen Menschen, ja sogar bei den Tieren vorfinden, und die im wesentlichen auf den Geist der Selbstsucht zurückzuführen ist. In denen, welche den heiligen Geist der Liebe empfangen, soll diese natürliche Liebe lebendiger und stärker werden und mehr und mehr ihren eigennützigen Charakter verlieren, sie soll sich zu einer freigiebigen, selbst aufopfernden Liebe entwickeln, die nicht auf Selbstsucht, sondern auf Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Wahrheit und Güte beruht – die auf den Besitz des Geistes, der Gesinnung Gottes zurückzuführen ist. Und dieser Geist der Liebe soll wachsen und je länger je mehr vorherrschen, bis das Vollkommene gekommen und das, was stückweise ist, weggetan sein wird. – 1. Kor. 13:10
Eine der wundervollsten Offenbarungen des heiligen Geistes in den Kindern Gottes ist wohl „Der Geist des gesunden Sinnes“, wie sie der Apostel in unserem Text benennt. Die Kinder Gottes besitzen von Natur so wenig gesunden Sinn wie die Kinder der Welt; im Gegenteil, wie wir schon gesehen, erreicht das Evangelium weit eher die Unvollkommeneren (welche ihre Ohnmacht erkennen und der Gnade und Kraft von oben bedürftig sind), als dass es die beeinflussen würde, welche kräftigere und gesundere Sinne haben – die einen Geist der Selbstbefriedigung und Selbstgerechtigkeit besitzen.
Wenn aber die Wahrheit in gute und aufrichtige Herzen aufgenommen wird und daselbst ihre anerkannten Früchte hervorbringt, wenn die Kinder Gottes seines heiligen Geistes teilhaftig werden, dann erlangen sie auch den „Geist des gesunden Sinnes“ (oder der Besonnenheit), seien sie von Natur nun stark oder schwach – ihr Urteil wird klarer, wahrhafter und zuverlässiger, weil sie sich in ihrem Tun und Lassen in erster Linie von den in der Schrift geoffenbarten göttlichen Vorschriften leiten lassen – von Vorschriften, die sich fast auf jede Angelegenheit des Lebens erstrecken. Wer irgend den Herrn als seinen Ratgeber und Lehrer annimmt und seinen Weisungen Folge leistet, der besitzt den Geist der Besonnenheit – er verlässt sich nicht mehr auf sein eigenes Urteil, auf seinen Verstand, und durch das Befolgen des göttlichen Willens bleibt er in dem Wechsel des Lebens vor all den Schwierigkeiten und Schlingen bewahrt, in welche sich diejenigen verwickeln, welche eine Leitung durch übermenschliche Weisheit entbehren müssen.
Als eine Folge des Sündenfalls und der damit verbundenen Verdammnis zum Tode ist das ganze Menschengeschlecht ungesund geworden und zwar sowohl geistig als auch körperlich – die Stufen der Gesunkenheit sind freilich verschieden, je nach Umständen und Abstammung. So wie die einen körperlich weniger gesund sind als die anderen, so sind auch in geistiger Beziehung manche weniger gesund als andere, aber ungesund sind sie alle, so erklärt es die heilige Schrift: „Da ist nicht ein Gerechter (Vollkommener, Gesunder, in körperlicher Hinsicht so wenig als in geistiger), auch nicht einer“ (Röm. 3:10). Bildlich gesprochen sind alle mit Wunden, Striemen und Eiterbeulen bedeckt – geistig und körperlich (Jes. 1:5, 6). Der Fluch der Sünde hat seine schwere Hand auf den ganzen Menschen gelegt, sowohl auf seinen Verstand als auch auf seinen Leib.
Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass wenn ein Glied des Leibes leidet, dadurch der ganze Leib samt dem Gemüt in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Gemüt oder der Geist kann nicht vollkommen gesund sein, während er in einem ungesunden Leib wohnt und von demselben ernährt wird. Ein kranker Magen beeinflusst nicht bloß das Gemüt, sondern auch das ganze körperliche System. Ein Lungenschwindsüchtiger kann es nicht verhindern, dass mit der Entwicklung seiner Krankheit nicht auch seine geistigen Kräfte schwinden und sein Gemüt darunter leidet. Und ähnlich verhält es sich mit anderen Organen: Die sicheren Folgen einer mangelhaften Herz-,Leber-oder Nieren-Tätigkeit sind verdorbenes Blut und ein zerrüttetes Nervensystem, dessen Zentrum das Gehirn ist. Und wenn das Gehirn von Schmerzen belästigt wird oder durch mangelhafte Funktion der Absonderungs- Organe in Fieberzustand geraten ist, dann leiden sicherlich auch alle seine Tätigkeiten, und es ist nicht imstande, so richtig und logisch zu denken, wie in gesundem Zustand. Störungen des Geistes oder des Verstandes sind aber so allgemein, dass dieses Wort nur in Ausnahmefällen (wo die Störung den allgemeinen Gemütszustand der Menschheit noch weit übertrifft) zur Anwendung kommt. Diese Schlussfolgerungen wird keiner in Frage stellen, der irgend welche Erfahrungen besitzt und mit richtigem Urteilsvermögen begabt ist.
Mit Recht wird hier nun mancher fragen: Auf welche Weise oder inwiefern kann denn das Innewohnen des heiligen Geistes dem Christen zur Wiederherstellung seines Verstandes dienen, so dass von ihm gesagt werden kann, er besitzt den Geist des gesunden Sinnes?
Die Antwort ist einfach: Der göttliche Sinn ist vollkommen, „gesund“, und in dem Verhältnis nun, wie der Gläubige seinen eigenen Sinn, seinen Verstand beiseite lässt um dafür den göttlichen Sinn, den göttlichen Willen und das göttliche Urteilsvermögen in sich aufzunehmen – in dem Verhältnis wird er den Geist des gesunden Sinnes, den Sinn Gottes haben. Wir meinen nicht, dass dadurch das Gehirn des Gläubigen eine Änderung erleide, oder in eine andere Art Tätigkeit übergehe, sondern er lernt unter der Leitung des heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit, nach und nach die Irrtümer seines eigenen Verstandes in Bezug auf all die verschiedenen, vor ihn kommenden Fragen korrigieren und mit den im Worte Gottes geoffenbarten Lehren des heiligen Geistes in Einklang bringen. Stellen wir uns, um das zu illustrieren, eine Uhr vor, und zwar eine recht armselige ohne jegliche Reguliervorrichtung. Angenommen, wir hätten aber häufig Gelegenheit, einen absolut genau gehenden Chronometer zu sehen, der uns beweist, dass unsere Uhr täglich 30 Minuten zurückbleibt, so würden wir bald lernen, dieselbe richtig zu stellen, indem wir den Zeiger einfach jeden Tag um 30 Minuten vorrücken; und bald wären wir auch imstande, zu jeder Tageszeit sofort die Differenz herauszufinden. So verhält es sich auch mit unserem Urteilsvermögen und mit den Dingen und Angelegenheiten des Lebens. Wenn wir sie mit der vollkommenen Richtschnur vergleichen, so finden wir bald heraus, dass wir entweder zu schnell oder zu langsam „gehen“, und dass wir uns zu wenig oder zu stark erregen lassen. Während wir nun nicht imstande sind, unsere Denkungs- und Handlungsweise so zu ändern, dass dieselbe vollkommen wird und in jeder Hinsicht mit derjenigen unseres Vorbildes, des Herrn Jesu übereinstimmt, so haben wir doch Gelegenheit, unser Denken und Handeln nach unserem Vorbild zu richten und zu regulieren und zwar auf solche Weise und in solch einem Grade, dass niemand es weder zu würdigen noch nachzuahmen vermag, wenn er dieses vollkommene Vorbild nicht auch besitzt und sich nach demselben zu richten sucht.
Wer hat nicht schon an seinen Freunden und Nachbarn (wie auch an sich selbst) zahlreiche Beweise von einem ungesunden Sinn wahrgenommen, wenn sie – nicht imstande ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen, trotzdem in andere Leute Sachen sich zu mischen suchen und dadurch viel Ärgernis verursachen? In ihrem Eigendünkel richten sie die anderen und sind geschäftig, deren Angelegenheiten auszukramen, trotzdem sie sich zur Bewältigung ihrer eigenen Geschäfte als durchaus untüchtig erweisen. Ist das nicht ein Beweis eines ungesunden Sinnes, eines gewissen Grades von Geistesgestörtheit? Bemerken wir diesen Grundzug nicht in fast allen Fällen, wo die Sinnesstörung so weit entwickelt ist, dass die betreffende Person in eine Anstalt versetzt werden muss! Eigendünkel, Beifallsucht und Furcht bilden größtenteils die Hauptursachen der Sinneszerrüttung, und von den übrigen Fällen ist ein geringer Teil dämonischer Besessenheit zuzuschreiben. Betreten wir irgend eine Irrenanstalt, so begegnen wir immer solchen Insassen, die in dem Wahn leben sie seien reich oder sie seien Könige, oder Königinnen, oder Fürsten und Edelleute; solche sind natürlich voller Stolz und Reizbarkeit, und sehr bald glauben sie sich beleidigt. Andere wollen viel Unrecht erlitten haben; sie bilden sich ein, man wisse sie samt ihren Fähigkeiten nicht zu schätzen, und ihre Freunde seien bemüht, sie aus dem Wege zu schaffen, aus Furcht vor ihrem Einfluss, oder um ihre Geschicklichkeit zu verheimlichen und ihnen so die Gelegenheit zu nehmen, sich ein Vermögen zu erwerben. Andere werden von Furcht gequält, sie haben Angst, man trachte nach ihrem Leben; sie halten die ganze Welt für verrückt und nur sich allein für gesund; oder sie glauben, Gott sei gegen sie ergrimmt, weil sie unverzeihbare Sünden begangen hätten, und nun sei ewige Qual ihr Schicksal.
All das sind bloß Extreme von Geisteszuständen, wie sie der aufmerksame Beobachter in seiner Umgebung alle Tage wahrnehmen kann. Die Tendenz der Welt und des Geistes der Welt (mit seinem Ehrgeiz und Stolz, seinem Irrtum und Aberglauben und mit seiner Furcht) geht dahin, die natürlichen, ungesunden Gemütszustände der Menschheit noch zu verschärfen – als Resultat und Beweis davon müssen wir denn auch mit Schrecken gewahr werden, dass sich die Fälle von ausgeprägter Geistesgestörtheit in der ganzen zivilisierten Welt sehr rasch vermehren.
Was solche Leute bedürfen, und was auch wir und die ganze Menschheit nötig haben, sind gesunde Sinne. Aber die Zeit für eine allgemeine Heilung der körperlichen und geistigen Gebrechen der Menschheit ist noch nicht da, und sie wird erst anbrechen, wenn das tausendjährige Reich völlig aufgerichtet sein wird; und auch dieses Reich kann nicht aufgerichtet werden und die ersehnte Befreiung nicht kommen, bis zu „seiner Zeit“. Mittlerweile jedoch empfängt die auserwählte Evangeliums Kirche durch ihren Herrn und sein Wort seinen heiligen Geist, den Geist seines gesunden Sinnes, welcher auch der Sinn oder Geist des Vaters ist. In dem Verhältnis nun, wie jedes einzelne Glied von seinen Vorrechten in dieser Hinsicht Gebrauch macht, wird es auch für seine körperlichen und geistigen Nöten, mit denen es, wie alle übrigen Menschen, bedrängt wird, Erleichterung und Hilfe finden.
In Röm. 12:3 lesen wir: „Denn ich sage … jedem, der unter euch ist, nicht höher von sich zu denken, als sich zu denken gebührt, sondern so zu denken, dass er besonnen sei (nicht nach dem Fleisch, sondern gemäß seiner neuen Natur), wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat.“ Manche haben ihr Leben lang gegen eine zu hohe Schätzung ihrer selbst zu kämpfen, damit sie hinsichtlich ihrer Fähigkeiten den Geist eines gesunden Sinnes empfangen möchten; bei solchem Streben, d.h. bei der Bekämpfung ihres Stolzes, werden sie aber unterstützt durch die Worte ihres Meisters und durch die Ermahnungen der Apostel: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde ererben“; „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“; „So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf dass er euch erhöhe zur rechten Zeit.“ – Matth. 5:5; Jak.. 4:6; 1. Petr. 5:5, 6
Als eine Tatsache müssen wir freilich erkennen, dass es nicht viel Edle, nicht viel Weise dieser Welt (die sich selbst für weise halten) gibt, welche Gott berufen hat, sondern vielmehr die Armen dieser Welt, reich an Glauben – die sich weder auf ihre eigene Weisheit noch auf ihre Gerechtigkeit verlassen, sondern Christum als ihre Weisheit, ihre Rechtfertigung, als ihr Ein und Alles annehmen.
Andere haben mehr gegen den „Geist der Furcht“ zu kämpfen; aber auch für diese ist Hilfe und Unterstützung reichlich vorhanden: „Der Geist der Wahrheit“, der „Geist der Liebe“, ist ein treffliches Mittel gegen den „Geist der Furcht“, denn „die vollkommene Liebe treibet die Furcht aus“ (1. Joh. 4:18). Wenn sie den liebreichen himmlischen Vater und den in seinem göttlichen Wort geoffenbarten gnadenvollen Plan der Zeitalter erkennen lernen, dann fängt das große Furcht- und Schrecken- Gespenst, von welchem so viele geplagt werden, sofort zu weichen an, und anstatt voller Furcht und Angst werden sie voller Hoffnung, Hoffnung die nicht zuschanden der den lässt, denn die Liebe Gottes ergießt sich in ihre Herzen, durch den heiligen Geist, den Geist des gesunden Sinnes.
So sehen wir, wie die allzu bescheidenen (solche, die aus gänzlichem Mangel an Selbstvertrauen es im Leben nie zu etwas bringen) durch den gleichen Geist ermutigt und ermuntert werden, der andererseits alle solche zurechtweist und straft, die sich selbst überheben und überschätzen. Die ersten werden ermutigt durch die Versicherungen göttlicher Hilfe, die letzteren werden zurückgehalten, zur Bescheidenheit und zur Unterwürfigkeit angehalten: „Wenn jemand sich dünkt, er erkenne etwas (sich auf sein Wissen etwas einbildet), so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll“ (1. Kor. 8:2). Lasst uns aber bedenken, dass solche Charakter- und Sinnesänderungen nicht durch ein bloßes Herr-Herr-Sagen erreicht werden, noch auch durch den Besitz einer Bibel oder durch ein Sichanschließen an eine menschliche Organisation, Kirche genannt. O nein! Dazu ist eine innige Gemeinschaft mit Christo erforderlich und der Besitz des Geistes der Wahrheit und der Heiligkeit – der Besitz seines und des Vaters heiligen Geistes.
Jeder Mensch, der durch Gottes Gnade und durch sein eigenes Annehmen dieser Gnade in den Besitz jenes Geistes des gesunden Sinnes gekommen ist, hat in jeder Hinsicht einen großen Vorteil gegenüber dem Rest der Menschheit; denn der Geist des gesunden Sinnes ist auch ein Geist der Weisheit. Solch einer weiß die Dinge dieses Lebens – Reichtum, Ruhm, soziale Stellung 2c) .- richtiger zu beurteilen als alle anderen. Von seinem neuen Standpunkt aus sieht er all diese scheinbar so begehrenswerten Dinge mit Folgen verbunden, welche die anderen gar nicht beobachten, oft sogar nicht beachten wollen. Sein vom Worte Gottes belehrter Verstand sagt ihm, dass, wenn es ihm auch gelingen würde, alle Reichtümer der Welt zusammenzuhäufen, er doch bei seinem Tod gar nichts mitnehmen könne. Er sieht ein, dass Ehre und Ruhm bei den Menschen oft auf recht wackligen Füßen stehen und veränderlicher sind als das Wetter, und dass in dem geschäftigen Treiben des Lebens auch die berühmtesten Leute gar bald nach ihrem Tod vergessen werden. Auch an einer hohen gesellschaftlichen Stellung kann ihm nichts gelegen sein, sieht er doch, wie oft die einem höher Gestellten gegenüber bezeugte Achtung nur geheuchelt ist, und wie häufig ein auf dem Gipfelpunkt seiner Laufbahn sich befindender Bürger vom Tod überrascht wird, wenn nicht ein finanzieller Krach seinen Glanz schon vorher in ein jähes Auslöschen gestürzt. Kurzum, er sieht, dass „das Spiel die Kerze nicht wert“ ist (wie ein englisches Sprichwort sagt). Und in der Tat ist das Leben, auch vom weltlichen Standpunkt aus betrachtet, nichts als ein Kartenspiel, – unbefriedigend in all seinen Resultaten, weil auch der am meisten Begünstigte schließlich nichts davon zu tragen vermag.
Den durch den heiligen Geist für Die „hohe Berufung“ gezeugten Kinder Gottes wird andererseits aber auch etwas dargeboten, das ihre Sinne völlig abzulenken vermag von dem eitlen Dichten und Trachten, womit die Gemüter der Menschen allgemein befangen sind, und das schon oft zum Wahnsinn geführt hat. Ihnen sind höhere Freuden in Aussicht gestellt, ihr Streben ist auf ein höheres Ziel gerichtet – ihrer warten himmlische Reichtümer und ein ewiges Königreich! Der durch diese himmlischen Verheißungen in ihnen erzeugte Ehrgeiz ist ein heiliger Ehrgeiz, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, der nach den Grundregeln der Liebe wirksam ist, während bei allen Bestrebungen des irdischen Ehrgeizes die treibende Kraft in der Selbstsucht liegt.
Jeder Mensch, dessen Ziel nicht mehr auf irdischen Verlockungen und auf zeitliche Güter und „Herrlichkeiten“, sondern auf himmlische Dinge gerichtet ist, ist sicherlich weit besser imstande, ein gesundes Urteil in Bezug auf die Angelegenheiten dieses Lebens abzugeben, weil er dieselben von einem verhältnismäßig interesselosen, neutralen Standpunkt aus betrachtet. Er ist wohl in der Welt und verpflichtet zu leben, er hat also für seine Bedürfnisse in anständiger und ehrbarer Weise aufzukommen; da er aber von unmäßigen Begierden nach irdischen Dingen frei ist, so vermag ihn auch der Drang der Habsucht und Ehrfurcht verhältnismäßig wenig zu beeinflussen, er ist deshalb um so besser imstande, gerecht zu denken und zu handeln und seine Liebe und sein Mitgefühl gegen alle auszuüben. Dieser in dem erfahrenen Christen wohnende Geist des gesunden Sinnes oder besser, des gesunden Urteils, darf aber nicht als dessen verbesserte irdische oder fleischliche Gesinnung betrachtet werden, sondern es ist eine durch die großen und köstlichen Verheißungen des göttlichen Wortes von oben gezeugte neue Gesinnung (2. Petr. 1:4). Dieselbe gereicht ihm in jeder Hinsicht zur Hilfe und zum Vorteil, und in dem Maße, wie er diese neue Gesinnung, den heiligen Geist, empfängt, wird auch seine eigene Gesinnung gesund werden, und das kann um so schneller geschehen, wenn seine Liebe für den Herrn und seine Gerechtigkeit eine brennende ist.
Unser Meister hat selbst die Frage gestellt: „Was wird ein Mensch geben als Lösegeld für seine Seele (seine Existenz, sein Leben)?“ (Matth. 16:26) Ein mit gesundem Verstand begabter Mensch wird das wertvollste, das er besitzen kann, sein Wesen; um keinen Preis hergeben, weder für Reichtum, noch für Ehre oder Ansehen. Betrachten wir aber die Menschheit im allgemeinen, so nehmen wir an ihr das gerade Gegenteil wahr und haben somit den Beweis von ihrem geistig ungesunden Zustand. Die Welt hält diejenigen für Weise, welche ihre Zeit und Kräfte für Dinge verwenden, die doch niemanden zu befriedigen vermögen, nämlich für das Anhäufen von Reichtümern, in dem Kampf um Ehre, um soziale Stellung und Bevorzugung, in prahlerischer Entfaltung von Luxus und in sündhaften Vergnügungen. In den Augen derer, die den Geist des gesunden Sinnes haben, müssen solche Lebensläufe aber als höchst unweise verurteilt werden, sogar auch wenn es kein zukünftiges Leben gäbe, denn die große Mehrzahl der Menschen verbrauchen ihr Leben, um einmal die Früchte ihrer Mühen genießen zu können, und dann legen die sich aufs Todbett, mit dem Bewusstsein, dass sie nicht erlangt, was sie gesucht haben, und dass Reichtum und Ruhm, die sie hinterlassen, sich bald verflüchtigen oder als Zeugnis ihrer Torheit, ihrer Habsucht und ihres ungesunden Sinnes zurückbleiben werden.
Das der vernünftigen Ziele und Bestrebungen bare Weltleben bezeichnet der Apostel als: „Euren eiteln (fruchtlosen) von den Vätern überlieferten Wandel“ (1. Petr. 1:18). Die Gewohnheit, für unwürdige Ziele zu arbeiten, ist erblich, und die Menschen pflegen sich in ihrem Lauf nicht aufzuhalten, um sich von dem Erfolg ihres Strebens Rechenschaft zu geben, sondern sie folgen ohne Überlegung den Pfaden, die schon ihre Väter ausgetreten haben. Auch wir sind von Natur geneigt, diesen Pfaden zu folgen, und wenn wir nun unsere Richtung verändert haben, so geschah das deshalb, weil wir durch die Gnade Gottes vernommen haben, dass wir durch das kostbare Blut Christi von diesem eiteln Wandel erlöst worden sind. Das Wort der Gnade ist es, durch welches wir erkennen lernen, dass der Lauf der Welt eitel ist, und dass alle, die diesem eiteln Laufe folgen, durch ihre Gesunkenheit und ihren ungesunden Sinn dazu getrieben werden. Wenn wir aber von der großen Befreiung vernommen haben, so weihen wir uns mit Freuden dem, der uns erlöst hat, damit wir auch von seinem Geiste, dem Geist des gesunden Sinnes empfangen.
Betrachten wir das gegenwärtige Leben durch den heiligen Geist im Lichte des göttlichen Wortes, so erscheint es uns bloß als eine Schulzeit, als eine Vorbereitung auf ein zukünftiges Leben für diejenigen, welche jenes Kleinod erblicken und den „Ruf“ vernehmen können. Nur solche jedoch, die mit inneren Augen zu sehen anfangen, können erkennen, wie unweise der Wandel der größten Mehrzahl ist, die, weit davon entfernt, ihre selbstsüchtigen Neigungen zu bezähmen und die besseren und edleren Eigenschaften ihrer Natur zu pflegen, ihren Charakter vielfach noch untergraben, so dass sie, wenn sie zur Zeit ihres Sterbens die Welt verlassen, an Charakter schwächer sind, als da sie geboren wurden, und die Nachkommen auf diese Weise ein größeres Maß von Schwachheiten erben, als ihre Väter.
Während nun das Wort Gottes und der Geist dieses Wortes einerseits unsere Begierden nach irdischen Reichtümern dämpfen und uns zur Überzeugung bringen, dass „Geiz (Habsucht) eine Wurzel alles Übels“ ist, so werden wir dabei aber auch vor dem anderen Extrem – vor Nachlässigkeit und Faulheit – bewahrt, indem das Wort Gottes jeden Gläubigen ermahnt, auf eine vor allen Menschen ehrbare Weise für die eigenen und besonders auch für seiner Angehörigen Bedürfnisse aufzukommen: „Seid im Fleiße nicht säumig; inbrünstig im Geist“ (Röm. 12:11). So werden wir unter der Leitung des heiligen Geistes vor den Torheiten derer, die ihr Leben für das Sammeln von wertlosen „Schätzen“ vergeuden, wohl behütet, und nicht weniger auch vor jedem Zustand der Trägheit, und wir werden auch ermuntert „zu jedem guten Werk“, das der Menschheit nützen kann und vom Herrn als „für ihn getan“ anerkannt wird unter seiner Zusicherung eines reichen Lohnes im ewigen Leben.
Der Geist des gesunden Sinnes sieht in diesem Leben Gelegenheiten, für die Ausbildung des Charakters und für das Sammeln von Schätzen, welche weder Motten noch Rost zu verzehren vermögen, sondern die da bleiben in Ewigkeit. Nicht dass wir durch den Geist des gesunden Sinnes verleitet würden, in der Zukunft zu leben und dabei das Gegenwärtige zu vernachlässigen, sondern wir lernen vielmehr, in der Gegenwart weislich zu leben, indem wir beständig an die Zukunft denken.
Der Geist des gesunden Sinnes erweitert und befestigt den Charakter in allen seinen guten Seiten, und er verhilft dem ihn Besitzenden zu richtigem Urteil, nicht nur in Bezug auf ihn selber, sondern auch auf seine gefallenen Mitmenschen, und erhöht dadurch sein Mitgefühl. Er erkennt die durch den Sündenfall herbeigeführte Unvollkommenheit seines eigenen Körpers und Verstandes und sein eigenes Bedürfnis nach Gnade und Hilfe sowohl, wie die Entartung der ganzen Menschheit und deren Bedürfnis nach mitfühlender Liebe und wiederherstellender Hilfe. Und so wie er die Fehler und Ungereimtheiten seiner eigenen Gesinnung zu verbessern lernt, vermag er auch um so mehr mit anderen zu fühlen, welche dieses zurechtleitende Element, den Geist des gesunden Sinnes nicht besitzen und nicht annehmen können, weil der Widersacher, der „Gott dieser Welt“, ihre Sinne verblendet, „damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus“ und sie dadurch in den Besitz des Geistes des gesunden Sinnes gelangen möchten. – 2. Kor. 4:4
Und in dem Verhältnis, wie die durch den Geist der Sohnschaft in ihm gezeugte „neue Kreatur in Christo Jesu“ sich entwickelt, wird er auch geduldiger, gütiger, liebreicher, gottähnlicher. Und diese Charaktergüte erstreckt sich nicht bloß auf seine äußerlichen Lebenstätigkeiten, sondern auch auf seine Worte und Gedanken; und in dem Maße, wie seine heilige Gesinnung jede unehrbare und unredliche Handlung verurteilt, missbilligt sie auch jedes unehrliche Wort gegen einen Freund oder Nachbarn oder sogar gegen einen Feind, ja nicht bloß jedes böse Wort, sondern auch jeden ungerechten oder lieblosen Gedanken.
Der Geist des gesunden Sinnes wird deshalb allmählich aber sicher aus einem Ehegatten einen besseren Ehegatten, aus einem Vater einen besseren Vater, aus einem Sohn einen besseren Sohn, aus einer Gattin eine bessere Gattin, aus einer Mutter eine bessere Mutter, aus einer Tochter eine bessere Tochter machen; und zwar alles deshalb, weil die Grundlage alles Denkens, Redens und Handelns von Selbstsucht in Liebe verwandelt worden ist. Wer den Geist des gesunden Sinnes, den heiligen Geist oder den Geist der Liebe besitzt, wird sicher je länger je weniger empfindlich in Bezug auf seine eigenen Rechte und Vorzüge, dafür aber um so rücksichtsvoller in Bezug auf die Rechte und Gefühle der anderen. Der Wille des Herrn muss ihm natürlich als erstes Gebot gelten, aber nächst der Erfüllung desselben wird es ihm zur Freude gereichen, auch denen zu gefallen, mit welchen er in Verbindung steht, besonders den Angehörigen seiner Familie: Und mit diesem seinem Begehren – aufs erste dem Herrn, dann den Glaubensgenossen und allen Menschen (so viel an ihm liegt) zu dienen und zu gefallen – werden schließlich all seine Gedanken und Worte übereinstimmen, und demgemäss wird auch sein Betragen sich gestalten.
Hieraus dürfen wir freilich nicht schließen, dass die den Geist des gesunden Sinnes Besitzenden in jeder Hinsicht die besten Ehegatten, die besten Brüder, Schwestern, Eltern und Kinder seien, denn die Wirkung des Evangeliums von Christo erstreckt sich, wie wir schon gesehen haben, hauptsächlich auf die Schwachen und Geringen dieser Welt, damit dieselben zubereitet und emporgehoben werden möchten – in dem Verhältnis wie sie sich dem Herrn weihen und den Geist des gesunden Sinnes empfangen. Die auf höherer, besserer Stufe Geborenen und Erzogenen sind eben eher zur Selbstgerechtigkeit geneigt, und sie verzichten gerne auf die vom Herrn dargebotene Hilfe; nichtsdestoweniger mögen sie ganz edle Ehegatten, Eltern und Kinder sein, schon wegen ihrer edleren Geburt – weil sie von christlichen Eltern besseren Verstand und größere Weisheit ererbt haben. Wenn solche aber den Erlöser und mit ihm die neue Gesinnung nicht annehmen, so wird ihre Gütigkeit samt all ihren noblen Eigenschaften sicherlich bald zu einem bloßen äußerlichen Schein entarten, zu einem Deckmantel innerer Selbstsucht, die sich erst recht in ihren Nachkommen offenbart und dieselben deshalb auf eine moralisch tiefere Stufe versetzt.
Der Hauptgedanke, dem wir durch all das Gesagte besonderen Nachdruck verleihen möchten, ist der: in wie tiefer moralischen Gesunkenheit und Unwissenheit ein Mensch sich befindet, wenn die Gnade und Wahrheit Gottes ihn erreicht, so wird sie aus ihm einen edleren, reineren, gütigeren und in Bezug auf andere rücksichtsvolleren Menschen machen – stets in dem Verhältnis, wie er diese „neue Gesinnung“, den Geist des gesunden Sinnes, in sich aufnimmt.
Die Verdorbenheit des menschlichen Verstandes im allgemeinen wird schon durch die sorg- und rücksichtslose Vermehrung des Menschengeschlechtes illustriert. Es wird dabei fast keine Rücksicht auf die Gesetze der Gesundheit genommen, fast keine Rücksicht auf eine richtige Versorgung der Nachkommen, und die Gesetze der Natur, wie sie bei der Fortpflanzung von Tieren wie Rindvieh, Schafen, Pferden 2c) zu Tage treten, werden in höchstem Grade missachtet. Kein Wunder, dass der Apostel die Männer ermahnt, in Bezug auf ihre höchste, natürliche Kraft – das Fortpflanzungsvermögen – den gesunden Verstand zu gebrauchen, indem er sagt: „Ihr Männer, wohnet bei (handelt mit) ihnen (den Frauen) nach Erkenntnis“. Wenn dieser Rat befolgt würde, wenn der Geist eines gesunden Verstandes vorherrschte, wie viel mehr Rücksicht würden die Männer ihren zarten und überbürdeten Frauen gegenüber erzeigen, so sie dieselben wirklich lieben – „bei ihnen wohnend nach Erkenntnis?“
Bis jetzt können freilich nur die Knechte und Mägde des Herrn diesen heiligen Geist Gottes besitzen. Aber Gottlob! die Zeit ist nahe, wo durch den Dienst dieser mit ihrem König verherrlichten Knechte und Mägde die ganze Menschheit gesegnet werden soll, und wo der Herr seinen heiligen Geist – den Geist eines gesunden Verstandes – ausgießen wird „auf alles Fleisch“.