Versammlung der Nationen und Zubereitung der Elemente für das große Feuer des Zornes Gottes

Wie und warum die Nationen versammelt werden. – Die sozialen Elemente bereiten sich für das Feuer zu. – Aufhäufung von Schätzen. – Zunahme der Armut. – Soziale Reibung führt zur Feuersbrunst. – Zu harte Verurteilung der Reichen. – Selbstsucht und Freiheit. – Gegenwärtige Verhältnisse können nicht andauern. – Frauenarbeit. – Vernünftige und unvernünftige Ansichten der Arbeiter. – Angebot und Nachfrage. – „Die gelbe Gefahr.“ – Die Arbeiterfragen in England. – Die prophetischen Worte des Ministers Chamberlain. – Liebknecht über den sozialen und industriellen Kampf in Deutschland. – „Riesen in diesen Tagen.“ – „Trusts“ und andere Verbindungen. – Sklaverei und moderne Knechtschaft. – Die Massen zwischen dem oberen und unteren Mühlstein. – Die Not allgemein und menschliche Hilfe unzulänglich.

Darum harret auf mich, spricht Jehova, auf den Tag, da ich mich aufmache zur Beute! Denn mein Rechtsspruch ist, die Nationen zu versammeln, die Königreiche zusammenzubringen, um meinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut meines Zornes; denn durch das Feuer meines Eifers wird die ganze Erde verzehrt werden. Alsdann werde ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.

Zefanja 3:8, 9

Die Zusammenbringung der Nationen in Erfüllung dieser Prophezeiung ist eine Tatsache, die jedermann sehen kann. Die Erfindungen der Neuzeit haben die entferntesten Enden der Erde zu Nachbarn gemacht. Eisenbahn, Post, Telegraph, Telephon, Welthandel und Presse haben eine Gedanken- und Handlungsgemeinschaft unter den Menschen erzeugt, die vorher unbekannt war und zu internationalen Vereinbarungen geführt hat, die jede Nation achten muss. Weltkongresse, Weltausstellungen sind Folgen dieser gegenseitigen Annäherung, und dem Welthandel vermag kein Sonderbund, kein Sprachunterschied Schranken zu setzen. Die zivilisierten Nationen sind auf der ganzen Erde zu Hause. Mit allen Bequemlichkeiten ausgerüstete Schiffe und Eisenbahnwagen führen ihre Kaufleute, ihre Abgeordneten, ihre Reisenden überall hin, und die Heidenvölker, aus Jahrhunderte langem Schlaf erwachend, sehen mit Staunen die Fremden zu ihnen kommen und senden ihre jungen Leute in die Länder, woher jene kommen, um durch diese der Errungenschaften der Neuzeit teilhaftig zu werden. Zur Zeit Salomos war es ein Gegenstand der Verwunderung, dass die Königin von Scheba 800 Kilometer weit herkam, um Salomos Weisheit zu hören. Heutzutage reisen Tausende, von denen die Öffentlichkeit nicht einmal den Namen kennt, durch die ganze Welt, und in weniger als 80 Tagen macht man bequem eine Reise um die Erde.

Ja, wahrhaftig, die Nationen sind versammelt! zwar in einer Weise, wie man es nicht erwartet hat, aber in der einzigen Weise, wie es geschehen konnte: durch allgemeine Verknüpfung ihrer Interessen und Tätigkeit. Diesem dient freilich nicht die Liebe, sondern die Selbstsucht als Triebfeder. Der Unternehmungsgeist, das Kind der Selbstsucht, hat Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen, unterseeische Kabel, Telefon usw. entstehen lassen; Selbstsucht ist das Prinzip im Handel und internationalen Verkehr überhaupt, ja, in jeder Unternehmung, die Verkündigung des Evangeliums und die Gründung wohltätiger Anstalten ausgenommen; doch sind auch hier zuweilen andere Triebfedern tätig, als die Liebe zu Gott und dem Nächsten. Selbstsucht hat also die Nationen versammelt und bereitet sie dadurch zu für die geweissagte und nun herannahende Vergeltung, für den anarchistischen Zustand, das „Feuer des Zornes Gottes,“ das bald die jetzige Welt (2. Petr. 3:7), die gegenwärtige soziale Ordnung, verzehren wird. So ist es natürlich nur vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, denn der Prophet beschreibt es als ein Versammeln der Nationen zu Gott hin. Beide Standpunkte aber sind richtig, denn, während dem Menschen Handlungsfreiheit zugestanden wird, gestaltet Gott durch seine überwaltende Vorsorge die Angelegenheiten der Menschen seinem eigenen weisen Plane gemäß. Während die Menschen mit ihren Werken und Wegen die Werkzeuge sind, ist Gott der große Befehlshaber, der jetzt die Nationen und Königreiche versammelt von einem Ende der Erde bis zu ihrem anderen Ende, als Vorbereitung zur Übergabe der Herrschaft an den, „dem das Recht gehört“, Immanuel. Der Prophet sagt uns, warum Gott die Nationen versammelt: „Um meinen Grimm über sie auszugießen, die ganze Glut meines Zornes; denn durch das Feuer meines Eifers wird die ganze Erde (das ganze gesellschaftliche Gebäude) verzehrt werden.“ Diese Botschaft würde uns mit Sorge und Angst erfüllen, hätten wir nicht die Versicherung, dass das Endergebnis Gutes für die Menschen bewirken wird, den Umsturz der Herrschaft der Selbstsucht und die Aufrichtung des Millenniums-Königreiches Christi, welches die Herrschaft der Gerechtigkeit aufrichten wird: „Alsdann will ich die Lippen der Völker in reine Lippen umwandeln (ihre Verbindung miteinander soll nicht mehr selbstsüchtig, sondern rein, wahrhaftig, liebevoll sein …), damit sie alle den Namen Jehovas anrufen und ihm einmütig dienen.“

Das „Versammeln der Nationen“ wird nicht nur zur Schwere des Gerichts beitragen, es wird auch unmöglich machen, dass irgendein Volk ihm entgeht; und es wird daher die Trübsal kurz und gründlich machen, wie geschrieben steht: „Der Herr wird eine abgekürzte Sache tun auf Erden.“ – Röm. 9:28; Jes. 28:22

Die gesellschaftlichen Elemente für das „Feuer“ zubereitet

Wenn wir uns in der Welt umsehen, so gewahren wir, wie die „Elemente“ zubereitet werden. Selbstsucht, Wissenschaft, Reichtum, Ehrgeiz, Hoffnung, Unzufriedenheit, Angst und Verzweiflung sind gleichsam Sprengstoffe, deren Reibung gegeneinander die Leidenschaften in Flammen setzt, in welchen die „Elemente“ vergehen werden. Man beachte nur, welche Veränderungen in den letzten hundert, ganz besonders in den letzten 40 Jahren Platz gegriffen haben. Die Zufriedenheit und Genügsamkeit von ehedem sind überall, bei Mann und Weib, reich und arm, gebildet und ungebildet, verschwunden. Alles ist unzufrieden. Alles schreit nach „Rechten“ und beklagt sich über ihm widerfahrendes „Unrecht.“ Freilich herrscht viel Unrecht, und es gibt Rechte, die vielen zuerkannt werden sollten; aber in unserer Zeit, wo Bildung und Unabhängigkeitsdrang so verbreitet sind, ist Selbstsucht fast ausschließlich das Motiv zu den Klagen und Forderungen, so dass sie die Rechte der anderen nicht sehen. Wie der Prophet es geweissagt hat, wird dies schließlich dazu führen, dass eines jeden Hand wider seinen Nächsten ist, was dann zu der großen Endkatastrophe führen muss. Gottes Wort und Vorsehung und die Lehren der Vergangenheit geraten in Vergessenheit infolge der festen Überzeugung, dass ein jeder recht hat mit seinen Klagen und Forderungen, und so ist es niemand möglich, den Weg der klugen Mäßigung einzuschlagen oder auch nur zu sehen. Die Liebe ist ein unbekanntes Ding. Die goldene Regel ist ganz allgemein unbeachtet gelassen worden, und der Mangel an Weisheit wie auch die Ungerechtigkeit in ihrem Vorgehen wird sich bald bei allen Klassen in dieser schrecklichen Drangsal offenbaren, vorab aber besonders bei den Reichen. – Luk. 12:15-20

Ja, die Nacht, von der die Rede ist, und von der Jes. (21:12; 28:12, 13, 21, 22) und Johannes (9:4) geweissagt hat, kommt schnell heran und wird die Welt unversehens, wie eine Schlinge, überfallen. Dann werden die Reichen verzweifelnd ihr Silber auf die Straße werfen, und ihr Gold wird ihnen genommen werden. Ihr Silber und ihr Gold, das sie zur Ungerechtigkeit verleitet hat, wird sie nicht erretten am Tage des Grimmes Jehovas. – Hes. 7:19

Gesammelte Schätze

Dass in unserer Zeit viel größere Reichtümer aufgehäuft werden, und dass die Reichen sich mehr Außerordentliches gestatten als je zuvor (Jak. 5:3,5), kann man heute in jeder Zeitung lesen; das hat schon auf den alten Gladstone großen Eindruck gemacht, so dass er in einer Rede bemerkte:

„In den letzten fünfzig Jahren sind mehr Güter produziert worden als in den neunzehn Jahrhunderten seit Julius Cäsar zusammengerechnet.“

Beachte diese Aussage, die von einem der bestunterrichteten Männer der Welt stammt. Diese für uns so schwer verständliche Tatsache, nämlich, dass während der vergangenen fünfzig Jahre mehr Reichtum hervorgebracht worden ist als während der vorhergehenden neunzehn Jahrhunderte, beruht gleichwohl, wie uns Statistiken zeigen, auf noch sehr mäßiger Schätzung, und die Verhältnisse, welche dadurch geschaffen wurden, sind dazu bestimmt, bei der Wiederherstellung der sozialen Ordnung in dem kommenden Zeitalter eine wichtige Rolle zu spielen.

„The Boston Globe“ brachte vor einigen Jahren folgende Mitteilung über einige der Reichen in den Vereinigten Staaten:

„Die einundzwanzig Eisenbahnkönige, die am Montag in New York zusammentrafen, um die Frage des Eisenbahn-Wettbewerbs zu besprechen, repräsentieren ein Kapital von 300.000.000 Dollar. Man kann sich noch der Zeit erinnern, da es kaum ein halbes Dutzend Millionäre im Lande gab. Sie zählen jetzt gegen 4.600, und es soll einige geben, deren jährliches Einkommen über eine Million Dollar beträgt.

„In New York City gibt es nach mäßiger Schätzung 1.157 Personen und Besitzungen, deren jede 1.000.000 Dollar wert ist. In Brooklyn gibt es 162 Personen mit mindestens je 1.000.000 Dollar. In der Doppelstadt gibt es also 1.319 Millionäre, viele von denselben besitzen jedoch weit mehr als 1.000.000 Dollar, sie sind Multimillionäre. Von den Berühmtesten wird das Vermögen schätzungsweise wie folgt verzinst: John D. Rockefeller 6 Prozent, William Waldorf Astor 7 Prozent, J. Goulds Erbschaft 4 Prozent, Cornelius Vanderbilt 5 Prozent und William K. Vanderbilt 5 Prozent.

Daraus ergibt sich folgende Aufstellung über das Einkommen:

jährlichtäglich
W. Waldorf AstorDollar8.900.00023.277
John D. RockefellerDollar7.611.25020.853
Jay Goulds ErbschaftDollar4.040.00011.068
Cornelius VanderbiltDollar4.048.00011.090
William K. VanderbiltDollar3.795.00010.397

„Die obige Schätzung ist sicherlich eine sehr mäßige, denn noch vor sechzehn Jahren wurde berichtet, dass Herrn Rockefellers vierteljährliche Dividende auf seine Standard Öl-Gesellschaft durch einen Scheck über vier Millionen Dollar repräsentiert wurde; sie muss sich bis jetzt noch weit vergrößert haben.“

Die „Niagara Falls Review“ erließ noch vor Anbruch des gegenwärtigen Jahrhunderts folgende Warnung:

„Eine der größten Gefahren, welche die freiheitlichen amerikanischen Einrichtungen bedroht, ist die Vermehrung der Millionäre und die daraus folgende Konzentration von Besitzungen und Geld in den Händen weniger. Ein kürzlich in einer hervorragenden Zeitung des Staates New York erschienener Artikel bringt Zahlen, die dazu dienen müssen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Entstehung dieser Schwierigkeit zu lenken. Die nachfolgend angeführten Vermögen sollen die größten in den Vereinigten Staaten sein:

William Waldorf AstorDollar150.000.000
Jay GouldDollar100.000.000
John D. RockefellerDollar90.000.000
William W. VanderbiltDollar90.000.000
Cornelius VanderbiltDollar80.000.000
Henry M. FlaglerDollar60.000.000
John. L. BlairDollar50.000.000
Russell SageDollar50.000.000
Collis P. HuntingtonDollar50.000.000
zusammenDollar720.000.000

Eine Schätzung des Ertrages zu dem durchschnittlich bei anderen ähnlichen Kapitalanlagen erzielten Zinsfuße würde folgende Zahlen ergeben:

jährlichtäglich
AstorDollar9.735.00025.027
RockefellerDollar5.481.00016.003
GouldDollar4.040.00011.068
Vanderbilt CorneliusDollar4.554.00012.477
Vanderbilt William K.Dollar4.048.00011.090
FlaglerDollar3.036.0008.318
BlairDollar3.045.0008.342
SageDollar3.045.0008.342
HuntingtonDollar1.510.0004.137

„Fast alle diese Männer leben verhältnismäßig einfach, und es ist klar, dass sie nur einen Teil ihres riesigen täglichen und jährlichen Einkommens ausgeben können. Das übrige fließt daher zum Kapital und lässt ihr Vermögen noch höher wachsen. Die Familie Vanderbilt besitzt jetzt die folgenden riesenhaften Summen (die sich mit der Zeit noch gewaltig vergrößert haben):

Cornelius VanderbiltDollar90.000.000
William K. VanderbiltDollar80.000.000
Frederick W. VanderbiltDollar17.000.000
George W. VanderbiltDollar15.000.000
Mrs. Elliot F. SheppardDollar13.000.000
Mrs. William D. SloaneDollar13.000.000
Mrs. Hamilton Mck. TwomblyDollar13.000.000
Mrs. W. Seward WebbDollar13.000.000
zusammenDollar254.000.000

Noch wunderbarer sind die Aufhäufungen des großen Standard-Öl-Trusts, dem nach seiner Auflösung die Standard Öl-Gesellschaft folgte. Die Vermögen belaufen sich wie folgt:

John D. RockefellerDollar90.000.000
Henry M. FlaglerDollar60.000.000
William RockefellerDollar40.000.000
Benjamin BrewsterDollar25.000.000
Henry H. RogersDollar25.000.000
Oliver H. Payne (Cleveland)Dollar25.000.000
Wm. G. Warden (Philadelphia)Dollar25.000.000
Chas. Pratt (Brooklyn)Dollar25.000.000
John D. ArchboldDollar10.000.000
zusammenDollar325.000.000

„Es bedurfte gerade eines Zeitraumes von zwanzig Jahren, um diesen Reichtum in den Händen von acht oder neun Menschen zu vereinen. Hier liegt also die Gefahr. In den Händen Goulds, der Vanderbilts und Huntingtons befinden sich die großen Eisenbahnen der Vereinigten Staaten. Zu den Besitzungen Sages, Astors und anderen gehören große Stadtviertel des Grundstücks von New York, deren Wert beständig wächst. Vereint und auf natürlichem Wege angewachsen, würde das Vermögen dieser neun Familien in fünfundzwanzig Jahren 2 Milliarden 754 Millionen Dollar betragen. William Waldorf Astor allein wird vor seinem Tode wahrscheinlich gegen eintausend Millionen wert sein, und sein Geld wird, gleich demjenigen Vanderbilts, in seine Familie wie in andere übergehen, dadurch eine dem Gemeinwohl äußerst gefährliche Geldaristokratie schaffen und einen eigenartigen Kommentar bilden zu der Aristokratie der Geburt, den wir Amerikaner als für England so schädlich betrachten.

„Andere große Vermögen sind vorhanden oder im Entstehen begriffen. Wir wollen nur noch einige davon anführen:

William AstorDollar40.000.000
Levland StanfordDollar30.000.000
Mrs. Hetty GreenDollar30.000.000
Philip D. ArmourDollar30.000.000
Edward F. SearlesDollar25.000.000
J. Pierpont MorganDollar25.000.000
Charles CrockerDollar25.000.000
Darius O. MillDollar25.000.000
Andrew CarnegieDollar25.000.000
E.S. HigginsDollar20.000.000
George M. PullmannDollar20.000.000
zusammenDollar295.000.000

„So sehen wir, wie das Kapital sich in den Händen weniger befindet. Es ist notwendigerweise den Vielen entzogen (diese haben nicht mehr die Gelegenheit des Wettbewerbs). Keine Macht im Menschen vermag diese beunruhigende Frage friedlich zu schlichten. Es wird sich vom Schlimmen zum Schlimmeren steigern.“

Einige amerikanische Millionäre, und wie sie ihre Millionen erwarben

Der Herausgeber der „Review of Reviews“ bringt in seiner Zeitung etwas, das er bezeichnet als „einige Auszüge aus einer äußerst belehrenden und unterhaltenden Zeitung, die nur den Fehler begeht, den plutokratischen Octopus (achtarmiger Teufelsfisch) zu optimistisch zu beurteilen.“ Wir geben es im folgenden wieder:

„Ein Amerikaner, der aus vertrautem, persönlichem Bekanntsein heraus schreibt, aber ungenannt sein will, erzählt im „Cornhill Magazine“ die Geschichte verschiedener Millionäre der großen Republik. Er behauptet, dass, selbst wenn die viertausend Millionäre vierzig Milliarden Dollar besitzen von den sechsundsiebzig Milliarden, welche das amerikanische Nationalvermögen ausmachen, für jeden Bürger doch noch 500 Dollar verbleiben gegen 330 Dollar vor fünfundvierzig Jahren. Er will beweisen, dass die anderen Klassen durch die Zunahme der Millionäre nicht ärmer, sondern reicher geworden sind.

„Commodore Vanderbilt, der die ersten Vanderbiltschen Millionen erwarb, wurde gerade vor einem Jahrhundert geboren. Sein Kapital bestand aus der traditionellen Barfüssigkeit, leeren Taschen und dem Glauben an sein Glück, was in Amerika in so vielen Fällen die Grundlage zum Vermögen gebildet hat. Durch harte Arbeit vom siebenten bis zum siebzehnten Lebensjahr erwarb er sich ein zweites, greifbares Kapital, nämlich einhundert Dollar in bar. Dieses Geld legte er an in einem kleinen Boote, und mit diesem Boote eröffnete er ein eigenes Geschäft – Gemüsetransport nach New York. Mit zwanzig Jahren heiratete er, und sowohl Mann als auch Frau wandten sich dem Geldverdienen zu, er mit seinem Boote, und sie, indem sie einen Gasthof unterhielt. Drei Jahre später war er dreitausend Dollar wert. Nunmehr floss sein Geld schnell zusammen, so schnell, dass er, der doch als Knabe mit einem Boote im Werte von einhundert Dollar angefangen hatte, beim Ausbruch des Bürgerkrieges der Nation eines seiner Schiffe im Werte von achthunderttausend Dollar schenken und dabei noch ein reicher Mann bleiben konnte. Als er siebzig Jahre alt war, schätzte man sein Vermögen auf siebzig Millionen Dollar.

„Das Astorsche Vermögen verdankt sein Vorhandensein dem Gehirn eines Menschen und dem natürlichen Wachstum einer großen Nation. John Jakob Astor war während vier Generationen der einzige, der ein wirklicher Geldverdiener war. Sein Geld wurde, wie er es verdiente, in die Ländereien von New York City angelegt. Dieselben hatten einen geringen Wert, weil die Stadt auf einer Insel liegt. Jedoch machte das Wachstum von New York City, welches das Wachstum der Republik zur Ursache hatte, das kleine Vermögen des achtzehnten Jahrhunderts zu dem größten amerikanischen Vermögen des neunzehnten Jahrhunderts. Der erste und letzte Astor, der als Herr der Millionen der Studien wert ist, ist daher John Jakob Astor, der, nachdem er der Arbeit als Metzgergehilfe bei seinem Vater in Waldorf überdrüssig wurde, vor hundertzehn Jahren auswanderte, um in der neuen Welt sein Glück zu probieren. Schon auf dem Schiff machte er in Wirklichkeit sein ganzes Vermögen. Er traf einen alten Pelzhändler, der ihn in die Tricks des indianischen Pelzhandels einführte. Diesen Handel nahm er auf, und er verdiente Geld damit. Dann heiratete er Sarah Todd, eine energische, junge Frau. Sarah und John Jakob Astor verbrachten alle Abende damit, dass sie in ihrem Laden Pelze sortierten. In fünfzehn Jahren hatten sie es auf zwei und ein halb Millionen Dollar gebracht; eine glückliche Spekulation in amerikanischen Staatspapieren verdoppelte ihr Vermögen. Sie legten dann ihr Vermögen in Bauland an, und seither ist der Wert ins Unermessliche gestiegen.

„Levland Stanford, Charles Crooker, Mark Hopkins und Collis P. Huntington gingen im Jahre 1849 im Goldfieber nach Kalifornien. Als die Transkontinental Eisenbahn gebaut wurde, „säten diese vier Männer Millionen hinein“, und sie schlossen sich in der Pacific Union zusammen. Diese vier Männer, die im Jahre 1850 sozusagen noch nichts besaßen, werden jetzt mit ihrem Vermögen zusammen auf zweihundert Millionen Dollar eingeschätzt.

„Einer von ihnen, Levland Stanford, wollte vor zehn Jahren eine Familie gründen, jedoch starb sein einziger Sohn, und zum Andenken an denselben gründete er eine Universität. Er tat es in fürstlicher Weise, denn, als er „noch im Fleische“ war, vermachte er Prokuratoren drei Güter von 86000 Morgen. Im ganzen vermachte er der Universität zweiundzwanzigeinhalb Millionen Dollar. Seine Frau hat schon die Absicht ausgesprochen, dass sie ihr Vermögen (gegen 10 Millionen Dollar) der Universität vermachen will.“

Das bemerkenswerteste Beispiel des Geldsammelns in der Geschichte der amerikanischen Millionäre hat der Standard Öl Trust geliefert:

„Vor dreißig Jahren erblickten fünf junge Männer, von denen der größere Teil in der kleinen Stadt Cleveland (Staat Ohio) lebte, und die alle verhältnismäßig arm waren (wahrscheinlich konnte die ganze Gesellschaft keine 50.000 Dollar aufweisen), Möglichkeiten des Geldverdienens im Petroleum. Heute ist dieselbe Gesellschaft von fünf Männern sechshundert Millionen Dollar wert. John D. Rockefeller, das Gehirn und der Nerv dieses großen Trusts, ist ein Mann mit frischen Gesichtszügen, mit so mildem Lächeln und mit so genialem Wesen, dass man ihn nicht als einen habgierigen Monopolisten bezeichnen kann. Sein „Steckenpferd“ ist gegenwärtig die Erziehung, und er reitet dieses Steckenpferd rüstig und männlich. Er hat die Universität zu Chicago unter seine Fittiche genommen, und schon sind sieben Millionen Dollar aus seiner Tasche in die Schatzmeisterei dieses Lehrinstituts der zweiten Stadt der Republik geflossen.

„Herr Thomas G. Shearman führt in einem Artikel, der im „Forum“ erschien, die Namen von siebzig Amerikanern an, die zusammen ein Vermögen von 2.700.000.000 Dollar, durchschnittlich je 38.000.000 Dollar besitzen, und er sagt, es könnte eine Liste von zehn Männern aufgestellt werden, von denen jeder durchschnittlich 100.000.000 Dollar besitzt. Weiterhin könne man eine Liste aufstellen von hundert Personen, deren durchschnittliches Vermögen 25.000.000 Dollar beträgt. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der hundert reichsten Amerikaner könne nicht weniger betragen als (je) 1.200.000 Dollar, wahrscheinlich übersteigt es sogar 1.500.000 Dollar.“

Rev. Josiah Strong, ein befähigter Schriftsteller, gibt hierzu folgenden Kommentar:

„Wenn hundert Arbeiter jährlich je eintausend Dollar verdienen könnten, so müssten sie zwölfhundert oder fünfzehnhundert Jahre arbeiten, um soviel zu verdienen, als diesen hundert reichsten Amerikanern jährlich zufließt; und wenn ein Arbeiter täglich hundert Dollar verdienen könnte, so müsste er hundertsiebenundvierzig Jahre alt werden, und er dürfte keinen Tag ausruhen, ehe er soviel verdienen könnte, wie manche Amerikaner Werte besitzen.“

Folgende Tabelle vergleicht das Nationalvermögen der vier reichsten Nationen der Welt in den Jahren 1830 und 1893, und sie zeigt, wie durch die Völker „Schätze gesammelt“ werden in diesen „letzten Tagen.“

Nationalvermögen von18301893
GroßbritannienDollar16,89 Milliarden50 Milliarden
FrankreichDollar10,645 Milliarden40 Milliarden
DeutschlandDollar10,7 Milliarden35 Milliarden
U.S.A.Dollar5 Milliarden72 Milliarden

Damit der Leser eine Vorstellung davon erhält, wohin die Statistiker mit ihren Schlüssen kommen, geben wir eine Schätzung über den Reichtum der Vereinigten Staaten:

Wirkliche Besitzungen in den Städten usw.Dollar15,5 Milliarden
Wirkliche Besitztümer, die nicht zu den Städten gehörenDollar12,5 Milliarden
Persönliches Eigentum (nicht nochmals aufgeführt)Dollar8,2 Milliarden
Eisenbahnen und deren AusstattungDollar8 Milliarden
In Fabriken angelegtes KapitalDollar5,3 Milliarden
FabrikateDollar5 Milliarden
Produkte (einschließlich Wolle)Dollar3,5 Milliarden
Im Ausland angelegte Werte und ausländische BesitzungenDollar3,1 Milliarden
Öffentliche Gebäude, Zeughäuser, Kriegsschiffe usw.Dollar3 Milliarden
Haustiere auf BauerngüterDollar2,48 Milliarden
Haustiere in großen und kleinen StädtenDollar1,7 Milliarden
Geld, ausländische und eigene Münzen, Banknoten usw.Dollar2,13 Milliarden
Öffentliche Länder (Acker zu 1,25 Dollar)Dollar1 Milliarde
Mineral-Produkte (aller Art)Dollar590 Millionen
ZusammenDollar72 Milliarden

Vor einigen Jahren wurde festgestellt, dass sich das Vermögen der Vereinigten Staaten wöchentlich um vierzig Millionen Dollar vergrößerte.

Das hier erwähnte Sammeln von Schätzen während der letzten Tage bezieht sich insbesondere auf Amerika, dasselbe gilt aber auch für alle zivilisierten Staaten der Welt. Großbritannien ist im Verhältnis reicher als Amerika, es ist das reichste Land der Erde. Sogar in China und in Japan gibt es Millionäre, die kürzlich emporgekommen sind. Die Niederlage Chinas Japan gegenüber im Jahr 1894 wird hauptsächlich der Gier der Regierungsbeamten zugeschrieben, welche minderwertige oder sogar vorgetäuschte Geschütze und Munition geliefert haben sollen, natürlich zu dem Preis von echten.

Selbstverständlich finden nur wenige von denen, welche nach Reichtümern suchen, was sie erjagen. Die Bemühungen zu diesem Erfolg sind nicht immer erfolgreich. Der Bann der Selbstsucht erstreckt sich viel weiter als auf die Erfolgreichen, wie der Apostel sagt: „Die aber reich werden wollen (die reich zu werden suchen auf jede erdenkliche Weise), fallen in Versuchung und Fallstricke und in viele unvernünftige und schädliche Lüste, welche die Menschen versenken in Verderben und Untergang. Denn die Geldliebe ist die Wurzel alles Bösen.“ (1. Tim. 6:9, 10) Die unerfahrene Mehrheit übernimmt das Risiko und erleidet Enttäuschung und Verlust, die wenigen Klügeren übernehmen wenig Risiko und stecken das meiste von den Gewinnen ein. So bewirkte zum Beispiel das „südafrikanische Goldfieber“, das sich einst über Großbritannien, Frankreich und Deutschland erstreckte, dass Hunderte von Millionen aus den Taschen und von Bankkonten der Mittelklassen hinüberflossen in diejenigen der reichen Kapitalisten und Bankherren, die wenig Risiko auf sich genommen hatten. Das Ergebnis bestand unzweifelhaft in einem großen Verlust für die Törichten der mittleren Klassen, die auf plötzliches Reichwerden so versessen waren, dass sie ihr Alles aufs Spiels setzten. Als Folge davon werden viele früher Konservative unzufrieden und binnen wenigen Jahren reif für die Sozialdemokratie, welche verspricht, ihre Interessen zu vertreten.

Die Zunahme der Armut

Aber gibt es denn wirklich Not und Armut in einem Land wie den Vereinigten Staaten, in welchem so riesige Vermögen erworben werden konnten? Ist es nicht Selbstverschulden derer, die gesund sind, wenn sie ihr Auskommen nicht finden? So denken manche, die vor 25 Jahren selbst nichts besaßen. Aber damals gab es eben Arbeitsgelegenheiten in Hülle und Fülle, indes heutzutage sehr viele nur für ihre halbe Zeit Arbeit finden, sich kaum ehrlich durchschlagen können und oft noch arbeitslose Angehörige oder Freunde unterhalten müssen. Tritt dann noch eine Krisis ein, so wird die Lage vieler unerträglich, und die öffentlichen Kassen erweisen sich als ganz unzulänglich. Diese Krisen sind die Wehen, die nach 1.Thess. 5:3 vor der Drangsal über die Welt kommen wie über eine Schwangere. Das Elend ist so groß, dass die Wohlhabenden und Reichen, wenigstens diejenigen unter ihnen, die für ihre Mitmenschen ein Herz haben, sehr wohl einsehen, dass diesem nicht abzuhelfen ist; sie tun deshalb ihr Bestes, soweit ihre Kräfte reichen, und suchen das übrige zu vergessen. Aber zur Zeit der großen Arbeitslosenumzüge in den Vereinigten Staaten befasste sich die ganze Presse mit diesen schrecklichen Verhältnissen, und man schätze die Zahl der Arbeitslosen in 119 Städten der Union auf mehr als 800.000, von deren Verdienst weitere 2 Millionen abhängig waren, dazu kommt, dass in Amerika für die Notleidenden lange nicht so reichlich gesorgt ist wie in Europa, wo die lange Übung den Regierungen allmählich gezeigt hat, wie man etwas zur Linderung der Not tun kann.

Wenn besondere Rückschläge kommen, wie es in den Jahren 1893-1896 der Fall war, so werden viele der Arbeitslosen auf die Wohltätigkeit ihrer Freunde angewiesen sein, die kaum in der Lage sind, diese weitere Last zu tragen, und diejenigen, die keine Freunde haben, sind auf öffentliche Wohltätigkeit angewiesen, die zu solchen Zeiten natürlich vollständig unzureichend ist.

Der Rückschlag von 1893 kam wie eine Meereswoge über die ganze Welt, und noch immer macht sich ihr Druck in weiten Kreisen fühlbar, obwohl für manche eine Zeit des Aufatmens wiedergekommen ist. Wie die Heilige Schrift sagt, kommt diese Drangsal in Wogen oder in Krämpfen, „gleichwie die Geburtswehen über die Schwangere“. (1. Thess. 5:3) Jeder folgende Krampf wird wahrscheinlich schwerer sein als der vorhergehende, bis das Ende da ist. Die Wohlhabenden und Reichen können sich oft schwerlich die Entbehrungen vorstellen, die bei den Armen immer mehr zunehmen. Tatsache ist, dass selbst diejenigen, die zu den mittleren Klassen und den Wohlhabenden gehören, die an die Armen denken und mit ihnen fühlen, erkennen, dass es völlig unmöglich ist, die gegenwärtige Ordnung der Dinge in einer Weise zu ändern, dass die Armen dadurch eine dauernde Erleichterung bekämen, und so tut jeder das wenige, von dem er denkt, dass er es vermag, und dass es seine Pflicht sei denen gegenüber, die ihm am nächsten stehen; er bemüht sich, das Elend zu vergessen, von dem er gehört oder das er gesehen hat.

Folgende Auszüge aus Tageszeitungen vom Jahre 1893 werden daran erinnern, welche Zustände damals herrschten, und dass sie wahrscheinlich binnen kurzem verdoppelt zurückkehren werden. The California Advocate“, eine amerikanische Zeitung, sagt folgendes:

„Die Ansammlung der arbeitslosen Massen in unseren großen Städten zu ungezählten Tausenden bietet einen äußerst grausigen Anblick, und ihr Mitleid erflehender Schrei nach Arbeit und Brot dringt durch das ganze Land. Es ist das alte, ungelöste Problem der Armut, die durch die noch nie da gewesenen Rückschläge im Geschäftsleben gesteigert wird. Es ist der finstere Schatten, der beständig hinter der Zivilisation herkriecht, an Umfang und Schrecken wachsend, je mehr die Zivilisation vorwärts schreitet. Sicherlich ist es ein abnormer Zustand der Dinge, wenn Menschen bereit sind zu arbeiten, da ihr Lebensunterhalt doch davon abhängt, während sie jedoch keine Arbeit finden können. Viele Theorien sind aufgestellt, viele Anstrengungen gemacht worden, um das „Recht zu arbeiten“ zu sichern. Alle diese Versuche jedoch haben als Fehlschläge geendet. Derjenige, der das Problem, wie man einem Arbeitswilligen Arbeit sichern und die Menschheit von unfreiwilligem Müßiggang befreien kann, mit Erfolg zu lösen vermag, wird ein Wohltäter der Menschheit sein.“

Ein anderer Bericht beschreibt, wie in Chicago eine Menge von vierhundert Arbeitslosen durch die Straßen marschierte, geführt von jemand, der ein Schild trug mit der Aufschrift: „Wir suchen Arbeit“. Am nächsten Tage marschierten sie mit vielen Fahnen umher, welche die folgenden Aufschriften trugen: „Leben und leben lassen!“ „Wir suchen unsere Familien zu unterhalten!“ „Arbeit und Brot!“ usw. Eine Schar Arbeitsloser marschierte durch San Francisco mit Fahnen, die folgende Aufschriften trugen: „Tausende von Häusern sind zu vermieten, und Tausende von Menschen sind obdachlos.“ „Hungrig und bloß.“ „Durch die Hungerpeitsche zum Betteln gezwungen!“ „Helft uns, so wollen wir uns selbst helfen!“ usw.

Ein anderer Auszug lautet wie folgt:

„Newark, N. J., den 21. August. Unbeschäftigte Arbeiter hielten heute eine große Parade ab. An der Spitze marschierte ein Mann mit einer schwarzen Flagge, auf der mit weißen Lettern geschrieben stand: „Zeichen der Zeit – Ich verschmachte, weil er fett ist.“ Daneben war ein Bild, das einen großen, korpulenten Herrn mit einem Zylinderhut darstellte, neben dem ein ausgehungerter Arbeiter stand.“

Mit Bezugnahme auf den Streik der englischen Bergarbeiter sagt eine andere Zeitung:

„Die wirkliche Not, selbst Hunger, mehrt sich in ganz England in schrecklichem Maße. Das Stilliegen der Industrie und die Störungen der Eisenbahnen nehmen einen Umfang an, der ein nationales Unheil bedeutet. Wie es zu erwarten war, liegt die wahre Ursache in den ungeheuren Abgaben, welche die Pächter den Lords für die Pacht des Grundstücks der Minen zu zahlen haben. Eine beträchtliche Anzahl von Millionären, die große Kohlenbezirke besitzen, sind auch hervorragende Pairs, und vor der erregten Öffentlichkeit werden diese beide gleich einem Schnappschloss verbunden. Radikale Zeitungen stellen schreckliche Listen von Lords zusammen, die denen der Trusts in Amerika ähneln. Ihre Zahlen zeigen, wie viel diese Männer von dem Verdienste des Landes erheben.

„Der Schrei nach Brot geht von der Stadt aus. Er ist tiefgehender, breiter, rauer denn je. Er kommt von einem knurrenden Magen und einem geschwächten Gemüt. Er kommt von Menschen, die die Straßen durchlaufen und nach Arbeit suchen. Er kommt von Frauen, die verzweifelnd in öden Wohnungen sitzen. Er kommt von Kindern.

„In der City von New York haben die Armen einen Grad des Entblößtseins erreicht, der alles bisher Dagewesene übertrifft. Wahrscheinlich versteht kein lebender Mensch, wie schrecklich das Leiden, wie furchtbar die Armut ist. Eine einzelne Person kann sich keinen Überblick verschaffen. Keines Menschen Einbildungskraft reicht dazu aus.

„Wenige von denen, die diese Zeilen lesen mögen, werden sich vorstellen können, was es bedeutet, ohne Nahrung zu sein. Es kann ihnen in ihrem Heim nicht verdeutlicht werden. Sie werden sagen: „Sicherlich werden die Menschen doch irgendwo irgendetwas zu essen bekommen, jedenfalls doch soviel, als für sie zum Leben notwendig ist. Sie können ja zu ihren Freunden gehen.“ Ihre Freunde haben ebenso wenig wie sie selbst. Es gibt Menschen, die durch Mangel an Nahrung so entkräftet sind, dass sie nicht arbeiten können, selbst wenn ihnen Arbeit angeboten würde.“

Der Herausgeber des „Examiner“ in San Francisco sagt:

„Wie kommt es denn? Wir haben soviel zu essen, dass die Farmer sich beklagen, sie bekämen nichts dafür. Wir haben soviel anzuziehen, dass die Baumwoll- und Wollspinnereien schließen, weil niemand da ist, der ihre Produkte kauft. Wir haben so viele Kohlen, dass die Eisenbahnen, welche sie befördern, in die Hände der Empfänger übergehen. Wir haben so viele Häuser, dass die Erbauer arbeitslos sind. Alle Bedürfnisse und Bequemlichkeiten des Lebens sind in so großen Mengen vorhanden, wie es je in den blühendsten Jahren unserer Geschichte der Fall war. Wenn das Land genügend Nahrung, Kleidung, Heizmaterial und Schutz besitzt für jedermann, warum sind dann die Zeiten hart? Offenbar ist die Natur nicht zu tadeln. An wem oder woran liegt es denn?

„Das Problem der Arbeitslosen ist eines der bedenklichsten, das Amerika bedroht. Der durch Bradstreet aufgestellten Statistik zufolge gab es zu Anfang des Jahres in den 119 größten Städten der Vereinigten Staaten 801.000 Arbeitslose, von denen 2 Millionen Menschen hinsichtlich ihres Unterhaltes abhängig waren. Dieses Verhältnis für das ganze Land angewandt, ergibt die Zahl von über 4 Millionen Arbeitslosen, die 10 Millionen vertreten, welche von ihnen abhängen. Da nun die Arbeitslosen in den Städten zusammenströmen, geht man sicher, wenn man ein Viertel von den genannten Zahlen abzieht, aber auch dann ist die Zahl der Arbeitslosen ungeheuer, herzzerreißend.

„Die harte Straße der Armut, die im Almosenempfangen endigt, hat man in Europa schon lange verfolgt, so dass die Behörden der alten Welt besser wissen, wie man sich ihr gegenüber verhalten muss, als diesseits des Wassers. Die Löhne sind in Europa so gering, dass in vielen Staaten das Ende des Lebens im Armenhaus verbracht wird. Kein Fleiß und keine Sparsamkeit ermöglicht es den Arbeitern, soviel zur Seite zu legen, dass sie für ihr Alter genug hätten. Der Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben ist so gering, dass die Krankheit oder die Arbeitslosigkeit von einigen Tagen zu Entbehrungen führt. Die Regierung wurde dort gezwungen, mehr oder weniger weise zu handeln, während man hier in Amerika, wo der Landstreicher ohne Arbeit durchkommt, und wo der Mensch, der sich selbst achtet, verhungern muss, wenn er in Not kommt, alles seinen Gang auf gut Glück gehen lässt.“

Der Herausgeber der „Arena“ sagt folgendes:

„Das tote Meer der Not vergrößert seine Ufer überall, wo ein Bevölkerungsmittelpunkt ist. Das Murren wütender Unzufriedener wird von Jahr zu Jahr gehässiger. Die Gerechtigkeit, die dem Schwachen verneint wurde, hat uns einer furchtbaren Krisis gegenübergestellt, die wir noch überschreiten können, wenn wir weise genug sind, gerecht und menschlich zu sein. Das Problem darf aber nicht länger als folgewidrig bespöttelt werden. Es ist nicht mehr als lokal zu betrachten, sondern vielmehr als eine Bedrohung des gesamten politischen Gebäudes. Vor wenigen Jahren noch konnte einer der hervorragendsten Geistlichen sagen, dass es in der Republik keine erwähnenswerte Armut gäbe. Heute leugnet kein nachdenkender Mensch mehr, dass wir hier vor einem Problem von größter Wichtigkeit stehen. Ein Herr, den ich vor einiger Zeit zum Zweck persönlichen Nachforschens anstellte, stellte fest, dass in New York binnen zwölf Monaten (vom 1. September 1891 bis 1. September 1892) nicht weniger als 29.720 Mieter wegen Zahlungsunfähigkeit auf die Gasse gesetzt wurden.“

Im „Forum“ vom Dezember 1892 sagte Herr Jakob Riis über die besonderen Notstände der Armen in New York: Seit vielen Jahren ist es eine Tatsache, dass in der großen und reichen Stadt New York ein Zehntel aller Sterbenden auf dem Armenfriedhof begraben wird. Von den 382.530 Beerdigungen, die in der letzten Dekade gemeldet wurden, wurden 37.966 auf dem Armenfriedhof vorgenommen. Herr Riis fährt fort, indem er an die allen Erforschern der sozialen Lage bekannte Tatsache erinnert, dass dieser Armenfriedhof noch lange nicht der richtige Maßstab ist, an dem man die Armut einer großen Stadt ablesen kann. Er sagt folgendes hierüber:

„Jeder, der ein wenig Bescheid weiß über die Armen, mit welcher Todesangst sie sich gegen diesen Gipfelpunkt des Elends sträuben, wie sie hin und her tifteln und suchen, das armselige Recht zu erlangen, ein eigenes Grab zu besitzen, nachdem sie im Leben niemals einen Schuppen ihr eigen nennen durften, wird mit mir darin übereinstimmen, wenn ich sage, dass es gering angesetzt ist zu sagen, dass für jeden, der in diese traurige Grube gesenkt wird, noch mindestens zwei oder drei stehen, die sich dicht am Rande derselben festklammern. So müssen wir annehmen, dass zwanzig bis dreißig Prozent täglich zu kämpfen haben, um sich den Wolf von der Tür zu halten.

„Im Jahre 1890 wurde von 239 Selbstmorden berichtet, welche in der Stadt New York vorgekommen waren. Die Berichte des Gerichts werden mit Selbstmorden angefüllt wie nie zuvor. „Sie sind“, sagte der Berichterstatter Smith zu einem armen Geschöpf Gottes, welches des Tod gesucht hatte, indem es in den East River gesprungen war, „der zweite Fall von versuchtem Selbstmord, der heute bei diesem Gerichtshof angemeldet wird, und niemals habe ich von soviel Selbstmordversuchen gehört wie in den letzten wenigen Monaten.“

„Die Nacht senkt sich langsam aber sicher auf Hunderte und Tausende von Menschen – die Nacht der Armut und der Verzweiflung. Sie sind sich dessen bewusst, aber sie sind machtlos, dem zu begegnen. „Die Mietpreise steigen, und die Löhne sinken von Jahr zu Jahr mehr, was können wir dagegen tun?“ So sagte kürzlich ein Arbeiter, als er über die Aussichten sprach, die die Zukunft ihm bot. „Ich sehe keinen Ausweg“, fügte er bitter hinzu, und wir müssen zugeben, dass die Aussichten düstere sind, wenn nicht durchgreifende, wirtschaftliche Änderungen vorgenommen werden, denn jährlich wächst das Angebot von Arbeit immer mehr, während dies bei der Nachfrage in lange nicht demselben Maße der Fall ist. „Zehn Frauen für einen Posten, wie armselig er sei“, sagte ein Beamter in unparteiischer Weise, nachdem er sich mit dem Untersuchen der Verhältnisse weiblicher Arbeiter beschäftigt hatte. „Hunderte von Mädchen“, fährt er fort, „untergraben ihre Zukunft und zerstören ihre Gesundheit in den staubigen, schlecht gelüfteten Fabriken und Warenhäusern, gleichwohl drängen ganze Scharen vom Land nach und von den kleineren Städten in die großen.“ Nehmen wir ja nicht an, diese Zustände herrschten nur in New York. Was für diese Weltstadt gilt, ist auch wahr von allen anderen großen Städten Amerikas. Innerhalb der Schussweite von Beacon Hill, Boston, wo sich der Dom mit Pracht erhebt, gibt es Hunderte von Familien, die dahinschmachten, Familien, die wacker um die Bedürfnisse des täglichen Lebens gerungen haben, während die Verhältnisse von Jahr zu Jahr hoffnungsloser wurden. Der Kampf um das Brot wird immer heftiger, und die Aussichten werden immer trüber. Einer dieser sich Abmühenden sagte bei einer Unterredung mit einem gewissen Ausdruck von Niedergeschlagenheit, welcher Hoffnungslosigkeit offenbarte oder vielleicht ein abgetötetes Empfindungsvermögen, weshalb er die grausige Bedeutung seiner eigenen Worte nicht recht zu erfassen vermochte: „Ich hörte einmal, dass jemand von einem Tyrannen in einen eisernen Käfig gesperrt wurde und jeden Tag bemerkte, dass die Wände ihm näher und näher gerückt wurden. Zuletzt kamen sie ihm so nahe, dass sie jeden Tag einen Teil seines Lebens aus ihm herausquetschten. Es scheint mir, dass wir uns in einer ganz ähnlichen Lage befinden. Manchmal, wenn wir sahen, wie die kleinen Kästen fortgetragen wurden, sagte ich zu meiner Frau: Da ist wieder ein bisschen Leben ausgequetscht worden. Eines Tages wird es auch bei uns soweit sein.“

„Kürzlich besuchte ich mehr als zwanzig Mietshäuser, wo das Leben mit dem Tode kämpft. Mit einem Mut, der dem des Kriegers auf blutigem Schlachtfeld nicht nachsteht, rühren dort Mütter und Töchter unaufhörlich die Nadel. In verschiedenen Häusern fand ich Leute, die im Kampf ums Dasein schon zu Krüppeln gemacht waren, und deren eingesunkene Augen und ausgemergelte Gesichter die Geschichte von monate- und vielleicht jahrelangem Hungern in schmutzigen und übelriechenden Kellern erzählen. Hier nimmt man mit Kummer wahr, dass das Gespenst Hunger und Furcht immer gegenwärtig ist. Ihr ganzes Leben lang tragen diese Elenden auf dem Herzen einen schweren Druck, der nicht von ihnen weicht. Der Hauswirt, mit der Zinsquittung in der Hand, steht beständig vor ihrem geistigen Auge. Furcht vor Krankheit trübt jede gesunde Stunde, denn Kranksein bedeutet für sie die Unmöglichkeit, sich das zum Leben Notwendige zu beschaffen. Nicht selten werden sie durch die Verzweiflung über die Zukunft aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Das ist das Los der geduldigen Elemente in den untersten Schichten unserer großen Städte. Auf den meisten Gesichtern kann man den Ausdruck schwermütiger Traurigkeit und stummer Ergebung wahrnehmen.

„Manchmal führt das Gefühl erlittenen Unrechts zu einem Aufflackern des Feuers, das noch im Verborgenen glimmt. Sie fühlen in unbestimmter Weise, dass es den Tieren auf dem Feld besser geht als ihnen. Selbst wenn sie vom Morgenrot bis tief in die Nacht hinein arbeiten um ihr Brot und um ein elendes Obdach, ist ihnen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft genommen mitten in den großen Städten der Namenchristenheit, deren prachtvolle Kirchen dem Nazarener geweiht sein sollen, welcher sich vorab der Armen, Verkommenen, Verstoßenen annahm! Nie sehnte sich das menschliche Herz so sehr nach wahrer Brüderlichkeit wie heutzutage, nie stand diese der zivilisierten Welt so sehr als Ideal vor Augen wie heutzutage! Und doch vernimmt man allerorts das Schreien der Unschuld, des vergewaltigten Rechts, der Millionen, die das Räderwerk der heutigen Gesellschaftsordnung erdrückt, deutlicher als je zuvor in jedem zivilisierten Land. Die Seufzer der russischen Stundisten vermengen sich mit denen der irischen Pächter, und die Verstoßenen in allen großen Städten beider Kontinente erheben alle den alles erschütternden Ruf nach Gerechtigkeit. In London allein leben mehr als dreihunderttausend Menschen am Rande des Abgrundes, Menschen, denen jeder Puls mit der Furcht schlägt, das elende Verlies, das sie ihr Heim nennen, könnte ihnen genommen werden. Eine Stufe tiefer leben Zweihunderttausend, die sich nie satt essen können, und ein Schritt weiter hinab führt uns zu weiteren Dreihunderttausenden, die langsamen Hungers sterben, und deren Leben nichts als ein Todeskampf ist. Aber noch sind wir nicht ganz unten angelangt, bei den 33.000, die keine Wohnung, selbst nicht in den elendsten Löchern, finden können, die auf den Steinfliesen am Themse-Ufer schlafen, und bei denen der, welcher sich auf eine Zeitung legen kann, dachte, im Besitze eines Luxusartikels zu sein.“

Man mag dies für Übertreibung halten, aber wenn auch nur die Hälfte davon wahr sein sollte, so wäre es doch noch schrecklich genug.

Unzufriedenheit, Hass und Reibungen, die die „Verbrennung“ der Gesellschaft beschleunigen

Wenn man heutzutage den Arbeitern erklärt, wie viel besser doch jetzt für sie gesorgt werde als je zuvor, so erhält man oft den nicht unrichtigen Bescheid, man verlange nicht nach den Wohltaten des Armenhauses, nach unentgeltlicher Verpflegung im Krankenhaus, sondern nach ehrlicher Arbeit im Schweiße des Angesichts und danach, dass diese genügend abwerfe, um die eigenen Bedürfnisse und diejenigen der Familie selber bestreiten zu können. Dabei bemerkt der Arbeiter sehr wohl, dass es mehr und mehr von der Gunst abhängt, ob er und seinesgleichen Arbeit finden, dass der Mittelstand und der Kleinhändler von der Großindustrie und dem Großhändler mehr und mehr erdrückt werden, dass aber die Zahl der Millionäre zunimmt und das Kapital durch Beschaffung von Maschinen den Wert der menschlichen Arbeit herabzudrücken vermag. So kann es uns nicht wundern, dass der 13. Arbeiterkongress in Chicago die Delegierten mit folgender satirischen Rede willkommen hieß:

„Wir möchten Sie in einer Stadt des Gedeihens begrüßen, aber wir können es nicht. Die Dinge sind hier, wie sie sind, nicht, wie sie sein sollten. Wir heißen Sie willkommen im Namen von hundert Monopolisten und von fünfzigtausend Bettlern, in einer Stadt, wo der Mammon seine Orgien feiert, indes Tausenden von Müttern das Herz bricht, Tausende von Kindern hungern, Tausende von Männern sich umsonst um Arbeit bemühen. Wir heißen Sie willkommen im Namen von hunderttausend Arbeitslosen, im Namen jener Gebäude, die dem Namen nach zur Ehre Gottes errichtet sind, deren Türen aber nachts verschlossen werden, so dass sie den frierenden Obdachlosen nichts nützen, im Namen der Geistlichen, die sich von den Weinbergen des Herrn sättigen, aber vergessen, dass ihre Mitmenschen hungern und nicht wissen, wo sie ihr Haupt hinlegen sollen, im Namen der Stützen des Schwitz-Systems, der Millionäre und der Pfarrer, deren Seelen wegen ihrer Liebe zum Gold in ernster Gefahr schweben, im Namen der Lohnarbeiter, die Blut schwitzen, das in Dukaten ausgemünzt wird, im Namen der Irren- und Armenhäuser, welche bewohnt sind von Menschen, die von Sorgen in diesem Land des Überflusses bedrückt sind. Wir werden Ihnen diese Nacht in Chicago zeigen, was man sonst nicht sieht. Hunderte von Männern werden auf den bloßen Steinen der Korridore dieses Hauses schlafen, weil sie kein Obdach haben und keine Arbeit, um sich ein solches zu verdienen.

„Es ist Zeit, sich zu sammeln, einer Regierung ein Ende zu machen, die die Rechte der Gesamtheit einigen EisenbahnKön.n, Kohlenbaronen und Spekulanten ausliefert. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Ihre politischen Rechte zu dem Zweck ausnutzen, die ungetreuen Diener des Volkes aus ihrer Machtstellung zu verdrängen; denn sie sind schuld an den bestehenden Verhältnissen.“

Die Hoffnung des Redners, dass ein Personalwechsel in der Regierung diese Übel beseitigen würde, ist natürlich trügerisch. Aber darin wird ihm jeder, der gesunden Menschenverstand hat, beipflichten, dass Verhältnisse, die solche Gegensätze zwischen Reich und Arm schaffen, ungesund sind. Jedermann gibt dies übrigens zu, aber in den Abhilfsmitteln sind sie sich nicht alle einig. Die einen suchen solche in falscher Richtung; viele wollen von Abhilfe erst reden hören, wenn sie die Verhältnisse selbst ausgenutzt haben. In Übereinstimmung damit sagte George E. M. Neill in einer Rede vor dem Weltkongress der Arbeiter:

„Die Arbeiterbewegung ist von Hunger erzeugt, Hunger nach Nahrung, Obdach, Kleidung und Genuss. Das Industriesystem der Gegenwart ruht auf der eisernen Teufelsregel: „Jedermann für sich selbst!“ Ist es so unerklärlich, dass die, welche am meisten unter dieser selbstsüchtigen Regel zu leiden haben, sich zusammentun, um des Teufels Regierungsform zu stürzen?“

Können wir uns über solche Redensarten wundern in einer Zeit, da die Zeitungen sich in Beschreibungen des Luxus ergehen, den die „oberen Zehntausend“ treiben? Es wird gemeldet, dass eine Dame kürzlich bei einem Ball in Paris Diamanten im Werte von 1.600.000 Dollar trug. Weiter hören wir, dass Hundebankette veranstaltet werden, bei denen die Dienerschaft den Tieren Leckerbissen aufwarten muss, dass für ein Dessertservice 5.000 Dollar, zwei rosafarbene Vasen 50.000 Dollar, ein Rassenpferd 350.000 Dollar bezahlt worden seien, dass eine Witwe in Boston 50.000 Dollar für den Sarg ihres Gatten, eine andere Dame 5.000 Dollar für den Sarg ihres Pudels verwendete, dass sich New Yorker Millionäre Privatschiffe bauen für den Preis von 800.000 Dollar.

Muss solches alles nicht in denen, die nicht „Neue Schöpfungen“ sind, die nicht wissen, dass Gottseligkeit mit Genügsamkeit großer Gewinn ist – und derer sind nur wenige – die selber Not leiden und nur gerade ihr Auskommen finden, Neid, Hass und Eifersucht erregen, welche Leidenschaften gerade das Feuer sind, das alle Werke des Fleisches und des Teufels in der kommenden Drangsalszeit verzehren wird?

„Siehe, dies war die Missetat Sodoms, … Hoffart, Fülle von Brot und sorglose Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern, aber die Hand des Elenden und des Armen stärkte sie nicht“ usw. – Hes. 16:49, 50

Der „Christian Advocate“ in Kalifornien sagt über einen der prachtvollsten Bälle in New York folgendes:

„Der verschwenderische Luxus und der blendende Aufwand der reichen Griechen und Röm. aus alter Zeit ist geschichtlich bekannt. Ein gleich toller Aufwand wird jetzt in diesem Land bei der sogenannten modernen Gesellschaft eingeführt. Uns wird erzählt, dass eine Dame in New York 125.000 Dollar für Unterhaltungen ausgab während einer einzigen Saison.Die Art und der Wert dieser Unterhaltungen können von der Tatsche aus beurteilt werden, dass die Dame die Gesellschaft lehrte – wie man römischen Punsch gefrieren lässt in karmesinroten und gelben Tulpen, und wie man Schildkröte mit goldenen Löffeln aus silbernen Baumkähnen isst. Andere Gesellschaftsgeber bedeckten ihre Tafeln mit kostbaren Rosen, und einer von den „Vierhundert“ soll für einen einzigen Unterhaltungsabend 50.000 Dollar ausgegeben haben. So verschwenderische Ausgaben zu so armseligen Zwecken sind sündhaft und schandhaft, ganz einerlei, wie reich man sein mag.“

Der „Messias Herald“ schrieb folgendes:

„Hundertvierundvierzig Geldfürsten hielten einen großen Ball ab. Niemals haben Kön. sie übertroffen. Der Wein floss wie Wasser. Die Pracht verlieh ihren Zauber. Weder Mark Antonius noch Kleopatra entfalteten je einen solchen Glanz. Es war eine Sammlung von Millionären. Der Welt war ihr Reichtum abgezapft worden, und man hatte ihn in Perlen und in Diamanten angelegt. Halsketten, von denen die Edelsteine je 200.000 Dollar und darunter kosteten, waren bei mehr als zwanzig zu sehen. Der Tanz begann mit aladinischer Pracht. Die Freude war unbegrenzt. Zur selben Zeit, sagt uns ein Journalist, irrten hunderttausend Bergarbeiter in Pennsylvanien hungernd auf den Landstraßen umher, wie Vieh nach Futter suchend. Viele von ihnen lebten von Katzen, und viele verübten Selbstmord, um die eigenen Kinder nicht verhungern sehen zu müssen; und doch würde eine einzige Halskette alle diese vom Hunger errettet haben. Es war dies eines der großen Ereignisse im Schoße einer sich christlich nennenden Nation. Welch ein Gegensatz! Und da gibt es keine Abhilfe? So wird es ein, bis er kommt!“

„Bis er kommt?“ Nein, vielmehr gerade in jenen Tagen, da er gekommen sein wird, da er seine Auserwählten sammelt, um sein Reich aufzurichten, dessen Beginn die Zerschmetterung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse in der Zeit der großen Drangsal und allgemeinen Anarchie sein wird. (Offb. 2:26, 27; 19:15) Wie es war in den Tagen Lots, also wird es sein in den Tagen des Menschensohnes; wie es war in den Tagen Noahs, also wird es sein zur Zeit der Gegenwart des Menschensohnes. – Matth. 24:37; Luk. 17:26, 28

Werden die Reichen zu hart beurteilt?

Neulich wurde in der in San Francisco erscheinenden Zeitung „Examiner“ geschrieben:

„Herrn W. K. Vanderbilts große Dampfjacht Valiante traf mit Herrn F. W. Vanderbilts Dampfjacht Conqueror in dem Hafen von New York zusammen. Die Valiante kostete 800.000 Dollar. Dies stellt den Reinertrag von einer Ernte von 15.000.000 Bushel je sechzig Cent Weizen dar, oder den ganzen Ertrag von wenigstens achttausend 160 Morgen Farmen. Mit anderen Worten: Achttausend Farmer, welche vierzigtausend Menschen vertreten, Frauen und Kinder, haben bei Sonne und Wetter gearbeitet, damit Herr Vanderbilt ein solches Vergnügungsfahrzeug erbaut bekäme, wie es kein Monarch in Europa besitzt. Der Bau des Schiffes erforderte die Arbeit von mindestens tausend Handwerkern während eines Jahres. Wenn das Geld, welches sie kostete, unter unsere Arbeiter verteilt worden wäre, so hätte dies einen merklichen Einfluss auf den zeitlichen Zustand in manchen Vierteln gehabt.“

„The Literary Digest“ schrieb:

„Vor einiger Zeit schrieb ein neuenglischer Geistlicher an Herrn Samuel Gompers, den Vorsitzenden des Arbeitervereinigung in Amerika, einen Brief, in welchem er anfragte, weshalb seiner Meinung nach so viele denkende Arbeiter nicht in die Kirche gingen. Herr Gompers antwortete, ein Grund dafür wäre der, dass die Kirchen nicht mehr in Fühlung stehen mit den Wünschen und Bestrebungen der Arbeiter, und dass sie kein Mitgefühl haben mit ihrem Elend und ihren Lasten. Entweder wüssten die Pastoren nicht das Recht und das Unrecht der sich abmühenden Millionen von den Kanzeln zu verkünden, oder sie hätten nicht den Mut dazu. Die Arbeiterorganisationen beschäftigen sich mit der Verbesserung der Verhältnisse, für die die Geistlichen nur ein Stirnrunzeln gehabt hätten. Die Aufmerksamkeit der Arbeiter sei auf die „süße Zukunft“ gelenkt worden, so dass sie die Verhältnisse, die aus der „bitteren Gegenwart“ erwuchsen, übersehen sollten. Die Kirche und die Geistlichen seien die Verteidiger des Unrechts gewesen, welches dem Volke zugefügt wurde, nur weil ihre Stützen die Reichen seien. Als Herr Gompers gefragt wurde, wie er über eine Versöhnung zwischen der Kirche und den Massen denke, antwortete er, diese könne nur auf Grund einer Umkehrung der gegenwärtigen Haltung der Kirche geschehen. „Wer mit der Arbeiterbewegung zu sympathisieren verfehlt“, sagte er, „wer nur mit Behaglichkeit, oder wer gleichgültig über die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse nachdenkt, widersetzt sich nicht nur den besten Interessen des Menschengeschlechtes, sondern er ist auch mitteilhaftig an dem verbrecherischen Unrecht, welches Männern, Frauen und Kindern der heutigen Zeit und den Männern und Frauen der Zukunft zugefügt wird.“

Während wir sehen, dass die allgemeine Meinung die Reichen als Klasse verurteilt, und während wir auch wissen, dass der Herr diese Klasse als ganze verurteilt und ihre Strafe vorhergesagt hat, so ist es doch nur vernünftig, dass Gottes Kinder sich davor hüten, über die einzelnen Reichen ein hartes Urteil zu fällen. Der Herr verfährt sehr streng mit ihnen als Klasse; aber den einzelnen wird er gnädig sein, nachdem er ihre silbernen und goldenen Götzen zertrümmert, ihren Hochmut gebeugt haben wird. Er wird alle diejenigen reich segnen, die ihrer Selbstsucht und ihrem Stolz entsagen. Was uns helfen wird, gerecht und maßvoll zu sein in unserem Urteil, ist die Tatsache, dass nicht nur der als reich gilt, der unermesslich reich ist, sondern bei vielen auch der, welchen die Reichsten als arm betrachten, und dass zu denen, welche in den Augen der Armen reich sind, sehr viele gehören, welche zu den bestgesinnten Leuten gezählt werden müssen, und die ihre Gesinnung auch betätigen. Wenn es auch nicht alle dahin bringt, sich selbst zu opfern, so ist es doch nicht das Recht solcher, die sich auch nicht zum Segen anderer opfern, jene abzuurteilen. Wer es aber zur Selbstaufopferung gebracht hat, weiß, was das bei reich oder bei arm heißen will, und er schätzt schon die ersten Schritte zur Selbstaufopferung hoch.

Man sollte nicht vergessen, dass die Reichen nicht nur, was recht ist, ihrem Vermögen entsprechend Steuern bezahlen und damit öffentliche Einrichtungen unterhalten müssen, die auch den Armen zugute kommen, sondern oft auch die Werke freiwilliger Liebestätigkeit freudig und reichlich bedenken. Wer so handelt aus Liebe und nicht um des Lobes und Ruhmes von Menschen willen, wird seinen Lohn empfangen und hat vollen Anspruch auf die Achtung seiner Mitmenschen.

Man ist allgemein geneigt, über Millionäre abfällig zu urteilen. Unsere Leser möchten wir bitten: „Seid auch ihnen gegenüber liebreich.“ Auch sie sind wie die Armen in dem gegenwärtigen sozialen System gefangen. Sitte und Brauch haben ihnen Herz und Sinne in Fesseln geschlagen. Die falsche Auffassung des Christentums, die Jahrhunderte hindurch bei reich und arm herrschte, beherrscht noch vollständig ihre Denkweise. Sie glauben recht zu handeln, wenn sie es machen wie die anderen, wie diese ihre Zeit und ihre Fähigkeiten für das Geschäft brauchen. Dabei wird ihr Profit größer als der, den der Hände Arbeit einbringt.

Im Besitz des Reichtums halten sie sich für verpflichtet, ihn nicht ganz aufzuhäufen, sondern andere davon profitieren zu lassen, sei es durch Beschäftigung von Arbeitern und Angestellten, sei es durch Vereinigung weniger begüterter Freunde zu allerlei Festlichkeiten. Haben sie hierin so ganz unrecht? Ein Bankett um 12.000 Dollar, eine Jacht um 600.000 Dollar, die sich einer leisten kann, kommt vielen Fleischern, Bäckern, Blumenhändlern, Modisten, Schneiderinnen, Juwelieren, Bauarbeitern, Mechanikern, Tapezierern usw. zugute, und die Bemannung der Jacht selbst versorgt wieder eine Anzahl auf Verdienst angewiesene Leute.

So wie die Dinge jetzt liegen, ist es also für die wenig Bemittelten und Armen vorteilhafter, wenn die Reichen Luxus treiben, als wenn sie geizig wären. Einzig die Liebhaberei für Diamanten verschafft Tausenden ihr täglich Brot, welche sonst arbeitslos darben müssten. Aber sich mit ihren tollen Ausgaben zu rühmen, als wären sie die Betätigung der Nächstenliebe, dazu haben die Reichen ebenso wenig ein Recht wie der Mittelstand, wenn er sogenannte Wohltätigkeitsfeste veranstaltet. Wir wollen dieselben auch nicht gutheißen, sondern nur feststellen, dass diese tollen Ausgaben nicht auf Lieblosigkeit zurückzuführen sind. Sie verstehen es eben nicht besser, und mancher mag denken, dass, wenn er den Gewinn, den er täglich einheimst, verteilen wollte, er gar nicht sicher wäre, dass derselbe zu denen gelangen würde, die es am nötigsten hätten. Diese selber aufsuchen in den elenden Quartieren der Großstädte, dafür ist man zu fein; dafür müsste man Leute haben, und die könnten am Ende einen Teil des für Almosen bestimmten Geldes einstecken! Bevor sie so reich waren, mögen solche sich den Reichtum gewünscht haben, um Gutes zu tun; aber dieser, der Hochmut, die Selbstsucht und gesellschaftliche Vorurteile haben diese edleren Gefühle erstickt, so dass die Frucht ausbleibt.

Soviel nur, um zu zeigen, dass wir die tollen Ausgaben der Reichen, soweit sie auf Selbstsucht beruhen, nicht gutheißen. Auch die Schrift verurteilt dieselben. (Jak. 5:5) Sie sind eine Frage, die viele Seiten hat, und wenn man sie alle in Betracht zieht, so hilft das dazu, sich ein ruhiges und gesundes Urteil zu bilden und Mitleid zu haben mit denen, welche der Gott dieser Welt mit seinen Gütern verblendet hat, bis sie ungerecht wurden, und für welche der Herr so schwere Züchtigungen bereit hat. Der Gott dieser Welt verblendet auch Arme, so dass ihnen üblen Wege als gerecht erscheinen, und so führt es beide Parteien in den großen Kampf.

Wir müssen eben bedenken, dass, wenn wir auch Entschuldigungen finden für die Vereinigung großer Reichtümer in den Händen von wenigen, wenn auch einige unter den Begüterten, namentlich die weniger Reichen, Liebe üben, wenn sie auch ihre Reichtümer nach den gleichen Gesetzen erwerben, wie alle ihre Mitmenschen, wenn auch nicht wenige unter den Armen von Natur weniger freigebig sind und weniger bereit zur Gerechtigkeit als der oder jener Reiche, und vielleicht bei vertauschten Rollen sich ungleich härter erweisen würden, als es jetzt viele Reiche tun, der Herr gleichwohl erklärt, dass er mit den Besitzern von Reichtum deshalb ins Gericht gehen wird, weil sie, nachdem sie eingesehen haben, wohin die Verhältnisse, die sie reich gemacht haben, führten, sich nicht nach Abhilfe auf ihre Kosten umsahen, wie etwa die Beteiligung ihrer Helfer an diesem Verdienst.

Der Gedanke, dass alle gleichmäßigen Anspruch haben auf Erde, Luft und Wasser, und dass, wo der Besitz dieser Elemente in den Händen von wenigen konzentriert ist, die Gesamtheit jedem einzelnen eine Gelegenheit schuldet, sich das Nötige zu verschaffen, ist überaus verbreitet.

Um zu zeigen, wie schnell weite Kreise der Bevölkerung dem Gedanken zuneigen über die Pflicht der gesellschaftlichen Ordnung, die entweder alle Gelegenheiten und Reichtümer, welche die Natur bietet (Erde, Luft und Wasser), allen erschließen oder die bei Monopolisierung derselben dafür sorgen soll, dass sich alle Außenstehenden durch tägliche Arbeit unterhalten können, führen wir folgenden Auszug aus einer Zeitung an:

„Es ist wohl kaum ein mehr rührender Vorfall je gedruckt worden, als der folgende, der von einer Kindergarten-Lehrerin berichtet wurde: „Ein kleines Mädchen, das in dem armseligsten Stadtteil New Yorks einen Kindergarten besucht, kam kürzlich eines Morgens zur Schule, dünn gekleidet und verfroren aussehend. Nachdem es sich ein Weilchen gewärmt hatte, blickte das Kind die Lehrerin an, und es fragte ernstlich: „Lieben Sie Gott?“ – Ja, freilich, antwortete die Lehrerin. – „Nun, ich nicht“, entgegnete das Kind mit Heftigkeit, „ich hasse ihn!“ – Ja, warum denn? – „Weil er den Wind blasen lässt, da ich doch keine warmen Kleider habe; weil er schneien lässt, da meine Schuhe doch Löcher haben; weil er kaltes Wetter schickt, da wir doch zu Hause kein Feuer machen können; weil er uns hungrig macht, da doch Mama kein Brot hat für unser Frühstück.“

In einem Kommentar sagt die Zeitung:

„Wenn wir betrachten, wie überreich Gott die Menschenkinder mit Gütern versorgt hat, so wird es einem, wenn man diese Geschichte gelesen hat, schwer, noch mit Geduld auf die Behaglichkeit der reichen Lästerer zu blicken, die, gleich diesem unschuldigen Kind, die Armut Gott zuschreiben.“

Von den Mammonsanbetern wollen wir hier gar nicht reden; denn Selbstsucht ist der Geist dieser Welt. Wir sehen aber auf die Reichen, welche Christen sein wollen. Auch sie legen weder Reichtum noch Leben nieder auf Gottes Altar zum Dienst an seinem Evangelium oder zur Linderung zeitlicher Not. Freilich, das Evangelium vorab; es hat den ersten Anspruch auf unsere Zeit, Fähigkeiten und Mittel. Wo dieses aber nicht erkannt wird, wo falsche Begriffe ein Herz hindern, sich seiner Leitung ganz zu überlassen, da bleibt immer viel zu tun in Übung der Liebe, wie Temperenz- Sittlichkeitsbewegung, Verbesserung der Wohnungsverhältnisse usw. Aber die Reichen, die sich für dergleichen interessieren, bilden die Ausnahme. Wollten sie alle sich in dieser Richtung betätigen mit Zeit und Geld, mit eigener Kraft und der Hilfe geeigneter Mitarbeiter, wie viel könnte binnen Jahresfrist in dieser Richtung geleistet werden! Die Industrie-„Ringe“, überhaupt alles, was den einzelnen vor der Masse begünstigt, würden fallen, und das Interesse für alle wird dann zuerst kommen anstatt für wenige. Aber es ist Torheit, von den reichen Namenchristen solches zu erwarten; denn sie haben den Geist des wahren Christentums nicht. Sie wollen wohl lieber Christen heißen als Juden oder Heiden, weil der Name „Christ“ jetzt landläufig ist, während es mit Christi wahren Lehren noch nicht anders bestellt ist, als es zur Zeit seiner Kreuzigung der Fall war.

Das stimmt auch überein mit dem Worte Gottes, in welchem wir lesen, dass Gott nur wenige Reiche und Weise zu Erben seines Reiches auserwählt hat, dass seine Wahl vielmehr auf die fällt, welche arm und verachtet sind in den Augen der Welt. „Schwerlich (das heißt mit großer Mühe) wird ein Reicher in das Reich der Himmel eingehen … Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr (Anmerkung: Wenn unter dem „Nadelöhr“ das Tor dieses Namens in Jerusalem gemeint ist, was wahrscheinlich ist, so besagt die Stelle, dass die Reichen, um ins Reich Gottes einzugehen, erst gebeugt und entlastet werden müssen wie die Kamele, die nachts, wenn die anderen Tore verschlossen waren, durch jenes „Nadelöhr“ eingelassen wurden) eingehe, als (dass) ein Reicher in das Reich Gottes (eingehe).“ – Matth. 19:23, 24

Die armen Reichen! Sie gehen schrecklichen Erfahrungen entgegen. Nicht nur wird ihr Reichtum für sie ein Hindernis sein, in Gottes Königreich Ehre und Ruhm zu finden, sondern schon in dieser Weltordnung werden sie bald um ihre Vorteile kommen. „Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommt! … Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen.“ Das Weinen und Heulen der Reichen wird bald vernommen werden. Diese Gewissheit sollte Neid und Begehrlichkeit in allen Herzen vernichten und diese mit Mitgefühl mit den armen Reichen erfüllen, ein Mitgefühl, das freilich die Gerichte Gottes nicht wegwünscht, weil mit ihm die Erkenntnis verbunden ist, dass diese Gerichte die Herzen erneuern, die Augen öffnen werden für alles, was Liebe und Gerechtigkeit heißt, bei reich und arm. Die Reichen werden diese Gerichte schwerer empfinden, weil für sie die Änderung eine viel größere und dazu gewaltsame sein wird.

Warum aber können die Verhältnisse nicht allmählich so geändert werden, dass Güter und Bequemlichkeiten Allgemeingut werden? Weil die Welt nicht vom königlichen Gesetz der Liebe, sondern vom Gesetz der Selbstsucht regiert wird.

Selbstsucht verbunden mit Freiheit

Das Christentum lehrt die Freiheit, und Freiheit führt zur Erwerbung von Kenntnissen. Freiheit aber und Kenntnisse sind eine Gefahr für die Wohlfahrt der Menschheit, solange das göttliche Gesetz der Liebe nicht die Welt regiert. Darum hat denn auch die Namenchristenheit Freiheit und Kenntnisse dazu verwertet, ihre Selbstsucht kräftiger wirken zu lassen. Darum ist denn auch in der Namenchristenheit die Unzufriedenheit am größten, und die übrigen Nationen werden derselben in dem Grade teilhaftig, als sie Freiheit und Bildung der Namenchristenheit ohne den Geist Christi, den Geist der Liebe sich aneignen.

Das Alte und das Neue Testament begünstigen den Geist der Freiheit, aber nicht direkt, sondern indirekt. Das Gesetz verpflichtete die Knechte zum Gehorsam, drohte aber den Meistern mit der Strafe Gottes, wenn sie sich als ungerechte Herren erweisen würden. Das Neue Testament tut desgleichen. (Kol. 3:22-25; 4:1) Aber die Schrift versichert allen, dass, wenn die Menschen auch jetzt nach materiellen und geistigen Gaben verschieden sind, Gott eine vollständige Wiederherstellung aller, der Reichen und Armen, der Knechte und Freien, der Weisen und Unweisen auf gemeinsamer Stufe vorhat.

Es ist daher kein Wunder, dass die Juden ein freiheitsliebendes Volk, eine widerspenstige Nation, waren und die Fremdherrschaft nicht ertrugen, so dass ihre Besieger sich schließlich nicht anders zu helfen wussten, als ihrem Volkstum durch Zerstreuung ein Ende zu machen; kein Wunder, dass auch nichtchristliche Staatsmänner die Bibel als den Grundstein der bürgerlichen Freiheiten bezeichnen, dass mit der Bibel auch die Freiheit, mit dieser aber die Bildung und Kultur verschwindet. So hat auch das Papsttum durch Unterdrückung der Bibel das finstere Mittelalter heraufgeführt. Kaum aber wurde durch die Reformation die Bibel wieder in ihre Rechte eingesetzt, so erstanden Freiheitsliebe, Bildung und Fortschritt unter den Massen. Wo ein Volk die Bibel hat, herrscht Freiheit und Aufklärung, und je freier in einem Land die Bibel ist, um so freier, aufgeklärter, allgemeiner gebildet und allen Fortschritten zugänglicher ist das Volk.

Aber die Namenchristenheit hat eben, wie oben bemerkt, nur die Freiheit und die Aufklärung der Bibel sich angeeignet, das Gesetz der Liebe, der rechten Freiheit (Jak. 1:25) aber beiseite gelassen. Denkende Menschen haben jetzt eben erkannt, dass Freiheit und Bildung, wenn von der Liebe geleitet und beherrscht, viel Gutes, wenn aber im Dienste der Selbstsucht ausgenützt, unendlich viel Böses stiften. Dieses Böse ist nun gestiftet und bereitet die Elemente vor für das „Feuer“ des Tages der Rache und der Vergeltung.

In der Chemie vermag eine Verschiebung des Verhältnisses unter den verschiedenen verbundenen Elementen, die eine nützliche Zusammensetzung ausmachen, diese zu einem Gift zu machen. Gerade so ist es mit den Segnungen der Freiheit und Bildung, wenn sich Selbstsucht damit verbindet. Bis zu einem gewissen Grade hat diese Verbindung der Menschheit nicht zu unterschätzende Vorteile gebracht. Aber die plötzliche Steigerung der Kenntnisse hat nun nicht der Wissenschaft, sondern der Selbstsucht auf den Herrscherthron hinaufgeholfen. Sie ist König, und Freiheit und Bildung sind ihre Diener. Mit ihnen beherrscht sie die Welt und bringt sie dabei in Gegensatz zur Gerechtigkeit und Friedsamkeit. Die Wissenschaft dient vorab dem eigenen Interesse, und die Freiheit wird zur Ungebundenheit, die über die Rechte und Freiheiten der anderen hinwegsieht. So bilden denn heutzutage Selbstsucht, Freiheit und Wissenschaft ein Triumvirat böser Mächte, unter deren Herrschaft die Namenchristenheit seufzt. Jetzt sind die Reichen und Maßgebenden seine Werkzeuge; aber seine Herrschaft wird nicht weniger drückend sein, wenn er die besitzlosen Massen als seine Werkzeuge braucht.

In den zivilisierten Ländern beherrscht er eben jeden einzelnen, ob reich, ob arm, gelehrt oder unwissend, klug oder töricht, Mann oder Weib, in allem, was er in diesem Leben tut. Er zeugt in allen seinen Untertanen eine leidenschaftliche Begierde nach Macht, Profit und Verbesserung der Stellung. Die wenigen Heiligen, die nur das gegenwärtige und zukünftige Gute für ihren Nächsten wünschen, bilden eine so verschwindende Minderheit, dass sie als handelnder Faktor in der Gegenwart kaum gezählt werden können. Sie werden auch das Gute, das sie tun möchten, nicht tun können, bevor ihr Herr und Meister sie erhöht und ihnen die Macht verliehen hat, die Welt als Gottes Königreich zu segnen. Solange sie im Fleische sind, werden sie stets zu wachen und zu beten haben, damit nicht ihre höhere Bildung und Freiheit unter die Herrschaft der Selbstsucht geraten und ihnen dadurch verderblich werden.

Wie reich und arm Unabhängigkeit versteht

Die Massen sind genau genommen erst vor nicht sehr langer Zeit zur Freiheit gelangt. Bildung hat die persönlichen und politischen Fesseln gesprengt; politische Gleichheit wurde nicht freiwillig zuerkannt, sondern von den Massen Zoll um Zoll erstritten. Wie früher Privilegien, so scheiden heute Hochmut und Selbstsucht die Menschheit in zwei feindliche Lager, in deren einem für die Erhaltung und Vermehrung von Besitz und Macht, in deren anderem um das Recht auf Arbeit, um einen bescheidenen Anteil an den Bequemlichkeiten modernen Lebens gekämpft wird. (Amos 8:4-8) Unter den Besitzenden denken viele: „Nun, die Massen haben ja Freiheit und den Stimmzettel. Möge es ihnen damit gut gehen! Sie werden bald merken, dass die Begabung im Leben eine große Rolle spielt, und dass dieselbe vorab die Reichen begünstigt. Wenn sie nur ihre Freiheit mit Maß und im Rahmen des Gesetzes gebrauchen, so sind wir einen Teil unserer Verantwortlichkeit los. Ehedem, als die Massen Untertanen waren, hatte jeder Adlige auch für diese zu sorgen, soweit sie seine Untertanen waren. Jetzt sind wir diese Sorge los und sind frei, für unseren eigenen Vorteil zu sorgen. Ihre Freiheit ist für uns ein großer Profit; jeder Herr hat seinen Nutzen von dem Wechsel, und das Volk, nun, es wird eben sein Möglichstes tun, auch seinen Vorteil zu finden wie wir. Die Massen sind nun nicht mehr unsere Schutzbefohlenen, sondern unsere Konkurrenten. Sie werden es dabei nach und nach erfahren, dass politische Gleichheit die Menschen noch nicht gleich macht, und an die Stelle der Erbaristokratie wird eine Aristokratie der Intelligenz und des Reichtums treten.“

In den Massen antworten die Kraftvolleren gedankenlos: „Wir nehmen den Kampf auf; wir sind frei und stark genug, für uns selbst zu sorgen. Wir werden euch den Meister zeigen. Das Leben ist ein Kampf um den Besitz, und wir haben die numerische Übermacht; wir organisieren Arbeitseinstellungen und Boykotts und werden schon unseren Weg gehen!“

Ist die Voraussetzung richtig, dass die Menschen von einander unabhängig sind, und dass jeder für sich allein sorgen darf, ohne sich um die anderen und ihr Wohl zu kümmern, dann ist natürlich das Leben ein Kampf um den Besitz. Die Menschheit macht zur Zeit mit dieser Anschauung bitter ernst. Die Kapitalisten (mit Ausnahmen natürlich) sehen auf das Ihre und zahlen so wenig wie möglich für die Arbeit; die Arbeiter (mit Ausnahmen natürlich) sehen auf das Ihre und verlangen möglichst viel Lohn für ihre Dienste. Wie kann nun eine Klasse dies der anderen zum Vorwurf machen, da sie beide genau aus den gleichen Beweggründen handeln?

Der schöne Brauch, dass Gebildete und Begüterte die Armen zu Hause aufsuchen und ihnen mit Rat und Tat beistehen, ist bei diesem Kriegszustand verschwunden. Jeder sorgt für sich und lässt die anderen für sich sorgen. Das mag bei einigen ganz gut sein und in mancher Hinsicht von Nutzen, aber andere bringt es in bittere Verlegenheit, weil sie die Opfer der Unerfahrenheit, Unvorsichtigkeit, Verschwendungssucht, Gleichgültigkeit, Schwachheit und des Missgeschicks werden und dann der Öffentlichkeit und ihren Anstalten zur Last fallen.

Tatsache ist eben, dass weder Reich noch Arm unabhängig ist. Darum sollten die Menschen sich auch nicht gebärden, als wären sie es. Die Menschheit ist eine Familie. „Gott hat aus einem Blute alle Nationen der Erde gemacht.“ (Apg. 17:26) Wir sind dem Fleische nach alle Brüder, Kinder eines Vaters, Adams, der selbst ein Sohn Gottes war. (Luk. 3:38) Uns allen ist die Erde mit allem, was darinnen ist, zur gemeinsamen Besorgung anvertraut wie ein Lehen. Alle haben somit Anspruch auf diese Gabe Gottes; denn noch „ist die Erde des Herrn und alles, was darinnen ist“. Der Sündenfall und seine Strafe, der Tod, der allmähliche, körperliche, intellektuelle und moralische Verfall hat alle Menschen mehr oder weniger unvollkommen gemacht, so dass jeder des anderen bedarf nach Maßgabe des Grades seiner Unvollkommenheit und daher rührenden körperlichen, intellektuellen und moralischen Abhängigkeit.

Wäre die Liebe die Triebfeder in allen Menschen, so würde ein jeder sich freuen, in seinem Teil mitzuwirken an der Wohlfahrt der Gesamtheit, und allen wäre das Notwendige und einige Bequemlichkeit im Leben gesichert. Dieses setzte ein wenig Sozialismus voraus. Aber Liebe ist eben die Triebfeder nicht, und darum kann ein solcher Zustand jetzt nicht Platz greifen; vielmehr regiert die Selbstsucht fast die ganze Namenchristenheit, und nun reifen ihre Herlinge schnell heran für die große Kelter des Zornes Gottes. – Offb. 14:19, 20

Nur Massenbekehrung oder das Eingreifen einer höheren Macht werden die Welt von der Bahn der Selbstsucht auf den Pfad der Liebe zurückführen. An Massenbekehrungen glaubt heute auch der Hoffnungsvollste nicht mehr; denn die Mission entreißt dem Heidentum nur wenige Hunderte, und die wahren Bekehrungen vom selbstischen Geist der Welt zur liebenden christlichen Gesinnung beziffern sich nicht einmal so hoch. Diese Hoffnung ist daher aufzugeben. So bleibt also nur das Eingreifen einer höheren Macht übrig, und für dieses gerade hat Gott durch das Tausendjährige Reich seines Christus gesorgt. Gott hat eben vorausgesehen, dass tausend Jahre nötig sein würden, um die Selbstsucht auszurotten und die Liebe ihre Stelle ganz ausfüllen zu lassen. Darum hat er sich eine solche Zeit zur Wiederherstellung (Apg. 3:21) vorgenommen. Unterdessen aber sehen die wenigen, die sich nach dieser Herrschaft der Liebe sehnen, völlig ein, dass menschliche Mittel dieselbe nicht herbeizuführen vermögen, weil die Reichen ihren Überfluss nicht freiwillig hergeben wollen, und die Armen ohne den Stachel der bitteren Not oder der Begehrlichkeit nicht einmal ihren Unterhalt verdienen würden.

Warum die jetzigen günstigen Verhältnisse nicht von Dauer sind

Viele möchten sich sagen, nachdem Reich und Arm sechstausend Jahre nebeneinander gelebt haben, sei die Gefahr, dass die Reichen die Armen erdrücken und aushungern, oder die Armen durch Herbeiführung anarchistischer Zustände die Reichen vernichten, heutzutage nicht größer als je zuvor. Aber das ist eine trügerische Hoffnung. Die Verhältnisse sind durchaus andere geworden. Die Massen haben die Vorteile der Kultur und Bildung zu schmecken bekommen und lassen sich dieselben nicht rauben. Der Verdacht allein, dass man etwa beabsichtigen könnte, ihre Kinder derselben zu berauben, würde sie zur Revolution treiben, und gerade die Furcht vor dahin zielenden Versuchen treibt sie zu immer schärferer Opposition.

Aber sind denn solche Versuche überhaupt zu fürchten? Wird nicht vielmehr das Wohlergehen aller immer mehr Steigerung erfahren wie in den letzten 100 oder 50 Jahren?

Wir glauben das nicht, halten vielmehr solche Hoffnungen für trügerisch. Das Gedeihen des nun zu Ende gehenden Jahrhunderts war eine Gott gewollte (Daniel 12:4) Frucht des Erwachens der Völker, der Presse, der Dampfkraft, der Elektrizität, der Maschinen überhaupt.

Die Nachfrage nach Bedürfnis- und Luxusartikeln stieg plötzlich in ungeahnter Weise, so dass ihr die Produktion erst nicht Schritt zu halten vermochte. Als der Bedarf im eigenen Land aber gedeckt war, erwachten andere Nationen aus langem Schlaf und verlangten auch nach ihrem Anteil an den Segnungen des Fortschritts. Eine Zeitlang profitierten alle Klassen, und alle zivilisierten Völker erlangten einen größeren Reichtum und vermehrte Bequemlichkeiten, wie es nie zuvor gewesen war; denn für den Maschinenlauf wurden Former gebraucht, sowie Maschinisten und Zimmerleute; diese bedurften der Hilfe der Holzarbeiter, der Ziegelarbeiter, Schmelzofensetzer und der Heizer; und als die Maschinen fertig waren, brauchten sie viele Kohlen, und so wuchs die Nachfrage nach Bergarbeitern, nach Ingenieuren, Heizern usw. In der ganzen Welt wurden Dampfschiffe und Eisenbahnen gebraucht, und es wurden Tausende von Arbeitern angestellt, welche sie bauten, ausrüsteten und führten. So wurden denn plötzlich allgemein Arbeiter gesucht, und die Nachfrage trieb die Löhne in die Höhe. Indirekt hatten auch noch andere Vorteil davon, denn wie die Arbeiter besser bezahlt wurden, aßen sie bessere Speisen, trugen sie bessere Kleider und wohnten sie in besseren Häusern, die auch behaglicher ausgestattet waren. Die Gutsbesitzer mussten nicht nur mehr Arbeitslohn bezahlen, sie erhielten auch mehr für das, was sie verkauften, und so war es mit allen Erwerbszweigen. Die Gerber, die Schuhmacher, der Strumpfwirker, die Uhrmacher, die Juweliere usw. hatten alle Vorteil, denn je besser die Massen bezahlt wurden, umso mehr konnten sie für Bedarfs- und für Luxusartikel ausgeben. Die, welche einst barfüßig gingen, kauften Schuhe; die früher keine Strümpfe trugen, betrachteten Strümpfe als notwendig, und so gediehen alle Zweige; da alle diese Nachfragen plötzlich aufkamen, war ein schnelles und allgemeines Aufblühen unvermeidlich.

Der Erfindungsgeist wurde durch die beständige Nachfrage angeregt, und er brachte eine Arbeit sparende Maschine nach der anderen hervor, so dass es jetzt in Fabriken, zu Hause oder auf Bauerngütern kaum möglich ist, ohne moderne Maschinen den Lebensunterhalt zu verdienen. Alles dieses, zusammen mit dem später entstandenen Auslandshandel, hat die Lage der Arbeiterklasse beständig verbessert, während die Kaufleute und Fabrikanten der Christenheit fabelhaft reich wurden.

Jetzt aber sind wir am Gipfelpunkt des Gedeihens angelangt. Die Produktion übersteigt vielfach die Nachfrage oder wenigstens die Kaufkraft von vielen. China, Japan und Indien produzieren jetzt selbst mehr als das Doppelte von dem, was sie zuvor in Europa und den Vereinigten Staaten kauften, und die Staaten Südamerikas sind dem Ruin nahe und führen nur wenig mehr ein. Dies muss zu einer Krisis führen und hätte in Europa längst dazu geführt, wenn nicht der dortige Überfluss an Kräften und brach liegenden Kapitalien einen Abfluss nach den Vereinigten Staaten gefunden hätte, wo er nun dieselbe Krisis heraufzubeschwören droht. Dazu haben Kriege die Reihen der Arbeitsbedürftigen gelichtet und durch Zerstörung neue Arbeitsgelegenheiten geschaffen. Und jetzt, seit 25 Jahren, sind die stehenden Armeen große Abnehmer, und sie hinderten Hunderttausende, durch Konkurrenz ihren Brüdern zu schaden.

Sind wir aber am Gipfelpunkt angelangt, so muss ein Niedergang folgen, der, menschlich gesprochen und vom Standpunkt der Weissagung aus betrachtet, zu der großen Krisis der Weltgeschichte führen muss. Die Löhne beginnen trotz aller Anstrengungen, sie zu halten, wieder zu sinken; die Erzeugnisse werden billiger, bringen daher immer weniger ein. Was wird die Folge davon sein, und wie lange werden wir darauf noch warten müssen?

Der Zusammenbruch wird ein gewaltsamer, plötzlicher sein. Wie ein Matrose, der sich langsam zur Mastspitze hinaufgearbeitet hat, plötzlich stürzen kann, wie ein schwerer Gegenstand, der von Maschinen mit Zahnrädern und Flaschenzügen hochgewunden wurde, sich plötzlich losmachen und mit zermalmender Wucht herabstürzen kann, mehr Schaden stiftend, als wenn er nie gehoben worden wäre, so hat die Menschheit, nachdem sie durch die Zahnräder und Hebel der Erfindung und Verbesserung über jeden früheren Höhengrad emporgehoben worden ist, eine Stellung erreicht, wo sie (wegen der Selbstsucht) nicht noch höher steigen kann, wo etwas plötzlich nachgibt. Sie wird einen Augenblick (ein paar Jahre) stillstehen, bis die Zahnräder und Hebel zerbrechen, dann wird sie stürzen und der Zerstörung anheimfallen.

Dass die Befürchtungen, die anfänglich an die Einführung der Maschinen geknüpft wurden, sich nicht sofort erfüllten, hat in manchen den Wahn erzeugt, sie seien kein Feind der menschlichen Arbeit. Die Herstellung der Maschinen machte eben weitere Arme unentbehrlich, so dass diese neue Industrie Beschäftigung für viele schuf. Aber die Zeit wird kommen, da auch diese spärlicher wird. Mag auch die Nachfrage in den letzten 50 Jahren auf das Fünffache gestiegen sein, die Maschinen haben dafür die Produktion verzehnfacht, und von dem Augenblick an, wo die Maschinen den Bedarf ganz decken, werden sie Konkurrenten der Menschen, selbst wenn nicht immer neue entstünden, selbst wenn die Menschheit sich nicht so rasch vermehrte! In diesem Konkurrenzkampf ist der Mensch bald besiegt! Maschinen sind eben Sklaven von Eisen, Stahl und Holz, in die der Dampf oder die Elektrizität Leben bringt. Sie können nicht nur mehr, sondern auch Besseres herstellen als die Menschen. Sie haben kein Gemüt, das Pflege erfordert, keine bösen Neigungen, gegen die man ankämpfen muss, nicht Weib und Kind, für die ihnen die Sorge obliegt. Sie kennen keinen Ehrgeiz; sie bilden keine Vereine und fordern keine Lohnerhöhungen. Sie streiken nicht und leisten Extrastunden ohne Mehrbezahlung. Sie sind deshalb begehrter denn weiße oder schwarze Sklaven, und ihre Besitzer sind recht froh, dass ihre Mitmenschen frei und unabhängig und nicht ihrer Obhut anvertraut sind, so dass sie nicht für sie zu sorgen brauchen.

Die Arbeiter ihrerseits sind auch nicht blind. Sie sehen, wenigstens undeutlich, wohin das gegenwärtige System der Selbstsucht, das sie selber haben heraufführen helfen, und unter dem sie sich jetzt wohl oder übel behelfen müssen, schließlich führen muss. Sie sehen noch nicht, dass es unvermeidlich ist, und dass es sie bald in die entsetzliche Knechtschaft bringen muss, wenn es nicht beseitigt werden kann; aber sie sehen, dass ihr Kampf um einen Platz an der Maschine von Jahr zu Jahr grimmiger wird.

Die Maschinen, ein Faktor bei der Zubereitung für das „Feuer“
Die letzten Jahre nur ein Vorspiel des noch Kommenden

Wir führen einige Artikel an von Leuten, die aufwachen und erkennen, wie es um die Zukunft bestellt ist. Ein unbekannter Schriftsteller sagt:

„Der Glanz der alten Städte-Demokratien Griechenlands, die wie Lichtflecken auf dem dunklen Hintergrund des umgebenden Barbarentums leuchteten, ist letzthin oft die Quelle geworden, aus welcher Verteidiger der verschiedenen Regierungsformen schöpften. Die Gegner der Volksherrschaft haben behauptet, dass die alten Städte überhaupt nicht demokratisch gewesen seien, sondern vielmehr aristokratisch, da sie Sklaven für sich arbeiten ließen, wodurch allein sie Muße fanden, sich mit Politik zu beschäftigen. Jener Anschauung gemäß müsse es eine Klasse geben, welche den Packesel des Gemeinwesens bildet, und eine Politik, welche den Arbeitern einen Anteil am Regieren verleiht, könne nicht von Dauer sein.

„Dieser wohl erdachten Begründung stellte sich Herr Charles H. Loring in seiner Präsidentenansprache an die amerikanische Vereinigung der Maschineningenieure im Jahre 1892 in geistreicher Weise gegenüber. „Die Schande der altertümlichen Zivilisation“, sagte er, „war, dass letztere aller Menschlichkeit bar war. Gerechtigkeit, Wohlwollen und Barmherzigkeit machten sich nur in geringem Maße bemerkbar, um so mehr aber Gewalttätigkeit, Betrügerei und Grausamkeit. Man hätte ja auch nichts Besseres erwarten sollen von einem System, welches auf der schlimmsten Art der Sklaverei fußte, die sich ein Mensch vorstellen kann. Solange die Sklaverei der Ursprung einer Zivilisation war, musste letztere brutal sein, denn der Strom konnte nicht über die Höhe seiner eigenen Quelle ansteigen. Eine solche Zivilisation musste nach raschem Aufstieg zum Höhepunkt wieder verfallen, und die Geschichte zeigt, wenn auch nur unbestimmt, wie sie zurückkehrte zu demselben finsteren Barbarentum, aus welchem sie gekommen war.“

„Auch die moderne Zivilisation hat ihre Sklaven, diese unterscheiden sich aber gewaltig von denen des Altertums. Sie besitzen keine Nerven und kennen keine Ermüdung. Sie brauchen ihre Arbeit nicht zu unterbrechen, und sie leisten weit mehr als menschliche Sklaven. Sie sind nicht nur viel stärker, sondern auch viel billiger. Sie arbeiten unbeschränkt, sie sind für das Feinste wie für das Gröbste gleich gut anwendbar. Sie bringen für den Menschen alles in solchem Übermaße hervor, dass derselbe der schwereren Arbeiten völlig enthoben wird und zum ersten Male erkennt, dass er der Herr der Schöpfung ist. Die Produkte aller großen Künste der Zivilisation, der Gebrauch billiger und schneller Verkehrs- und Transportmittel zu Wasser und zu Lande, die Druckerkunst, die Werkzeuge des Krieges und des Friedens, die Fertigkeiten und Kenntnisse, alles das wird allen möglich und zum Besitztum gemacht durch die Arbeit jenes gehorsamen Sklaven, den wir Dampfmaschine nennen.

„Es ist buchstäblich wahr, dass die modernen Maschinen Sklaven sind, die viele hundertmal soviel Produktionskraft besitzen, als es bei den früheren menschlichen Sklaven der Fall war, und dass wir darum jetzt die materielle Grundlage besitzen für eine Zivilisation, bei welcher die gesamte Bevölkerung jene Klasse ausmachen kann, die genug Muße hat – wie die freien Bürger des alten Athen – eine Klasse von Freien, allerdings nicht, um die Zeit mit lässigem Nichtstun totzuschlagen, sondern um, befreit von den größten Lastarbeiten, sich mit Bequemlichkeit versorgen zu können, mit nicht mehr Arbeit, als es sich vereinbaren lässt mit der Gesundheit und mit der Pflege des Geistes und mit vernünftiger Unterhaltung. Man schätzt, dass in Großbritannien allein die Dampfkraft die Arbeit von 156.000.000 Menschen ersetzt, das ist mehr als fünfmal soviel als es früher in der ganzen zivilisierten Welt gab, Sklaven und Freie zusammengenommen. In den Vereinigten Staaten verrichtet der Dampf die Arbeit von 230.000.000 Menschen, beinahe die ganze arbeitende Bevölkerung der Erde darstellend, und wir ziehen jetzt Wasserfälle zu Elektromotoren heran in einem Maße, das sogar diese Anhäufung bei weitem übertrifft.

„Während wir aber die materielle Grundlage haben für eine solche Zivilisation mit größter Bequemlichkeit, freier Zeit und mit Kenntnissen, haben wir unglücklicherweise noch nicht gelernt, den rechten Gebrauch davon zu machen. Wir verbessern zwar manches, aber wir sind noch immer Bürger, die sich glücklich schätzen, wenn sie Gelegenheit finden, die ganze Zeit, während welcher sie nicht schlafen, mit ermüdender Arbeit zu verbringen – Bürger, die in der politischen Anschauung jedem anderen ebenbürtig sind, um die Politik der Regierung zu entscheiden zu können, die aber nicht Zeit haben, weiter zu denken als bis zur nächsten Mahlzeit.

„Die Wissenschaft, besonders die physikalische, hat uns gelehrt, wie wir die größte, die glänzendste, die glücklichste und die dauerndste Zivilisation errichten können, welche die Geschichte kennt. Der sozialen Wissenschaft bleibt es überlassen, uns zu lehren, wie wir alles Erworbene gebrauchen müssen. Jeder Versuch, welcher in dieser Hinsicht gemacht wird, ist von Wert, mag er nun gelingen oder fehlschlagen. In der Chemie werden tausend fruchtlose Experimente gemacht, ehe eines zu einer Erfindung führt.“

Der „Schwarze Diamant“, eine Kohlenhändler-Zeitung in Amerika, schreibt folgendes:

„Ein Umstand, der den Kohlenbohrmaschinen besondere Bedeutung verleiht, ist der, dass die Maschine beständig arbeiten kann. Die Aussichten auf Streiks sind daher weit geringer geworden, und es ist bemerkenswert, dass in der letzten Zeit auf Streiks gewöhnlich eine Ausdehnung der Anwendung von Maschinen stattgefunden hat. Die Anwendung der mechanischen Mittel wird die Streiks noch fast unmöglich machen. Die Elektrizität befindet sich noch in den Kinderschuhen; wo sie aber erst das Feld erobert, bleibt sie für dauernd, und die Kohlenbergarbeiter werden sich bald der ernsten Tatsache gegenüber sehen, dass dort, wo jetzt Tausende beschäftigt sind, Hunderte mit Hilfe der elektrischen Bohrer dieselbe Arbeit leisten werden.“

Die „Olyphante Gazette“ schreibt:

„Die wunderbaren Errungenschaften und die unzähligen Vermächtnisse dieses erfindungsreichen Zeitalters treiben immer schneller menschliche Arbeitskräfte aus vielen Teilen der Industrie, und Tausende von Arbeitern, die noch vor einigen Jahren lohnende Beschäftigung fanden, suchen jetzt vergeblich nach Arbeit. Wo Hunderte in einer Fabrik beschäftigt waren, werden jetzt etliche zwanzig mit Hilfe von Maschinen weit mehr vollbringen. Die Setzmaschinen haben Tausende von Setzern ihrer Beschäftigung beraubt, denn die Maschinen arbeiten schneller, mit weniger Unkosten und befriedigender.

„Es ist vorauszusehen, dass in wenigen Jahren die Kohlen zum größten Teil mit elektrischen Maschinen befördert werden, und dass dann die Menschen nur noch letztere zu beaufsichtigen brauchen.“

Eine andere Zeitung schreibt folgendes:

„Ein Arbeiter und zwei Lehrlinge verrichten jetzt die Arbeit, die vor wenigen Jahren 1.100 Spinner beschäftigte. Ein Mann leistet in der Weberei soviel, als zur Zeit seiner Großväter fünfzig leisteten. Jede Kattunmaschine hat 1.500 Arbeiter überflüssig gemacht, jede Nagelmaschine deren tausend, jede mechanische Töpferei ebenfalls tausend. Beim Laden und Ausladen der Schiffe verrichtet ein Mann jetzt die Arbeit von zwei Tausenden, ein Mann kann Baumwolle beschaffen zur Kleidung von zweihundertundfünfzig, Wolle für dreihundert, Schuhe für tausend, Brot für zweihundert Personen, und dabei gibt es Tausende, die diese Gegenstände nicht kaufen können. Da muss etwas nicht in Ordnung sein! Das sind anarchistische Zustände, aus denen wir heraus müssen. Aber wo ist der Ausweg?“

„The Topeka State Journal“ schreibt:

„Professor Hertzka, ein österreichischer Wirtschaftspolitiker und Staatsmann, hat gefunden, dass zur Erhaltung der verschiedenen Industriezweige, welche die zweiundzwanzig Millionen Österreicher mit den Bedarfsartikeln des täglichen Lebens versehen, bei den modernen Maschinen die Arbeit von sechshundertundfünfzehntausend Männern genügen würde. Um alle mit Luxusgegenständen zu versorgen, wären nur weitere dreihundertundfünfzehntausend Arbeiter notwendig. Weiter rechnet er aus, dass von der Bevölkerung Österreichs fünf Millionen beiderlei Geschlechts, im Alter von 16-50 Jahren, arbeiten. Seine Berechnungen führten ihn zu der Behauptung, dass, wenn alle diese Arbeiter mit modernen Maschinen und Arbeitsmethoden ausgerüstet wären, die ganze Bevölkerung mit Bedarfs- und Luxusartikeln versorgt werden könnte, ohne dass jemand bei den jetzt üblichen Arbeitsstunden länger als siebenunddreißig Tage im Jahre zu arbeiten brauchte. Wenn die Arbeiter es dann vorziehen würden, dreihundert Tage vom Jahr zu arbeiten, so würden sie täglich nicht länger als eine Stunde und zwanzig Minuten zu arbeiten brauchen.

„Professor Hertzkas Zahlen sind, wenn sie stimmen, mit mehr oder weniger Abänderung für jedes Land anwendbar, einschließlich auch für Amerika. In Kalifornien arbeitet eine Dampferntemaschine, welche bei Beaufsichtigung von drei Männern täglich neunzig Morgen Landes mäht und bindet. Ein Bäcker in Brooklyn beschäftigt 350 Männer und stellt täglich 70.000 Brote her, das sind 200 auf einen Angestellten. Mit der McKay-Maschine vermag ein Mann in derselben Zeit dreihundert Paar Schuhe herzustellen, in welcher ein anderer mit der Hand fünf Paar herstellen würde. In einer Fabrik für landwirtschaftliche Geräte verrichten jetzt fünfhundert Menschen dasselbe, was früher 2.500 getan hätten.

„Vor 1879 musste man siebzehn geschickte Arbeiter anstellen, wenn man wöchentlich fünfhundert Dutzend Besen fertig stellen wollte. Jetzt verfertigen neun Männer 1.200 Dutzend in derselben Zeit. Ein Mann stellt täglich 2.500 Zweipfund-Blechbüchsen her. Eine Uhrenfabrik in New York verfertigt täglich über 1.400 Uhren, jährlich 511.000, oder im Durchschnitt zwei oder drei Uhren in der Minute. In einer Schneiderei kann ein Mann mit Hilfe der Elektrizität täglich fünfhundert Kleider herstellen. In den Stahlwerken von Carnegie verrichten acht Mann mit Hilfe der Elektrizität die Arbeit von dreihundert. Eine Streichholzmaschine, die ein Junge beaufsichtigen kann, stellt täglich zehn Millionen Hölzer her. Der neueste Webstuhl kann ohne Beaufsichtigung während der Mittagspause 1 1/2 Stunden lang nach Beendigung der Arbeitszeit arbeiten, da das Weben automatisch vor sich geht.

„Hier haben wir das Problem des Zeitalters, welches noch seiner Lösung wartet. Wie können wir unsere Kräfte und unsere Bedürfnisse so verbinden, dass keine Energie vergeudet wird und kein Mangel entsteht? Es ist klar, dass es bei der Lösung dieses Problems keine überanstrengten Arbeiter mehr geben kann, keine Armut, keinen Hunger, keine Entbehrung, keine Landstreicher. Es sind schon viele Lösungen ausgedacht worden, aber es scheint sich darunter keine einzige zu finden, die anwendbar wäre, ohne dass jemand wirklich oder scheinbar Unrecht getan würde. Der Mann, der das Volk in dieser Hinsicht zum Lichte führen wird, wird der größte Held und der größte Wohltäter seines Geschlechtes sein, von dem die Geschichte je gehört hat.“

Die Frauenarbeit

Im Jahre 1880 wies die Volkszählung in den Vereinigten Staaten 2.477.157 Frauen in Lohnarbeit auf, im Jahre 1890 waren es schon 3.914.711; jetzt (1897) dürften fünf Millionen schon stark überschritten sein. Nun wird auch dieser Verdienst von der Maschine bedroht. So hat zum Beispiel eine Kaffeerösterei in Pittsburgh durch Aufstellung von zwei Packmaschinen von 56 Arbeiterinnen 52 überflüssig gemacht.

Ja, die Maschine nimmt den Menschen die Arbeit ab, aber jede wertvolle Erfindung vergrößert die Schwierigkeit; denn wer versorgt denn die, welche arbeitslos bleiben müssen?

Vernünftige und unvernünftige Ansichten und Abhilfemittel der Arbeiter

Um dem Sinken der Löhne zu wehren, haben die Arbeiter ihre Vereine gegründet, die viel dazu beigetragen haben, die Selbständigkeit der einzelnen Arbeiter und seine Interessen überhaupt zu schützen. Aber sie haben auch schlimme Früchte gezeitigt. Sie haben die Leute dazu gebracht, nur auf die eigene Kraft zu trauen, statt auf Gott und seinen uns in seinem Wort geoffenbarten Rat. Hätten sie sich nach diesem umgesehen, so hätte ihnen Gott den richtigen Weg gewiesen. Aber sie glaubten eben nicht an Gott, misstrauten ihm wie den Menschen, und gaben sich immer mehr der Unzufriedenheit und Selbstsucht hin. So haben die Vereine die Arbeiter oft zu willkürlichem Handeln veranlasst und ihrer Bewegung die Herzen sonst guter Arbeitgeber entfremdet, jetzt aber die Arbeiter böse Erfahrungen mit den Vereinen machen lassen.

Die Arbeiter haben ganz recht, wenn sie verlangen, dass die Segnungen und Bequemlichkeiten der Gegenwart allen gleichmäßig zugute kommen sollten, nicht nur denen, die reich genug sind, um sich in den Besitz von Land und Maschinen zu setzen und davon zu profitieren. Sie sind der Meinung, dass diese den Profit nicht allein einstecken, sondern mit ihnen teilen sollten. Dies gebietet die Nächstenliebe; darum zitieren sie auch oft die Worte des Herrn.

Aber sie scheinen zu vergessen, dass sie wohl von den Reichen verlangen, dass sie sich dem Gebot der Nächstenliebe unterwerfen, während sie selbst unter der Herrschaft der Selbstsucht bleiben wollen. Ist es vernünftig, von anderen zu verlangen, was man selber den anderen nicht tun will? Sicherlich nicht! Gewöhnlich sind die lautesten Schreier um das Gut der anderen am wenigsten geneigt, andere an dem teilnehmen zu lassen, dessen sie sich selbst schon etwa erfreuen.

Ein anderer Nachteil, den die Selbstsucht hat, ist, dass die Mehrheit unter den wenigen, welche ein gesundes Urteil haben, von ihren eigenen Geschäften voll und ganz in Anspruch genommen wird, so dass die Arbeiter vielfach die Opfer mittelmäßiger oder schlechter Ratgeber werden. Gute Ratschläge würden überdies kaum mehr Anklang finden. Die Arbeiter sind misstrauisch geworden und halten gute Ratgeber für Spione und Kundschafter der Arbeitgeber und ihrer Partei. Die Mehrzahl der Arbeiter ist unverständig und fällt daher den gewissenlosen Ausbeutern zu, welche ihre Unwissenheit ausnützen und sich für angebliche Dienste sehr gut bezahlen lassen.

Es ist sicher, ob nun wegen der Unwissenheit oder Urteilslosigkeit, dass mehr als die Hälfte der den Arbeitern erteilten und von ihnen befolgten Ratschläge gerade zu ihrem Schaden ausgeschlagen haben. Zum großen Teil kommt das freilich daher, dass sie „Fleisch für ihren Arm halten“, dass sie sich auf ihre Zahl, ihren Mut verlassen und die Weisheit von oben verschmähen, welche „aufs erste rein ist, sodann friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt.“ Folglich haben sie nicht „einen Geist (Gesinnung) … des gesunden Sinnes.“ – Jak. 3:17; 2. Tim. 1:7

Sie denken, mit Vereinen, Streiks, Boykottierungen usw. den Preis der Arbeit auf einzelnen Gebieten zwei- oder dreimal so hoch festhalten zu können als auf anderen Gebieten, und bemerken dabei nicht, dass heutzutage eine Arbeit viel rascher gelernt wird als früher, dass Schule und Presse jedem Kenntnisse vermitteln, die die Massen befähigen zu erlernen, was früher nur einzelne konnten, dass das Massenarbeitsangebot, nachdem es auf einem Gebiet die Löhne auf das Niveau des Notwendigen heruntergedrückt, sich auf noch „gute“ Gebiete wirft und diese damit ebenfalls ruiniert. Dann müssen Massen von Männern entweder müßig sein und hungern und ihre Familien darben lassen, oder Arbeit um die Hälfte oder ein Drittel des früher erzielten Lohnes annehmen.

Die Vereine haben, solange die Nachfrage das Angebot überstieg, ihren Mitgliedern vielen Nutzen gebracht, indem sie gute Löhne, mäßige Arbeitszeit und Abwehr der gesundheitsschädlichen Einflüsse erzielten; aber gegen das eiserne Gesetz von Angebot und Nachfrage vermögen sie gar nichts. Die Arbeiter haben nur von einer Seite Hilfe zu erwarten, von Gott, und nicht von Fleisch und Blut.

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage lastet auf allen

Das „Geschäft“ beruht heutzutage, ob von reich oder arm, groß oder klein betrieben, auf Lieblosigkeit, Selbstsucht, Profitmacherei. Die Ware und die Arbeit wird so teuer als möglich verkauft; ihr wahrer Wert kommt meistens nicht in Frage, es sei denn etwa Eigennutz im Spiele.

An den Wirkungen von Angebot und Nachfrage kann niemand etwas ändern; unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen werden alle davon betroffen. Wenn ein Farmer sich in den Kopf setzen würde, seinen Weizen nicht unter 1 Dollar per Bushel (ca. 1/2 hl.) zu verkaufen, was wäre die Folge? Sein Weizen würde schlecht, seine Familie hätte kein Geld für Kleider, seine Knechte keinen Lohn, sein Gläubiger keinen Zins, und dieser würde ihm Haus, Feld und Weizen verkaufen, um sein Geld zu erhalten.

Wenn ein Farmer sich vornehmen würde, seine Knechte statt zwölf Stunden täglich um monatlich 30 Dollar nur acht Stunden täglich um monatlich 60 Dollar arbeiten zu lassen wie die Arbeiter in den Städten, so wäre er bald tief verschuldet. Ja, wenn alle Farmer so handeln und ihr Getreide nicht anders als teuer verkaufen wollten, so würden sie ihre Scheunen nicht leeren können, und Russland, Indien und Südamerika würden in der Union billiges Getreide verkaufen.

Die große Kapitalbedürftigkeit der Union zur Zeit des Eisenbahnbaues und beim Beginn des Maschinenbetriebes in der Industrie verschaffte vielen Millionen in Europa nutzbringende Anlagen, und diese Millionen schufen die Blüte der Union. Aber ihre Blütezeit ist vorbei, sie steigt langsam herab, und nichts als ein Krieg oder andere schwere Unglücksfälle können der Industrie wieder aufhelfen, indem sie den friedlichen Nationen viel Arbeit verschaffen. So hat zum Beispiel der japanisch-chinesische Krieg die beiden Staaten zu großen Abnehmern von Kriegsmaterial gemacht, und jetzt verwendet Japan die chinesische Kriegsentschädigung zum Bau großer Kriegsschiffe, was die anderen Mächte veranlasst, ebenfalls ihre Flotten zu vermehren. Das gibt Arbeit und Verdienst, und so sehr wir den Krieg verabscheuen, wir sehen diese Rüstungen lieber als den Arbeitsmangel, der Menschen aushungert. Die Schulden der Welt mögen nur Anleihepapiere werden; sie werden in der kommenden Drangsal gerade so viel wert sein als Gold und Silber. – Hes. 7:19; Zeph. 1:18

Viele sehen ein, dass die Konkurrenz eine Gefahr ist; darum hat auch die Union der Einwanderung der Chinesen oder analphabetischer Europäer einen Riegel vorgeschoben. Sie möchte damit verhindern, die Löhne auf das europäische oder asiatische Niveau herunterzudrücken.

Andere meinen, man könnte die Fabrikanten durch Gesetze zwingen, die Löhne so hoch zu bemessen, dass sie nur noch einen kleinen Gewinn machen würden. Diese vergessen aber, dass sich das Kapital zurückziehen würde, sobald der Profit ausbliebe, und Unternehmungen suchen würde, bei denen weniger Lohn bezahlt werden müsste.

Wie wird es in 15 Jahren sein, wenn es so weitergeht, dass das Arbeitsangebot sich immer dahin wendet, wo die Löhne am besten sind, indes das Kapital sich gerade von da zurückzieht, weil es nicht genügend Vorteil haben würde! Der Maschinenbetrieb hat ihm freilich bis jetzt genützt, aber die Überproduktion muss kommen und die Preise hinunterdrücken. Dagegen sind auf die Länge selbst die Trusts machtlos, und die Staaten werden nicht immer Monopole bewilligen.

Der drohende Wettbewerb ausländischer Industrie

Aber eben an diesem Zeitpunkt eröffnet sich ein neues Feld für Unternehmung und Kapital, nicht aber für die Arbeit. Japan und China wachen vom Schlaf der Jahrhunderte auf zur westlichen Zivilisation. Sie lernen Dampfkraft, Elektrizität, Maschinen und sonstige Erfindungen kennen. Wir sollten uns dessen erinnern, dass die Bevölkerung Japans ungefähr der Großbritanniens gleichkommt, während die Bevölkerung Chinas die der Vereinigten Staaten um mehr als das Fünffache übertrifft. Lasst uns aber dessen eingedenk sein, dass diese Millionen keine Wilden sind, sondern lesen und schreiben können. Ihre Zivilisation ist, wenn auch ganz anders, so doch viel älter als unsere. Sie waren schon zivilisiert, sie stellten schon chinesische Waren und Seide her, als in Großbritannien noch Wilde wohnten. Wir brauchen uns daher nicht zu verwundern, dass das Kapital in China Anlage sucht, und besonders in Japan, indem es dort Eisenbahnen baut, Maschinen einführt und große Fabrikanlagen errichtet, um so die geschickten, fleißigen, gehorsamen und genügsamen Kräfte auszunutzen.

Das Kapital erblickt großen Gewinn in einem Land, in welchem die Arbeit zu einem Preis von 6-15 Cent für den Tag vergeben werden kann, der nicht mit Murren, sondern mit Dankbarkeit angenommen wird. Beträchtliche Summen sind bereits nach Japan geflossen, und noch weitere werden nach China fließen. Wer könnte nicht sehen, dass es nicht länger dauern wird als fünfzehn Jahre, bis die ganze produzierende Welt in Wettbewerb getreten ist mit diesen geschickten und lernbegierigen Millionen? Wenn die gegenwärtigen Löhne in Europa als ungenügend betrachtet werden, und wenn wir sie im Vergleich zu den früheren (im Verhältnis zu Europa und Asien) freigebigen Löhnen als „Hungerlöhne“ betrachten (obgleich sie noch doppelt so hoch sind als in Europa und Asien), welches würde dann erst die beweinenswerte Lage der Arbeit in der ganzen zivilisierten Welt sein, wenn Erfindung und Bau von arbeitsparenden Maschinen noch dreißig Jahre weitergehen, und wenn die Arbeit der ganzen Welt mit der billigen Arbeit des Ostens in Wettbewerb getreten sein wird? Es würde nicht nur bedeuten, dass dann für den Tag 15 Cent bezahlt werden, sondern auch, dass sich sechs Mann für dieses armselige Bisschen um jeden kleinen Posten reißen würden. Die Zeitungen veröffentlichten neulich, dass eine Baumwoll-Spinnerei von Connecticut nach Japan verlegt wurde, und wir müssen erwarten, dass binnen kurzem andere folgen werden, um sich billigere Arbeitskräfte zu sichern und dementsprechend umso größeren Verdienst zu haben.

Diese „gelbe Gefahr“ ist es auch, auf welche der deutsche Kaiser mit einem Bild für den Zaren anspielte. Die europäischen Mächte stehen, als bewaffnete Frauen, auf einer Bergeshöhe im Schein eines am Himmel über ihnen leuchtenden Kreuzes, mit dem Blick der Hand des Engels Michael folgend, die nach einem schwarzen Gewölk weist, das in China aufsteigt, und aus dem bereits Blitze zucken. Darunter die Aufschrift: „Europa, hüte deine heiligsten Güter!“(Anmerkung: So lautet die Aufschrift. Auch ist der Feind, den der Kaiser fürchtet, der Buddhismus, das heißt der Abfall vom Christentum, der die Massen aufrührerisch machen werde. Das Bild ist eine Aufforderung, das Volk durch die „christliche Lehre“ niederzuhalten)

Der gelbe Mann mit dem weißen Geld

Der folgende Artikel ist dem „Journal of the Imperial Colonial Institute“ entnommen. Er ist geschrieben von Herrn Whitehead, einem Mitglied des Rates der Gesetzgebung, und daher in jeder Weise zuverlässig. Er lautet wie folgt:

„Der Bau der Spinnereien und Webereien in China ist erst im Anfang begriffen. Am Jangtse-Strom und in der Umgegend von Schanghai arbeiten bereits gegen fünf Webereien, und andere sind im Entstehen begriffen. Man schätzt, dass sie gegen 200.000 Spindeln umfassen werden, und manche haben die Arbeit bereits begonnen. Das angelegte Kapital ist ausschließlich inländisches, und wenn in jenen Gebieten der Frieden wiederhergestellt sein wird, während in unserem Land das alte Geldsystem fortbesteht, dann ist der Ausbreitung und der Entwicklung der Industrie in den orientalischen Ländern wirklich keine Schranke gesetzt.“

Unsere Aufmerksamkeit wird auf denselben Gegenstand gelenkt durch eine Mitteilung des Generalkonsuls Jernigau, Schanghai, demzufolge seit 1890 in Schanghai Baumwollspinnereien mit großem Erfolg eingeführt werden. Eine Baumwoll-Seiden-Öl-Plantage ist in Aussicht genommen, und da der Boden in China für Baumwollkultur geeignet ist, so ist dieselbe angesichts der billigen Arbeitskraft fast unbeschränkt. „Es kann darüber keinen Zweifel geben“, sagt Herr Jernigau, „dass China bald zu den größten Baumwolländern der Welt zählen wird.“

Herr Whitehead spricht über den letzten Krieg zwischen China und Japan, und er erklärt, dass in demselben Chinas Haupthoffnung auf das Wideraufblühen der chinesischen Industrie liegt. Er fährt fort:

„Der Ausgang des Krieges könnte das Volk aus der Bevormundung der Mandarinen erlösen. Es ist bekannt, dass die chinesischen Mineralien und andere chinesische Quellen ungeheuer reich sind, dazu hat China Millionen Morgen Landes, welches sich zum Baumwollbau eignet. Zwar hat die chinesische Baumwolle nur kurze Fäden, aber sie eignet sich zur Vermischung mit anderen Arten. Schon im Jahre 1893 wurden im Schanghai-Strom nicht weniger als fünf Ozeandampfer mit Baumwolle beladen, welche in Japan zu Garn und Tuch verarbeitet wird. Jetzt beziehen die Japaner die Baumwolle für ihre Spinnereien noch direkt von Amerika oder sonst woher. Es ist unmöglich, sich alle Folgen auszumalen, die entstehen werden, wenn China mit seinen dreihundert Millionen arbeitsamen Einwohnern sein Innenland erschließen wird durch den Bau von Eisenbahnen, durch seine inneren Wasserwege, die sich zum Dampfschiffverkehr eignen, und durch seine fast unerschöpflichen Quellen. Es würde praktisch genommen die Entdeckung einer neuen, mit einer fleißigen Rasse dicht bevölkerten Halbkugel bedeuten, die in Landwirtschaft, an Mineralien usw. überreich ist. Die Erschließung Chinas, auf die wir vernünftigerweise schon warten können, wird aber weit davon entfernt sein, einen Segen für die englischen Fabrikanten zu bedeuten, wenn nicht irgendwelche Änderung vorgenommen wird. Unserer finanziellen Lage angemessen wird das Reich der Mitte, welches so viele unserer industriellen Siege geschaut hat, das Feld sein, auf dem wir unsere größte Niederlage erleiden.“

Herr Whitehead beurteilt die Frage nur von dem Standpunkt des Kapitals aus, wenn er von einer „Niederlage“ spricht. Am schwersten wird die Niederlage die Arbeiter Englands treffen. Im Hinblick auf Japan fährt er fort, wie folgt:

„Die Umgebung von Osaka und Kioto bieten jetzt den überraschenden Anblick industrieller Tätigkeit. In ganz kurzer Zeit sind mit inländischem Kapital nicht weniger als 59 Spinnereien und Webereien entstanden, dessen erste mit 770.874 Spindeln arbeiten und jährlich 500.000 Ballen Garn im Wert von 160 Millionen Mark herstellen. Binnen kurzem werden sich alle Zweige der Industrie in Japan entwickelt haben, nicht nur die Baumwollindustrie. Schon jetzt braucht Japan die Konkurrenz Englands nicht mehr zu fürchten.“

Herr Whitehead zeigt, dass die Kapitalisten in Europa und in den Vereinigten Staaten den Vorteil Chinas und Japans noch nahezu verdoppelt haben, indem sie nämlich das Silber entwerteten, um dadurch den Wert des Goldes um fast das Doppelte zu erhöhen. Er sagte:

„Das Silber hat im Orient noch dieselbe Kaufkraft wie vor dreißig bis vierzig Jahren. Die Unzulänglichkeit unseres Finanzsystems ermöglicht es daher den Ländern des Ostens, für einen gegebenen Goldbetrag wenigstens hundert Prozent Arbeiter mehr zu löhnen als vor fünfundzwanzig Jahren. Um diese bedeutungsvolle Behauptung klarzulegen, will ich ein Beispiel anführen. Im Jahre 1870 waren zehn Rupien gleich einem Sovereign bei gleichem Wert von Gold und Silber, und man bezahlte damit zwanzig Arbeiter für einen Tag. Heute sind zwanzig (Silber)-Rupien gleich einem (Gold)-Sovereign, so dass mit zwanzig Rupien im Verhältnis zu früher vierzig Mann für die Arbeit eines Tages bezahlt werden können. Dagegen wird die britische Arbeit nicht ankämpfen können.

„Im Orient wird man mit Silber also noch dieselbe Arbeit bezahlen können wie früher. Dort, wo man aber jetzt die Goldwährung eingeführt hat, ist das Silber nur noch halb soviel wert als das Gold, während früher die beiden Metalle gleichwertig waren. Eine gewisse Arbeit hätte zum Beispiel in England vor zwanzig Jahren mit – sagen wir – acht Schilling bezahlt werden können. Mit acht Schilling wird in England heute nicht mehr Arbeit bezahlt als früher, da die Löhne sich wenig verändert haben, und durch unser Gesetz haben sie noch genau denselben Geldwert wie früher, obgleich ihr metallischer Wert durch die Anerkennung des Goldes auf ungefähr die Hälfte herabgesunken ist. Die zwei Dollarstücke gelten als Arbeitslohn ebensoviel wie früher, zu dem gegenwärtigen Preis des Goldes sind sie aber nur soviel wert wie vier Schilling (früher wie acht). Aus diesem Grund kann man in Asien für vier Schilling unseres Geldes oder für den Gleichwert derselben in Silbermetall die gleiche Arbeit verlangen wie vor zwanzig Jahren für acht Schilling oder deren Gleichwert in Silbermetall. Der Preis der orientalischen Arbeit ist auf diese Weise um mehr als fünfzig Prozent herabgesetzt worden, darum werden die orientalischen Fabrikate und Waren um 50 Prozent billiger sein können als in Goldwährungsländern. Wenn daher entweder unser Finanzgesetz nicht geändert wird, oder wenn die britischen Arbeiter nicht bereit sind, sich große Lohnherabsetzungen gefallen zu lassen, so müssen die britische Industrie und der britische Handel unbedingt in England lahmgelegt werden, weil die Erzeugnisse durch die Einrichtung von Industrie in Silberwährungsländern beiseite gesetzt werden.“

Herr Whitehead würde auch die Wahrheit gesagt haben, wenn er noch hinzugefügt hätte, dass die Silberwährungsländer bald nicht mehr in der Lage sein werden, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken, sondern auch nach den Goldwährungsländern auszuführen. So könnten zum Beispiel die Japaner ihre Waren in England um ein Drittel billiger verkaufen als in Japan, und durch Umwechseln des dadurch erworbenen Goldes in Silber könnten sie einen großen Gewinn mit nach Hause nehmen. So werden die amerikanischen und europäischen Arbeiter nicht nur in Wettbewerb treten müssen mit der billigen, genügsamen und geschickten Arbeit Asiens, sondern sie werden wegen des Währungsunterschiedes dazu noch gewaltig im Nachteil sein.

„The Daily Chronicle“ (London) lenkt in einem Kommentar über die Worte des Herrn Whitehead die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Indien jetzt schon den englischen Baumwollhandel gewaltig vergrößert hat. Es heißt dort:

„Die Worte des Herrn T. H. Whitehead in der gestrigen Abendnummer des Colonial Institute lenkten die Aufmerksamkeit auf einige überraschende Zahlen in Verbindung mit unserem östlichen Handel. Die Tatsache, dass während der letzten vier Jahre unsere Ausfuhr eine Abnahme von 54.000.000 Pfund (engl.) zeigte, widerspricht den Darlegungen des Herrn Whitehead unglücklicherweise durchaus nicht. Die Bilanz der siebenundsechzig Spinnereigesellschaften zeigt einen Verlust von 411.000 Pfund. Im Gegensatz hierzu hat die Ausfuhr indischer Garne und Stückgüter nach Japan in einfach riesigem Maße zugenommen, und die Baumwollspinnereien in Hiogo, Japan, wiesen einen durchschnittlichen Jahresgewinn von siebzehn Prozent auf. Herr Thomas Sutherland sagte, dass die Peninsular and Oriental Company bald auf dem Jangtse Schiffe bauen kann, und Herr Whitehead glaubt, dass orientalische Länder bald als Konkurrenten auf dem Markt erscheinen werden. Aussagen, die wie die erwähnten aus dem Mund von Fachmännern kommen, sollten uns darüber zu denken geben, wie weit wir von den gesuchten Auswegen entfernt sind.“

Eine deutsche Zeitung, das „Berliner Tageblatt,“ betrachtete den Sieg, den die Japaner kürzlich über China davon getragen haben, und ist überrascht über die vorgefundene Intelligenz. Es bezeichnete den Grafen Ito, den japanischen Premierminister als einen zweiten Bismarck, und die Japaner im allgemeinen als sehr zivilisiert. Es schließt mit einer beachtenswerten Bemerkung über den Wirtschaftskrieg, den wir soeben betrachteten, indem es schreibt:

„Der Graf Ito zeigt viel Interesse für die industrielle Entwicklung seines Vaterlandes. Er glaubt, dass die meisten Ausländer die Aussichten, welche Japan in dem internationalen Kampf um wirtschaftliche Überlegenheit hat, unterschätzen. Die japanischen Frauen, meint er, sind den Männern auf jedem Arbeitsfeld ebenbürtig, und sie verdoppeln die Arbeitsfähigkeit des Volkes.“

Der Herausgeber des „Economiste Francais“ Paris, sagt über Japan und die japanischen Verhältnisse folgendes:

„Die Welt ist in ein neues Stadium eingetreten. Die Europäer müssen mit den neuen Faktoren der Zivilisation rechnen. Die Mächte müssen aufhören, gegeneinander zu kämpfen, und sie müssen eine gemeinsame Front bilden, stets eingedenk, dass jene Hunderte von Millionen im fernen Osten von nun an unsere Nebenbuhler sein werden.“

Herr George Jamison, britischer Generalkonsul in Schanghai, sagt, indem er über den orientalischen Wettbewerb schreibt, dass die Entwertung des Silbers, bei der das Gold in zivilisierten Ländern denselben Wert behielt, dazu beiträgt, die Arbeit und den Gewinn des Kapitals herabzudrücken. Seine Worte lauten folgendermaßen:

„Das beständige Steigen des Goldwertes im Vergleich zu dem Wert des Silbers hat alles verändert. Die britischen Waren wurden in der Silberwährung des Orients so teuer, dass der Osten gezwungen wurde, seine Waren selbst herzustellen; der geringere Wert des weißen Metalls ermöglichte es ihm nicht nur, sich selbst völlig zu versorgen, sondern sogar noch auszuführen. Das Steigen des Preises des Goldes hat den Silberpreis der britischen Waren im Osten verdoppelt und ihren Gebrauch fast verboten, im Gegensatz dazu hat das Sinken des Silberwertes den Goldpreis der orientalischen Waren in Goldwährungsländern um fast die Hälfte verringert und die Nachfrage nach diesen Waren beständig vergrößert. Die Bedingungen sind so ungleich, dass es unmöglich scheint, den Kampf noch lange fortzusetzen. Es ist geradeso, als wenn bei einem Wettrennen dem einen Teilnehmer die Hälfte der Distanz erlassen würde.

„Es hat sich in Amerika gezeigt, wie unmöglich es für Europa ist, sich mit dem Orient auf offenem Feld im Wettbewerb zu messen. Durch die billige Arbeit rissen die Chinesen die Arbeit in so einseitiger Weise an sich, dass sie aus dem Land ausgeschlossen werden mussten, sonst wären die europäischen Arbeiter entweder verhungert, oder sie wären ihrerseits vertrieben worden. Die europäischen Länder sind aber nicht so vom Arbeiter bedroht, wie es in Amerika der Fall war (derselbe kannte den Preis der europäischen Arbeit, und er wusste, wie viel er selbst zu verlangen hatte), wohl aber durch die Erzeugnisse der Waren, welche zu orientalischen Löhnen hergestellt wurden. Es wäre außerdem leicht genug, sich zu weigern, einen Orientalen zu beschäftigen, während es schwer ist, die Waren, die er hergestellt hat, abzulehnen, besonders da sie gleich gut und bedeutend billiger sind. Die Versuchung, dieselben zu kaufen, wird um so größer, je weniger Geld der Engländer verdient; um so mehr ist er geneigt, sein eigenes, aber teureres Fabrikat abzulehnen. Länder mit Schutzzoll fahren weit besser. Sie können sich davor schützen, dass ihr Markt mit orientalischen Waren überschwemmt wird, indem sie einen vermehrten Zoll auf dieselben schlagen, aber England mit seinem Freihandelssystem hat keinen Schutz, und die Last der Bürde wird auf den Arbeiter fallen. Der Notstand wird immer ärger. Jeder Pfennig, um den der Wert des Goldes wächst im Vergleich zu dem des Silbers, macht die englischen Waren im Osten um ein Prozent teurer, während jeder Pfennig, um den der Wert des Silbers sinkt, die orientalischen Waren in den Goldwährungsländern um ein Prozent billiger macht. Die neuen Industriezweige wachsen mit Geschwindigkeit in Japan, und was in Japan geschieht, kann und wird auch in China, in Indien und an anderen Orten geschehen. Wenn der Orient erst einmal richtig entwickelt ist, so wird kein Widerstand mehr etwas nützen, und wenn nicht schnellstens Abhilfe gefunden wird in dem Währungssystem der Welt, dann werden die orientalischen Produkte bald die Welt überschwemmen und Tausende und Abertausende in Europa brotlos machen.“

Herr Lefcadio Hearn, der mehrere Jahre lang als Lehrer in Japan gewesen war, weist in einem Artikel des „Atlantic Monthly“ vom Oktober 1895 darauf hin, weshalb die japanische Konkurrenz so scharf sein wird. Er erzählt, dass die Armen nach ihren eigenen Begriffen bequem leben, ohne dass es sie etwas kostet. Eine japanische Stadt besteht aus Häusern, die sich jeder Eigentümer in einem Zeitraum von fünf Tagen mit Lehm, Bambus und Papier aufgebaut hat, und die er immer wieder flickt, da sie nur solange zu halten brauchen, als er selbst darin zu wohnen wünscht. Einige große Festungen ausgenommen, welche zur Zeit des japanischen Lehenwesens von den Adligen gebaut wurden, gibt es überhaupt gar keine größeren Gebäude in Japan. Selbst die modernen Fabriken, wie ausgedehnt ihre Geschäftsbeziehungen oder wie schön und kostbar ihre Erzeugnisse auch sein mögen, sind nichts als niedrige Schuppen. Der Japaner sitzt nirgends fest. Wünscht er aus einer Provinz in die andere zu ziehen, so nimmt er sein Haus auseinander, wandert mit Weib und Kind dahin, ohne dass ihn die Reise, selbst wenn sie ihn 800 Kilometer weit führen würde, mehr als 1,20 Dollar kostet. Für ein paar weitere Cent baut er sich ein neues Haus, und alsbald ist er wieder ein angesehener Staatsbürger. Wir geben im folgenden die eigenen Worte des Herrn Hearn wieder:

„Ganz Japan ist ständig auf diese Weise auf der Wanderschaft, Veränderung ist der japanischen Zivilisation eigen. In dem großen industriellen Wettbewerb ist Bedürfnislosigkeit das Geheimnis der japanischen Kraft. Der Arbeiter verlegt ohne weiteres seine Wohnung dahin, wo er am meisten gesucht ist. Eine Fabrik kann in acht Tagen verlegt werden, die Werkstatt eines Handwerkers in einem halben. Es gibt kein Gepäck zu tragen, es ist praktisch genommen nichts zu bauen, die Ausgaben bei einer Reise betragen nur wenig Kupfergeld.

„Der japanische Mann aus dem Volk, der geschickte Arbeiter, der sich mit jedem westlichen Handwerker desselben Gewerbes mit Leichtigkeit messen kann, braucht weder Schneider noch Schuhmacher. Er ist trotzdem gut beschuht, er hat einen gesunden Körper und einen freien Sinn. Wenn er eine Reise von tausend Kilometern zu machen hat, so kann er seine Vorbereitung hierfür in fünf Minuten treffen. Seine ganze Ausstattung kostet ihn keine 75 Cent, und sein ganzes Gepäck kann er in ein Taschentuch wickeln. Mit 10 Dollar kann er ein ganzes Jahr leben, ohne zu arbeiten, oder er kann auch reisen, auf seine Arbeitsfertigkeit hin oder als Wanderer. Sie mögen vielleicht erwidern, dass jeder Wilde dies auch kann. Gewiss, nicht aber ein zivilisierter Mensch, und der Japaner ist seit wenigstens tausend Jahren ein hoch zivilisierter Mensch gewesen. Darum also kann er eine solche Gefahr bilden für die westlichen Fabrikanten.“

Hierzu sagt der „London Spectator“:

„Das ist eine sehr beachtenswerte Schilderung, und wir geben frei zu, wie wir dies auch schon früher getan haben, dass die japanische Konkurrenz etwas Furchtbares ist, das eines Tages die Lage der gesamten europäischen industriellen Zivilisation beeinflussen kann.“

Die Art dieser Konkurrenz, die wir zu erwarten haben, wird geschildert in dem folgenden Auszug aus dem „Literary Digest“, wo es wie folgt heißt:

Die Arbeitsverhältnisse in Japan

„Japan hat einen überraschenden Fortschritt gemacht in der Entwicklung seiner Industrie. Dies liegt zum großen Teil an dem Scharfsinn und an dem Fleiß der japanischen Arbeiter, die oft während des Tages vierzehn Stunden arbeiten, ohne sich zu beklagen. Leider wird ihre Gefälligkeit in weitgehendem Maße durch die Arbeitgeber ausgenutzt, deren ganzes Ziel zu sein scheint, den ausländischen Wettbewerb zu überflügeln.“

Ein Artikel aus dem „Echo“, Berlin, beschreibt die Art und Weise, in welcher die japanischen Fabriken betrieben werden, folgendermaßen:

„Gewöhnlich beginnen die Fabriken um sechs Uhr morgens mit ihrer Arbeit, die Arbeiter kommen aber zu jeder gewünschten Zeit, und sie beschweren sich nicht, wenn sie bereits um vier Uhr morgens anfangen sollen. Die Löhne sind überraschend niedrig, selbst in den größten Industriezentren erhalten Weber und Spinner durchschnittlich nicht mehr als 15 Cent den Tag. Frauen erhalten nur 6 Cent. Die ersten Fabriken wurden von der Regierung erbaut, später wurden sie in Aktien-Gesellschaften umgewandelt. Die gedeihlichste Industrie ist die Baumwollindustrie. Eine einzige Niederlassung, nämlich diejenige zu Kanegafuchi, beschäftigt 2.100 Männer und 3.700 Frauen. Die Fabrikzeit ist eingeteilt in Tag- und Nachtschichten, von denen jede 12 Stunden dauert mit nur 40 Minuten Unterbrechung zum Einnehmen der Mahlzeit. Neben der Niederlassung befinden sich Wohnungen, wo die Arbeiter Essen kaufen können für nicht ganz 1 1/2 Cent. Die Osaka-Spinnereien sind ganz ähnlich. Alle diese Niederlassungen besitzen ausgezeichnete englische Maschinen, die Tag und Nacht arbeiten, weshalb natürlich große Dividenden erzielt werden. Viele der Fabriken gründen Zweigstellen, die verwandte Fabrikate herstellen, oder sie vergrößern sich direkt, dennoch kommt die Herstellung dem Verbrauch nicht gleich.

„Wie schnell die Fabrikanten gelernt haben, weibliche Arbeitskräfte als billige Wettbewerber der männlichen einzustellen, zeigen die Statistiken. Die 35 Spinnereien beschäftigen 16.879 Frauen und nur 5.730 Männer. Die Arbeitgeber haben sich zu einem mächtigen Syndikat zusammengeschlossen und missbrauchen oft die Milde der Regierung, welche die Industrie nicht hindern will. Kleine Mädchen von acht bis neun Jahren werden gezwungen, neun bis zwölf Stunden zu arbeiten. Dem Gesetze nach sollten diese Kinder in der Schule sein, aber wenn sich die Lehrer beschweren, so drückt die Regierung beide Augen zu. Der große Gehorsam und die Unterwürfigkeit der Arbeiter haben zu einer anderen Methode geführt, die sie völlig in die Hand ihrer Arbeitgeber überliefert. Keine Spinnerei nimmt einen Arbeiter aus einer anderen Niederlassung an, wenn er nicht einen geschriebenen Erlaubnisschein von seinem letzten Arbeitgeber vorzeigen kann. Diese Regel wird so genau angewandt, dass eine neue Arbeitskraft genau überwacht wird, und wenn es sich erweist, dass der Betreffende schon etwas von dem Handwerk versteht, aber keinen Abkehrschein hat, so wird er sofort entlassen.“

In Osaka ist die Gewerbetätigkeit schon auf einer Stufe angelangt, dass ein australisches Blatt diese Stadt das „Manchester des fernen Ostens“ genannt hat. Dort arbeiten eine Fabrik mit 2 Millionen, 4 mit je 1 Million, über 30 mit mehr als 100000 Yen (Yen = 50 Cent) Betriebskapital, von ungezählten kleinen Fabriken gar nicht zu reden: Seiden-, Woll-, Baumwollspinnereien und Webereien, Glasfabriken, Papierfabriken, Ziegeleien, Zement-, Seifen-, Zucker-, Büsten-, Kamm-, Regenschirm-, Messer-, Kupfer-, Lederwaren- und Phantasiewarenfabriken, alles das hat der Nachahmungstrieb und die Unternehmungslust der Japaner geschaffen und schon so weit entwickelt, dass seine Produkte denen der zivilisierten Nationen des Westens ebenbürtig sind. Zehn Baumwollspinnereien arbeiten mit dem modernsten Maschinenmaterial, nachts elektrisch beleuchtet, und sie verteilen bis 18 Prozent Dividende.

In den Vereinigten Staaten hält man diese Entwicklung der japanischen Industrie für eine sehr ernste Gefahr. Herr Robert P. Porter berichtete nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Japan, die zum Zweck unternommen war, diese Gefahr kennen zu lernen, dass binnen zehn Jahren die japanische Textilausfuhr von 511.000 auf 23 Millionen Dollar, die Ausfuhr überhaupt von 78 auf 300 Millionen Dollar gestiegen sei. Im Jahre 1895 kaufte Japan für 1,5 Millionen Dollar rohe Baumwolle in Amerika, verkaufte aber dorthin für mehr als 54 Millionen Dollar Waren aller Art. Einzig zur besseren Bewältigung des Baumwolltransportes aus Amerika nach Japan haben sich dort während des Aufenthaltes des Herrn Porter drei Transportgesellschaften mit 5 Millionen Dollar Aktienkapital gebildet, und ein japanischer Begleiter des Herrn Porter, Mitglied dieser Transportgesellschaften, erklärte, sie werden die Frachttaxen möglichst niedrig halten und Passagiere schon zum Preis von 9 Dollar von Yokohama nach San Francisco führen.

Ein Kongress der Vereinigten Staaten zur Prüfung der Frage der japanischen Konkurrenz

Das Folgende, das wir dem Bericht eines Kongresskomitees entnehmen, sollte als völlig zweifelsfrei gelten. Es bestätigt das zuvor Gesagte vollständig:

„Washington, den 9. Juni 1896. – Der Vorsitzende Dingley machte heute Mitteilungen über die Bedrohung, der sich amerikanische Fabrikanten gegenübersehen, wenn das Land mit orientalischen Waren überschwemmt wird, die wegen der niedrigen Löhne der Arbeit, deren Produkt sie sind, die wegen der ungleichen Währungsverhältnisse zwischen den Gold- und Silberländern außerordentlich billig kommen. Diese Bedrohung betrifft in gleicher Weise die landwirtschaftlichen Interessen unseres Staates. Ein beauftragtes Komitee beschäftigte sich mit diesen Fragen.

„Der Bericht sagt, dass das plötzliche Erwachen Japans zur Folge hat, dass die Methoden dieses Landes nach denen des Westens verbessert werden. Während die Japaner nicht den Erfindungsgeist besitzen, der den Amerikanern eigen ist, so haben sie doch eine wunderbare Befähigung zur Nachahmung. Die Art, in welcher die japanischen Arbeiter ihr Leben unterhalten, würde von amerikanischen als reines Dahinhungern bezeichnet werden. Bei einer Arbeitszeit von zwölf Stunden täglich erhalten geschickte Handwerker, wie Zimmerleute, Maurer, Schmiede, auch Schriftsetzer, Stuckarbeiter usw. in japanischen Städten für den Tag nicht mehr als 26-33 Cent. Fabrikarbeiter erhalten 5-20 Cent und ungefähr das Doppelte nach japanischem Geld. Landwirtschaftliche Arbeiter erhalten monatlich 1,44 Dollar.

„Der Bericht fährt fort: Europäer wie Amerikaner betrachten Japan als ein sehr günstiges Land, in dem sie Kapital anlegen können durch Fabrikenbau. 61 Baumwollspinnereien werden offiziell von japanischen Gesellschaften geleitet, sie wurden aber durch Europäer ins Dasein gerufen. Außerdem arbeiten dort mehrere Seidenfabriken mit über einer halben Million Spindeln. Japan stellt die Baumwollwaren größtenteils zur Deckung des japanischen Bedarfs her, und es fängt an, billige Seidenwaren und Taschentücher auszuführen.

„Kürzlich wurde eine Uhrenfabrik mit amerikanischen Maschinen eingerichtet unter dem Namen von Japanern, da bis zum Jahre 1899 Fremde unter eigenem Namen in Japan keine Fabrikation unternehmen dürfen. Durch den Fortschritt, den das Unternehmen machte, erwies es sich als Erfolg.

„Wahrscheinlich wird die schnelle Einführung der Maschinen nach Japan, verbunden mit den billigen Arbeitskräften, dieses Land in feinen Seiden-, Baumwoll- und anderen Waren auf unserem Markt zu einem gefährlicheren Konkurrenten machen, als selbst Großbritannien, Frankreich und Deutschland es waren.

„Nach Herrn Dingley wird sich der Wettbewerb nicht in der Art, sondern in dem Maße unterscheiden. Das Komitee kennt keine Mittel zur Abhilfe, außer dem Schutzzoll, der den Preisunterschied zwischen eingeführten Waren und den im eigenen Land hergestellten auszugleichen hätte. Man hat schon eine solche Politik begründet, indem man sagte, dass sie einen zweifachen Zweck erfüllen würde, vermehrte Einnahmen für die Regierung und die Erhöhung der Löhne. Man sagt, dies geschähe dann nicht den Fabrikanten zum Nutzen, denn diese brauchen nur nach England oder Japan zu gehen, um dieselben Gewinne zu haben, die sie hier haben werden nach Einführung der Schutzzölle, die den Unterschied der Löhne auszugleichen hätten, vielmehr geschähe es, um dem Volk die Vorteile zu sichern, die aus der eigenen Produktion vor der fremder Länder entspringen.“

Die japanische Regierung gewährt ausländischen Patenten keinen Schutz. Die wunderbaren arbeitsparenden Maschinen werden von den Japanern angekauft und auf billige Weise von ihren Handwerkern vervielfältigt, da diese geschickte Nachahmer sind, ebenso wie die Chinesen. So werden ihre Maschinen nicht einmal halb soviel kosten wie sie anderswo kosten würden, und Japan wird der Christenheit bald die selbsthergestellten Maschinen oder die Produkte derselben verkaufen können.

„The San Francisco Chronicle“ sagt unter der Überschrift: Der japanische Wettbewerb:

„Woher der Wind des japanischen Wettbewerbs weht, geht auch daraus hervor, dass eine große Strohmattenfabrik von Milford nach Kobe, einem Industriemittelpunkt Japans verlegt wurde. Diejenigen, welche über den japanischen Wettbewerb spotten und stolz von der überlegenen westlichen Intelligenz sprechen, übersehen ganz, dass das Kapital mit Leichtigkeit nach Ländern verlegt werden kann, in denen billigere Arbeitskräfte angeboten werden. Alles, was die überlegene amerikanische und europäische Intelligenz zu tun hätte, wäre daher, Maschinen zu erfinden, welche die Kapitalisten ankaufen und nach Ländern ausführen würden, in denen sie am billigsten betrieben werden könnten.“

Robert P. Porter schrieb in der „North American Review“ vom August 1896 unter Bezugnahme auf obiges einen Artikel, in welchem er ausführt, dass die Japaner trotz des Schutzzolls der Vereinigten Staaten mit zunehmender Geschwindigkeit gegen die amerikanischen Fabrikanten anlaufen. Sie können dies 1. wegen ihrer billigen und geduldigen Arbeitskräfte, und 2. weil die Silberländer einen Vorteil von einhundert Prozent über die Goldwährungsländer haben, was den als ausführbar zu betrachtenden Schutzzoll mehr als ausgleicht.

Wir führen aus dem Artikel folgende Auszüge an:

„Die Japaner haben, bildlich gesprochen, ihre Hüte auf den amerikanischen Markt geworfen und unsere Arbeit und unser Kapital mit Waren herausgefordert, die gegenwärtig durch Vorzüglichkeit und Billigkeit jedem Wettbewerb, auch wenn er an Hand der modernsten Maschinen vorgenommen wird, zu trotzen scheinen.“

Nach Anführung einer Statistik über die verschiedenen aus Japan eingeführten Artikel sagt Porter:

„Während der letzten Monate habe ich die Bezirke in Japan besucht und die in obiger Tabelle angeführten Industriezweige besichtigt. Die Textilwarenausfuhr, die sich in zehn Jahren vervierzigfacht hat, war die Folge davon, dass Japan eine Nation von Webern ist.

„Die Japaner haben anscheinend große Mengen billiger Seidenwaren und anderer Artikel nach Amerika gesandt; was sie getan haben, wird aber gar nichts sein im Vergleich mit dem, was sie zu tun im Begriffe sind. Die Japaner treffen durch Bildung von Innungen und Gesellschaften alle Vorbereitungen, die Beschaffenheit und Gleichförmigkeit ihrer Waren zu verbessern und zu fördern.“

Beiläufig deutet Porter an, dass die Baumwoll-Spinnereien in Lancashire, England, die keinen Schutz genießen, zugrunde gerichtet werden. Er sagt:

„In Japan beschäftigte die Baumwollspinnerei im Jahre 1889 nur 5.394 Frauen und 2.539 Männer. Im Jahr 1895 wurden schon 30.000 Frauen und 10.000 Männer beschäftigt in Spinnereien, die in ihrer Ausstattung und Ausrüstung denjenigen jeden anderen Landes gleich sind. Der zukünftige Sitz der Baumwollindustrie, wenigstens zur Unterhaltung des asiatischen Handels, werden Japan und China sein. England wird, soweit sein Handel in Betracht kommt, zugrunde gerichtet, nichts kann es retten. Baumwollspinnereien blühen in Osaka und Schanghai schnell auf, und nur die wirkliche Erfahrung während der Zeitperiode von einigen Jahren wird zeigen, welche der beiden Städte eine günstigere Lage hat. Nach Prüfung aller Dinge, die bei der Produktion in Frage kommen, ist mein eigenes Urteil auf Japan gefallen.

„Wenn Japan die Herstellung von Woll- oder Kammgarnwaren aufnehmen würde, wie es die Herstellung von Baumwollwaren aufgenommen hat, so würden die japanischen Weber den Europäern und Amerikanern manche Überraschung bereiten und diejenigen zum Schweigen bringen, die behauptet haben, von der japanischen Konkurrenz sei nichts zu befürchten. Ein beständiges Angebot von billiger Wolle aus Australien macht es möglich, und die Muster japanischer Wollkleider, die ich gesehen habe, zeigen, dass die Japaner in diesem Zweig ebenso zu Hause sind, wie in Seiden- und Baumwollbearbeitung. Sie leisten auch in der Herstellung von feiner Leinwand Vorzügliches, wenn dieselbe bisher auch noch nicht in großen Mengen erfolgte.

„Die plötzliche Überschwemmung mit Regenschirmen, von denen Japan im Jahre 1894 ungefähr zwei Millionen ausführte, hat unter den Schirmfabrikanten der Vereinigten Staaten Besorgnis erregt.“

Die Japaner zögern nicht, sich über den nahenden Triumph im „Wirtschaftkrieg“ zu brüsten. Porter sagt:

„Als ich in Japan war, hatte ich das Vergnügen, unter anderen Staatsmännern und Beamten auch Herrn Kaneko, Vizeminister für Landwirtschaft und Handel, zu begegnen. Ich lernte ihn als einen Menschen von Intelligenz und Fernblick und von großer Erfahrung in ökonomischen und statistischen Dingen kennen. Auf einer der großen Universitäten Europas ausgebildet, ist er in allem, was Japan und seine Zukunft in Industrie und Handel betrifft, auf der Höhe.“

Herr Kaneko sagte neulich in einer Rede an die Handelskammer:

„Es ist bekannt, dass die Baumwollspinner von Manchester (England) gesagt haben, dass die Japaner in zehn Jahren die notwendige Geschicklichkeit in der Baumwollindustrie erlangt haben, und dass sie jetzt auf einer Stufe angelangt sind, auf welcher sie die Arbeiter in Manchester an Geschicklichkeit übertreffen, wohingegen die Angelsachsen erst nach einer Zeit von drei Generationen zum Baumwollspinnen geschickt und fähig wurden.“

Eine Drahtmeldung aus San Francisco vom 9. November 1896 sagt:

„Herr M. Oshima, der technische Leiter der in Aussicht genommenen japanischen Stahlwerke, traf mit vier japanischen Ingenieuren auf dem Dampfer Rio de Janeiro von Yokohama kommend ein. Die Herren befinden sich auf einer Reise, um die großen Stahlwerke Amerikas und Europas zu besichtigen. Sie sind beauftragt, eine Betriebsanlage im Wert von zwei Millionen Dollar zu kaufen. Sie sagen, dass sie das kaufen wollen, was am besten und dabei am billigsten ist. Die Anlage soll 100.000 Tonnen umfassen. Sie wird in den Kohlenfeldern Südjapans errichtet werden, und man will sowohl Martin- als auch Bessemer-Stahl herstellen.

„Herr Oshima sagte: „Wir wollen unsere Nation dahin bringen, wohin sie gehört, an die Spitze, als eine Industrie treibende Nation. Wir brauchen viel Stahl und wollen zur Erlangung desselben von keinem anderen Land abhängig sein.“

Hinter Japan marschiert Indien mit 250 Millionen als erste, China mit seinen 400 Millionen Einwohnern als zweite Reserve.

So werden die amerikanischen, englischen, deutschen und französischen Fabrikanten bald Völker zu Konkurrenten haben, die bisher vortreffliche Abnehmer waren, Konkurrenten, deren günstigere Verhältnisse gestatten werden, ihre früheren Lieferanten selbst auf deren heimischen Märkten aus dem Feld zu schlagen und dem weißen Arbeiter das Brot vom Mund wegzunehmen!

Aber dagegen ist nichts zu machen. Das ist eine Folge des ehernen Gesetzes von Angebot und Nachfrage. Das einzige Mittel, dem Druck abzuhelfen, der erst begonnen hat, sich aber steigern wird, solange Selbstsucht und Eigennutz das Szepter führen, ist das von Gott verheißene Tausendjährige Reich mit seinem Gesetz der Nächstenliebe und dem Aufbau der Gesellschaft auf dieser Grundlage.

Wenn die Völker Europas und Amerikas, wiewohl sie die ganze Welt mit Maschinen und Fabrikaten zu versehen hatten, auf einem Punkt angelangt sind, wo die Nachfrage hinter dem Angebot zurückbleibt, wo Tausende ihrer Arbeiter umsonst Verdienst suchen, welches Geschick droht ihnen erst in naher Zukunft, wo die Zahl der Produzenten sich verdoppelt haben wird? Dazu kommt die natürliche Bevölkerungszunahme, der eine Vermehrung der Arbeitsgelegenheiten entsprechen sollte, und der Umstand, dass diese 700 Millionen Inder, Chinesen und Japaner die sparsamsten und fügsamsten Arbeiter sind, die das Kapital, das schon die weißen Arbeiter geknechtet hat, sich ohne Mühe unterwerfen wird.

Wie in England die Zukunft der Arbeiter aussieht

Justin Mc Carthy, ein bekannter englischer Schriftsteller schreibt im „Cosmopolitis“ einen Artikel, in welchem er erklärt:

„Das Übel der Armut und Arbeitslosigkeit sollte dem Herzen eines Engländers mehr Furcht einflößen als der Alarm über den Einfall eines fremden Volkes. Die englischen Staatsmänner haben diese Frage jedoch nie für besonders ernst genommen, sie haben sich nicht einmal länger damit beschäftigt. Selbst jene große Unruhe, welche sich aus den Gegensätzen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ergibt, der Streik einerseits und die Aussperrung andererseits, ließ man vorübergehen, ohne dass man durch das Gesetz Abhilfe geschaffen hätte. Die Ursache dafür liegt darin, dass jede Geringfügigkeit unsere Aufmerksamkeit eher in Anspruch nehmen darf, als die Lage unseres eigenen Volkes.“

Keir Hardie (ein Mitglied des Parlaments und ein Arbeiterführer) soll kürzlich bei einer Unterredung gesagt haben:

„Um die Arbeitervereinigung ist es in England schlecht bestellt. Bisweilen fürchte ich, dass dieselbe praktisch genommen tot ist. Wir Arbeiter machen die Erfahrung, dass das Kapital mit seinem Geld Organisationen schließt, durch welche es uns schlägt. Die Fabrikanten haben eine Methode erfunden, durch welche sie die Menschen schlagen können, und die Menschen sind hilflos. Die Arbeitervereinigungen haben seit langer Zeit nicht einen einzigen bedeutenderen Streik in London gewonnen. Das gilt besonders von den Dockarbeitern. Erinnern Sie sich des großen Dockstreikes? Er machte die Vereinigung, welche ihn hervorgerufen hatte, tot, aber er brachte den Menschen gar keinen Nutzen. Die Arbeitervereinigung ist in großer Bedrängnis.

„Die Unabhängige Arbeiterpartei ist sozialistisch. Uns wird mit nichts anderem als mit Sozialismus gedient sein. Wir wissen, was wir brauchen, und wir alle brauchen es. Wir kämpfen nicht gerne darum, aber wenn es nicht anders geht, werden wir es tun, und wenn wir erst kämpfen werden, dann kämpfen wir mit Entschiedenheit. Das Ziel, welches sich die Unabhängige Arbeiterpartei gesteckt hat, ist das Herbeiführen eines industriellen Gemeinwohles, gegründet auf die Sozialisierung von Land und Wirtschaftskapital. Wir glauben, dass sich die natürlichen politischen Spaltungen nach wirtschaftlichen Linien hin bewegen müssen.

„Wenn ich etwas von der Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Systems erwähnen soll, so sage ich, dass der größte Druck, der auf den britischen Arbeitern lastet, in der Unregelmäßigkeit und der Ungewissheit hinsichtlich ihrer Beschäftigung besteht. Sie werden bemerken, dass ich mir diese Frage zum Spezialstudium gemacht habe. Ich spreche Tatsachen aus, wenn ich sage, dass es auf den Inseln Großbritanniens eine Million befähigter erwachsener Arbeiter gibt, welche keine Trunkenbolde, keine Umherbummler sind, welche die Durchschnittsintelligenz besitzen, trotzdem aber arbeitslos sind, ohne eigenes Verschulden, und die trotz aller Bemühungen keine Arbeit finden. Anscheinend sind die Löhne jetzt höher als vor fünfzig Jahren, wenn man aber den Zeitverlust in Betracht zieht, der sich aus Arbeitslosigkeit ergibt, so findet man, dass sich die Lage der Arbeiter in Wirklichkeit verschlechtert hat. Ein kleiner, aber beständiger Lohn verschafft mehr Bequemlichkeit, als ein großer, der aber nur unregelmäßig verdient wird. Wenn das Recht, einen zum Lebensunterhalt ausreichenden Lohn zu sichern, jedem Arbeiter gesichert würde, so würden die meisten der uns jetzt in Aufregung versetzenden Fragen auf natürliche Weise gelöst sein. Die Lage ist wirklich eine sehr traurige. Letzthin, bei der schrecklichen Kälte, wurden Notstandsarbeiten vergeben, durch welche sich jemand vier Stunden lang mit Straßenfegen beschäftigen konnte, die Stunde für 6 Pence. Um vier Uhr morgens drängten sich schon Tausende außerhalb der Gartentore, um in der vordersten Reihe zu stehen. So standen sie nun, vor Kälte zitternd und sich schüttelnd, halb verhungert und voller Verzweiflung, bis um 8 Uhr, dem Zeitpunkt, an welchem die Tore geöffnet wurden. Jetzt geschah etwas, was einem Tumult gleichkommt. In jenem furchtbaren Gedränge um das Verdienen von 2 Schilling wurden Menschen buchstäblich zu Tode getreten. Die Stätte wurde zertrümmert. Hungrige Menschen, von den Tausenden derer, die sich hinter ihnen befanden, gedrängt, pressten sich durch Mauer und Tor, in ihrer Angst um Arbeit. Diese Menschen waren gewiss keine Umherbummler.

„Der durchschnittliche Lohn ungelernter Arbeiter beträgt in London nur 6 Pence die Stunde, in der Provinz noch weniger. Ein sorgfältiges Studium hat gezeigt, dass wöchentlich wenigstens 3 Pfund nötig sind, um eine Familie von durchschnittlicher Stärke (zwei Erwachsene und drei Kinder) mit allgemeinen Bequemlichkeiten zu versorgen, vom Luxus nicht zu reden. Sehr wenige englische Arbeiter verdienen diese Summe oder eine ähnliche. Derjenige gelernte Handwerker, der das ganze Jahr über wöchentlich 2 Pfund verdient, ist glücklich daran, und derjenige Arbeiter kann glücklich sein, der in einer Woche 24 Schilling verdient. Ein Drittel davon muss er noch für Miete zurücklegen. In den bestbezahlten Arbeiterklassen können sich die Familien also noch auf der Ebene der Armut erhalten. Eine ganz kurze Zeit unfreiwilligen Müßigganges muss sie aber notwendigerweise unter dieselbe ziehen. Darum haben wir eine so große Anzahl von Almosenempfängern.

„London hat jetzt über vier Millionen dreihunderttausend Einwohner. Sechzigtausend Familien (dreihunderttausend Köpfe) haben für die Familie durchschnittlich wöchentlich achtzehn Mark Einkommen, und sie leiden daher immerwährend Mangel. Jeder achte Todesfall erfolgt bei Arbeitern entweder in der Fabrik oder in dem Fabriklazarett. Jeder sechzehnte Einwohner Londons ist jetzt anerkanntermaßen ein Almosenempfänger. Jeden Tag kommen in England 43.000 Kinder zur Schule, ohne ein Frühstück gehabt zu haben. Dreißigtausend Menschen haben kein anderes Heim als die Herberge zur Heimat oder die zufällige Polizeiwache.“

Wie werden sich diese Massen in fünfzehn Jahren vermehrt haben, wenn die gelbe Konkurrenz die Löhne noch mehr gedrückt hat?

So bringt der Allmächtige die Massen aller Völker allmählich zur Einsicht, dass früher oder später die Interessen des einen auch die des anderen sein müssen, dass jeder seines Bruders Hüter sein muss, wenn es ihm selbst wohl ergehen soll.

Es ist weder weise noch gerecht, dem Kapital daraus einen Vorwurf zu machen, dass es handelt wie die Arbeiter, indem es auch seinen Vorteil sucht. Unter den Armen sind viele nicht minder herzlos als unter den Reichen und würden, wären sie im Besitz von Reichtümern, grausamer und weniger freigebig sein als ihre gegenwärtigen Beherrscher. Lasst uns daher nicht die Reichen hassen, wohl aber die Selbstsucht und den Eigennutz im allgemeinen, der an allem gegenwärtigen Übel schuld ist; und lasst uns den Entschluss fassen, durch die Gnade Gottes alle unsere eigene Selbstsucht zu töten, und den Geist der Nächstenliebe in uns mächtig werden lassen, damit wir dem Bilde von Gottes geliebtem Sohn, unserem Herrn und Erlöser, immer ähnlicher werden.

Ein Wort von Minister Chamberlain (England)

Als eine Abordnung der Londoner Schuhmacher sich zu Minister Chamberlain begab, um ihn zu bitten, sich für die Errichtung städtischer Schuhmacherwerkstätten zu verwenden, sagte er ihnen, dass dieselben ihnen gar nichts oder doch nur vorübergehend nützen würden, dass sie nur die Überproduktion vermehren und eine Zahl derer, die jetzt noch ihr Auskommen finden, brotlos machen würden. Was ihnen helfen könnte, wäre die Vermehrung der Nachfrage aus dem Ausland.

„Wenn wir das erreichen, werden Sie alle Arbeit haben. Wir müssen uns neue Märkte eröffnen. Von den alten sind wir teilweise durch die auswärtige Konkurrenz verdrängt. Können wir die Nachfrage auf den Märkten, die wir noch beherrschen, nicht vermehren, oder nicht neue Märkte finden, so wird die Arbeitslosenfrage, die schon jetzt sehr ernst ist, überaus kritisch werden und unabsehbare Folgen haben. Wenn also die Regierung das Reich auszudehnen bestrebt ist, über welches England herrschen sollte, so tut sie das gar nicht aus Feindseligkeit gegen andere, sondern aus dem Bestreben, dem englischen Volk genügend Märkte für seine Produkte zu sichern. Täte sie das nicht unausgesetzt, die Übel, an denen wir schon jetzt leiden, würden noch viel unerträglicher.“

Alle Staatsmänner sehen diese Gefahr sehr wohl, und deshalb sind alle Staaten mit bedeutender Industrie eifrig bemüht, sich neue Märkte zu sichern, fürchtend, es werden ihnen bald keine mehr bleiben. Dazu umgeben sie sich und ihre Kolonien mit Schutzzollmauern und haben damit zum Beispiel der amerikanischen Ausfuhr nach Afrika einen schweren Schlag versetzt. Und nun ist auch Chamberlain bestrebt, die bis jetzt offenen britischen Kolonien zur Annahme von Schutzzöllen zu bewegen, welche die amerikanische, deutsche, französische und japanische Konkurrenz der Industrie des Mutterlandes vom Halse schaffen sollen.

Ja, das Herz entfällt den Menschen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über die Menschheit kommen sollen, und sie greifen zu allen möglichen Mitteln, um ihnen zu wehren! Da es ihnen in Wirklichkeit aber nicht um die Versorgung der kleinen Leute mit Arbeit – das ist nur ein Vorwand – sondern um Auffindung neuer Gebiete für Fruktifizierung der Kapitalien in den Händen der Großen zu tun ist, damit diese ihre Schätze noch mehr auftürmen können, liegt kein Segen auf ihren Bestrebungen, und diese bleiben fruchtlos. – Jak. 5:3

Die soziale Frage in Deutschland

Wilhelm Liebknecht, der Führer der sozialdemokratischen Partei im deutschen Reichstag, der London im Jahre 1896 besuchte, machte dem Journalisten der „Daily Chronicle“ Mitteilungen, von denen wir folgende Auszüge bringen:

„Unsere sozialdemokratische Partei ist für sich die stärkste Partei im deutschen Parlament. Bei der letzten Wahl hatten wir 1.880.000 Stimmen. Wir erwarten, dass die weiteren Rüstungsvorschläge der Regierung uns eine weitere Million Stimmen zuführen werden.“

„So gibt es also nicht sehr viele Hurrapatrioten in Deutschland?“

„Durchaus nicht. Von allen Völkern Europas ist kein Volk des Militarismus überdrüssiger als das deutsche. Wir Sozialisten sind die Anführer der Bewegung wider den Militarismus.“

„Und glauben Sie, dass sich diese Bewegung gegen den Militarismus über die ganze Erde erstrecken wird?“

„Dessen bin ich sicher. In den Abgeordnetenhäusern von Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien und Dänemark kämpfen die sozialistischen Abgeordneten (deren wir sehr viele haben) ihn nieder. Wenn in diesem Jahr der internationale Kongress in London stattfinden wird, werden alle gegenwärtigen sozialistischen Abgeordneten eine Sitzung abhalten, um gemeinsam vorzugehen. Was Deutschland anbetrifft, so wird dieses durch seinen Militarismus völlig zugrunde gerichtet. Unsere Fabriken bestehen noch nicht lange, und wenn wir in Wettbewerb eintreten sollen mit England …“

„So gibt es bei Ihnen einen Ruf nach ausländischem Wettbewerb?“

„Natürlich. Wie ich Ihnen zeigen werde, haben wir weder Presse- noch Versammlungsfreiheit. Sie dagegen haben beides, und ich halte dafür, dass dies seine Ursache darin hat, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem in England tiefer eingewurzelt ist als in irgendeinem anderen Land. Vor allem haben wir gegen die Lehre von dem Gottesgnadentum der Kön. zu kämpfen, und das englische Volk fand bereits vor zweihundert Jahren, dass die Lehre vom Gottesgnadentum der Kön. und politische Freiheit nicht nebeneinander bestehen können.“

„So glauben Sie, dass binnen kurzem große Veränderungen Platz greifen werden?“

„Gewiss. Das gegenwärtige Regierungssystem in Deutschland erweckt so große Unzufriedenheit, dass diese Veränderungen kommen müssen.“

„Können Sie mir nun vielleicht etwas sagen über die wirtschaftliche Lage Deutschlands? Sie haben dort die Agrarierfrage wie wir hier.“

„Wir haben in Deutschland fünf Millionen Bauern, und sie alle eilen schnellen Schrittes ihrem Ruin zu. Jeder von ihnen – ich sage dies mit Überlegung – ist bis zu dem vollen Wert seiner Besitzungen verschuldet oder noch darüber hinaus. Die Bauern essen bei uns Brot, das aus Roggen und Hafer besteht. Die Lebensmittel sind hier in England überhaupt viel billiger als in Deutschland.“

„Und ihre Fabrikanten?“

„Als Industrieland stehen wir erst im Anfangsstadium. Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem datiert vom Jahre 1850, aber schon werden die Folgen bei uns viel größer als bei Ihnen. Wir werden schnellen Schrittes in zwei Klassen getrennt, die Proletarier einerseits und die Kapitalisten und Großgrundbesitzer andererseits. Unser Mittelstand wird buchstäblich ausgerottet. Er wird unserer Partei zugeführt, darum rechne ich damit, dass wir bald noch stärker werden. Sie müssen daran denken, dass wir nicht wie in England zwei scharf voneinander getrennte Parteien haben. Wir Sozialdemokraten gehen mit jeder Partei, wenn wir Vorteil daraus erlangen. Wir haben nur drei große Parteien, die anderen zählen nicht mit. Da ist zunächst unsere Partei, dann die konservative und die katholische Zentrumspartei. Unsere Konservativen unterscheiden sich von den Ihrigen vollständig. Sie wünschen sich die Zeit des Lehenwesens zurück und eine Reaktion schlimmster Art. Wirtschaftliche Fragen zersplittern die Zentrumspartei, ein Teil wird zu uns kommen, und ein anderer zu den Konservativen. Dann werden wir ja sehen, was sich ereignen wird.“

„Herr Liebknecht beschrieb die Geschichte der sozialistischen Bewegung in Deutschland. Die Schnelligkeit, mit welcher die Sozialdemokratie in Deutschland gewachsen ist, wurde durch die neu entstandene Industrie und den damit verbundenen Handel bewirkt, sowie durch den scharfen Wettkampf, in welchen Deutschland mit England und Frankreich eintreten musste.“

Diese drei Fragen: Agrarierfrage, Industriefrage und Kapitalfrage, über welche sich die Völker immer mehr in zwei scharf getrennte Lager spalten, sind es, welche eine die Welt umfassende Drangsal (Revolution und Anarchie) vorbereiten, die der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches vorangehen.

Herr Liebknecht war ein Delegierter des Arbeiter-Weltkongresses, welcher im Juli 1896 folgende Resolution fasste:

„In Anbetracht dessen, dass der Völkerfriede eine wesentliche Voraussetzung für die internationale Verbrüderung und den menschlichen Fortschritt ist, und dass die Völker der Erde den Krieg nicht wünschen, dieser vielmehr durch die Hab- und Selbstsucht der herrschenden Klassen herbeigeführt wird, zum Zweck, ihre eigenen Interessen unter Übersehung derjenigen der Arbeiter zu fördern, erklärt der Arbeiter-Weltkongress in London hiermit, dass es zwischen den Arbeitern der verschiedenen Nationen Streitigkeiten überhaupt nicht gibt, dass ihr gemeinsamer Feind der Kapitalist und der Großgrundbesitzer ist, und dass der einzige Weg, den Krieg unmöglich zu machen, darin besteht, das kapitalistische und Latifundiensystem abzuschaffen, weil dies die Wurzel der Kriege ist. Die Arbeiterschaft schließt sich daher zum Zweck zusammen, in Ersetzung dieses Systems dasjenige der Sozialisierung der Produktions- und Handelsmittel zu erstreben. Bis dies geschehen ist, sollten die Streitigkeiten zwischen den Nationen statt durch rohe Waffengewalt auf dem Wege schiedsgerichtlicher Entscheidung geschlichtet werden.“

„Riesen in diesen Tagen“

Als solche Riesen sehen wir jene „Trusts“ (Produzentenverbände) an, die sich einerseits zum Zweck, die kleinen Konkurrenten zu erdrücken, und andererseits in Ersetzung eines Krieges aller gegen alle, zur Haltung der Preise gebildet haben. In dieser Beziehung marschieren die Vereinigten Staaten weit voran. Die „World“ hat sich einmal die Mühe genommen, eine Liste von diesen Kapitalistensyndikaten, die ihren Mitgliedern großen Profit sichern, aufzustellen, und hat deren 139 (die Zahl der Trusts hat seither in erschreckender Weise zugenommen) in der Union gefunden, deren Aktienkapitalien zusammen mehr als 1.507.060.000 Dollar ausmachen. Es sind dies Syndikate zur Produktion und Vertreibung von Kohle, Zucker, Draht, Biskuits, Borax, Knöpfen, Zigaretten, kondensierter Milch, Seilerwaren, Handschuhen, Maschinen, Papier, Reis usw.

Die „World“ fügt dann hinzu, dass einzig die Steigerung des Preises für eine Tonne Anthrazitkohle um 1 1/2 Dollar den elf Mitgliedern eines Trusts einen Profit von 50 bis 60 Millionen Dollar in die Tasche jagen werde, während dieses Geld von Rechts wegen den Kohlenkonsumenten zugute kommen sollte, in Anbetracht des Sinkens der Kohlenpreise. Statt dessen werden sich diese gezwungen sehen, die Löhne zu beschneiden, um einer Erhöhung der Produktionskosten durch die Preissteigerung der Kohle zu entgehen. Dies bedeutet für jede Arbeiterhaushaltung die Abschaffung irgendeiner bescheidenen Annehmlichkeit. Es bedeutet zugleich eine Mehrbelastung jeder Haushaltung und für die Armen Einschränkung des Kohlenbedarfs. Diese können dann frieren, die elf Trustmitglieder aber können sich um so mehr Luxus gestatten. Zwischen beiden liegt entehrt und gebrochen das Gesetz.

Alle Trusts haben freilich ihre Macht nicht in dieser Weise missbraucht; vielleicht fehlte es ihnen an Gelegenheit. Aber dies kann niemand leugnen, dass diese „Riesen“ für das gewöhnliche Volk, die Massen, eine große Gefahr sind. Jedermann weiß, was er von einem gleichzeitig selbstsüchtigen und mächtigen Einzelnen zu fürchten hat; diese Trusts aber sind nicht nur unendlich mächtiger und einflussreicher als die einzelnen, sondern sie haben überdies kein Gewissen. „Korporationen haben keine Seele“, heißt es im Volksmund und die „Pittsburger Post“ gibt, nachdem sie berichtet, dass der Standard Oil Trust für 1896 nicht weniger als 31 Prozent Dividende verteilt, und dass ein Drahtstift-Trust, nachdem er alle Konkurrenz ruiniert hat, den Preis seiner Ware verdrei- und vervierfacht und dadurch seinen Mitgliedern einen Millionenprofit gesichert hat, ihrer Entrüstung kräftigen Ausdruck:

„Gegen diese Trusts seine Stimme erheben, heißt in den Augen ihrer Mitglieder sich des Anarchismus schuldig zu machen. Die kommen mir gerade recht. Die gesetzwidrigen, räuberischen Trusts soll man frei und ungehindert schalten und walten lassen, ihre Kritik aber soll unterdrückt werden, weil, wie sie sagen, diese Kritik das Feuer der Unzufriedenheit im Volke schürt. Auf der einen Seite das Volk, auf der anderen die mit Freibriefen versehenen Räuber, die Trusts. Und hierzu heißt es fein schweigen und stille sein, damit den Trusts kein Härchen gekrümmt werde. Kann man sich eine größere Schamlosigkeit und Frechheit vorstellen?“

Von dem oben erwähnten Anthrazit-Trust hatte Rev. Parkhurst den Mut zu sagen:

„Wenn diese Kohlentrusts ihre Macht dazu gebrauchen, von dem Geld des armen Mannes möglichst viel in den eigenen Beutel wandern zu lassen, den Armen noch ärmer zu machen, ihn in seinen wenigen Bequemlichkeiten, ja in seinem Nötigsten zu verkürzen, dann sind diese Trusts vom Dämon des Diebstahls und Mordes besessen, und was von den Kohlentrusts gilt, gilt auch von den anderen Trusts, die die Bedarfsmittel betreffen.“

Dagegen pries der New Yorker Geistliche, Dr. Heber Newton, dessen Zuhörerschaft sich ausschließlich unter den obersten Zehntausend rekrutiert, die Trusts als „eine notwendige und wohltätige Gabe der fortschreitenden Zivilisation!“

„Als Rockefeller sich mit Carnegie in Verbindung setzte, um dem Stahlbund entgegenzutreten, erfolgte, wie der „Allegheny Abendanzeiger“ meldet, „ein Preissturz für Schienen von 25 auf 17 Dollar die Tonne. Aber selbstverständlich haben weder Rockefeller noch Carnegie dabei den Nutzen der Abnehmer im Auge. Verbündet vermochten sie den Schienenfabrikanten-Verband zu besiegen; ob sie aber jetzt, im Besitze des Marktes, sich mit einem angemessenen Profit begnügen, oder ob sie, nachdem sie die Konkurrenz erdrückt haben, nun die Abnehmer aussaugen werden, ist eine Frage von größter Wichtigkeit. Die Tatsache, dass sie es können, ist schon an sich eine große Gefahr.“

Angesichts dieser Gefahr erwacht hier und da bei einem Politiker das Gewissen. Als nach dem Sieg der Gold-Männer bei den Wahlmännerwahlen im November 1896 der frühere Gouverneur von Kansas, später Staatssekretär des Inneren, D. R. Francis, eine Einladung erhielt zu einem Bankett zur Feier des Wahlsieges, lehnte er dieselbe mit folgendem Schreiben ab:

„Ich bedaure, dasselbe nicht mitmachen zu können, weil nach meinem Dafürhalten, wenn dem Anwachsen der Macht des Kapitals und der Ausbreitung der Trusts nicht auf gesetzgeberischem Wege entgegengetreten wird, noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts eine Volkserhebung stattfindet, die alle unsere Staatseinrichtungen gefährden wird.“

Als eine chemische Fabrik (Park und Söhne) ihre Produkte unter den vom Syndikat festgesetzten Preisen verkaufte und deshalb vom Syndikat auf den Index gesetzt wurde, rief sie die Gerichte an, wurde zwar für sich abgewiesen, aber hatte doch den moralischen Erfolg, dass das Gericht jedermann davor warnte, sich der Einschränkung der Handelsfreiheit mitschuldig zu machen. Der Londoner „Spectator“ bemerkte dazu:

„Die Abweisung der Klage der Fabrik Park und Söhne hatte ihren Grund darin, dass die fragliche Ware kein notwendiges Mittel war, vielmehr ohne Schaden für die Massen für eine Guinee den Tropfen verkauft werden könnte. Eine Gefahr für Leben und Gesundheit des Armen aber läge in einem Trust, welcher den Preis von sehr häufig gebrauchten Arzneien so hoch schrauben würde, dass die Armen sich dieselben nicht verschaffen könnten. Man wird sich erinnern, dass Mr. Bryans Parteigänger unter anderem den Kampf gegen die Trusts zur Wahlparole gemacht haben. Möglichkeiten wie diese sind durchaus geeignet, ihnen große Wählermassen zuzuführen.“

Derselbe „Spectator“, nachdem er Amerika beschuldigt, diese Trusts erfunden zu haben, muss dann aber zugeben, dass sie auch in England Eingang finden. So hat sich ein Verband von Fabrikanten eiserner Bettstellen gebildet, der jedem Nichtmitglied den Vertrieb seiner Ware im vereinigten Königreich dadurch unmöglich macht, dass er ihm das Rohmaterial vorenthält.

Im Besitz von Betriebskapitalien von Hunderten von Millionen Dollar sind diese Trusts wahrhaftig Riesen, und wenn die Dinge so weitergehen, wie seit 1890, so werden diese Trusts binnen wenigen Jahren nicht nur über den Preis der Waren, sondern auch über die Höhe der Löhne gebieten.

Es ist wahr, diese Kapitalistenverbände haben große Unternehmungen ins Leben gerufen, welche einzelne Männer weder so schnell verwirklichen noch so nützlich gestalten konnten, haben Risikos auf sich genommen, welche die Völker den Regierungen, die sie in ihrem Namen übernehmen wollten, schwer verargt hätten. Wir sind nicht der Meinung, dass die Vereinigung des Kapitals als solche verwerflich ist, wir machen nur darauf aufmerksam, dass dieselbe die Macht des Kapitals von Jahr zu Jahr steigert und damit die Interessen, ja, die Freiheit des Volkes gefährdet. Jedermann sagt: „Es muss hier etwas getan werden“; aber niemand weiß, was. So steht die Menschheit hilflos jenen Riesenauswüchsen unseres ökonomischen Systems gegenüber, und die einzige Hoffnung ist – Gott.

Es ist wahr, an der Spitze jener Riesenunternehmungen stehen vielfach Leute, die ihre Macht mit Mäßigung zu gebrauchen geneigt scheinen. Die Konzentrierung der Macht bleibt allein für die, welche darüber verfügen, eine Gelegenheit, je nach Umständen, von derselben zu selbstsüchtigen Zwecken und zum Schaden der Massen Gebrauch zu machen.

Zubereitung der Elemente

Diese „Riesen“ bedrohen unser Geschlecht geradeso, wie es einst die Riesen dem Leibe nach vor 4000 Jahren taten. (Anmerkung: 1. Mose 6:4 – Siehe das Büchlein über „Spiritismus.“) Diese Riesen waren Männer von Ruf, Männer von wunderbarer Geschicklichkeit und hervorragendem Scharfsinn, über das Maß der gefallenen Rasse Adams emporragend. Sie waren ein Bastardgeschlecht, im Besitz gesteigerter Lebenskraft. Geradeso sind die Riesen unserer Tage groß, machtvoll und schlau, so dass man auf ihre Besiegung ohne göttliches Eingreifen gar nicht hoffen kann. Ihre Macht haben sie noch nicht ganz entwickelt. Auch sie sind ein Bastardgeschlecht, gezeugt von der Selbstsucht und der dem Christentum zu verdankenden Aufklärung.

Aber wie die menschliche Not größer wird, rückt auch die göttliche Hilfe immer näher, und wie die Riesen der damaligen Welt durch die Wasser der Flut hinweggerafft wurden, so werden die Riesen der jetzigen Welt in dem kommenden „Feuer“ des Zornes Gottes, das bereits zu brennen beginnt, umkommen, in der Drangsal, als nicht gewesen ist, seit Völker auf Erden sind. In diesem „Feuer“ werden alle Riesenerzeugungen der Bosheit und Selbstsucht unwiederbringlich vernichtet werden. – Jes. 26:13, 14; Zeph. 3:8, 9

Die Sklaverei und die moderne Knechtschaft

Die Abschaffung der Sklaverei datiert von noch nicht 100 Jahren her. In den englischen Kolonien fand sie im Jahre 1838 statt und kostete dem englischen Staatsschatz 20.000.000 engl. Pfund Entschädigung an die Sklavenhändler, in den französischen Kolonien fand sie erst 1848 und in den Südstaaten der Union erst in den sechziger Jahren statt. Freilich sind es Stimmen und Federn von Christen, denen zum großen Teil dieser Fortschritt zu verdanken ist; aber unter dem Einfluss der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wäre er auch ohnedies gekommen, nur etwas später. Die Sklaverei ist gleichsam eines natürlichen Todes gestorben infolge der Erfindung der Maschinen und der Zunahme der Bevölkerung in den zivilisierten Ländern. Ganz abgesehen von sittlichen oder religiösen Rücksichten wäre es heutzutage gar nicht mehr möglich, dort die Sklaverei wieder allgemein einzuführen, sie würde sich nicht bezahlt machen, denn die Maschinen besorgen heutzutage einen großen Teil der Arbeit, ob dieselbe nun mehr oder weniger Intelligenz erfordert, und ein intelligenter Arbeiter kann mehr und bessere Arbeit verrichten als ein nicht intelligenter; ferner würde die Erziehung von Sklaven mehr Kosten verursachen als freie Arbeiter, daneben würde der mehr intelligente Sklave schwerer in seiner Arbeit zu kontrollieren sein, als der dem Namen nach freie Arbeiter, der an Händen und Füßen durch die Notwendigkeit gebunden ist. Die Welt hat einfach eingesehen, dass sich Kriege zur Beschaffung von Sklaven weniger gut rentieren als die Konkurrenzkämpfe des Handels, und dass die freien „Sklaven der Not“ billigere und fähigere Arbeitskräfte darstellen.

Wenn auch frei, so ist der intelligente Arbeiter doch billiger als der unwissende Sklave, und da die ganze Welt zur Intelligenz erwacht und sich außerdem immer dichter bevölkert, treibt unser soziales System ebenso sicher seiner eigenen Vernichtung entgegen wie eine Maschine, die unter vollem Dampfdruck ohne Ventil arbeiten würde. Das Prinzip von Nachfrage und Angebot kennt aber kein Sicherheitsventil, und so wird der Duck der Selbstsucht, der die Gesellschaft niederzwingt, täglich stärker und stärker, bis die zerdrückten Massen den Zusammensturz des Systems und die Anarchie herbeiführen. Die Massen sind wie

zwischen zwei Mühlsteinen

eingeklemmt, deren schnelle Bewegung sie bald aufreiben und in unwürdige Knechtschaft bringen wird, wenn nicht sonst etwas geschieht.. Die Not zwingt sie zwischen die Mühlsteine hinein, deren unterer das Prinzip von Nachfrage und Angebot ist, auf dem als oberer die Selbstsucht mit ihren gewaltigen Hilfsmitteln von Maschinen und Kapitalien arbeitet. Schon 1887 schätze man das Ergebnis der Arbeit sämtlicher Maschinen der Welt auf die Leistung von 1.000 Millionen Menschen, das heißt auf dreimal so viel als die Zahl der Arbeiter überhaupt, und seither dürfte sich diese Arbeit verdoppelt haben. Dazu kommt, dass sie nur in den zivilisierten Ländern arbeiten, deren Einwohnerschaft nur etwa ein Fünftel der Erdenbewohner ausmacht. Kann man sich da noch wundern, dass man in London 938.293 Dürftige, 316.834 Arme und 37.610 gänzlich Mittellose zählt, im ganzen somit 1.292.733 Menschen, ein Drittel der (damaligen) Bevölkerung. Offizielle Tabellen zeigen, dass in Schottland ein Drittel sämtlicher Familien nur eine Einzimmer-, mehr als ein weiteres Drittel nur eine Zweizimmer-Wohnung haben, dass in New York in einem Winter 21.000 Personen wegen unbezahlten Mietzinses auf die Gasse geworfen und 3.819 Personen auf dem Armenfriedhof bestattet werden, in einer Stadt, die 1.157 Millionäre zählt!

Im „American Magazine of Civics“ behandelt ein Herr J. A. Collins das Zurückgehen des kleinen Grundbesitzes. Er stellt dabei fest, dass während 10 Jahre vor dem Erscheinen seines Aufsatzes der Großteil der Bevölkerung ein schuldfreies Heim besaß, nun 84 Prozent der Bevölkerung in fremden Häusern wohnen (inbegriffen die Eigentümer von mit Hypotheken belasteten Immobilien).

„Wenn diese Verschiebung binnen 10 Jahren Platz greifen konnte, zu einer Zeit, da der Westen noch viel freies Land aufwies, und die Industrie noch Arme suchte und gut bezahlte, was wird es erst sein, nachdem der Westen dichter bevölkert, der dortige Bodenbesitz in den Händen von wenigen Millionären konzentriert ist, ebenso die Bergwerke, die Eisenbahnen und alle Fabriken, was wird da das Los der Tausenden von Industriearbeitern sein?“

Herr Collins schließt, dass für diese die wirtschaftlichen Verhältnisse in Amerika schlimmer sind als in Europa. Bei seiner Behauptung, dass 84 Prozent der Bevölkerung Mieter sind, vergisst er freilich, dass dabei viele junge Leute sind, die in Europa bei ihren Eltern wohnen würden, und die man also im Falle einer Vergleichung mit Europa aus der Zahl der Mieter in Amerika streichen müsste. Ferner vergisst er die Einwanderer, die zuerst Staatsländereien pachten, eine Kategorie von Mietern, die Europa auch nicht kennt. Aber auch so sind die Verhältnisse schlimm genug, und es ist keine Aussicht für viele, jemals anders aus ihrer Verschuldung als auf dem Wege der Pfändung herauszukommen.

Wenige wissen, wie billig oft menschliche Kraft und Zeit verkauft wird, und die, welche es wissen, kennen keine Abhilfe für das Übel und bestreben sich, nicht selbst davon ereilt zu werden. In allen großen Städten der Welt gibt es Tausende sogenannter „Schwitzer“, die schwerer und länger arbeiten als es die Sklaven der Südstaaten in ihrer Mehrzahl taten. Dem Namen nach sind sie frei, tatsächlich aber Sklaven, Sklaven der Not, sie haben wohl die Freiheit zu wollen, nicht aber die Freiheit für sich oder andere nach Gutdünken zu handeln.

Im Pittsburger „Presbyterianer Banner“ war einst diesem „Schwitzsystem“ ein Aufsatz gewidmet. Dasselbe besteht darin, dass eine Mittelsperson sich dem Händler gegenüber verpflichtet, ihm die Ware zu einem bestimmten Preis zu verschaffen. In England beruhe fast das ganze Geschäft auf diesem System, sagte das erwähnte Blatt. In Amerika blüht es vorab in der Bekleidungsindustrie.

„Vor einem Jahrzehnt gab es in New York nur 10 sogenannte „Schwitzer“werkstätten, heute sind es mehr als 700, und Chicago zählt sogar 900, die nicht in jüdischen Händen sind. In Boston und New York bemächtigen sich diese Unternehmer der mittellosen Einwanderer, um sie zu den anderen in kleine, schlecht gelüftete Arbeitsräume zu pferchen, wo oft 20-30 Personen „schwitzen“, während der Raum nur zureichend wäre für acht, wo sie dann nur ihre Mahlzeiten kochen und einnehmen, und wo sie 19-20 Stunden täglich arbeiten, um nur nicht Hungers zu sterben. Männer verdienen hier zwei, wenn es hoch kommt, vier Dollar die Woche, denn die Mittelsperson hat sich zu den billigsten Preisen verpflichtet, liefert fertige Überzieher für -,76 bis 2,50 Dollar, Hosen für -,25 bis -,75 Dollar Macherlohn und zieht von diesen Preisen natürlich seine Prozente und andere Kosten ab; was soll da für den „Schwitzer“ noch bleiben. Für Sommerhosen zum Beispiel erhält er 10 Cent, und deren sechs fertig zu bringen, muss er ungefähr 18 Stunden arbeiten. Jede Frau, die selbst die Nadel führt, kann sich denken, wie hart diese Arbeit ist, die so wenig am Tage einbringt!

„Freilich kommt es dann oft vor, dass diese fertigen Kleider mit Krankheitsstoff getränkt in die Kaufläden abgehen. So hat ein Besucher solcher „Schwitz“werkstätten einmal in Chicago eine getroffen, in welcher vier Scharlachfieberkranke an der Arbeit waren, und in einer anderen lag die Leiche eines an derselben Krankheit gestorbenen Kindes. Die so verseuchten Kleidungsstücke verursachen natürlich den Ausbruch schwerer Epidemien.“

„Weh, dass so teuer ist das Gold!
So billig Fleisch und Blut!“

Die Zahl der gänzlich Armen nimmt schnell zu, und die bittere Konkurrenz treibt, wie wir gesehen haben, die ganze Menschheit abwärts, mit Ausnahme der wenigen, die im glücklichen Besitz von Maschinen und Grundeigentum sind, und deren Reichtum von Macht schnell zunimmt, so dass der Milliardär schon zu den Möglichkeiten gerechnet wird.

Dass solche Verhältnisse von Dauer sind, ist gar nicht möglich, schon das Gesetz von Ursache und Wirkung müsste eine Vergeltung herbeiführen. Weit weniger können wir erwarten, dass die göttliche Gerechtigkeit den Dingen in dieser Weise ihren Lauf gehen lässt. Durch Christi Opfertod hat Gott die Menschen erkauft und ihr Wohlergehen zu seiner Sache gemacht, und nun ist die Zeit der Befreiung von der Herrschaft der Selbstsucht, des Bösen überhaupt, vor der Tür. – Röm. 8:19-23

Wir können uns nicht versagen, hier einen Artikel aus einem Blatt des Westens wiederzugeben, der die gegenwärtige Lage mit allen ihren inneren Widersprüchen kurz aber treffend schildert. Er erschien zur Zeit des größten Niederganges des Geschäfts und beschreibt daher Zustände, die nicht ganz die Regel sind, von denen aber niemand weiß, wie bald und wie oft sie wiederkehren. Wir lesen:

„Die Zahl der Arbeitslosen beträgt zur Zeit in den Vereinigten Staaten 2 Millionen, von denen der Unterhalt von weiteren 8 Millionen abhängt. Vielleicht hat der Leser schon früher so etwas gehört. Nun, so möge er darüber nachdenken, bis er im vollen Umfang begreift, was das bedeutet. Es bedeutet, dass unter den besten Regierungsformen in der Welt, mit dem besten Banksystem, das die Welt je gesehen hat, und des wir uns sonst noch etwa zu rühmen pflegen, da bei uns ja alles aufs trefflichste eingerichtet ist, in einem Land, das mehr Bedürfnis- und Luxusartikel hervorbringt als jedes andere in der Welt, ein Siebentel der Bevölkerung auf das Betteln angewiesen ist, wenn es nicht Hungers sterben will. Die Leute leiden Hunger angesichts von Getreideschuppen, deren Vorräte so billig verkauft werden, dass der Preis nicht einmal die Produktionskosten deckt. Die Leute stehen vor den Schaufenstern der Warenhäuser, deren Kleidervorräte auf Käufer warten. Die Leute haben keine Kohlen zum Feuern, und doch braucht man aus den Minen Hunderte von Millionen Tonnen Kohle nur hervorzuholen. Die arbeitslosen Schuhmacher wären froh, den Kohlenarbeitern Schuhe zu machen für einen Teil Kohlen, und letztere wären froh, den Schuhmachern ein wenig Kohlen zu geben für ein Paar Schuhe. Der am Rande des Ruins stehende Farmer des Westens, der aus dem Verkaufspreis seines Weizens die Schnitter- und Dreschlöhne nicht bestreiten kann, tauschte seinen Weizen gerne aus mit den Arbeitern des Ostens, die ihm das Tuch zu seiner und seiner Familie Kleidung verfertigen.

„Es ist also nicht Mangel an den Gaben der Natur, der gegenwärtig über dem Land lastet. Es fehlt bei den 2 Millionen Arbeitslosen nicht am guten Willen noch an der Fähigkeit, Nützliches herzustellen. Nein, der Schaden liegt darin, dass die Produktions- und Tauschmittel in den Händen von wenigen konzentriert sind. Bei Verhältnissen, wie die des Augenblicks, fangen wir an zu begreifen, wie ungesund diese Konzentration ist, und wir werden dies mehr und mehr einsehen, je mehr die Konzentrierung fortschreitet. Die Leute hungern und frieren, weil sie die Erzeugnisse ihrer Arbeit nicht untereinander austauschen können. Nachdem wir gesehen haben, wohin das führt, müssen wir nicht eingestehen, dass die Zivilisation, deren sich das 19. Jahrhundert rühmt, so viel wie ein Fehlschlag ist? Wenn die Intelligentesten unter den Menschen nicht imstande sind, ein besseres System für die Industrie zu finden, so können wir annehmen, dass es im Weltall keinen größeren Fehlschlag gibt als die Menschheit. Es ist wohl der Gipfelpunkt der Ungerechtigkeit und Grausamkeit aller Zeiten, dass eine Industriearmee beisammengehalten wird, mit der unsere Geldkönige ihre Schlachten schlagen, ohne auf deren Versorgung zu den Zeiten, da man ihrer nicht bedarf, bedacht zu sein.“

In seiner Nummer vom 21. August 1896 zählte der „Harrisburger Patriot“ folgende Arbeitslosen auf:

„Chicago 200.000; New York 100.000; St. Louis 80.000; Detroit 25.000; Milwaukee 20.000; Utica (eine kleine Stadt) 16.000; Philadelphia und San Francisco je 15.000; in Boston und Baltimore je 10.000; in Paterson, N. J. – die Hälfte der Arbeiter unbeschäftigt.“

Folgender Auszug aus der „Kommenden Nation“ zeigt, wie richtig einige Weitsehende unsere gegenwärtige Lage beurteilen:

„Das werden Sie zugeben, dass neue Maschinen bald menschliche Arbeitskräfte überflüssig machen. Die Behauptung, dass die Herstellung und Bedienung der Maschinen die überflüssig gewordenen Arbeitskräfte beschäftigt, ist unzutreffend, sonst wäre ja die Maschinenarbeit nicht gewinnbringend. Hunderte und Tausende stehen müßig auf dem Markte, weil Maschinen die Arbeit verrichten, die ihnen früher Verdienst und Brot gab. Diese Arbeitslosen kaufen zudem viel weniger, als wenn sie Verdienst hätten, vermindern dadurch die Nachfrage, so dass Überproduktion entsteht, welche bald weitere Arbeitslose schafft, was eine weitere Verminderung der Nachfrage herbeiführt.

„Was soll man mit diesen Arbeitslosen anfangen? Dass die Waren im allgemeinen billig sind, nützt ihnen nichts, denn das gibt ihnen nicht Beschäftigung, und wie ihnen solche verschaffen, wenn alles längst mit Arbeitskräften überfüllt ist? Töten kann man sie doch wohl nicht, und fortschaffen kann man sie auch nicht; denn sie kämen damit nicht aus der Verlegenheit. Also was soll man mit ihnen anfangen? Soll man ihnen Land geben zum Bebauen, in einem Augenblick, wo selbst der erfahrene Farmer nicht mehr bestehen kann?

„Diese Arbeitslosen sind so zahlreich wie die Blätter im Wald. Sie zählen nach Millionen. Für die wenigsten unter ihnen besteht Aussicht auf Beschäftigung, und auch dann nur, indem andere aus der Arbeit entlassen werden. Der Leser denkt vielleicht, das brauche ihn nicht zu kümmern; aber da irrt er sich. Die Schwierigkeit wird nicht dadurch beseitigt, dass man nicht davon reden hören will. Das Volk Frankreichs hat auch einmal so gedacht, aber es bekam den Irrtum zu fühlen. Die gegenwärtige Generation möchte diese Lehre der Geschichte sich gern aus dem Sinn schlagen. Gleichwohl muss sie in den Vereinigten Staaten die Frage lösen, und sie wird sie lösen in dieser oder jener Weise, auf schiedlich-friedlichem Wege, oder aber unter Vernichtung der Rechte aller, anstatt nur, wie gegenwärtig, derjenigen eines Teils der Menschen.

„Die Franzosen seinerzeit waren gewarnt, aber die Festlichkeiten, mit denen der Hof sie zerstreute, ließen sie die Warnungen überhören. Werden wir hören, oder wollen wir so lange warten, bis 5 oder 6 Millionen nach Brot oder Bajonetten schreien? Die Wirren, wenn sie kommen, werden in den Vereinigten Staaten hundertmal gefährlicher werden. Die Massen sind freiheitsliebend und hassen alle Bedrücker. Da ist weder Flotte noch Heer, die auf Väter und Brüder feuern würden. Glaubt der Leser in Voraussicht solcher Kämpfe immer noch, es gehe ihn nichts an? Wäre es nicht in jeder Hinsicht besser, Mittel und Wege zu suchen und zu finden, um die Arbeitslosen zu beschäftigen, und wäre es auch in Staatswerkstätten?

„Wir wissen freilich, was die Kapitalisten tun. Wir sehen, wie sie sich auf einen Kampf mit den Waffen vorbereiten. Aber sie täuschen sich schwer. Sie meinen, es wie Kön. machen zu können und werden wie Spreu sein vor dem Wind. Kön., die wohleingeübte, an Gehorsam gewöhnte größere Armeen haben, als die Kapitalisten in Amerika sie je aufbringen werden, zittern vor den Massen, die auch ihren Anteil an den Segnungen der Zivilisation verlangen. Räubern ihre Vorrechte nehmen ist keine Ungerechtigkeit. Darum lasst uns auf gesetzliche Abhilfsmittel bedacht sein, die Interessen der Gesamtheit höher stellen als die einer Partei, die Gerechtigkeit dem Golde vorziehen!“

Die Not ist allgemein und menschliche Hilfe unzureichend

Man würde sich täuschen, wenn man glaubt, dass Amerika und Europa allein unter solchen Missständen leiden; seit Jahrhunderten haben auch die Millionen Asiens nichts Anderes kennen gelernt. Eine amerikanische Missionarin wurde in Indien von den Eingeborenen gefragt, ob es denn wahr sei, dass in ihrer Heimat jeder soviel Brot habe, wie er für drei Mahlzeiten täglich gebraucht. Dieselbe Frau berichtet, dass in Indien die Mehrheit sehr selten soviel Nahrungsmittel hat, dass sie ihre leiblichen Bedürfnisse befriedigen könnte.

Ein Gouverneur von Bengalien soll vor kurzem gesagt haben: „Die Hälfte unserer Ackerbau treibenden Bevölkerung weiß von einem Jahresende bis zum anderen nicht, womit sie ihren Hunger stillen soll.“ Diejenigen, welche das Korn hervorbringen, können ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen, zuerst müssen die Steuern bezahlt werden. Von der Bevölkerung Indiens waren zehn Millionen Handweber. Die Maschinen-Industrie der Küstengebiete hat ihnen dieses Gewerbe nun unmöglich gemacht, und sie sind auf die Landwirtschaft angewiesen, die ihnen kaum das Nötigste verschafft.

In Südafrika sind zwar Millionen in Goldaktien angelegt worden, aber die Arbeitsverhältnisse daselbst sind überaus traurig. In Durban ist freilich ein Komitee für Verdienstbeschaffung sehr tätig und sich seiner Pflicht den Unglücklichen gegenüber voll bewusst. Aber ist es nicht betrübend zu sehen, dass studierte Leute und tüchtige Handwerker froh sind, von diesem Komitee zu 3 Schilling Tagelohn den Auftrag zu erhalten, in glühendstem Sonnenbrand Sand zu schaufeln? Dabei laufen aber immer noch viele ganz verdienstlos herum, und Durban ist nicht die einzige Stadt, die solche Verhältnisse aufweist.

Werden nun nicht angesichts solchen Elends die Vernünftigen etwas tun, um die Erdrückung ihrer weniger begünstigten Mitmenschen zwischen den beiden Mühlsteinen zu verhüten? Werden nicht edle Herzen Abhilfe schaffen? Nein, die Mehrzahl der Begünstigten ist viel zu sehr mit dem eigenen Profit beschäftigt, um die Gefahr der Lage ganz zu erfassen. Sie hören wohl die Klagen der Unglücklichen und üben oft Wohltätigkeit in freigebiger Weise; aber da die Zahl der Unglücklichen schnell zunimmt, merken viele Begünstigte, dass sie dem Übel im allgemeinen doch nicht abhelfen können. Sie gewöhnen sich an das Übel, freuen sich ihrer Vorteile und suchen das Unglück der anderen zu vergessen.

Freilich sehen einige wenige der Begünstigten etwas klarer, und darunter sind Fabrikanten, Bergwerksbesitzer usw. Sie sehen die Schwierigkeit und möchten ihr abhelfen, aber können sie es? Nein! Sie können nur die schlimmsten Auswüchse im eigenen Umkreis verhüten; das gegenwärtige soziale System aber können sie nicht ändern, die Konkurrenz nicht aus der Welt schaffen. Dabei sehen wir ein, dass die Konkurrenz notwendig ist, um wenigstens die von Natur Gleichgültigen zur Arbeit zu treiben, und dass sie also nicht ohne weiteres, ohne irgendeinen Ersatz, verschwinden könnte, ohne dass dadurch der ganzen Welt Schaden zugefügt würde.

So ist es denn klar, dass kein Mensch, keine Gesellschaft von Menschen, die gegenwärtige Ordnung der Dinge abändern kann. Der Herr hat dies seiner Macht und seiner Weisheit vorbehalten, das bezeugt die Schrift. Sie wird verändert und ersetzt werden durch ein vollkommenes System, dessen Grundlage nicht mehr die Selbstsucht, sondern Liebe und Gerechtigkeit sein wird. Aber damit für diese Ordnung Raum ist, muss die gegenwärtige vollständig gestürzt und vernichtet werden. Der neue Wein wird nicht in alte Schläuche gefasst, auf ein altes Kleid wird kein neuer Lappen geflickt. So können wir denn, voll Mitleid für Reich und Arm in den kommenden Wehen, beten: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“, selbst wenn dem glorreichen Friedensreich das Feuer des Zornes Gottes vorausgeht, für welches die Elemente, wie wir nun gesehen haben, jetzt vorbereitet sind.