Der Mittler der Versöhnung
„Davids Sohn und Herr“
Wieso ist er Davids Sohn? – Josephs Geschlechtsregister durch Salomo. – Marias Geschlechtsregister durch Nathan. – Der Hohe erniedrigt, der Niedrige erhöht. – Woher hat Christus den Titel, „Davids Herr?“ – Inwiefern konnte er beides, die Wurzel des Stammes Davids und ein Reis aus dem Stamme Isais sein? – Die Bedeutung seines Titels, „Ewigvater“. – Wie er denselben erlangt hat, und wie er angewendet werden kann. – Wer sind die Kinder Christi? – Die Herauswahl seine Brüder: Kinder Gottes, des Vaters unseres Herrn Jesu Christi.
Jesus fragte sie und sagte: Was dünkt euch über den Christus? Wessen Sohn ist er? Sie sagen zu ihm: Davids. Er spricht zu ihnen: Wie nennt David ihn denn im Geiste Herr, indem er sagt: Der Herr (Jehova) sprach zu meinem Herrn (Adon, Meister, Herrscher): Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege unter deine Füße. Wenn nun David ihn Herr (Adon, Meister, Herrscher) nennt, wie ist er sein Sohn?
Matthäus 22:42-45
Vor allem sollte man sich merken, dass die Besprechung dieser Frage sich nicht auf die Präexistenz Christi (sein Leben vor seiner Menschwerdung) bezieht, sondern bloß auf seine Verwandtschaft mit dem Menschengeschlecht. Wie wir gesehen haben, ist er mit dem menschlichen Geschlecht verwandt geworden, als er durch seine Mutter Maria unsere Natur annahm. Marias Geschlechtsregister führt uns zurück zu David, durch dessen Sohn Nathan (Luk. 3:31, Joseph wird hier als der „Sohn des Eli“ bezeichnet, d.h. er ist der Sohn Elis, Marias Vaters, geworden, indem er die Maria heiratete, also durch das Gesetz. Wir würden heutzutage sagen: „der Schwiegersohn Elis.“ In Wirklichkeit ist nämlich Joseph ein Sohn des Jakob und nicht des Eli. – siehe Matth. 1:16), während uns Josephs Register durch Salomo zu David zurückführt (Matth. 1:6, 16). Da Joseph die Maria als sein Weib annahm und auch deren Kind Jesus als das seinige anerkannte, so hätte Jesus damit schon Grund genug gehabt, sich auf das Geschlechtsregister Josephs zu stützen. Doch wäre dieses Verhältnis eigentlich gar nicht nötig gewesen. Jesus wäre auch sonst ein Sohn Davids gewesen, indem seine Mutter ebenfalls von David abstammte, freilich auf einer anderen Linie, durch Nathan, wie wir gesehen.
Jesu Anspruch auf den Thron Israels beruht auch nicht auf den Beziehungen seiner Mutter zu Joseph, wie manche zu glauben scheinen. Im Gegenteil, wäre Jesus der wirkliche Sohn Josephs gewesen, so wäre er gerade deshalb jeglicher Erbrechte auf den Thron Davids entblößt gewesen; denn, wenn auch alle Nachfolger Davids im Königreiche aus der Linie seines Sohnes Salomo und nicht aus derjenigen des Nathan hervorgingen, so bezeugen uns doch gewisse Schriftstellen auf das bestimmteste, dass der große Erbe des davidischen Thrones nicht von dem königlichen Geschlecht Salomo abstammen sollte. Eine klare Beweisführung dieser Aussage wird deshalb die Behauptung, dass Jesus ebenso wohl der Sohn Joseph als Marias gewesen sei, als völlig haltlos darstellen. Untersuchen wir also mit möglichster Sorgfalt diesen wichtigen Gegenstand.
Wie wir aus der Schrift deutlich sehen, ging die Absicht Gottes zweifellos und in erster Linie dahin, dass der große Erbe des Weltenthrones, der große König Israels, aus dem Geschlecht Davids hervorgehen sollte. Zweitens wurde auch bestätigt, dass er ein Nachkomme der herrschenden Familie Salomo sein werde, dies jedoch nur unter gewissen Bedingungen. Sollten diese Bedingungen nicht erfüllt werden, so würde er einer anderen Geschlechtslinie entspringen, auf jeden Fall aber aus dem Samen Davids, damit er der göttlichen Weissagung gemäß beides, Davids Sohn und Davids Herr sei.
Beachte die prophetischen Worte der heiligen Schrift:
„Jehova hat geschworen dem David in Wahrheit, er wird nicht davon abweichen: Von der Frucht deines Leibes will ich auf deinen Thron setzen. Wenn deine Söhne meinen Bund und meine Zeugnisse bewahren, welche ich sie lehren werde, so sollen auch ihre Söhne auf deinem Thron sitzen immerdar.“ (Ps. 132:11, 12)
„Und von allen meinen Söhnen (denn Jehova hat mir viele Söhne gegeben) hat er Salomo, meinen Sohn, erwählt, zu sitzen auf dem Thron des Königtum Jehovas über Israel. Und er sprach zu mir: Salomo, dein Sohn, der soll mein Haus und meine Höfe bauen…. Und ich werde sein Königreich befestigen auf ewig, wenn er fest daran halten wird, meine Gebote und meine Rechte zu tun, wie es an diesem Tage ist.“ (1. Chron. 28:5-7)
„Wenn deine Söhne acht haben auf ihren Weg, vor mir zu wandeln in Wahrheit mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele, so soll es, sprach er, dir nicht fehlen (soll von dir und deinem Erbteil nicht abgeschnitten werden) an einem Manne auf dem Thron Israels.“ (1. Kön. 2:4)
Die Verheißung von dem Messianischen Königreiche aus dem Geschlecht Salomo und dessen Nachkommen nach dem Fleische ist also klar und deutlich an Bedingungen geknüpft; sie setzt eine gewisse Treue, dem Herrn gegenüber voraus, oder, mit anderen Worten gesagt: so gewiss, als die Nachkommen Salomo je die Wege Jehovas verlassen und ihm untreu würden, ebenso gewiss würden sie dadurch ihrer Rechte auf den Thron Israels und auf das Messianische Königreich verlustig gehen. Nun steigt aber die Frage auf: Haben Salomo und seine Söhne acht gehabt „auf ihren Weg, vor mir (Jehova) zu wandeln in Wahrheit mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele?“ Wenn nicht, so hatten sie das Recht verloren, die Vorfahren des Messias (nach dem Fleische) zu sein.
Um die richtige Antwort auf die soeben gestellte Frage zu erhalten, müssen wir uns wiederum zur heiligen Schrift wenden, und da finden wir denn auch auf das deutlichste bestätigt, dass Salomo und seine ganze königliche Nachkommenschaft verfehlt haben, den Vorschriften Jehovas gemäß zu wandeln. Es ist deshalb hieraus der sichere Schluss zu ziehen, dass der Messias nicht aus der Geschlechtslinie Salomos, sondern aus derjenigen eines anderen davidischen Nachkommens hervorgehen musste. Höre das Wort des Herrn: „Und du, Salomo, erkenne den Gott deines Vaters und diene ihm mit ungeteiltem Herzen … Wenn du ihn suchst, wird er sich von dir finden lassen; wenn du ihn aber verlässt, wird er dich verwerfen auf ewig.“ (1. Chron. 28:9)
„Da erzürnte Jehova wider Salomo, weil er sein Herz von Jehova, dem Gott Israels, abgewandt hatte … Und Jehova sprach zu Salomo: Darum, dass solches bei dir gewesen ist, und du nicht beobachtet hast meinen Bund und meine Satzungen, die ich dir geboten habe, so werde ich dir das Königreich gewiss entreißen … Doch in deinen Tagen will ich es nicht tun, um deines Vaters David willen; aus der Hand deines Sohnes will ich es reißen. Nur will ich ihm nicht das ganze Königreich entreißen, einen Stamm will ich deinem Sohne geben, um meines Knechtes David willen, und um Jerusalems willen, das ich erwählt habe.“ (1. Kön. 11:9-13)
Wie wir wissen, hat die Geschichte diese Prophezeiung bestätigt, indem sich das Reich sofort nach Salomos Tod teilte, wobei zehn Stämme sich vom Herrscherhause Salomo losmachten und dessen Sohn und Nachfolger Rehabeam nie als ihren König anerkannten. Lasst uns aber hören, was der Herr über den Stamm Juda sagt und über Benjamin, welcher eine Zeitlang dem Hause Salomo treu blieb und so scheinbar der Verheißung auf das gegenbildliche Königreich und auf den Messias, den großen König mitteilhaftig wurde. Die drei letzten Könige aus dem Geschlecht dem Salomo, welche auf seinem Throne saßen, waren Jojakim, dessen Sohn Konja (Jekonja) und Zedekia, Jojakims Bruder. Beachten wir das Zeugnis Jehovas gegen diese Männer und seine Versicherung, dass keiner ihrer Nachkommen je auch dem Throne des Königreiches Jehovas sitzen werde – und zwar weder auf dem vorbildlichen noch auf dem wirklichen. Wir lesen:
„So wahr ich lebe, spricht Jehova, wenn auch Konja, der Sohn Jojakims, der König von Juda, ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand, so würde ich dich doch von dannen wegreißen …. Ist denn dieser Mann Konja ein verachtetes Gefäß, das man zertrümmert, oder Gerät, an welchem man kein Gefallen hat? Warum werden sie weggeschleudert, er und sein Same, und in ein Land geworfen, das sie nicht kennen? O Land, Land, Land, höre das Wort Jehovas! So spricht Jehova: Schreibet diesen Mann auf als kinderlos, als einen Mann, der kein Gedeihen hat in seinen Tagen; denn von seinem Samen wird nicht einer gedeihen, der auf dem Thron Davids sitze und fortan über Juda herrsche.“ – Jer. 22:24-30
„Darum spricht Jehova also über Jojakim, den König von Juda: Er wird niemanden haben, der auf dem Thron Davids sitze.“ – Jer. 36:30
Und in Bezug auf Zedekia heißt es mit aller Bestimmtheit:
„Und du Unheiliger, Gesetzloser, Fürst Israels, dessen Tag gekommen ist zur Zeit der Ungerechtigkeit des Endes! So spricht der Herr, Jehova: Hinweg mit dem Kopfbund und fort mit der Krone! Dies wird nicht mehr sein. Das niedrige werde erhöht und das Hohe erniedrigt! Umgestürzt, umgestürzt, umgestürzt will ich sie machen; auch dies wird nicht mehr sein – bis der kommt, welchem das Recht gehört: dem werde ich es geben.“ – Hes. 21:30-32
Hier haben wir die deutliche Erklärung, dass die salomonische Geschlechtslinie gänzlich von der göttlichen Gunst ausgeschlossen wurde. Es war dies das Geschlecht, welches seiner Zeit hoch erhöht worden war, das nun aber erniedrigt werden sollte, während das unscheinbare Geschlecht Nathans, das keine Rechte auf den Thron Davids besaß, zu seiner Zeit hoch erhöht werden sollte, durch dessen Vertreter, den Messias; der von Maria geboren wurde (nach dem Fleische).
Könnte jemand ein bestimmteres Zeugnis verlangen, dass der Messias also nicht aus der Nachkommenschaft Salomo erwartet werden durfte, da dieselbe ja doch durch ihre Gottlosigkeit und Untreue all ihre Rechte und Ansprüche verwirkt hatte? Die Behauptung, dass unser Herr der Sohn Joseph gewesen, und dass er von Joseph all seine Rechte und Ansprüche geerbt haben müsse, erweist sich also als grundfalsch, denn es soll kein Mann aus diesem Geschlecht je auf des Herrn Thron zu sitzen kommen.
Diese Übertragung des Königreiches vom Geschlecht Salomo auf eine andere Geschlechtslinie aus dem Samen Davids wird auch in anderen Stellen klar bezeugt. Wir lesen z.B.: „Siehe, Tage kommen, spricht Jehova, da ich dem David einen gerechten Spross erwecken werde; und er wird als König regieren und verständig handeln. … In seinen Tagen wird Juda gerettet werden und Israel in Sicherheit wohnen; und dies ist sein Name, womit Jehova ihn nennen wird: Unsere Gerechtigkeit.“ – Jer. 23: 5, 6
Maria, die Mutter Jesu, scheint diesen Gedanken ebenfalls gehabt zu haben, oder dann hat der heilige Geist sie veranlasst, die in ihrem bemerkenswerten Lobgesange enthaltenen Weissagungen zu äußern (siehe Luk. 1:46-55): „Er (Gott) hat zerstreut, die in der Gesinnung ihres Herzens hochmütig sind. Er hat Mächtige von Thronen hinabgestoßen und Niedrige erhöht. Hungrige hat er mit Gütern erfüllt, und Reiche leer fortgeschickt.“ Hierin finden wir einen Vergleich zwischen dem begünstigten Geschlecht Salomo und der bescheidenen Stammlinie Nathan. Gott hat dem Kopfbund und die Krone von Zedekia weggenommen, um sie dem zu geben, „dessen Recht es ist“ – dem gerechten Sprössling aus der davidischen Wurzel.
Wir haben nun gesehen, inwiefern unser Herr ein Zweig, ein Schössling oder Sohn Davids ist, und auf welcher Linie diese Sohnschaft richtigerweise und schriftgemäß nachgewiesen werden kann. Lasst uns nun auch untersuchen, in welcher Hinsicht unser Herr Jesus Christus „Davids Herr“ gewesen ist. Wie konnte er der Sohn und Herr Davids sein?
Auf jeden Fall ist er nicht durch seine vormenschliche Existenz (sein Leben vor seiner Menschwerdung) der „Herr Davids“ geworden, sowenig als er in diesem seinem früheren Zustand ein Sprössling oder Sohn Davids hätte sein können. Erst als er das große Erlösungswerk als Mittler der Versöhnung hinausgeführt hatte und Jehova ihn zum Lohn hoch erhöhte und ihn zum Herrn aller Herren machte, da ist er auch Davids Herr geworden: „Denn hierzu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, auf dass er herrsche (ein Herr sei) sowohl über Tode als Lebendige.“ – Röm. 14:9
Der Logos hätte freilich sehr wohl auch als ein Herr, ein Hoher in Autorität bezeichnet werden können, so gut als er mit „ein Gott“ (ein Mächtiger oder Einflussreicher) bezeichnet worden ist. (Es sei nur bemerkt, dass wir hier nicht das im Alten Testamente so oft mit Herr übersetzte Wort „Jehova“ besprechen. Es handelt sich um andere Wörter, die auch mit „Herr“ übersetzt sind, wie in dem früher erwähnten Text: „Der Herr (Jehova) sprach zu meinem Herrn (Adon – Meister): Setze dich zu meiner Rechten“, 2c) Gleichfalls konnte auch der Mensch Christus Jesus richtigerweise „ein Herr“ genannt werden; seine Jünger wenigstens haben es getan, denn wir lesen: „Ihr heißet mich Lehrer und Herr, und ihr saget recht, denn ich bin es.“(Joh. 13:13) Er war der besondere Bundesengel, vom Vater geheiligt und in die Welt gesandt, damit er dieses erlöse. Ihn hatte der Vater in jener Weise geehrt und von ihm bezeugt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Und so war es denn auch ganz am Platze, dass alle, die seine Herrlichkeit sahen, „als die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater“, ihn hörten, ihm gehorchten und ihm als des Vaters Stellvertreter alle Ehre erwiesen. Wie wir aber aus den oben angeführten Worten des Apostels schließen müssen, ist unser Herr Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung in einem ganz besonderen Sinn ein Herr oder Meister geworden.
Dieser besondere Sinn, in welchem der auferstandene Christus der „Herr aller“, „beides der Toten und der Lebendigen“, geworden ist, steht in engstem Zusammenhang mit seinem großen Werk als Versöhnungsmittler. Gerade aus diesem Grund ist er ja Mensch geworden. Die ganze Menschheit in ihrem gefallenen Zustand, durch Vater Adams Ungehorsam „unter die Sünde verkauft“, war äußerst hilflos; sie schmachtete unter der Herrschaft der Sünde und der Todesstrafe: und um ihre Befreiung von all diesem Übel zu erwirken, musste gemäß der göttlichen Gerechtigkeit die ganze auf dem adamitischen Geschlecht lastende Schuld getilgt und die bezügliche Strafe getragen werden. Das Geschlecht musste von der Sünde losgekauft werden. Nun ist Christus dessen Käufer geworden, dessen Eigentümer, „der Herr aller.“ Aus diesem Grund hat er die Herrlichkeit seines früheren Daseins verlassen und ist er Mensch geworden, der Mensch Christus Jesus. Und die heilige Schrift erklärt: „Er gab sich selbst als Lösegeld“, als Loskaufpreis, für das in Adam verurteilte Geschlecht. So ist denn die ganze Welt mit einem Preis erkauft worden, nämlich mit dem teuren Blut (oder Leben) Jesu Christi.
Aber obwohl Jesus die Menschheit erkauft hatte und gerechtigkeitshalber deren Eigentümer geworden ist, so hat er sie doch nicht erkauft, um sie wieder in Knechtschaft zu bringen, sondern, im Gegenteil, um sie von Sünde und Tod zu befreien, d. h. alle diejenigen, welche die durch Christum dargebotene Gnade Gottes annehmen werden. Und der Zweck des Messianischen Königreiches besteht darin, dass der Menschheit all die in Eden verlorenen Rechte und Ansprüche wieder zurückgegeben werden, indem dieselben auf Golgatha durch einen Preis zurückgekauft wurden. Um die Menschheit erlösen zu können, ist also unser Heiland der Käufer, der Eigentümer oder Herr aller geworden. So ist der Messias durch seinen Tod der Herr Davids geworden. indem auch David als Glied des Menschengeschlechtes durch Christi Blut erkauft worden ist.
„Die Wurzel und der Sprössling Davids“
– Offb. 22:16 –
In diesen von unserem Herrn an die Kirche gerichteten Worten liegt so ziemlich derselbe Gedanke wie in der vorher betrachteten Stelle. Nach dem Fleische war unser Herr (durch seine Mutter) der Sohn, das Geschlecht, der Nachkomme oder Sprössling Davids, wie wir bereits gesehen haben. Dadurch aber, dass er sein eigenes, unbeflecktes Leben aufopferte, ist er sowohl die Wurzel, als auch der Herr Davids geworden. Der in dem Wort „Wurzel“ liegende Gedanke unterscheidet sich nämlich ein wenig von demjenigen des Wortes „Herr“. Die „Wurzel“ Davids ist gleichbedeutend mit „der Ursprung“ oder „die Lebensquelle“ Davids. Die Schrift nennt David „ein Reis“ oder Sprössling Isais: also war Isai natürlicherweise Davids Wurzel. Wann und wie ist aber Christus die Wurzel oder der Vater Davids geworden? Auf keinen Fall bevor er „Fleisch gemacht ward“; und da, als er Fleisch, der Mensch Christus Jesus ward, ist er durch seine Mutter mit Adams Geschlecht verwandt geworden. (Hebr. 2:14-18) In dieser Verwandtschaft war er aber der Zweig oder Sprössling, und nicht die Wurzel Davids. Wie und wann ist er aber dessen Wurzel geworden? Wir antworten: In ganz gleicher Weise und zu ganz derselben Zeit, als er Davids Herr geworden ist: nämlich durch seinen Tod, womit er sich die Lebens-Rechte Adams und dessen ganzer Nachkommenschaft, also auch Davids, ankaufte – der Zeit nach bei seiner Auferstehung von den Toten als Erlöser und Heiland Adams und seines Geschlechtes, und folglich auch als Erlöser Davids.
Nicht der vor-menschliche Logos, und auch nicht der Mensch Jesus, sondern der auferstandene Messias ist also Davids Herr und Davids Wurzel. Wenn David im Geiste (d. h. unter dem Einfluss des prophetischen Geistes) Jesum „Herr“ nannte, indem er sagte: „Jehova sprach zu meinem Herrn (Jesus): setze dich zu meiner Rechten“ 2c), so hat er sich damit nicht auf den „Menschen Jesus Christus“ bezogen, der sein Opfer noch nicht vollendet, sondern auf den Sieger Jesus; auf den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit, auf den „Erstgeborenen von den Toten, den Fürst und König der Erde.“ (Offb. 1:5) Von diesem hat auch Petrus bezeugt: „Ihn hat Gott am dritten Tage auferweckt …. Dieser ist aller Herr.“ (Apg. 10:36, 40) Von demselben erklärt Paulus, er werde sich bei seinem zweiten Kommen als „König der Könige und Herr der Herren“ offenbaren. – 1:Tim. 6:15
„Der zweite Adam“
Die erste Wurzel oder der Vater des menschlichen Geschlechtes hatte infolge seines Ungehorsams gegen Gott die Kraft verloren, Nachkommen in seiner Gleichheit, d. h. im Ebenbild Gottes zu erzeugen; er war nicht nur unfähig, seinem Geschlecht ewiges Leben zu schenken, sondern er hatte sogar sein eigenes Lebensrecht verwirkt; und deshalb vererbte er auch auf seine Sprösslinge den Tod mit all seinem Gefolge: Gesunkenheit, Schwäche und Krankheit. Der Logos ward Fleisch, ward Mensch, „der Mensch Christus Jesus“, damit er als zweiter Adam an Stelle des ersten Adams treten und das Werk desselben rückgängig machen könne, indem er ihm und seiner ganzen Nachkommenschaft (die Halsstarrigen, Ungehorsamen ausgeschlossen) völligeres Leben, ewiges Leben gibt unter denselben günstigen Verhältnissen, wie sie vor dem Sündenfall bestanden.
Es ist aber ein großer Fehler, zu glauben, dass der Mensch Christus Jesus der zweite Adam gewesen sei. O nein! „Der zweite Adam ist der Herr vom Himmel“ – sagt der Apostel in 1. Kor. 15:47 – der Herr, welcher vom Himmel wiederkommen wird, um die Rechte und Pflichten eines Vaters zu übernehmen – als Vater des adamitischen Geschlechtes, das er mit seinem eigenen, teuren Blut auf Golgatha losgekauft hat. Bevor unser Herr Jesus der Vater oder Lebensgeber des Menschengeschlechtes werden konnte, musste er dasselbe von der gerechten Strafe befreien, loskaufen; und dieses große Werk (aber das allein) hat er bei seinem ersten Kommen vollbracht. Zum 2. Mal kommt er, um die Menschheit durch die Wiederherstellung emporzuheben, um ihr ewiges Leben zu schenken samt all den Vorrechten und Segnungen, die durch den ersten Adam verloren gingen. Während dem zwischen den beiden Kommen liegenden Zeitalter sollte dem göttlichen Plane gemäß aus dem erlösten Geschlecht eine gewisse Klasse herausgesucht werden, eine kleine Schar von Leuten, deren Charaktereigenschaften schon zum voraus bestimmt waren: „Denn, welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein“. (Röm. 8:29) Gemäß der heiligen Schrift sind diese Erwählten die Unterpriester des königlichen Priestertums; sie sind der Leib oder die Kirche Christi und die Braut des Lammes, und als solche Miterben der Ehren, der Segnungen und des Dienstes in seinem Königreiche.
Dementsprechend wird das zukünftige Werk, das Werk des 1000-jährigen Zeitalters, um dessentwillen der Messias herrschen wird, die Wiederherstellung genannt, oder die Wiedergeburt. Die Welt, d. h. die Menschheit, ist einmal durch Adam erzeugt worden, hat aber verfehlt, das Leben zu erlangen; sie wurde vielmehr in die Sünde und deren Strafe, den Tod, geboren. Aber der neue Vater der Menschheit, der zweite Adam, beabsichtigt eine allgemeine Wieder-Geburt. Die Zeit, da diese Wieder-Zeugung oder Wieder-Geburt der Welt vor sich gehen wird, ist das 1000-jährige Zeitalter, das bezeugen unser Herr und seine Apostel. Jesus sagte: „Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt … auf zwölf Thronen sitzen“, 2c) (Matth. 19:28) Die Tatsache, dass die während dem Evangeliums-Zeitalter heraus gewählte Kirche eine Wiedergeburt durchmachen muss, wird von Bibelkundigen allgemein anerkannt. Viele jedoch verfehlen zu erkennen, dass noch eine andere, verschiedenartige Wiedergeburt bevorsteht, eine solche, die das Menschengeschlecht als Ganzes umfassen wird: nicht, dass jeder einzelne die völlige Wiedergeburt an sich erfahren wird, aber alle werden Gelegenheit haben, zu völliger, gänzlicher Wiedergeburt zu gelangen, wenn sie sich nur diese Gelegenheit zu nutze machen werden.
Freilich tun wir wohl, wenn wir uns bei dieser Gelegenheit des sehr großen Unterschiedes erinnern, der zwischen der Wiedergeburt der Kirche und derjenigen der ganzen Menschheit besteht: zu der während diesem Zeitalter dargebotenen Wiedergeburt der Kirche zu gelangen, sind wohl „viele berufen“, aber wenige werden erwählt, wenige erreichen die völlige Wiedergeburt, wozu sie eingeladen worden sind, nämlich, neue Kreaturen in Christo und, als solche, Teilhaber der göttlichen Natur zu werden. Wie wir aber gesehen haben, handelt es sich bei der Welt nicht um eine Wiedergeburt in eine neue Kreatur, sondern um die Wiederaufrichtung, um die Wiederherstellung der menschlichen Natur in ihrer Vollkommenheit.
So steht denn auch geschrieben: „Der erste Mensch, Adam, ward eine lebendige Seele (animalisches Wesen, wie denn auch Tiere „lebendige Seelen“ genannt werden), der letzte Adam ein lebendigmachender Geist. Aber das Geistige war nicht zuerst, sondern das Natürliche (Animalische), danach das Geistige.“ – 1. Kor. 15:45-47
Und wirklich ist unser Herr Jesus in den Tagen seines Fleisches denn auch mit dem ersten Adam und seinem Geschlecht verwandt geworden durch den Samen Abrahams, da er „ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, … so dass er durch Gottes Gnade für jeden den Tod schmeckte,“ Nachdem er aber seinen Zweck erreicht hatte, wurde er vom Tod auferweckt als Teilhaber der göttlichen Natur, als Loskäufer des menschlichen Geschlechtes – aber nicht mehr als Glied desselben, nicht länger von der Erde, irdisch – sondern als der Herr des Himmels, der zweite Adam, ein lebendigmachender Geist.
Der erste Adam war die ursprüngliche „Wurzel“, aus welcher die ganze menschliche Familie hervorsprosste, folglich ist auch unser Herr Jesus nach dem Fleische, als Sohn der Maria, als Sohn David und Abrahams, ein Reis oder Zweig aus Adam geworden (jedoch mit ungeschwächtem Leben von oben ausgerüstet, das ihn von Sünden getrennt hielt, wie wir gesehen haben). Durch seine Selbst-Aufopferung oder Selbst-Hingabe hat er sich aber nicht bloß seine eigene Erhöhung zur göttlichen Natur erworben, sondern er hat sich dadurch das ganze Geschlecht Adams erkauft und somit auch Adams Rechte als Vater oder „Wurzel“ des Geschlechtes. Auf diese Weise, durch das Sich-Aneignen der Stellung und der Rechte Adams, ist unser Herr der zweite Adam geworden. Und wie er sein eigenes menschliches Leben für dasjenige des Adam hingab, so hat er auch sein Recht, auf natürlichem Wege selbst eine Nachkommenschaft zu erzeugen, um der Kinder Adams willen aufgeopfert, damit er zu seiner Zeit aus Adams Nachkommenschaft alle, die es wünschen, als seine Kinder annehmen könne, um sie wiederherzustellen, um ihnen ewiges Leben zu geben unter den günstigsten Bedingungen. So ist unser Herr nicht länger ein Zweig oder „ein Reis“ aus dem Stamme Isais und Davids, sondern er ist eine neue Wurzel geworden, die bereit ist, neues Leben, neue Kraft an die Menschheit abzugeben – an Adam, Abraham, David und an jedes Glied der gefallenen Menschenfamilie, sofern dasselbe das dargebotene Leben unter den Bestimmungen des „Neuen Bundes“ anzunehmen begehren.
Und dem ersten Werke des Herrn für seine Kirche während diesem Zeitalter wird auch sein Werk für die ganze Menschheit (die es annehmen) während dem Tausendjahr-Zeitalter gleich sein. Sein erstes Werk für seine Kirche ist deren Rechtfertigung zum (menschlichen) Leben in Übereinstimmung und in Gemeinschaft mit Gott: zum selben Leben, welches der vollkommene Mensch Jesus genoss, bevor er sich anlässlich seiner Taufe in den Tod weihte; demselben, welches auch der vollkommene Mensch Adam besaß, bevor er sündigte – mit dem Unterschied jedoch, dass Adam und Christus ihre Vollkommenheit des Lebens wirklich besaßen, währenddem die unserige uns bloß zugerechnet wird – wir sind „gerechtfertigt durch Glauben“.
Unser Herr vergleicht sich und seine Kirche mit einem Weinstock; und dieses Bild gibt uns eine treffliche Illustration zu unserem gegenwärtigen Thema über Wurzel und Zweig. Adam war der ursprüngliche Weinstock, und sein Geschlecht die Reben; aber dieser Stock war samt den Reben vom giftigen Sündenwurm angefressen, er brachte deshalb schlechte Früchte: Krankheit und Tod. Unser Herr ist eine neue Rebe geworden, die, in den adamitischen Weinstock eingepfropft, eine neue Frucht brachte. Der Weinstock hat eine ganz besondere Eigenschaft, die darin besteht, dass seine Zweige, die Reben, begraben werden können und dieselben dann zu Wurzeln sich umgestalten. So ist auch die in den adamitischen Stock eingepfropfte Rebe – Christus, als sie begraben wurde, nicht mehr eine Rebe geblieben, sondern zur Wurzel geworden. Seine Kirche bildet während diesem Zeitalter die Reben in ihm, die ihrerseits „Früchte zur Heiligkeit“ (Röm. 6:22) tragen, indem sie den nötigen Saft, das neue Leben, von ihm beziehen. Aber von diesen Reben wird nicht bloß erwartet, dass sie als Reben „viel Frucht bringen“, wie er (Christus), sondern, dass sie sich schließlich gleich ihm begraben lassen, damit auch sie umgestaltet werden zu Teilen jener Wurzel, welche während dem kommenden Zeitalter der wiedergeboren werdenden Menschheit Kraft und Leben spenden wird.
Die gefallene Frucht, Adam (mit seiner Gehilfin Eva), erzeugte die Menschenfamilie in die Bande der Sünde und des Todes. Der zweite Adam, Christus (mit seiner Braut und Gehilfin), ist bereit, all die Willigen und Gehorsamen wieder zu zeugen in Freiheit, Vollkommenheit und dauerndes Leben. Dieses Werk wird von der Schrift die „Wiederherstellung“ genannt (Apg. 3:19-23), weil dadurch alle in Adam verloren gegangenen Vorrechte und Segnungen zurückgebracht werden sollen, auf dass auf diese Weise die geheilte Menschheit, als Rebe des Herrn, viel Früchte zu bringen vermöge, zum Preise Gottes des Vaters. Es sollte aber beachtet werden, dass dieses Vorrecht, in die Wurzel verwandelt werden zu dürfen, auf eine gewisse Klasse beschränkt ist, nämlich den Christus, Haupt und Leib, welcher während diesem Zeitalter heraus gewählt wird, gemäß dem göttlichen Vorherwissen, durch Heiligung des Geistes und Glauben an die Wahrheit. (1. Petr. 1:2) Ein David z.B., sowie all die Treuen des Alten Bundes können nicht zu Teilen der Wurzel verwandelt werden (indem sie alle starben, bevor der wahre „Sprössling“ oder die „Rebe“ begraben und zur „Wurzel“ umgestaltet wurde); ebenso wenig können es die, welche sich im Millennium treu erweisen werden. Alle jedoch werden befriedigt sein, wenn sie zu seinem Bilde wieder gelangen werden, sei es nun das irdische oder das himmlische. Der Menschheit wird das Vorrecht eingeräumt, zur Gleichheit des vollkommenen Menschen – Christus Jesus, der heiligen „Rebe“ gelangen zu dürfen, während die Herauswahl, die Braut oder der Leib Christi – welche zu ergänzen hat, was noch rückständig ist an den Drangsalen des Christus, und welche ihm in seinem Tod gleichgestaltet werden soll – das Bild des Himmlischen tragen wird. – 1. Kor. 15:48, 49; Hebr. 11:39, 40
„Der Ewigvater“
„Man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, Starker Gott, Vater der Ewigkeit (oder „Ewigvater“), Friedefürst.“ – Jes. 9:6
Wir haben schon gesehen, auf welche Weise der Titel „Starker Gott“ auf unseren Herrn Jesum angewendet werden kann, und wohl wenige werden in Abrede stellen, dass er der „Wunderbarste“ der ganzen göttlichen Familie ist; niemand bestreitet ihm die Eigenschaft als großer „Berater“ oder Lehrer. Und wenn er auch sein Königreich durch eine schreckliche Trübsalzeit (zur Zerstörung der gegenwärtigen bösen Verhältnisse) herbeiführt, so wird er dennoch auch seinem Titel als „Friedefürst“ alle Ehre machen, indem er auf Grund der Gerechtigkeit, und dem göttlichen Charakter und Plane gemäß einen sicheren und dauernden Frieden schaffen wird. So lasst uns nun auch seinen Titel „Ewigvater“ aufmerksam untersuchen; und wir werden finden, dass derselbe nicht weniger passend und bedeutungsvoll ist als die anderen.
Einige glauben hierin einen Widerspruch gegen diejenigen Bibelstellen zu finden, welche erklären, dass Jehova Vater der Ewigkeit sei, oder „der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi“, wie Petrus in seiner 1. Epistel (1:3) bezeugt. Von Widerspruch ist aber auch hier nicht die Rede; die Schrift zeigt uns vielmehr selbst, in welch besonderer Hinsicht dieser Titel auf unseren Herrn angewendet werden kann – bei seinem zweiten Kommen, wenn er sich als Vater der während dem Millennium wiederherzustellenden Menschheit offenbaren wird. Und in der Tat ist dieser Titel bloß eine Bestätigung der anderen, die wir soeben betrachteten. Der neue „Herr“ Davids und der Menschheit, die neue „Wurzel“, der „zweite Adam“ ist niemand anders als Christus, der Ewigvater – der Vater, welcher ewiges Leben gibt.
Zumal unser Herr auf kosten seines eigenen Lebens die Menschheit erkaufte und dadurch ihr Herr, ihr Wiederhersteller und Lebensspender wurde (und da das Wort Vater nichts anderes bedeutet als Lebensgeber), so konnte für unseren Herrn kein besser passender Name oder Titel gefunden werden, um sein Verwandtschaftsverhältnis gegenüber der durch Auferstehung und Wiederherstellung wiedergeborenen Menschheit zu offenbaren, als der Titel „Ewiger Vater“. Die Welt wird ihr Leben unmittelbar dem Herrn Jesu zu verdanken haben, welcher sie nach göttlicher Anordnung erkauft und der Gerechtigkeit dafür den vollen Preis bezahlt hat. Nach erfolgter Wiederherstellung wird die Welt aber nichtsdestoweniger Jehova als den großen Urquell alles Lebens und Segens, als den Autor des großen Heilsplanes anerkennen – als den großen Vater und Ober-Herrn über alle. – 1. Kor. 15:24-28; 3:23; Matth. 19:28
Hiermit stimmt denn auch völlig eine gewisse Schriftstelle überein, die während Jahrhunderten Weise und Unweise, Professoren und Studenten verwirrt hat; nämlich:
„An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein; zu Fürsten wirst du sie einsetzen im ganzen Lande.“
– Psalm 45:16 –
Die Patriarchen und Propheten und besonders die, welche dem Geschlecht angehörten, aus welchem schließlich der Messias, der gerechte Sprössling hervorkam, sind lange mit dem Titel „Väter“ bezeichnet worden, gleicherweise wie auch, gemäß den weiter oben angeführten Stellen, David als Wurzel bezeichnet wurde, aus welcher der Messias hervorsprießen sollte, wonach Christus dem Fleische gemäß also ein Sohn Davids war. Das alles wird sich jedoch ändern, wenn die Kirche, der Leib Christi, vollendet und mit ihrem verherrlichten Haupt vereinigt sein wird, um als „Ewigvater“ der Menschheit die Wiederherstellung der Welt in Angriff zu nehmen. All die früheren Väter werden dann die Kinder sein; denn von Abraham, Isaak und Jakob hatte keiner das Leben im richtigen Sinne des Wortes: sie waren alle Mitglieder des zum Tod verurteilten Geschlechtes. Und wenn unser Herr sich zur menschlichen Natur erniedrigte und mit dem Samen Abrahams und Davids verwandt wurde, um das Versöhnungswerk zu vollenden, so ist er dabei nicht nur der Erretter der Menschheit im allgemeinen geworden, sondern ebenso wohl auch der Erretter (Lebensgeber) Davids, Abrahams 2c), welche dem Fleische gemäß seine Väter waren. Er hat sie alle erkauft, und niemand erlangt das Leben (vollständiges, vollkommenes und ewig dauerndes Leben), als nur durch ihn. „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben, wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen.“ (Joh. 3:36) Hieraus folgt, dass Abraham, Isaak, Jakob und David und all die Propheten nebst der übrigen Menschheit das zukünftige, ewige Leben von Christo und sonst von keinem anderen empfangen können. Außer Christo ist also überall Verdammnis. Es ist deshalb klar, dass, wenn zu der von Gott bestimmten Zeit alle Menschen vom Tode erweckt werden, dies durch den großen Lebensgeber Jesus geschehen wird, der sich in diesem Sinne als ihr Vater offenbaren wird.
Bei dieser Aufweckung wird sich der himmlische Vater nicht in direkter Weise beteiligen; dagegen aber bezeugen uns viele Schriftstellen, dass er der „Vater“, oder der „Erzeuger“ der Kirche, der Braut Christi ist. „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi … hat uns wiedergezeugt.“ (1. Petr. 1:3) Der Apostel Johannes erklärt ebenfalls, dass wir „aus Gott geboren“ (sollte heißen „von Gott gezeugt“) sind. (1. Joh. 5:18) Und Paulus sagt: „Für uns ist ein Gott, der Vater.“ (1. Kor. 8:6) Er hat uns seinen Geist gegeben, durch welchen wir zu ihm rufen „Abba, Vater!“ (Röm. 8:15) Auch unser Herr Jesus bezeugt diese Tatsache, indem er nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern (den ersten Gliedern der Herauswahl) sagt: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“ (Joh. 20:17) Im Evangelium Johannes (1:12) finden wir eine weitere Bestätigung: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden.“ Und von all diesen Kindern heißt es, Vers 13, dass sie nicht vom Geblüt, noch den Willen des Fleisches, noch durch den Willen des Mannes, sondern von Gott gezeugt sind. Und von diesem Vater der Lichter erklärt Jakobs: „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, auf dass wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien.“ (Jak. 1:18) In der Tat, jede sich auf die Kirche beziehende Stelle zeigt uns an, dass die Getreuen dieses Evangeliums-Zeitalters nicht Kinder Christi, sondern Kinder seines Vaters sind, von des Vaters Geist zu des Vaters Natur gezeugt. Und so sind wir denn „Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mitleiden, auf dass wir auch mitverherrlicht werden.“ – Röm. 8:17
Unser Verwandtschaftsverhältnis gegenüber unserem Herrn Jesus ist gemäß dem Vorhergesagten also nicht dasjenige von Söhnen, sondern von Brüdern, was uns übrigens die Schrift auch wiederholt und deutlich bezeugt. In Bezug auf die Kirche sagt der Apostel: „Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen.“ Und prophetischer Weise hat schon der Psalmist erklärt: „Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern, inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen.“ Und ferner: „Siehe, ich und die Kinder (Gottes), die mir Gott gegeben hat.“ Dies sind die „vielen Söhne“, die der Vater zur Herrlichkeit bringen will unter der Leitung des Herzogs ihrer Seligkeit, Christi Jesu; und hinsichtlich dieser Kirche finden wir im ferneren bestätigt, dass unser Herr Jesus in seiner Auferstehung „der Erstgeborene unter vielen Brüdern“ sei. – Röm. 8:29; Hebr. 2:10-13
Dieses große Werk der Zurückgabe des Lebens an die ganze Menschheit wird aber nicht fällig sein, bis der „Leib“ des Lebensgeber vollendet ist, d.h. bis die „Brüder“ mit ihrem Herrn und Erlöser als Söhne der Herrlichkeit aufgenommen und so bereit sein werden, das Wiederherstellungswerk in Angriff zu nehmen. Sogar diejenigen Menschen, deren Glaube und Gehorsam gegen den göttlichen Willen bereits geprüft und als bewährt erfunden worden sind (die Frommen des Alten Bundes), gelangen nicht zur Auferstehung, bis der Leib des großen, gegenbildlichen Mose (die Kirche) ganz vollendet sein wird (Apg. 3:22, 23), wie denn auch geschrieben steht: „Auf dass sie (die Treuen des Alten Bundes) nicht ohne uns (die Überwinder des Evangeliums-Zeitalters, den Leib des Gesalbten) vollkommen gemacht würden“ – die ihnen verheißenen irdischen Segnungen ererben würden. – Hebr. 11:39, 40
Wenn wir die durch Christum Jesum geschehene Erlösung von diesem Standpunkt aus betrachten, wenn wir sehen, wie die durch Adam verloren gegangene Paradiesseligkeit und Erdenherrschaft durch das teure Blut Christi für die Menschheit wieder zurück erkauft ist, dann erkennen wir, in welch herrlicher Weise sich Christus als Vater und Lebensgeber gegen alle diejenigen offenbaren wird, welche unter den Bestimmungen des Neuen Bundes die Restitutions-Segnungen annehmen wollen. Von diesem Standpunkt aus allein können wir begreifen, inwiefern unser Herr Jesus die Wurzel und der Sprössling, der Sohn und der Vater oder Herr Davids zugleich sein kann.
In Anbetracht dieser Umstände möchte man aber fragen: Wie kommt es, dass die Kirche dieses Zeitalters, deren Glieder von Natur doch auch „Kinder des Zorns“ sind, wie die übrigen (Eph. 2:3), und der Sündenvergebung und des Verdienstes Christi ebenso sehr bedürfen, sich in irgend einem gerechten Sinn von der Welt unterscheidet und auszeichnet, so dass sie als „Söhne Gottes“ bezeichnet werden kann, währenddem die Welt als „Kinder des Lebensgebers“, des Christus bezeichnet wird?
Der Unterschied liegt in der Tatsache, dass die Welt ihre menschlichen Lebens-Rechte durch Christus nicht bloß zurückerhalten wird, sondern er den Gehorsamen dieses erkaufte Leben auch gänzlich vervollkommnen wird durch eine stufenweise Entwicklung während dem 1000-jährigen Reich. Die Kirche aber erhält das wiederhergestellte oder vervollkommnte Leben, das ihr Herr für sie erkaufte, nicht sondern es wird den Gläubigen dieses Zeitalters bloß zugerechnet, indem dieselben nicht wirklich, sondern durch den Glauben gerechtfertigt (als menschliche Wesen vollkommen gemacht oder wiederhergestellt) sind. Und diese durch den Glauben zugerechnete menschliche Vollkommenheit dient ihrem ganz besonderen Zwecke: nämlich, damit all die Betreffenden Gelegenheit haben, das ihnen zugerechnete Leben samt dessen Rechten und Vergünstigungen im göttlichen Dienste aufzuopfern, um als Ersatz dafür die Hoffnung auf die Erbschaft der göttlichen Natur zu empfangen.
Irdisches Leben und irdische Segnungen sind durch Adam verloren gegangen; dieselben und keine anderen sind aber durch Christum für die Menschheit zurück erkauft worden; und darum wird denn auch der Menschheit zu den Zeiten der Wiederherstellung kein anderes, sondern dieses selbe Leben mit den entsprechenden Segnungen zurückerstattet. Aber die Kirche, der Leib oder die Braut Christi, wird vorher aus der Mitte der Menschheit berufen, als eine besonders „erwählte“ Klasse, bestimmt für einen „himmlischen Ruf“, einen „hohen Ruf“ – Miterben Jesu Christi, ihres Herrn und Erlösers, zu werden. So wie Christus sein vollkommenes Opfer darbrachte, sich selbst als „Menschen Christus Jesus“, und dafür mit der göttlichen Natur belohnt wurde, so wird auch den Gläubigen dieses Evangeliums-Zeitalters gestattet, ihr unvollkommenes (aber durch das teure Blut Christi als vollkommen gerechtes) Selbst auf den Altar Gottes zu legen. Und wenn sie das tun, so sind sie durch den Geist zu neuen Kreaturen gezeugt, sie sind „Söhne des Höchsten“ und werden als Brüder Christi angenommen zu Gliedern des „königlichen Priestertums“, dessen Hohepriester er ist.
Diese werden vom Vater gezogen, nicht vom Sohn, wie es während dem Millennium mit der Welt der Fall sein wird. (vergl. Joh. 6:44 mit 12:32) Diejenigen, welche der Vater zu Christo „zieht“, werden von letzterem, als dem älteren Bruder, als seine Brüder aufgenommen, und er steht ihnen bei und hilft ihnen, in seinen Fußstapfen zu wandeln, auf dem schmalen Weg der Selbstaufopferung bis in den Tod zu gehen. So können sie, ihm in seinem Tod ähnlich, als Mitopferer gelten, um dann aber auch der Miterbschaft in seinem Königreich würdig erachtet zu werden. Von diesen heißt es deutlich, dass sie in ihrem Fleisch „ergänzen was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus“, dass sie mit ihm leiden, um auch mit ihm zu herrschen. (Kol. 1:24; 2. Tim. 2:12) So sehen wir also, dass die Stellung der Kirche ganz verschieden ist von derjenigen der Welt, wie auch ihr Ruf ein „hoher, himmlischer Ruf“ ist, und wie ihr Lohn in der göttlichen Natur bestehen wird.“ – 2. Petr. 1:4
Dies ist das große Geheimnis, wie der Apostel sagt (Kol. 1:26), der Schlüssel, ohne welchen es unmöglich ist, die Prophezeiungen und Verheißungen des göttlichen Wortes zu verstehen. Der himmlische Vater hatte sich vorgenommen, ein Menschengeschlecht zu erschaffen, „ein wenig geringer als die Engel“, von der Erde, irdisch, und als solches auch der Erde in deren paradiesischem Zustand angepasst. Aber er hatte auch die Folgen des Sündenfalles vorausgesehen und darin eine Gelegenheit erblickt, wo er seine göttliche Gerechtigkeit, seine Liebe, seine Weisheit und Allmacht in wunderbarer Weise entfalten konnte. Und so wie der Vater zuvor verordnete, dass seinem eingeborenen Sohn, dem Logos, Gelegenheit zum Beweis seiner Treue dem Vater und den Prinzipien der Gerechtigkeit gegenüber, gegeben werden sollte, dadurch, dass er der Erlöser der Menschheit wurde und als solcher dann die Reichtümer der göttlichen Gnade ererbte und zum Herrn aller, nächst dem Vater, vorrückte, damit er in allen Dingen den Vorrang habe, so hat es dem Vater auch gefallen, die Hebung der allgemeinen Menschheit, durch deren Erlöser, auf eine bestimmte Zeit hinauszuschieben, damit er sich vorher noch eine „kleine Herde“ heraussuche, die er, nachdem sie auf ihren Charakter und auf ihre Treue geprüft worden, zur Miterbschaft mit dem Eingeborenen gelangen lassen will, zur Teilnahme an der Königreichsherrschaft, hoch erhöht über alle Engel, Fürstentümer und Gewalten und über jeden Namen, der genannt wird.
In Übereinstimmung hiermit hat der Apostel bezeugt, dass wir „auserwählt sind nach Vorkenntnis Gottes des Vaters durch Heiligung des Geistes.“ (1. Petr. 1:2) Zu noch besserem Verständnis dieses Gedankens lesen wir in Röm. 8:29: „Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“ Auch wünscht der Apostel, dass „ihr, erleuchtet an den Augen eures Herzens, wisset, welches die Hoffnung seiner Berufung ist, und welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den heiligen, und welches die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden.“ Er erklärt ferner, dass diese Gnade zu uns gekommen sei, ohne das geringste Verdienst unserseits; denn „als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns Gott mit dem Christus lebendig gemacht und hat uns mit auferweckt und mit sitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu: auf dass er erwiese in den kommenden Zeitaltern den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns in Christo Jesu .. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ – Eph. 1:17-19; 2:4-10