Das Königreich Gottes
Hervorragende Bedeutung des Gegenstandes. – Das Wesen des Reiches. – Das Königreich während des Evangeliums-Zeitalters – Falsche Ansichten von Paulus berichtigt. – Folgen falscher Vorstellungen über das Königreich Gottes. – Zwei Teile desselben. – Die geistige Stufe und ihre Aufgabe. – Die irdische Stufe und ihre Aufgabe. – Ihr einträchtiges Zusammenwirken. – Die Herrlichkeit der irdischen Stufe. – Die Herrlichkeit der himmlischen Stufe. – Die Bundeswurzel, aus der diese Zweige sprossen. – Die irdische Stufe israelitisch. – Die verlorenen Stämme. – Das himmlische Jerusalem. – Israel ein vorbildliches Volk. – Israels Verlust und Wiederherstellung. – Die auserwählten Klassen. – Die Erben des Königreiches. – Das eiserne Regiment. – Zweck der Tausendjahrreich-Herrschaft erklärt. – Die Überantwortung des Königreiches an den Vater. – Gottes ursprüngliche Absicht vollständig verwirklicht.
Wer diesen Gegenstand noch nicht, mit einer Konkordanz und Bibel zur Hand, genauer untersucht hat, würde, wenn er es täte, von der hervorragenden Bedeutung desselben überrascht sein. Das Alte Testament ist voll von Verheißungen und Prophezeiungen, in denen das Königreich Gottes und sein König, der Messias, das Zentrum bilden. Es war die Hoffnung jedes Israeliten (Luk. 3:15), dass Gott ihr Volk als Gesamtheit unter dem Messias erhöhen würde; und als Jesus zu ihnen kam, kam er als ihr König, um das lang verheißene Königreich auf Erden aufzurichten.
Der Vorläufer und Verkünder Jesu, Johannes der Täufer, eröffnete seine Sendung mit der Verkündigung: „Tut Buße (ändert euren Sinn), denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ (Matth. 3:2) Jesus begann seine Amtsverwaltung mit genau demselben Ausspruch (Matth. 4:17), und die Apostel wurden ausgesandt, um die gleiche Botschaft zu verkündigen (Matth. 10:7; Luk. 9:2). Das Königreich Gottes war nicht nur die Lehre, mit der Jesus seine öffentliche Wirksamkeit begann, sondern es war der Hauptinhalt aller seiner Predigten (Luk. 8:1; 4:43; 19:11); andere Dinge wurden nur in Verbindung damit, oder zur Erklärung dieses einen Gegenstandes erwähnt. Seine Gleichnisse waren zum großen Teile Erläuterungen des Königreiches Gottes von verschiedenen Gesichtspunkten aus und in verschiedenen Beziehungen, oder sie sollten dazu dienen, völlige Weihung für Gott als wesentlich zur Teilnahme an dem Königreiche anzuzeigen, und sollten dem jüdischen Missverständnis entgegentreten, dass die Juden schon des Königreiches gewiss seien, weil sie natürliche Kinder Abrahams und daher Erben der Verheißungen sind.
Unser Herr bestärkte und ermutigte in seinen Gesprächen mit seinen Nachfolgern ihre Erwartungen eines zukünftigen Königreiches. Er sagt zu ihnen: „Ich verordne euch, gleichwie mein Vater mir verordnet hat, ein Reich, auf dass ihr esset und trinket an meinem Tische in meinem Reiche und auf Thronen sitzet, richtend die zwölf Stämme Israels.“ (Luk. 22:29, 30) Und wiederum: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Königreich zu geben.“ (Luk. 12:32) Und als der König, anstatt gekrönt und auf den Thron gesetzt zu werden, gekreuzigt wurde, da waren die Jünger tief bekümmert und enttäuscht. Wie zwei derselben nach seiner Auferstehung auf dem Wege nach Emmaus dem Fremdling gegenüber es ausdrückten, so hatten sie „gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen“, sie von dem römischen Joche befreien und aus Israel das Königreich Gottes in Macht und Herrlichkeit machen sollte. Aber durch die Ereignisse der letzten Tage seien sie aufs traurigste enttäuscht worden. Da öffnete ihnen Jesus das Verständnis, indem er ihnen aus der Schrift bewies, dass sein Opfer vor allem nötig war, ehe das Königreich aufgerichtet werden könnte. – Luk 24:21, 25-27
Gott hätte die Herrschaft der Erde Jesu geben können, ohne die Menschheit zu erlösen; denn „der Höchste hat Gewalt über der Menschen Königreiche und gibt sie, wem er will (Dan. 4:32). Aber Gott hat ein großartigeres Ziel im Auge, als durch solch einen Plan erreicht worden wäre. Solch ein Reich hätte, wenn auch noch so große, doch nur zeitliche Segnungen gebracht, da die ganze Menschheit unter dem Todesurteile stand. Um die Segensgüter seines Königreiches ewig dauernd und vollständig zu machen, musste unser Geschlecht zuerst vom Tode losgekauft und von dem Fluche erlöst werden.
Dass Jesus durch die Erklärung der Prophezeiungen die Hoffnung der Jünger auf ein zukünftiges Königreich neu belebte, erhellt sich aus der Tatsache, dass sie später, als er im Begriff war, sie zu verlassen, ihn fragten: „Herr, stellst du in dieser Zeit dem Israel das Königreich wieder her? Seine Antwort, wenn auch keine bestimmte, widersprach ihren Erwartungen nicht. Er sagte: „Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Gewalt festgesetzt hat.“ – Apg. 1:6, 7
Es ist wahr, im Anfang hatten die Jünger, wie auch die ganze jüdische Nation, nur unvollkommene Begriffe von dem Königreiche Gottes, da sie annahmen, dass es ausschließlich ein irdisches Königreich sei, gerade wie heutzutage viele in der entgegengesetzten Richtung irren, indem sie meinen, dass es ausschließlich ein himmlisches Reich sei. Und viele Gleichnisse und dunkle Aussprüche Jesu wurden in der Absicht gegeben, dass sie zu seiner Zeit diese falschen Auffassungen berichtigen sollten. Aber allezeit hielt er den Gedanken an ein auf Erden zu errichtendes und über Menschen herrschendes Reich aufrecht, und nicht nur weckte er in ihnen die Hoffnung auf eine Teilnahme an diesem Königreiche, sondern er lehrte sie auch für seine Aufrichtung beten: „Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.“
Den weltlich Weisen unter den Juden erschien Jesus als ein Betrüger und Schwärmer, und seine Jünger hielten sie für Narren. Die Weisheit Jesu und seine Wunder, seine erbarmende Liebe konnten sie nicht gut leugnen, noch auch zufriedenstellend erklären; doch schien ihnen von ihrem ungläubigen Standpunkte aus seine Behauptung, dass er der Erbe und Errichter des verheißenen, die Welt beherrschenden Königreiches sei und dass seine aus geringeren Lebensverhältnissen stammenden Nachfolger seine Mitherrscher sein sollten, zu abgeschmackt, um überhaupt der Erwägung wert gehalten zu werden. Rom mit seinen geschulten Kriegern, fähigen Generälen und ungeheueren Schätzen war der Herr der Welt, und täglich wuchs seine Macht. Wer aber war dieser Nazarener? und wer diese Fischer ohne Geld oder Einfluss und mit einem so unbedeutenden Anhang unter dem gewöhnlichen Volke? Wer waren sie, dass sie von der Aufrichtung des lang verheißenen Königreiches hätten reden dürfen, eines Reiches, das als das größte und mächtigste, das je auf Erden gewesen, verheißen war?
In der Hoffnung, die vermeintliche Schwäche der Behauptungen Jesu an den Pranger stellen zu können, und ihm so seine Nachfolger abwendig zu machen, fragten ihn die Pharisäer: Wann wird dieses Königreich, von dem du predigst, zu erscheinen anfangen? Wann kommen deine Soldaten an? Wann wird dieses Königreich Gottes erscheinen? (Luk. 17:20-30) Die Antwort unseres Herrn hätte ihren Gedanken eine neue Richtung geben können, wären sie nicht so voreingenommen und von ihrer eigenen eingebildeten Weisheit so verblendet gewesen. Er antwortete ihnen, dass sein Königreich nie in der von ihnen erwarteten Weise erscheinen würde. Das Königreich, das er verkündete und in das er seine Nachfolger zur Mitteilhaberschaft einlud, sei ein unsichtbares Reich, und sie sollten nicht erwarten, es zu sehen. „Er antwortete ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht, dass man es beobachten könnte; noch wird man sagen: Siehe hier! oder siehe dort! denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Es ließe sich gewiss mit keiner Lehre vereinigen, wenn man darauf bestehen wollte, dass das Reich Gottes, welches Christus predigte und aufzurichten im Begriffe war, in den Herzen der Pharisäer gewesen sei, die Jesus selbst Heuchler und übertünchte Gräber, inwendig voller Totengebeine und voller Unflat, nannte. Wenn aber dieses Königreich aufgerichtet ist, dann wird es „mitten unter“ allen sein und alle beherrschen und richten.) Kurz gesagt, er zeigte, dass, wenn sein Königreich kommen würde, es dann überall mächtig und doch nirgends sichtbar sein würde. So gab er ihnen eine Idee von dem geistigen Reiche, das er predigte; sie aber waren nicht bereit und nahmen es nicht an. In der jüdischen Erwartung des verheißenen Reiches war ein Teil Wahrheit enthalten, welche, wie wir zeigen werden, zu seiner Zeit verwirklicht werden wird; aber das, worauf der Herr hier Bezug nimmt, ist jene geistige Stufe des Reiches, die unsichtbar sein wird. Und da diese Stufe des Reiches zuerst aufgerichtet wird, so wird es unsichtbar vorhanden sein und selbst eine Zeitlang unbemerkt bleiben. Das Vorrecht, in dieser geistigen Stufe des Reiches Gottes ein Erbteil zu haben, war das einzige Anerbieten, das damals gemacht wurde, und ist die einzige Hoffnung unserer hohen Berufung während des ganzen Evangeliums-Zeitalters, das damals begann, gewesen. Folglich bezog sich Jesus ausschließlich auf dieses (Luk. 16:16). Das wird beim Weiterforschen klarer werden.
Wahrscheinlich wegen dieser mit Jesu in Widerspruch stehenden, besonders unter den Pharisäern vertretenen, öffentlichen Meinung geschah es, dass Nikodemus bei Nacht zu Jesu kam. Er war begierig, das Geheimnis zu lösen, schämte sich jedoch, es öffentlich zu bekennen, dass Jesu Behauptungen bei ihm irgendwelches Gewicht hätten. Die Unterredung zwischen Jesu und Nikodemus (Joh. Kap. 3), obwohl zweifellos nur teilweise aufgezeichnet, gibt einen weiteren Einblick in das Wesen des Königreiches Gottes. Die Hauptpunkte der Unterredung sind offenbar erwähnt, so dass wir uns damit leicht den ganzen Gang derselben vorstellen können. Wir dürfen uns wohl für berechtigt halten, dieselbe folgendermaßen zu umschreiben:
- Nikodemus: Meister, wir wissen, dass du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen (Wunder) tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jedoch, einige deiner Aussagen scheinen mir sehr ungereimt, und ich bin gekommen, um Aufklärung zu bitten. Zum Beispiel, du und deine Jünger, ihr geht umher und predigt: „Das Himmelreich ist nahe“, aber ihr habt weder ein Heer noch Reichtum noch Einfluss, und allem Anscheine nach ist diese Behauptung falsch; und in dieser Hinsicht scheinst du das Volk zu täuschen. Die Pharisäer halten dich fast alle für einen Betrüger, ich aber bin sicher, dass in deiner Lehre Wahrheit sein muss, „denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm“. Der Zweck meines Besuches ist, zu fragen, welcher Art, für welche Zeit und von woher das Reich ist, das ihr verkündet? Und wann und wie soll es aufgerichtet werden?
- Jesus: Deine Bitte, dir ein volles Verständnis über das Himmelreich zu geben, kann jetzt noch nicht zu deiner Zufriedenheit erfüllt werden; nicht, weil ich nicht genau Bescheid wüsste, sondern weil du es in deinem gegenwärtigen Zustande nicht verstehen oder würdigen könntest, wenn ich es dir auch erklärte: „Es sei denn, dass jemand von oben (griech.: gennao) gezeugt werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen (griech.: eidon), wissen, oder damit bekannt sein.“
(Erste Anmerkung: Das griechische Wort gennao (und die davon abgeleiteten Worte), zuweilen durch gezeugt und zuweilen durch geboren übersetzt, enthält eigentlich beide Gedanken und sollte je nach dem Sinn der Stelle, in der es vorkommt, durch das eine oder andere dieser beiden deutschen Wörter übersetzt werden. Die beiden Gedanken Zeugung und Geburt sind immer in dem Worte, so dass, wenn das eine angegeben ist, das andere immer mit gemeint ist, da ja die Geburt die natürliche Folge der Zeugung ist und die Zeugung (der Natur nach) der Geburt vorhergeht. Wenn die handelnde Person, mit welcher gennao verknüpft ist, männlichen Geschlechtes ist, sollte es mit gezeugt, wenn weiblichen, mit geboren übersetzt werden. So sollte in 1. Joh. 2:29; 3:9; 4:7; 5:1, 18, gennao mit gezeugt übersetzt werden, weil Gott (männlich) die handelnde Person ist. Manchmal jedoch hängt die Übersetzung von der Natur der Handlung ab, einerlei ob männlich oder weiblich. So, wenn es in Verbindung mit ek gebraucht wird, was von oder aus bedeutet, sollte es geboren übersetzt werden. So sollte gennao in Joh. 3:5, 6 mit geboren übersetzt werden, wie durch das Wort ek angezeigt wird – „aus Wasser“, „aus dem Fleisch“, „aus dem Geist“.)
(Zweite Anmerkung: Das griechische Wort „eidon“ wird in Apg. 15:6 mit besehen oder erkennen übersetzt. Nach der Elberf. Übers. lautet die Stelle: „Die Apostel aber und die Ältesten versammelten sich, um diese Angelegenheit zu besehen“, zu verstehen, erkennen. Dasselbe Wort ist in Röm. 11:22 mit schaue übersetzt. „Darum schaue (betrachte, verstehe, erkenne) die Güte und den Ernst Gottes.“ Ebenso in 1. Joh. 3:1: „Sehet (betrachtet, wisset, verstehet) welch eine Liebe hat der Vater erzeigt.“)
Selbst meine Jünger haben bis jetzt sehr unbestimmte Vorstellungen über das Wesen des Königreiches, das sie verkünden. Aus demselben Grunde, aus dem ich es dir nicht sagen kann, kann ich es ihnen nicht sagen; und aus demselben Grunde können sie es nicht verstehen. Denn, Nikodemus, eine Eigentümlichkeit der Handlungsweise Gottes ist, dass er dem bereits empfangenen Lichte gegenüber Gehorsam fordert, ehe mehr Licht dargereicht wird; und bei der Auswahl derer, die würdig erachtet werden sollen, am Königreiche teilzuhaben, wird gefordert, dass sie ihren Glauben bekennen und ihn durch ihr Handeln bekunden. Sie müssen willens sein, Schritt für Schritt der Leitung Gottes zu folgen, wenn sie auch oft nur einen Schritt weit vor sich deutlich erkennen. Sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
- Nikodemus: Aber ich verstehe dich nicht. Was meinst du? „Wie kann ein Mensch gezeugt werden, wenn er alt ist? kann er etwa wiederum in den Leib seiner Mutter eingehen und geboren werden?“ Oder meinst du, dass die Buße, welche Johannes der Täufer predigte und durch Wassertaufe bekundete, irgendwie eine symbolische Geburt ist? Ich bemerke, dass deine Jünger in ähnlicher Weise predigen und taufen. Ist das die neue Geburt, die für diejenigen nötig ist, welche in dein Königreich eingehen wollen?
- Jesus: Unser Volk ist ein geweihtes Volk, ein Bundesvolk. Sie wurden alle in Mose getauft, in dem Meer und der Wolke, als sie Ägypten verließen. Gott nahm sie an in Mose, dem Mittler ihres Bundes am Berge Sinai; aber sie haben ihren Bund vergessen, einige leben offenkundig als Zöllner und Sünder, und viele andere sind selbstgerechte Heuchler; darum ist Johannes Predigt und die meiner Jünger Buße – eine Rückkehr zu Gott und zu einer Anerkennung des geschlossenen Bundes; und die Taufe Johannes bekundet diese Buße und Umkehr des Herzens und nicht die neue Geburt. Aber wenn du nicht mehr hast, als das, wirst du das Königreich nie sehen. Es sei denn, dass du zu der Umkehr, die Johannes Taufe vorbildet, eine Zeugung und Geburt aus dem Geiste empfängst, so kannst du mein Königreich nicht sehen. Buße bringt dich zurück zur Rechtfertigung; in diesem Zustande wirst du fähig sein, mich als den Messias, das Gegenbild von Mose, zu erkennen; und wenn du dich mir weihst, wirst du von dem Vater zu einem neuen Leben und zur göttlichen Natur gezeugt werden, die, wenn sie sich entwickelt und lebendig wird, dir die Geburt als neue Kreatur sichert, als ein Geistwesen, in der ersten Auferstehung; und als solches wirst du das Königreich nicht nur sehen, sondern auch teilen.
Die Veränderung, die durch diese neue Geburt aus dem Geiste bewirkt wird, ist in Wirklichkeit groß, Nikodemus; denn „was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch; was aber aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.“ Wundere dich darum nicht über meine erste Aussage, dass du von oben gezeugt sein musst, ehe du die Dinge, um die du mich gefragt hast, verstehen, erkennen und begreifen kannst. Verwundere dich nicht, dass ich dir sagte: „Ihr müsset von neuem geboren werden.“ Der Unterschied zwischen deinem gegenwärtigen Zustand, geboren aus dem Fleisch und dem Zustand derjenigen, die aus dem Geist geboren werden und in das von mir verkündete Königreich eingehen oder aus denen dasselbe bestehen soll, ist ein großer. Lass mich dir eine Erklärung geben, nach welcher du dir in etwa einen Begriff von den Wesen machen kannst, aus denen, wenn sie aus dem Geiste geboren sind, das Königreich bestehen wird: – „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; also ist ein jeder, der aus dem Geiste geboren ist.“ Wie der Wind bald hier, bald da weht, kannst du nicht sehen, obwohl er überall um dich her einen Einfluss ausübt; du weißt nicht, woher er kommt, noch wohin er geht. Das ist die beste Erklärung, die ich dir über die geben kann, die bei der Auferstehung aus dem Geiste geboren werden und die in das Königreich, das ich jetzt predige, „kommen“ oder dasselbe bilden werden. Sie werden alle unsichtbar sein, wie der Wind, und die Menschen, die nicht aus dem Geiste geboren sind, werden weder wissen, woher sie kommen, noch wohin sie gehen.
- Nikodemus: „Wie kann dies geschehen?“
- Jesus: „Du bist der Lehrer Israels und weißt dieses nicht?“, dass Geistwesen gegenwärtig und doch unsichtbar sein können? Hast du, der du andere zu lehren unternimmst, niemals von Elisa und seinem Diener oder von Bileams Esel gelesen und von vielen Stellen in der Schrift, welche die Möglichkeit dartun, dass Geistwesen unter Menschen gegenwärtig sein können, doch unsichtbar? Ferner, du gehörst zu den Pharisäern, die an Engel als Geistwesen zu glauben bekennen. Aber das zeigt, was ich dir zuerst sagte: Es sei denn, dass jemand von oben gezeugt werde, so kann er das Königreich Gottes und alles, was damit zusammenhängt, nicht sehen, nicht erkennen oder damit bekannt werden.
Wenn du in das Königreich, das ich verkündige, eintreten und ein Miterbe desselben mit mir werden willst, so musst du dem Licht Schritt für Schritt folgen. Wenn du das tust, so wird mehr Licht kommen, und zwar so schnell, als du dazu vorbereitet bist. Ich habe über diese jetzt zeitgemäßen Dinge, die du verstehen kannst, gepredigt und zur Bestätigung derselben Wunder getan, und du erkennst in mir einen Lehrer, von Gott gekommen, aber du hast nicht deinem Glauben gemäß gehandelt und bist nicht öffentlich mein Jünger und Nachfolger geworden. Du kannst nicht erwarten, mehr zu sehen, ehe du nicht allem, was du gesehen hast, nachgekommen bist; dann wird Gott dir für den nächsten Schritt mehr Licht und Klarheit geben. „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmet ihr (Pharisäer) nicht an. Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubet nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage?“ Es würde zwecklos sein, wollte ich versuchen, dir von himmlischen Dingen zu sagen, denn du würdest doch nicht überzeugt werden, und meine Predigt würde dir nur um so törichter erscheinen. Wenn das, was ich gelehrt habe, das doch von irdischer Art war, oder durch irdische Dinge, die du verstehen kannst und verstehst, erläutert wurde, dich nicht genügend überzeugt hat, um öffentlich mein Jünger und Nachfolger zu werden, so würde es noch weniger überzeugend für dich sein, wenn ich über himmlische Dinge redete, wovon du nichts weißt; denn niemand ist in den Himmel aufgefahren, so dass also auch niemand mein Zeugnis bestätigen kann. Ich, der vom Himmel niederkam, verstehe allein himmlische Dinge. „Niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen“. (Die Worte „der im Himmel ist“ (V. 13) sind in den ältesten und zuverlässigsten Handschriften nicht zu finden.) Eine Erkenntnis der himmlischen Dinge kann man nur nach der Zeugung aus dem Geist empfangen; und die himmlischen Dinge selbst, wenn man aus dem Geist geboren, ein Geistwesen geworden ist.
Solcher Geduld bedurfte es von Seiten unseres Herrn, um denen das Wesen des Königreiches zu erklären, deren Vorurteil und Erziehung sie hinderte, über die irdische Stufe desselben etwas anderes zu sehen als nur verwirrte Ansichten. Nichtsdestoweniger ging die Auswahl einer zur Teilnahme am Königreiche des Messias geeigneten Klasse stetig voran, wenn auch aus Israel, dem es sieben Jahre lang (von Jesu Taufe bis zur Bekehrung des Kornelius, des ersten Heiden) ausschließlich angeboten wurde, nur eine kleine Zahl ausgewählt wurde. Wie Gott vorhergesehen hatte, so geschah es. Seine nicht Bereitschaft für dasselbe und sein Verfehlen, die vorgelegten Bedingungen zu erfassen und ihnen nachzukommen, ließ das Vorrecht, am Königreiche des Messias teilzunehmen, an ihm als Volk vorbeigehen. Nur ein Rest, ein Überrest, wurde ausgewählt; und das Königreich kam zu den Heiden, „um aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen“. (Apg. 15:14) Und auch unter diesen weiß nur ein Rest oder eine „kleine Herde“ das Vorrecht zu schätzen und wird würdig erachtet, Miterben seines Königreiches und seiner Herrlichkeit zu werden.
Ein schwerer Irrtum war es, die falsche Auslegung in die Kirche einzuführen, dass das verheißene Königreich die Kirche in ihrem gegenwärtigen Zustande und sein Werk allein ein Werk der Gnade in den Herzen der Gläubigen sei. Und so weit ist dieser Irrtum gegangen, dass die gegenwärtige unheilige Vereinigung und Mitherrschaft der Namenkirche mit der Welt von vielen für die Herrschaft des Königreiches Gottes auf Erden gehalten wird. Wahr ist wohl, dass die Kirche in einem gewissen Sinne schon jetzt das Königreich Gottes ist und dass jetzt in den Herzen der Gläubigen ein Werk der Gnade vor sich geht; aber darin alles zu sehen und zu leugnen, dass ein wirkliches zukünftiges Königreich Gottes, in dem der Wille Gottes auf Erden geschieht wie im Himmel, erst noch unter dem ganzen Himmel aufgerichtet werden soll, das heißt doch, die stärksten und deutlichsten Verheißungen, wie sie aus des Herrn Jesus, der Apostel und Propheten Munde uns zur Ermutigung und zum Beistand bei der Überwindung der Welt verzeichnet sind, bedeutungslos machen.
Die Kirche wird in den Gleichnissen unseres Herrn häufig das Königreich Gottes genannt; und der Apostel redet von ihr als einem Königreiche, über welches Christus jetzt herrscht, wenn er sagt: Gott hat uns aus dem Reiche der Finsternis in das Königreich seines lieben Sohnes versetzt. Wir, die wir Christum angenommen haben, erkennen jetzt sein von ihm erkauftes Recht zur Herrschaft an und leisten ihm dankbar und freiwillig Gehorsam, ehe er seine Herrschaft in der Welt gewaltsam herstellt. Wir erkennen den bestehenden Unterschied zwischen den gerechten Gesetzen, die er erzwingen wird und dem Reiche der Finsternis, das von dem Usurpator, dem „Fürsten“ und „Gott“ dieser Welt, aufrechterhalten wird. Der Glaube an Gottes Verheißungen ändert unser Untertanen-Verhältnis, und so rechnen wir uns zu den Untertanen des neuen Fürsten und durch seine Gnade zu Miterben mit ihm in jenem noch zukünftigen Königreich.
Dieser Umstand macht aber in keiner Weise die Verheißung zunichte, dass Christi Königreich schließlich herrschen wird „von Meer zu Meer und vom Strome bis an die Enden der Erde“ (Ps. 72:8), und dass vor ihm „sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und (jetzt noch) unter der Erde sind“ (Dan. 7:27; Phil. 2:10). Im Gegenteil, die jetzt vor sich gehende Auswahl der „kleinen Herde“ bestätigt diese Verheißungen.
Wenn man die Gleichnisse unseres Herrn sorgfältig betrachtet, so wird man finden, dass sie deutlich lehren, dass das Kommen oder Aufrichten des Königreiches Gottes in Macht noch in der Zukunft liegt und natürlicherweise erst dann geschieht, wenn der König kommt. So verlegt das Gleichnis von dem „Edlen“, der in ein fernes Land zog, um das Königtum zu empfangen und dann zurückzukehren usw. (Luk. 19:11-15), die Aufrichtung des Königreiches auf die Zeit der Wiederkunft Christi. Und diese Botschaft, die Jesus lange Zeit nachher an seine Kirche sandte, war diese: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb. 2:10) Hieraus geht hervor, dass die Könige, die mit Jesu herrschen sollen, nicht in diesem Leben gekrönt werden oder herrschen sollen.
Die Kirche der Jetztzeit ist daher nicht das in äußerlicher Macht und Herrlichkeit aufgerichtete Königreich Gottes, sondern das Königreich Gottes in seinem Anfangs- oder Embryo-Zustand. Und so lehren in der Tat alle darauf Bezug nehmenden Ausdrücke des Neuen Testamentes. Das Himmelreich leidet jetzt Gewalt von Seiten der Welt; der König wurde misshandelt und gekreuzigt; und wer in seinen Fußstapfen nachfolgen will, muss in irgendeiner Weise Verfolgung und Gewalttat leiden. Dies gilt, wie man bemerken wird, nur von der wahren Kirche und nicht von der Namenkirche. Aber die Verheißung wird uns vorgehalten, dass, wenn wir (die Kirche, das Embryo-Königreich) jetzt mit Christo leiden, dann sollen wir auch zu seiner Zeit, wenn er seine große Macht an sich nehmen und herrschen wird, mit ihm verherrlicht werden und herrschen.
Jakobus 2:5 sagt uns in Übereinstimmung mit der Lehre unseres Herrn, dass Gott die Armen und vor der Welt Verachteten erwählt habe, nicht um jetzt zu herrschen, sondern als „Erben des Reiches, welches er verheißen hat“. Der Herr sagt: „Wie schwerlich werden die, welche Güter haben, in das Königreich Gottes eingehen.“ (Mark. 10:23) Es ist augenscheinlich, dass er damit die Namenkirche, die jetzt mit der Welt herrscht, nicht meint; denn die Wohlhabenden werden geradezu in dieselbe hinein gedrängt. Petrus ermahnt die Erben des Königreiches zur Geduld, Ausdauer, Tapferkeit und zum Glauben, wenn er sagt: „Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung festzumachen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln. Denn also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Königreich unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi.“ – 2. Petr. 1:10, 11
Die Aussage des Apostel Paulus in Röm. 14:17 soll sich, der Ansicht mancher nach, auf ein bildliches Königreich beziehen; aber wenn man es im Lichte des Zusammenhanges prüft, so wird es klar, dass die Stelle einfach das Folgende sagt: Wir, Brüder, die jetzt in das Königreich seines lieben Sohnes versetzt sind, genießen gewisse Freiheiten in Bezug auf unsere Nahrung usw., die wir als Juden unter dem Gesetze nicht hatten (Vers 14); doch lasst uns diese Freiheit lieber nicht gebrauchen, wenn ein Bruder, der es noch nicht so sehen kann, dadurch straucheln und sein Gewissen beflecken würde. Lasst uns nicht durch unsere Freiheit, die wir in Bezug auf unsere Speisen haben, unseren Bruder verderben, für den Christus gestorben ist, sondern lasst uns denken, dass die Vorrechte und Segnungen des Königreiches, sowohl jetzt als in der Zukunft, in viel größeren Gütern bestehen als in der Freiheit in Bezug auf Speise, nämlich in der Freiheit, recht zu tun, in unserem Frieden mit Gott durch Christum und in unserer Freude, dass wir an Gottes Heiligem Geiste teilhaben. Diese Freiheiten des Königreiches (jetzt und ewig) sind so groß, dass die untergeordnete Freiheit in Bezug auf Speise für jetzt zum Wohle unseres Bruders gar wohl aufgegeben werden kann.
Von welchem Standpunkt der Heiligen Schrift aus wir es auch ansehen, dem Gedanken, dass die Königreichsverheißungen geheimnisvolle Täuschungen seien oder dass unsere gegenwärtige Lage diese Verheißungen erfülle, wird durchweg widersprochen.
Die Verheißungen vom Königreiche und von der Miterbschaft mit dem Meister waren in der ersten Kirche ein mächtiger Antrieb zur Treue und Ausdauer unter den zeitlichen Prüfungen und Verfolgungen, die zu erwarten sie vorher gewarnt worden waren; und aus allen den Worten voll Trost und Ermunterung, die den „sieben Gemeinden“ (Kirchen) in der Offenbarung zugerufen wurden, leuchten keine klarer und stärker hervor als die, welche erklären: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron“ und „wer da überwindet .., dem werde ich Gewalt über die Nationen geben“. – Offb. 3:21; 2:26
Das sind Verheißungen, die nicht gut so gedeutet werden können, als ob sie sich auf ein gegenwärtiges Gnadenwerk in den Herzen bezögen, noch auf eine Herrschaft über die Nationen im gegenwärtigen Leben, da die, welche überwinden, die Ehren des Königreiches durch den im Dienste Gottes erlittenen Tod erringen müssen. – Offb. 20:6
Die menschliche Natur sucht den Leiden aus dem Wege zu gehen und ist jederzeit bereit, Macht und Ehre zu ergreifen; daher finden wir, dass schon in den Tagen des Apostels etliche in der Kirche der Neigung huldigten, die Verheißungen zukünftiger Macht und Ehre dem gegenwärtigen Leben zuzuschreiben und demgemäss zu handeln, als ob die Zeit schon gekommen wäre, da die Welt die Kirche ehren oder gar ihr gehorchen müsse. Diesem Irrtum vorzubeugen, schrieb der Apostel Paulus, da er wohl wusste, welch schlimme Folgen es für die Kirche haben würde, wenn solche Gedanken den Hochmut wachrufen und die Glieder von dem Opfer ablenken würden. Er ruft ihnen ironisch zu: „Schon seid ihr gesättigt, schon seid ihr reich geworden; ihr habt ohne uns (als Könige) geherrscht.“ Und dann setzt er hinzu: „Und ich wollte wohl, dass ihr herrschtet, auf dass auch wir (die verfolgten Apostel) mit euch herrschen möchten.“ (1. Kor. 4:8) Sie freuten sich ihres Christentums, indem sie versuchten, soviel Ehre als möglich dabei zu gewinnen; und der Apostel wusste sehr wohl, dass, wenn sie treue Nachfolger des Herrn wären, sie sich in keinem solchen Zustande befinden würden. Daher erinnert er sie daran, dass, wenn die lang ersehnte Herrschaft wirklich begonnen habe, er dann auch, nicht weniger wie sie, herrschen würde; und die Tatsache, dass er durch seine Treue um der Wahrheit willen leiden musste, war Beweis genug, dass ihr Herrschen ein verfrühtes und viel eher ein Fallstrick als eine Ehre sei. Dann fügt er mit einem Anflug von Ironie hinzu: „Wir (Apostel und andere treue Diener) sind Narren um Christi willen, ihr aber klug in Christo; wir schwach, ihr aber stark; ihr herrlich, wir aber verachtet.“ Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich dieses; ich habe einen besseren und edleren Zweck – euch zu warnen; denn nicht ein Pfad gegenwärtiger Ehre führt zu der zu offenbarenden Ehre und Herrlichkeit, sondern gegenwärtiges Leiden und Selbstverleugnung sind der schmale Weg zur Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit und zur Miterbschaft am Königreiche. Darum ermahne ich euch, seid meine Nachfolger. Leidet jetzt, und lasst euch schelten und verfolgen, dass ihr mit mir die Krone des Lebens teilen möget, „welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben“. (1. Kor. 4:10-17; 2. Tim. 4:8)
Nachdem aber die erste Kirche ein gut Teil Verfolgung getreulich erduldet hatte, begannen in ihr unbiblische Lehren sich breit zu machen, als sei die Aufgabe der Kirche die, vor dem zweiten Kommen des Herrn die Welt zu erobern, das Himmelreich auf Erden aufzurichten und über die Völker der Welt zu herrschen. Dies legte in der Kirche den Grund zu weltlichem Ränkespiel, Prunk, Hochmut, prahlerischem Gepränge und inhaltlosen Zeremonien, die darauf berechnet waren, die Welt einzuschüchtern, zu fangen und mit Scheu zu erfüllen; und Schritt für Schritt führte dies zu der großen Anmaßung des Papsttums, dass es als Gottes Königreich auf Erden das Recht hätte, die Achtung und den Gehorsam aller Geschlechter Nationen und Völker gegen seine Gesetze und Beamten zu fordern. Unter dieser falschen Vorspiegelungen (und augenscheinlich betrogen sie sowohl sich selbst als andere) krönte und entthronte das Papsttum eine Zeitlang die Könige Europas und beansprucht noch immer diese Autorität, die zu erzwingen es jetzt jedoch ohnmächtig ist.
Dieselbe Idee hat der Protestantismus vom Papsttum übernommen. Auch er behauptet, obwohl unbestimmter, dass die Herrschaft der Kirche irgendwie im Zunehmen begriffen sei; und auch sie sind wie die Laodicäer „satt“ und „reich“ und herrschen wie die Korinther „als Könige“, wie es deutlich von unserem Herrn beschrieben wird (Offb. 3:17, 18; 1. Kor. 4:8). So kommt es, dass die Glieder der Kirche, die nicht wirklich bekehrt, kein echter Weizen, sondern Scheinweizen, Nachahmungen des Weizens sind, die wahren Jünger Christi an Zahl bei weitem übersteigen. Von wirklicher Aufopferung und Selbstverleugnung wollen diese nichts wissen und nicht um der Gerechtigkeit (Wahrheit) willen leiden, höchstens halten sie an einer äußeren Form des Fastens usw. fest. In Wirklichkeit herrschen sie mit der Welt und sind nicht auf dem Wege der Vorbereitung zur Teilnahme an dem wahren Königreiche, das von unserem Herrn bei seiner zweiten Gegenwart aufgerichtet werden soll.
Jedem aufmerksamen Beobachter wird hier, wenn er diese Ansicht mit der Lehre Jesu und der Apostel vergleicht, eine offenbare Ungereimtheit auffallen. Sie lehrten, dass es kein Königreich geben kann, ehe der König kommt (Offb. 20:6; 3:21; 2. Tim. 2:12). Folglich muss das Himmelreich Gewalt leiden bis zu der Zeit, da es in Herrlichkeit und Macht aufgerichtet werden soll.
Zwei Teile des Königreiches Gottes
Während es wahr ist, wie unser Herr es aussprach, dass das Königreich nicht kommt – sich nicht gleich von Anfang an bemerkbar macht – mit äußerlichen Gebärden, so wird es doch zur bestimmten Zeit allen durch äußerlich sichtbare und unverkennbare Zeichen offenbar gemacht werden. Wenn das Königreich Gottes völlig aufgerichtet ist, so wird es aus zwei Teilen bestehen, aus einer geistigen oder himmlischen und einer menschlichen oder irdischen Stufe. Die geistige Stufe wird der Menschheit stets unsichtbar sein, da alle, die ihr angehören, geistige, göttliche Natur besitzen, die kein Mensch gesehen hat noch sehen kann (1. Tim. 6:16; Joh. 1:18); ihre Gegenwart und Macht aber wird sich mächtig kundtun, hauptsächlich durch ihre menschlichen Vertreter (Ps. 45:16), welche die irdische Stufe des Königreiches Gottes bilden werden.
Die geistige Stufe des Königreiches wird aus den überwindenden Heiligen des Evangeliums-Zeitalters – dem verherrlichten Christus, Haupt und Leib – gebildet. Ihre Auferweckung und Erhöhung zur Macht geht der Auferweckung aller anderen voran, weil alle anderen durch diese Klasse gesegnet werden sollen. (Hebr. 11:39, 40) „Dies ist die erste Auferstehung.“ (Offb. 20:5)
(In diesem Vers sind die Worte: „Die anderen Toten wurden nicht wieder lebendig, bis dass tausend Jahre vollendet wurden“ – unecht. Sie finden sich nicht in den ältesten und zuverlässigsten griechischen Handschriften, weder im sinaitischen noch vatikanischen Nr. 1209 und 1160, noch auch in der syrischen Handschrift. Wir müssen bedenken, dass manche Stellen, welche sich in den neueren Abschriften vorfinden, Zusätze sind, welche nicht eigentlich zur Bibel gehören. Da uns gesagt ist, nichts zum Wort Gottes hinzuzufügen, so ist es unsere Pflicht, solche Zusätze auszumerzen, sobald ihre Unechtheit bewiesen ist. Die angegebenen Worte schlichen sich wahrscheinlich im fünften Jahrhundert durch einen Zufall in den Text ein; denn keine Handschrift älteren Datums (weder griechische noch syrische enthält diesen Satz. Es war wahrscheinlich zuerst nur eine Randbemerkung, die ein Leser machte, worin er seine Gedanken über den Text zum Ausdruck brachte und wurde später von irgendeinem Abschreiber, der zwischen dem Texte und der Anmerkung zu unterscheiden verfehlte, in den eigentlichen Text aufgenommen.
Die Verwerfung dieses Satzes ist jedoch für den hierin dargelegten „Plan“ nicht wesentlich; denn „die anderen Toten“, die Welt im großen und ganzen werden in dem vollkommenen Sinn, in dem Adam lebte, ehe er sündigte und unter den Urteilsspruch kam, „sterbend wirst du sterben“, nicht wieder lebendig werden, bis tausend Jahre um sind. Vollkommenes Leben ohne Schwachheit oder Sterben ist der einzige Sinn, in welchem Gott das Wort Leben anerkennt. Von seinem Standpunkte aus hat die ganze Welt schon das Leben verloren, ist im Sterben begriffen und könnte jetzt eher als tot denn als lebendig bezeichnet werden. – 2. Kor. 5:14; Matth. 8:22
Das Wort Auferstehung (griechisch: Anastasis) bedeutet Aufrichtung. In Bezug auf den Menschen bedeutet es, den Menschen zu dem Zustande aufrichten, von dem er fiel, zu voller menschlicher Vollkommenheit, zu dem, was durch Adam verloren ging. Die Vollkommenheit, von der unser Geschlecht fiel, ist die Vollkommenheit, zu welcher es während des tausendjährigen Wiederherstellungs- oder Auferstehungs- (Aufrichtungs-) Zeitalters allmählich erhoben werden wird, Das tausendjährige Königreich ist nicht nur das Zeitalter der Prüfung, sondern auch das Zeitalter der Segnung, und durch eine Auferstehung oder Wiederherstellung zum Leben soll alles, was verloren war, allen denen wiedergegeben werden, die, sobald sie wissen und Gelegenheit haben, mit Freuden gehorchen. Der Vorgang der Auferstehung wird ein allmählicher sein und das ganze Zeitalter erfordern; wenn auch die bloße Erweckung zu einem teilweisen Leben und bloßem Bewusstsein, wie man es jetzt genießt, natürlich nur ein augenblickliches Werk sein wird. Folglich wird es nicht eher, bis die tausend Jahre vollendet sind, der Fall sein, dass das Geschlecht das vollständige, in Adam verlorene Maß von Leben völlig wiedererlangt haben wird, Und da alles, was nicht vollkommenes Leben ist, ein Zustand teilweisen Todes ist, so folgt, obwohl die obigen Worte kein Teil des inspirierten Wortes sind, dass es ganz richtig wäre, zu sagen, die anderen oder übrigen Toten werden nicht wieder leben (werden die verlorene Fülle des Lebens nicht wieder erlangen), bis die tausend Jahre der Wiederherstellung und Segnung zu Ende sind.)
Das große Werk dieser herrlichen gesalbten Schar – des Christus – erfordert ihre Erhöhung zur göttlichen Natur. Keine andere als göttliche Macht könnte es vollbringen. Ihr Werk erstreckt sich nicht nur auf diese Welt, sondern auf alle Dinge im Himmel und auf Erden – auf geistige, wie auch auf menschliche Wesen. – Matth. 28:18; Kol. 1:20; Eph. 1:10; Phil. 2:10; 1. Kor. 6:3
Die Aufgabe der irdischen Stufe des Königreiches Gottes wird auf diese Welt und die Menschheit beschränkt sein und diejenigen welche teil daran haben, werden unter allen Menschen die von Gott am höchsten Erhöhten und Geehrten sein. Das ist die Klasse, auf die wir in Studie 8 Bezug nahmen und deren Gerichtstag dem Evangeliums-Zeitalter voranging. Da sie geprüft und treu erfunden wurden, so werden sie bei der Auferweckung nicht wieder zum Gericht hervorgebracht werden, sondern sofort den Lohn ihrer Treue empfangen – eine augenblickliche Auferstehung zur Vollkommenheit als Menschen. (Die anderen, außer diesen und der geistigen Klasse, werden im Millenniums-Zeitalter allmählich zur Vollkommenheit aufgerichtet werden.) Somit wird diese Klasse sofort bereit sein, das große Werk der Wiederherstellung und Segnung der übrigen Menschheit als Christi Bevollmächtigte in Angriff zu nehmen. Wie die geistige Natur zur Vollführung des Werkes Christi erforderlich ist, so ist die vollkommene menschliche Natur das angemessene Werkzeug zum Vollbringen des unter den Menschen zu geschehenden Werkes. Sie werden unter den Menschen in sichtbarer Weise wirken, und die Herrlichkeit ihrer Vollkommenheit wird den anderen Menschen ein beständiges Vorbild und ein fortwährender Antrieb zum Streben nach der gleichen Vollkommenheit sein. Dass diese alten Heiligen zur menschlichen Stufe des Königreiches gehören und den Menschen sichtbar sein werden, das wird zur Genüge durch die Worte Jesu, die er den ihn verwerfenden ungläubigen Juden gegenüber aussprach, bezeugt: „Ihr werdet sehen Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Königreiche Gottes.“ Man beachte dabei, dass der Meister nichts davon erwähnt, dass sie ihn oder die Apostel sehen würden. Es ist eine Tatsache, dass die Menschen die irdische Stufe des Königreiches sehen und sich unter deren Glieder mischen werden, aber nicht so mit der geistigen: und schmerzlich betroffen werden manche sein, die solch große Ehre verwarfen.
Wir besitzen keine ausführliche Belehrung darüber, in welcher Weise diese beiden Teile des himmlischen Königreiches harmonisch zusammenwirken werden, doch haben wir in der Verfahrensweise Gottes mit Israel durch seine Vertreter – Mose, Aaron, Josua, die Propheten usw.- eine Illustration der Art, wie es geschehen könnte, obwohl die künftigen Kundgebungen göttlicher Macht die jenes vorbildlichen Zeitalters bei weitem übertreffen werden; denn das Werk des kommenden Zeitalters umfasst die Auferweckung aller Toten und die Wiederherstellung der Gehorsamen zur Vollkommenheit. Dieses Werk erfordert die Errichtung einer vollkommenen Regierung unter den Menschen mit vollkommenen Menschen als Herrschern, damit sie Staatsangelegenheiten richtig leiten können. Mittel und Wege jeglicher Art, für die Erziehung des Menschen geeignet, müssen da gesucht, sowie allerhand wohlwollende Maßnahmen getroffen werden. So wird unter der Leitung der unsichtbaren, geistigen Glieder desselben Königreiches durch sichere und regelmäßige Schritte das Menschengeschlecht aufgerichtet werden; und dies edle Werk ist die hohe Ehre, zu der jene alten Heiligen erkoren und geschickt gemacht worden sind. Um diese Ehre in Empfang zu nehmen, werden sie bald nach dem schließlichen Schiffbruch der Reiche dieser Welt, und nachdem deren Fürst, Satan, gebunden ist, hervorkommen. Und bald werden sie als die göttlich geehrten Vertreter des himmlischen Königreiches die Ehrfurcht und Mitwirkung aller Menschen auf ihrer Seite haben.
Auf der irdischen Stufe des Königreiches Gottes einen Platz zu erringen, wird allem Wünschen und Streben des vollkommenen Menschenherzens Befriedigung gewähren. Es wird ein herrliches und herzbeglückendes Los vom ersten Augenblick des Eintrittes in dasselbe sein; und doch wird sich mit dem Vorrücken der Zeit und Voranschreiten des Segenswerkes dessen Herrlichkeit noch vervielfältigen. Und wenn am Ende eines Jahrtausends das große Werk der Wiederherstellung von dem Christus vollbracht ist (in großem Maße durch die Mitwirkung dieser edlen, menschlichen Mitarbeiter); wenn das ganze menschliche Geschlecht (ausgenommen die Unverbesserlichen, Matth. 25:46; Offb. 20:9) erprobt, ohne Flecken oder Runzel oder dergleichen vor Jehova dasteht, dann werden die, welche an dem Werk beteiligt waren, unter ihren Mitmenschen und vor Gott und Christo und den Engeln leuchten „wie die Sterne immer und ewiglich“ (Dan. 12:3). Ihre Arbeit und ihr Dienst der Liebe werden dann von ihren dankbaren Mitmenschen nie vergessen werden. Sie werden in ewigem Andenken bleiben (Ps. 112:6).
Aber so groß auch die zunehmende Herrlichkeit dieser vollkommenen, die irdische Stufe des Königreiches bildenden Menschen sein wird, die Herrlichkeit der himmlischen Klarheit wird weit überschwenglicher sein. Während jene für immer wie die Sterne leuchten werden, sollen diese „leuchten wie des Himmels Glanz“ – „wie die Sonne“ (Dan. 12:3, Matth. 13:43). Die himmlischen, wie die irdischen Ehren werden dem Christus zu Füßen gelegt werden. Das menschliche Fassungsvermögen kann die Herrlichkeit, die an dem Christus in den zahllosen Zeitaltern der Ewigkeit geoffenbart werden soll, nur dunkel ahnen, aber nicht klar erkennen (Röm. 8:18, Eph. 2:7-12).
Durch diese beiden Phasen des Königreichs soll die dem Abraham gegebene Verheißung bewahrheitet werden: – „Durch dich und durch deinen Samen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden“. „Dein Same soll sein wie der Sand am Ufer des Meeres und wie die Sterne am Himmel“ – ein irdischer und ein himmlischer Same, beide Gottes Werkzeug bei der Segnung der Welt. Beide Phasen der Verheißung waren von Anfang an von Gott beabsichtigt und deutlich vorausgesehen, von Abraham dagegen wurde allein die irdische gesehen. In der Erfüllung tat Gott noch mehr, als Abraham erwartete. Er erwählte aus dem natürlichen (fleischlichen) Samen Abrahams die Ersten der geistigen Klasse (die Apostel und andere) aus und bot den höchsten Segen, den geistigen, allen in jenem Volke an, die zu der bestimmten Zeit dieses himmlischen Rufes lebten, und das ging weit über das hinaus, was Abraham jemals von diesem Bund erkannte – Gnade um Gnade.
Paulus spricht in Röm. 11:17 von dem Abrahamitischen Bund als von einer Wurzel, aus der das fleischliche Israel auf natürliche Weise herauswuchs, in welche aber die Gläubigen aus den Nationen eingepfropft und die natürlichen Zweige um ihres Unglaubens willen abgeschnitten wurden. Dies zeigt die doppelte Erfüllung der Verheißung in der Entwicklung der beiden Samen, des irdischen (menschlichen) und himmlischen (geistigen), welche die beiden Abteilungen des Königreiches bilden werden. Diese Bundes-Wurzel trägt diese beiden verschiedenartigen Zweige, davon jeder bei der Auferstehung seine eigene bestimmte Art vollkommener Frucht trägt – die menschliche und die geistige Klasse in königlicher Machtstellung. Was die Zeitordnung ihrer Entwicklung betrifft, so war die natürliche (irdische) die erste, und dann kam die der himmlischen Herrscher; aber was die Höhe der Stellung und die Zeit der Einsetzung anbetrifft, so wird die geistige die erste sein und danach die natürliche; und so kommt es, dass „es sind Letzte, die werden die Ersten sein und sind Erste, die werden die Letzten sein“. (Matth. 19:30; Mark. 10:31; Luk. 13:30)
Die dem Abraham gegebene Verheißung auf die Stephanus (Apg. 7:5) sich bezog, und auf welche Israel sich verließ, war eine irdische; sie betraf das Land. Gott „verhieß, es ihm zum Besitztum zu geben“, sagte Stephanus. „Und Jehova sprach zu Abraham: Hebe doch deine Augen auf und schaue von dem Orte, wo du bist, gen Norden und gen Süden und gen Osten und gen Westen! Denn das ganze Land, das du siehst, dir will ich es geben und deinem Samen auf ewig. Und ich will deinen Samen machen wie den Staub der Erde, so dass, wenn jemand den Staub der Erde zu zählen vermag, auch dein Same gezählt werden wird. Mache dich auf und durchwandle das Land nach seiner Länge und nach seiner Breite; denn dir will ich es geben.“ (1. Mose 13:14-17)
Stephanus zeigt, dass diese Verheißung noch erfüllt werden muss; denn er erklärt, dass Gott dem Abraham „kein Besitztum darin (in dem Land), auch nicht einen Fußbreit“, gab.
Der Apostel, der von derselben Klasse der alten Heiligen, unter anderem von Abraham, spricht, stimmt der Aussage des Stephanus bei, dass die dem Abraham gegebene Verheißung noch nicht erfüllt worden sei; und er geht noch weiter und zeigt, dass diese irdischen Verheißungen nicht eher erfüllt werden, als bis die höheren und größeren Verheißungen von dem Christus (Haupt und Leib) erfüllt sind. Er sagt von ihnen: „Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die (Erfüllung der) Verheißungen nicht empfangen, da Gott für uns (den Christus) etwas Besseres vorgesehen hat, auf dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.“ (Hebr. 11:13, 39, 40) Das zeigt wiederum, dass der Erlöser und Wiederhersteller geistig ist, da er die menschliche Natur als Lösegeld für alle aufgegeben hat, und dass von dieser hoch erhöhten geistigen Klasse alle Segnungen ausgehen müssen, wer auch die Ehre erhalten mag, hienieden als Werkzeug oder Bevollmächtigter gebraucht zu werden.
Die irdische Phase des Königreiches, so sehen wir, wird israelitisch sein, und um diese Tatsache drehen sich die vielen Prophezeiungen, die sich auf das Hervorragen jener Nation im Plane Gottes bei der künftigen Segnung der Welt beziehen, wenn ihre zu Staub zerfallene Hütte wiederhergestellt und Jerusalem zum Preise erhoben werden soll auf der ganzen Erde. Sowohl von den Propheten wie von den Aposteln finden wir Aussprüche, die klar zeigen, dass in den Zeiten der Wiederherstellung Israel das erste Volk sein wird, das mit der neuen Ordnung der Dinge in Einklang kommt; dass das irdische Jerusalem wieder auf seinen alten Trümmern erbaut und ihr Gemeinwesen wiederhergestellt werden wird, wie es im Anfang unter den Fürsten oder Richtern der Fall war (Jes. 1:26; Ps. 45:16; Jer. 30:18). Und was könnte man wohl mit mehr Grund erwarten, als dass Israel mit Freude allen voran die Patriarchen und Propheten, erkennen würde? Und dass sein Bekanntsein mit dem Gesetz und seine langjährige Zucht unter demselben das Volk zur Lenksamkeit und zum Gehorsam unter der Autorität des Königreiches bereitet habe? Und während Israel die erste Nation sein soll, die anerkannt und gesegnet werden wird, so steht gleichfalls von ihm geschrieben: „Und Jehova wird die Zelte Judas zuerst retten.“ (Sach.12:7)
Wir achten es nicht für wichtig, uns auf eine Erörterung darüber einzulassen, wo wohl die „verlorenen Stämme“ Israels zu suchen seien. Es mag wahr sein oder auch nicht, dass sich diese „verlorenen Stämme“ bis herab auf bestimmte zivilisierte Völker der Gegenwart nachspüren ließen. Wenn auch einige der vorgelegten Beweise nicht ganz grundlos sind, so sind es doch im ganzen nur Folgerungen und Vermutungen. Sollte es aber noch einmal bestimmt nachgewiesen werden, dass einige der zivilisierten Nationen Abkömmlinge der verlorenen Stämme sind, so würde das für sie in Bezug auf die „himmlische hohe Berufung“ kein Vorteil sein, denn seit ihrer nationalen Verwerfung gilt in Bezug auf denselben kein Unterschied, ob Jude oder Grieche, Knecht oder Freier. Sollte jener Nachweis je gelingen (was noch nicht geschehen ist), so würde das mit den Prophezeiungen und Verheißungen, die sich auf dieses Volk beziehen und in und unter der irdischen Phase des Königreiches ihrer Erfüllung harren, vollkommen stimmen.
Natürliche Neigung, wie auch ein noch übriggebliebenes Maß von Vertrauen in die lange unerfüllt gebliebenen Verheißungen und alle ihre natürlichen Vorteile werden Israels allgemeiner und schneller Annahme der neuen Herrscher günstig sein; während die Gewohnheit teilweisen Gehorsams gegen das Gesetz seinem schnellen Einswerden mit den Grundsätzen der neuen Regierung ebenfalls günstig ist.
Wie Jerusalem der Herrschersitz unter dem vorbildlichen Königreiche Gottes war, so wird es dieselbe Stellung wieder einnehmen und die „Stadt des großen Königs“ werden (Psalm 48:2; Matth. 5:35). Eine Stadt ist das Sinnbild eines Königreiches oder einer Herrschaft, und so wird das Königreich Gottes durch das „Neue Jerusalem“ als die neue, vom Himmel auf die Erde kommende Herrschaft versinnbildet. Zuerst wird es nur aus der geistigen Klasse, der Braut Christi, bestehen, und, wie es von Johannes geschaut wurde, nach und nach auf die Erde herabkommen; das heißt, es wird nach und nach zur Macht kommen, wenn am Tage des Herrn die gegenwärtigen Reiche in Stücke gehen. Zur festgesetzten Zeit aber wird die irdische Stufe dieser Stadt oder Regierung hergestellt werden, deren Teile oder Glieder die alten Heiligen sein werden. Es wird nicht zwei Städte (Regierungen) geben, sondern nur eine Stadt, eine himmlische Regierung, die eine, auf die Abraham wartete, eine Stadt, die einen Grund hat, eine in Gerechtigkeit errichtete Regierung, gegründet auf den sicheren Felsengrund der Gerechtigkeit Christi, des Erlösers, den Preis des für die Menschheit gegebenen Lösegeldes und die Festigkeit göttlicher Gerechtigkeit, die ebenso wenig die Erlösten verurteilen kann, wie sie vorher die Schuldigen entschuldigen konnte. – Röm. 8:31-34; 1. Kor. 3:11
Herrliche Stadt des Friedens, deren Wälle Heil, Schutz und Segen bedeuten für alle, die hineingehen, und deren auf Gerechtigkeit gebauter Grund nicht erschüttert werden kann, deren Baumeister und Entwerfer Gott ist! In dem Licht, das von diesem glorreichen Königreiche (der Stadt) Gottes ausstrahlt, sollen die Nationen auf dem Hoch-Weg der Heiligung zur Vollkommenheit und zu voller Harmonie mit Gott hinanwandeln Offb. 21:24. (Die folgenden Worte dieses Verses: „Die da selig werden“ fehlen in den zuverlässigsten, alten Handschriften, ebenso „und die Ehre“ in Vers 21:26.)
Wenn am Ende des Millenniums-Zeitalters die Menschheit zur Vollkommenheit gelangt sein wird, wie schon gezeigt wurde, soll sie zur Mitgliedschaft im Reiche Gottes zugelassen und ihr wie ursprünglich beabsichtigt, die vollständige Beherrschung der Erde übergeben werden; jeder Mensch wird ein Herrscher, ein König sein. Dies wird deutlich in den sinnbildlichen Prophezeiungen des Johannes (Offb. 21: 24-26) gezeigt; denn in dem Gesicht sah er nicht nur das Volk in ihrem (der Stadt) Licht wandeln, sondern er sah auch die Könige in Herrlichkeit in die Stadt eintreten; doch niemand konnte hineingehen, der sie beflecken würde. Niemand kann ein Angehöriger dieses Königreiches (dieser Stadt) werden, der nicht vorher durch und durch erprobt worden ist, niemand, der Betrug und Ungerechtigkeit lieben oder üben würde, nur die, welche das Lamm als des ewig dauernden Lebens würdig ins Buch des Lebens einschreibt, und zu denen es sagen wird: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das (König-) Reich, das euch bereitet ist.“
Es sollte daran erinnert werden, dass, obwohl die buchstäbliche Stadt Jerusalem wieder gebaut werden wird, und obwohl sie möglicherweise die Hauptstadt der Welt werden wird, doch viele Prophezeiungen, die Jerusalem und ihre künftige Herrlichkeit erwähnen, sich ihrer als eines Sinnbildes bedienen, um das in noch größerem Glanze zu errichtende Königreich Gottes zu beschreiben.
Von der künftigen Herrlichkeit der irdischen Stufe des Königreiches, welches Jerusalem repräsentiert, reden die Propheten in glühenden Ausdrücken; „Brechet in Jubel aus, jauchzet insgesamt, ihr Trümmer Jerusalems; denn Jehova hat sein Volk getröstet, hat Jerusalem erlöst.“ „Denn siehe, ich wandle Jerusalem in Frohlocken um und sein Volk in Freude.“ „Freuet euch mit Jerusalem und frohlocket über sie, … da ihr euch ergötzet an der Fülle ihrer Herrlichkeit. Denn so spricht Jehova: Siehe, ich wende ihr Frieden zu wie einen Strom und die Herrlichkeit der Nationen wie einen überflutenden Bach. „In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron Jehovas nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln.“ „Und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg (Königreiche) Jehovas, zum Hause des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln in seinen Pfaden. Denn von Zion (der geistigen Stufe) wird das Gesetz ausgehen und das Wort Jehovas von Jerusalem“ – der irdischen Stufe. (Jes. 52:9; 65:18; 66:10-12; Jer. 3:17; Jes. 2:3)
Wenn wir die vielen kostbaren, Israel zugesprochenen Verheißungen künftigen Segens betrachten und eine genaue Erfüllung derselben für jenes Volk erwarten, so dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es als Volk eben sowohl vorbildlich als wirklich gemeint war. In gewisser Hinsicht war es vorbildlich von der ganzen Menschheit, und sein Gesetzesbund des Gehorsams und des Lebens war vorbildlich vom Neuen Bunde, der während des Millenniums und für die kommenden Zeitalter mit der Welt aufgerichtet werden soll.
Das Blut der Versöhnung unter seinem vorbildlichen Bund und die Priesterschaft, die dasselbe für das Volk verwendete, waren Vorbilder des Blutes des neuen Bundes und der Priesterschaft, welche während des Millenniums die Reinigung und Segnung desselben der ganzen Welt zuwenden wird. So war seine Priesterschaft das Vorbild des Christus und jenes Volk das Vorbild aller, für die das wahre Opfer gebracht wurde und für welche die wahren Segnungen kommen sollen – „für alle“, „für die ganze Welt“.
Darum lasst uns daran erinnern, dass, wenn auch der zukünftige Segen, wie der der Vergangenheit, den Juden zuerst und dann auch anderen Nationen gehört, es doch nur eine Zeitfrage sein wird, da die Juden zu göttlicher Gnade den Vortritt haben; und dies wird, wie wir gezeigt haben, die natürliche Folge ihrer Erziehung unter dem Gesetze sein, das in bestimmter Zeit seinen Zweck an ihnen erreichen wird, sie zu Christo zu bringen. Obwohl dasselbe beim ersten Advent nur einen Überrest einbrachte, wird es sie beim zweiten Advent als Volk herbeibringen, und als Volk werden sie eine Erstlingsfrucht unter den Völkern sein. Zuletzt wird jeder Israel verheißene Segen, ausgenommen der die erwählten Klassen betreffende, nicht nur eine tatsächliche Erfüllung an jenem Volke haben, sondern auch eine gegenbildliche Erfüllung an allen Geschlechtern der Erde. Unter jener Regierung wird Gott „einem jeden vergelten nach seinen Werken: Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden jedem, der das Gute wirkt, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen; denn es ist kein Ansehen der Person bei Gott“. – Röm. 2:6, 10, 11
Der Apostel Paulus richtet unsere Aufmerksamkeit ganz besonders auf die Gewissheit der Israel für die Zukunft gegebenen Verheißungen Gottes und zeigt, welche Gnaden es durch Unglauben verloren und welche ihm noch gewiss sind. Er sagt, dass Israel als Volk um seines Hochmuts, seiner Herzenshärtigkeit und seines Unglaubens willen das, was es suchte, die erste Stellung in der Gnade und dem Dienste Gottes, nicht erlangt hat. Paulus bezieht sich hier nicht auf alle Geschlechter Israels, von Abraham an, sondern auf die Generation, die zur Zeit des ersten Advents lebte; und seine Worte sind auf alle seine Geschlechter anwendbar, die während des Evangeliums-Zeitalters lebten, des Zeitalters, in dem die höchste Gnade dargeboten worden ist – der hohe Ruf zur göttlichen Natur und zur Miterbschaft mit Jesu. Diese Gnade zu erkennen und zu ergreifen hat Israel verfehlt. Und obwohl Gott die Nationen heimsuchte und viele derselben durch das Evangelium berief, so werden doch auch sie, wie das fleischliche Israel, das himmlische Kleinod zu erlangen verfehlen. Doch wird eine Klasse, ein Überrest, eine kleine Herde unter den Gerufenen den Ruf annehmen und durch Gehorsam und Selbstopferung ihre Berufung und Erwählung festmachen. Was sonach Israel als Volk zu erlangen verfehlte, und was die Namenkirche der Christenheit ebenfalls zu erlangen verfehlt, das wird der erwählten oder ausgewählten Klasse, dem treuen „Leibe Christi“, gegeben, der da erwählt oder erkoren ist (dem Vorherwissen Gottes gemäß) durch Heiligung des Geistes und Glauben der Wahrheit. – 2. Thess. 2:13; 1. Petr. 1:2
Obwohl aber Israel durch die Verwerfung des Messias diese besondere Gnade einbüßte, so zeigt Paulus doch, dass dies nicht beweise, dass es gänzlich von der Gnade abgeschnitten sei; denn es hatte noch das gleiche Anrecht, in Christum eingepfropft zu werden und auf die gleichen geistigen Gnaden, die auch der übrigen Menschheit offenstanden, wenn es während der Zeit, wo der Ruf erging, denselben im Glauben angenommen hätte, denn, urteilt Paulus, Gott kann es eben sowohl wieder einpfropfen, wie er die wilden Zweige einpfropfen konnte, und ist ebenso willig dazu, wenn es nicht im Unglauben verharrt. – Röm. 11:23, 24
Doch mehr noch, Paulus zeigt, dass, obwohl Israel den Hauptsegen, das „was es suchte“, den ersten Platz im Königreiche Gottes, verlor, doch noch große Verheißungen an diesem Volke zu erfüllen übrig sind; denn, so schließt er, Gottes Gaben, Berufungen, Bündnisse und Verheißungen können nicht unerfüllt beiseite gelegt werden. Gott kannte das Ende vom Anfange an, er wusste, dass Israel den Messias verwerfen würde, und seine ihm mit diesem Vorherwissen gegebenen unzweideutigen Verheißungen geben uns die Gewissheit, dass Israel im Dienste des Herrn noch als sein Werkzeug bei der Segnung der Welt verwendet werden soll, obwohl Israel das, was es suchte, die höchste Gnade, nicht erlangt hat. Paulus geht dann weiter und zeigt, dass Gottes Bundesverheißungen an Israel derart waren, dass es dabei offen und unentschieden blieb, ob es als Volk der himmlische oder irdische Same sein würde – ob es den höheren oder niederen Dienst, von denen die Verheißungen reden, ererben und ausführen würde. Gott hielt die höhere, geistige Gnade oder Gabe bis zur festgesetzten Zeit geheim, und die ihm zuteil gewordenen Verheißungen erwähnten nur die irdische Gnade, und doch hat er es mit dem Anerbieten der geistigen Gnade begünstigt und ihm so mehr angeboten, als er je verheißen hatte. Mit wenig Worten, die himmlischen Verheißungen waren in den irdischen verborgen. Diese irdischen Verheißungen, sagt Paulus, können nicht fehlen, und dass die verborgene Gnade ihm zuerst angeboten wurde, und Israel in Blindheit sie verwarf, kann den anderen Teil der Verheißung in keiner Weise wertlos oder ungültig machen. Daher erklärt er, dass, obwohl Israel als Nation während der Zeit, wo die Braut Christi aus Juden sowohl als auch aus Nationen ausgewählt worden ist, von der Gnade abgeschnitten war, noch die Zeit kommen wird (wenn der Erlöser oder Befreier, der Christus, Haupt und Leib, vollzählig und vollendet sein wird), wo die göttliche Gnade zum fleischlichen Israel zurückkehren und der glorreiche Befreier „abwenden werde das gottlose Wesen von Jakob und also das ganze Israel gerettet (zur Gnade zurückgebracht) werde“, wie im Propheten geschrieben steht. (Das geistige Israel wird niemals „Jakob“ genannt.) Die Worte des Apostels sind: „Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, auf dass ihr nicht euch selbst klug dünket: dass Verstockung (Verblendung) Israel zum Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird (bis die volle aus den Nationen ausgewählte Anzahl vorhanden ist); und also wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: „Es wird aus Zion der Erretter kommen (der Christus, Haupt und Leib), er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde“. Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde, um euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber (noch) Geliebte, um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und Berufungen Gottes sind unbereubar. Denn gleichwie (auch) ihr (Nationen) einst Gott nicht geglaubt habt, jetzt aber unter die Begnadigung gekommen seid durch den Unglauben dieser, also haben auch jetzt diese an eure Begnadigung nicht geglaubt, auf dass auch sie (durch die verherrlichte Kirche) unter die Begnadigung kommen. Denn Gott hat alle zusammen in den Unglauben eingeschlossen, auf dass er alle begnadige. – (Vergleiche Röm. 5:17-19) – Oh Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes.“ (Röm. 11:25-33)
Die Erben des Königreiches
„Wer wird steigen auf den Berg (Sinnbild vom Königreich) Jehovas und wird stehen an seiner heiligen Stätte (Tempel)? Der unschuldiger Hände und reinen Herzens ist.“ (Psalm 24:3, 4)
Die Stadt Jerusalem war auf einer Bergspitze erbaut – einer doppelten Spitze, denn sie war durch das Tal Tyropäon in zwei Teile geteilt. Doch war es eine Stadt, ungetrennt, von einer Mauer umgeben und mit Brücken, die beide Teile verbanden, versehen. Auf dem höheren dieser zwei Bergspitzen wurde der Tempel Gottes erbaut. Das möchte so verstanden werden, dass es die Vereinigung der königlichen und priesterlichen Qualität in der verherrlichten Kirche symbolisiert oder das eine Königreich Gottes in seinen zwei Phasen – dem geistigen Tempel, nicht von irdischem Ursprung, sondern von einer neuen, himmlischen oder geistigen Art (Hebr. 9:11), geschieden von der irdischen Stufe, und doch mit ihr verbunden.
David nimmt auf diese beiden Orte Bezug. Es war eine Ehre, zur Stadt zu gehören und eine noch größere Ehre, in den heiligen Tempel aufzusteigen, in den heiligen Bereich, in welchen einzutreten nur den Priestern erlaubt war. Und David zeigt, dass Reinheit des Lebens und Aufrichtigkeit des Herzens von jedem gefordert werden, der zu einer dieser Ehren gelangen will. Die, welche zum königlichen Priestertum gehören möchten, werden zur Reinheit ermahnt, wie auch der Hohepriester unseres Bekenntnisses rein ist, wenn sie zur Miterbschaft mit ihm für würdig erachtet werden wollen. Und wer solche Hoffnung zu ihm hat, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist. Das ist, wie wir schon gezeigt haben, eine Reinheit der Gesinnung, der Absichten, die uns als vollständige oder tatsächliche Reinheit angerechnet wird, weil Christi zugerechnete Reinheit unsere unvermeidlichen Mängel ersetzt und unsere unvermeidlichen Schwachheiten ausgleicht, wenn wir nach dem Geiste und nicht nach dem Fleische wandeln.
Doch vergessen wir nicht, dass Reinheit, Aufrichtigkeit und gänzliche Weihung bei allen, die zu irgendwelcher Stufe im Königreiche Gottes kommen wollen, ein wesentliches Erfordernis ist. So war es mit jenen alten Heiligen, welche die irdische Stufe des Königreiches unter dem Christus ererben werden. Sie liebten Gerechtigkeit, hassten Gottlosigkeit und waren tief betrübt und reuevoll, wenn sie von einem Fehler übereilt worden waren und durch eine Schwachheit oder anklebende sündige Gewohnheit zu Falle kamen. So war es auch mit den Treuen des Evangeliums-Zeitalters; und so wird es auch mit „allem Fleische“ sein, wenn im Millenniums-Zeitalter der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit, auf „alles Fleisch“ ausgegossen sein wird. Die Überwinder jenes Zeitalters müssen ebenfalls nach Reinheit des Herzens und Lebens ringen, wenn sie nach Gottes Anordnung das Recht erlangen wollen, die Stadt zu betreten, das Königreich zu ererben, die wiederhergestellte ursprüngliche Herrschaft, bereitet für sie von Grundlegung der Welt an.
Das eiserne Regiment
Es ist ein Irrtum, den viele hegen, dass, wenn Christi tausendjähriges Königreich eingeführt sei, jedermann mit seiner Regierung gar wohl zufrieden sein werde. Doch nicht also. Der Christus wird es mit seinen Verordnungen viel genauer nehmen als irgendeine frühere Regierung und die Freiheit des Volkes wird in solchem Grade eingeschränkt werden, dass es manchem, der jetzt auf eine Vermehrung der Freiheit aus ist, recht unbequem vorkommen wird. Die Freiheit, zu betrügen, zu verleumden, zu übervorteilen und den Schwächeren zu unterdrücken, wird gänzlich abgeschnitten sein. Die Freiheit, sich selbst oder andere in Essen oder Trinken zu schädigen oder in irgendwelcher Weise gute Sitten zu verderben, wird allen gänzlich versagt sein. Keinem wird Freiheit gelassen werden, irgendwelches Unrecht zu tun. Die einzige Freiheit, die dann gestattet werden wird, ist die wahre und herrliche Freiheit der Söhne Gottes, die Freiheit, sich und anderen auf alle Weise Gutes zu tun; aber nichts wird erlaubt sein, das verletzt oder verdirbt in seinem ganzen heiligen Königreich (Jes. 11:9; Röm. 8:21). Folglich wird jene Herrschaft von gar vielen als eine strenge und harte empfunden werden, weil sie alle ihre früheren Gewohnheiten und Gebräuche, wie auch alle auf solche falschen Gewohnheiten und verkehrte Auffassung von Freiheit sich gründenden Einrichtungen der Gegenwart abbricht. Um ihrer Festigkeit und Kraft willen wird sie sinnbildlich eine eiserne Herrschaft genannt: „Er wird sie weiden mit eiserner Rute.“ (Offb. 2:26, 27; Ps. 2:8-12; 49:14). So wird die Aussage erfüllt werden: „Und ich werde das Recht zur Richtschnur machen und die Gerechtigkeit zum Senkblei. Und der Hagel (gerechtes Gericht) wird hinwegraffen die Zuflucht der Lüge, und die Wasser (Wahrheiten) werden den Bergungsort wegschwemmen“ – und alles, was im Finstern verborgen ist, wird ans Licht gebracht werden. – Jes. 28:17; Matth. 10:26
Viele werden gegen diese vollkommene, allen gerecht werdende Herrschaft widerspenstig sein, weil sie unter der Herrschaft des gegenwärtigen Fürsten gewohnt waren, ihre Mitmenschen zu beherrschen und auf anderer Kosten zu leben, ohne entsprechenden Gegendienst zu leisten. Und viel und schwer werden die Streiche sein, die ein Leben der Selbstbefriedigung und des Eigennutzes naturgemäß fordern und empfangen wird, ehe solche gelernt haben werden, was das Königreich sie lehren will – Billigkeit, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit (Psalm 89:32; Luk. 12:47, 48). Die Lektion über diesen Gegenstand kommt zuerst der noch lebenden Generation zu und steht nahe vor der Tür. – Jak. 5:1-5
Doch, glückseliger Gedanke, wenn der Lebensfürst mit eiserner Herrschaft die Gesetze der Gerechtigkeit und Billigkeit in Kraft gesetzt hat, dann wird die Masse der Menschheit lernen, dass „Gerechtigkeit eine Nation erhöht, aber Sünde ist der Völker Schande“. (Spr. 14:34) Sie werden lernen, dass am Ende Gottes Plan und Gottes Gesetz für alle Beteiligten am besten ist, und schließlich werden sie Gerechtigkeit lieben und Ungerechtigkeit hassen (Psalm 45:8; Hebr. 1:9). Alle, die während dieser Herrschaft das Recht nicht lieben gelernt haben, werden als dauernden Lebens nicht wert erachtet und aus dem Volke vertilgt werden. – Apg. 3:23; Offb. 20:9; Ps. 11:5-7
Das Königreich ewig dauernd
„Und Jehova wird König sein über die ganze Erde an jenem Tage.“ (Sach. 14:9) Das Reich, das er herstellen und während des Millenniums in Christi Hand legen wird, wird Jehovas Königreich sein; doch wird es sich unter der direkten Herrschaft Christi, seines Statthalters, befinden, ganz in ähnlicher Weise, wie die Regierung der Vereinigten Staaten mit den Südstaaten nach der Rebellion verfuhr. Eine Zeitlang wurde es den Südstaaten nicht gestattet, durch eigene Wahl ihrer Beamten sich selbst zu regieren, weil sonst zu befürchten war, dass sie den verfassungsmäßigen Gesetzen der Union nicht nachkämen; sondern mit voller Gewalt ausgerüstete Gouverneure wurden eingesetzt, um diese Regierungen wieder aufzubauen und sie zur vollen Harmonie mit der Zentralregierung zurückzuführen. So ist die spezielle Herrschaft Christi über die Angelegenheiten der Erde auf eine bestimmte Zeit beschränkt und für einen besonderen Zweck errichtet und wird mit der Hinausführung dieses Zweckes ihr Ende erreicht haben. Durch seine Empörung verwirkte der Mensch seine gottgegebenen Rechte, unter anderem seine Selbstregierung im Einklang mit Jehovas Gesetzen. Gott ließ durch Christum alle diese Rechte zurückkaufen und sicherte dadurch dem Menschen nicht nur seine persönliche Rückkehr zu seinem vorigen Zustande, sondern auch zu seinem vorigen Besitzrechte, ein König der Erde zu sein. Dieses Zurückbringen des Menschen aber, wie Gott es beschlossen hat, auf eine Weise, die am besten geeignet ist, die Lehren gegenwärtiger Erfahrung eindrücklich zu machen – indem die Forderung an ihn gestellt wird, bei seiner eigenen Wiederherstellung selbst mit Hand anzulegen – wird eine starke, eine vollkommene Regierung erfordern. Und diese Ehre, des Menschen Wiederherstellung zu vollbringen, ist Christo übertragen worden, der da starb, um das Recht dazu zu sichern; und „er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt habe“ – bis keiner mehr da ist, der ihn nicht anerkennt und ehrt und ihm gehorcht. Dann, wenn er seine Aufgabe, den Wiederaufbau oder die Wiederherstellung der Menschheit, vollbracht hat, wird er das Königreich dem Gott und Vater übergeben, und die Menschheit wird, wie zuerst, unmittelbar mit Jehova zu tun haben, das Mittleramt des Menschen Christus Jesus hat dann das große Werk der Wiederaussöhnung voll und ganz vollbracht. – 1. Kor. 15:25-28
Wenn das Königreich dem Vater überantwortet ist, wird es noch immer das Königreich Gottes sein, und die Gesetze bleiben stets die gleichen. Die dann vollkommen hergestellte Menschheit wird fähig sein, dem Buchstaben wie dem Geist nach vollkommenen Gehorsam zu leisten; während jetzt der Geist des Gehorsams oder der Versuch, Gottes Gesetz zu halten, alles ist, was Menschen leisten können. Der volle Buchstabe dieses vollkommenen Gesetzes würde sie augenblicklich zum Tode verurteilen (2. Kor. 3:6). Unsere Annehmbarkeit beruht nur auf dem Lösegeld Christi.
Bis der Mensch tatsächlich vollkommen ist, ist es „furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Hebr. 10:31). Weder jetzt noch bis er tatsächlich vollkommen ist, kann irgend jemand vor dem Gesetze der unweigerlichen Gerechtigkeit bestehen. Alle bedürfen der vergebenden Gnade, die so reichlich in Christi Verdienst und Opfer vorgesehen ist. Aber wenn Christus das Königreich dem Vater überantworten wird, dann wird er sie fehlerlos vor ihm darstellen, fähig, sich der ewig dauernden Glückseligkeit unter Jehovas vollkommenem Gesetze zu erfreuen. Alle Furcht wird dann ein Ende haben, und Jehova und seine wiederhergestellten Kreaturen werden in vollkommener Harmonie sein, wie am Anfang.
Am Ende des Millenniums, wenn Christus die Herrschaft über die Erde dem Vater übergibt, tut er es, indem er sie der Menschheit, die von Anfang an als Gottes Stellvertreter zu dieser Ehre bestimmt war, überliefert (1. Kor. 15:24; Matth. 25:34). So dauert dann das Königreich Gottes ewig. Und das ist es, was wir aus dem Munde unseres Herrn vernehmen: „Dann wird der König sagen zu denen zu seiner Rechten (zu denen, die während der Millenniums-Herrschaft durch ihren Gehorsam die Stellung der Gnade erlangt haben): Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Königreich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“
Dieses Königreich und diese Ehre, die für die Menschen bereit stehen, dürfen nicht mit dem noch höheren Königreiche und der höheren Ehre, die den Christus erwarten, verwechselt werden, denn diese sind „verordnet vor der Welt (den Zeitaltern) zu unserer Herrlichkeit“ (1. Kor. 2:7), zu welcher „er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt“ (Eph. 1:4). Und wenn auch die besondere Mittlerschaft und Herrschaft Christi auf Erden, wie gezeigt worden ist, zu Ende geht, so muss man daraus nicht schließen, dass Christi Herrlichkeit, Herrschaft und Macht aufhören wird. O nein! Christus ist für immer mit aller göttlichen Herrlichkeit und Macht zur rechten Hand der Gnade Jehovas verbunden; und seine Braut und Miterbin wird für immer seine zunehmende Herrlichkeit teilen. Was für erhabene wunderbare Arbeit der Macht in anderen Welten dieses hoch erhöhte Werkzeug Jehovas erwartet, wollen wir hier nicht mutmaßen, sondern nur auf die unendliche Tatkraft der göttlichen Macht und auf die Größe und Ausdehnung des Universums (Weltalls) hindeuten.
Wahrlich, welcher Stufe des Königreiches auch unser Interesse und unsere Teilnahme sich zuwenden, es ist „das Ersehnte aller Nationen“; denn unter demselben sollen alle gesegnet werden. Wohl mag jeder ernstlich nach jener glorreichen Zeit verlangen; und alle sollten beten: „Dein Königreich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“. Hiernach verlangt und seufzt so lange die ganze Schöpfung, wartend auf die Offenbarung der Söhne Gottes, des Königreiches, das alle Völker segnen und alles Böse ausrotten soll (Röm. 8:19; 16:20).